Indizierung
Auszüge von dem Indizierungsbericht: "Der nette Mann "
Tonträger
Auszüge von dem Indizierungsbericht:
"Böhse Onkelz - Der nette Mann" 1984, Rock-O-Rama-Records
Sachverhalt
1. Der Verfahrensbeteiligte vertreibt die Platte "Der nette Mann" von der Gruppe "Böhse Onkelz". Die Langspielplatte ist 1984 erschienen.
2. Auf dem Plattencover ist auf der Vorderseite neben der Aufschrift "Böhse Onkelz" und "Der nette Mann" und das Foto einer teilweise verstümmelten und verschmierten Kinderspielpuppe abgebildet. Die Rückseite des Plattencovers zeigt eine Fotografie von Mitgliedern der Musikgruppe "Böhse Onkelz". Unter dem Foto sind folgende Grüße abgedruckt: "alle ffm-skinheads, die hh un berlin skins die namenlosen helfern der binding brauerei, unsere Frauen, hubi, die es.ge.eh., den ha.es.vau und an die ONKELZ SECURITY".
Die Schallplatte enthält folgende Liedbeiträge:
1. Frankreich '84
2. Fußball und Gewalt
3. Der nette Mann
4. Deutschland
5. Singen und tanzen
6. Mädchen
7. Tanz auf deinem Grab
8. Dr. Martens Beat
9. Vereint
10. Freibier
11. Stolz
12. Freitag Nacht
13. Böhse Onkelz
14. Alkohol
9. Die Indizierungsanträge sind begründet. Die Schallplatte "Der nette Mann" der Musikgruppe "Böhse Onkelz" ist in die Liste der jugendgefährdender Schriften aufzunehmen.
Schallplatten gehören zu den in § 1 Abs. 3 GjS genannten Ton- und Bildträgern, die den Schriften gleichstehen. Die Schallplatte ist daher eine Schrift im Sinne der GjS. Die Schallplatte "Der nette Mann" ist jugendgefährdend. Sie ist geeignet, Kinder oder jugendliche sozialethisch zu desorientieren, wie der Begriff "sittlich zu gefährden" nach höchstrichterlicher Rechtssprechung auszulegen ist, § 1 Abs. 1 GjS. Einige Lieder dieser Schallplatte propagieren nationalsozialistisches Gedankengut, andere fordern zu Gewalttätigkeiten auf und eines der Lieder hat pornographischen Inhalt.
10. Das Lied "Frankreich '84" fordert vordergründig dazu auf, zur Fußballeuropameisterschaft 1984 nach Frankreich zu fahren. Diese Fahrt zur Unterstützung der Deutschen Mannschaft bei der Fußballeuropameisterschaft sehen die Gruppenmitglieder der Band als einen Frankreichüberfall. Sie spielen damit auf die Ereignisse im Zweiten Weltkrieg an. Sie stellen damit den Kriegsbeginn mit Frankreich als positiv dar. Nationalsozialistisches Gedankengut, insbesondere die Vorherrschaft und Dominanz des deutschen Volkes werden propagiert. Die Zuhörer werden aufgefordert, "zu zeigen wer wir sind". Deutschland wir als "die Macht", als "der nationale Sieger" dargestellt. Wir können und sollen für unser Land gerade stehen. Im Gegensatz dazu werden die französischen Spieler bzw. das ganze französische Volk als minderwertig dargestellt. Sie sind nicht faire Gegner, denen man sich im Kampf stellt, die Franzosen stehen vielmehr auf einer solch niedrigen Stufe, dass man ihnen "vor die Füße pissen" muss. Das französische Volk wird wie Freiwild beschrieben. Damit wird das Bekenntnis der Bundesrepublik Deutschland als demokratischen Rechtsstaat zu einem gleichberechtigtem Mitglied der Völkergemeinschaft in Frage gestellt; die Völkerverständigung unter Einschluss gerade auch der Aussöhnung des deutschen Volkes mit den früheren Kriegsgