Neues Wechselkennzeichen: Das Luftnummernschild
Ein Nummernschild für zwei Autos: Kurz vor Jahresende feierte das Verkehrsministerium die Einführung des "Wechselkennzeichens". Eigentlich eine tolle Idee - inzwischen aber zeigt sich, dass die umständliche Umsetzung keine Vorteile bringt. Eine Abrechnung.
Es war einmal eine richtig gute Idee. Was, wenn man ein Kennzeichen hätte, mit dem man zwei Autos fahren kann, aber nur Steuern und Versicherung für eins bezahlen muss? Ein Wechselnummernschild also, das man zum Beispiel vor der Fahrt in die Innenstadt von der großen Limousine abnimmt und an den kleinen Cityflitzer steckt? Oder das man einfach auf sein Wohnmobil schraubt, bevor man für sechs Wochen an die Atlantikküste fährt?
Es hätte so schön sein können. Die Menschen in Deutschland hätten Geld gespart, sie hätten sich vielleicht mehr Autos gekauft und den Staat hätten sie vermutlich auch geliebt. Wenn alles gut gegangen wäre, hätte er ja ein Stück Bürokratie abgeschafft. Er wäre lässig gewesen.
Das Beste dabei: Diese Idee ist keine wirre Utopie, sondern funktioniert in den Nachbarländern Schweiz und Österreich ganz hervorragend. Dort kann man ein Wechselkennzeichen beantragen, bezahlt dann Steuern und Versicherung für das größere, teurere Auto und für das zweite Auto nichts. Einzige Bedingung: Man darf nicht mit beiden Autos gleichzeitig fahren, sondern muss eins stehen lassen.
Kein Wunder also, dass am Anfang alle ganz begeistert waren. Peter Ramsauer, unser Verkehrsminister, weil er endlich mal wirklich etwas bewegt hätte. Also etwas, das die Bürger auch bemerken. Der ADAC, weil mehr verkaufte Autos mehr Pannen und damit vielleicht mehr Mitglieder bedeutet hätten. Und die "Autobild", die dachte, sie könne sich damit profilieren.
Doch leider ist Deutschland nicht lässig. Und so wurde im Laufe der Zeit aus einer tollen, eigentlich ganz einfachen Idee etwas sehr Kompliziertes, Schweres, Sinnloses. Erst sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble, dass er nicht auf die Kfz-Steuer verzichten wollte. Als die Steuerbefreiung vom Tisch war, hielten sich plötzlich auch die Versicherer bei den Rabattversprechen stark zurück.
Als dann im Dezember das Wechselkennzeichen den Bundesrat passierte, war es so richtig schön bescheuert deutsch, ein Nummernschild nämlich, bei dem man für zwei Autos Steuern und Versicherung bezahlt, für das man dann ab Sommer des Jahres, wenn es in Kraft tritt, zweimal zur Zulassungsstelle marschieren und zweimal den ganzen Papierkram erledigen muss. Man hätte damit also den finanziellen und bürokratischen Aufwand von zwei Autos, könnte aber immer nur eins zur Zeit fahren.
Das Seltsame daran: Auf der Website des Verkehrsministeriums strahlte den Besucher nach der Abstimmung Peter Ramsauer von einem Foto aus an, überschrieben mit der Zeile "Das Wechselkennzeichen kann kommen!", ganz so, als wäre dem Minister damit ein wirklich großer Wurf gelungen. Darunter stehen - bis heute - ein paar verschwurbelte Schlagwortsätze, zum Beispiel, dass die Regelung Anreize für Elektromobilität schaffe, und die Tatsache, dass das Kennzeichen nur an einem Fahrzeug geführt würde, von den Versicherern "bei der Bemessung der Versicherungsprämie berücksichtigt" werden könne.
"Es ist kein großer Wurf"
Aber stimmt das wirklich? Gibt es wenigstens wirklich eine billigere Versicherung für das Wechselkennzeichen? Anfragen bei den führenden deutschen Kfz-Versicherern ergaben bisher keine konkrete Hoffnung auf finanzielle Entlastung. Der Tarif befinde sich "in der Planung", werde "gerade erarbeitet", vermutlich im "Sommer des Jahres" bekanntgegeben hieß es unisono von Anbietern wie der Zürich, HUK Coburg oder der DEVK. Euphorie sieht anders aus, und Details wollte keiner der angefragten Versicherer herausgeben. Lediglich die Sprecherin der DEVK ließ sich zur Äußerung hinreißen, dass Kunden mit einem "Beitragsnachlass" rechnen können.
Nur: Einen "Beitragsnachlass" bekommt man heute schon, wenn man ein Zweitfahrzeug zulässt. Und das kann man dann wenigstens fahren. "Auch ein stehendes Fahrzeug birgt Risiken", wirbt Claudia Herrmann, Sprecherin der Allianz Versicherung, für Verständnis dafür, dass sich die Versicherungen nicht zu einer Befreiung durchringen wollen. "Wenn zum Beispiel Öl ausläuft und ein Umweltschaden entsteht, ist das ein Fall für die Haftpflicht. Und wenn beim Sturm ein Ast auf das Auto fällt, sollte die Kasko greifen".
Das stehende Auto ist also gefühlt genauso riskant wie das rasende, und die Hoffnung auf einen spürbaren Nachlass bei der Versicherung geht bei fortschreitender Recherche stetig gegen null - es will nur niemand zugeben. Da ist es fast schon befreiend, wenn Katrin Rüter vom Gesamtverband der Versicherer sagt: "Ich denke nicht, dass das Wechselkennzeichen einen finanziellen Vorteil bietet. Und ich glaube auch nicht, dass es in dieser Form besonders nachgefragt sein wird."
Ein guter Punkt. Denn wenn das Wechselkennzeichen keinen finanziellen Vorteil bietet, wer soll es dann nutzen und warum? Auch das Verkehrministerium tut sich auf konkrete Anfrage schwer damit, ein echtes Nutzungsszenario zu skizzieren. "Mit dem Wechselkennzeichen wird dem Wunsch zahlreicher Halterinnen und Halter zum Beispiel zweier unterschiedlicher Pkw oder eines Pkw und eines Wohnmobils entsprochen. Damit werden die bereits bestehenden Möglichkeiten der fahrzeugspezifischen Zulassung, beispielsweise bei Verwendung von Saisonkennzeichen, sinnvoll ergänzt", schreibt Ministerialrat Richard Schild im Auftrag von Peter Ramsauer.
Klar, für Wohnmobilfahrer sind Wechselkennzeichen toll, aber in der aktuellen Version fahren sie ja selbst mit einem normalen Saisonkennzeichen, mit dem sie ihr fahrendes Zuhause für die Monate Juni, Juli, August zusätzlich zum normalen Pkw anmelden, günstiger als mit dem Ramsauer-Kennzeichen.
Auch auf die Frage, warum das Wechselkennzeichen zum Kauf eines Elektroautos motivieren soll, hat das Verkehrministerium keine echte Antwort: "Wechselkennzeichen können auch Impulse setzen, sich für kürzere Strecken einen sparsamen Zweitwagen anzuschaffen. Damit kann das Wechselkennzeichen einen positiven Effekt für die Umwelt bewirken und ein Signal für die Automobilwirtschaft, insbesondere auch für Elektrofahrzeuge, setzen."
"Impulse setzen", "positiver Effekt", "Signal" - fast ist man versucht, eine Belohnung auszusetzen für denjenigen, der aus diesem Geschwurbel eine sinnvolle Antwort destillieren kann. Doch in Wahrheit gibt es die einfach nicht. Wie auch die von Ramsauer ins Leben gerufene "nationale Plattform für Elektromobilität", die bis 2020 dafür sorgen soll, dass in Deutschland eine Million Elektroautos fahren, bislang aber kein Konzept für eine Ladeinfrastruktur oder andere drängende Fragen vorlegen kann, handelt es sich bei dem Wechselkennzeichen um reine Schlagwortpolitik.
Und zum Glück finden wir am Ende der Recherche auch noch einen der Initiatoren, der das bestätigt. Jochen Österle, Pressesprecher des ADAC, sagt: "Es ist kein großer Wurf". Er spricht am Telefon lange darüber, wie es eigentlich geplant und was für eine gute, einfache Idee es war, und wie dann daraus etwas ganz und gar Sinnloses wurde. Er sagt, dass sich bei den Versicherungen noch etwas tun könne, und dass es immer gut sei, wenn überhaupt etwas passiert. Aber er sagt auch: "Wenn das Wechselkennzeichen, so wie es ist, in ein paar Jahren wieder begraben wird, ist es auch nicht weiter schlimm."
Man wünschte sich jetzt nur noch, dass sich Peter Ramsauer dazu bekennen würde. Das Wechselkennzeichen ist, so wie es am Ende verabschiedet wurde, eine Luftnummer. Es ist ein Luftnummernschild.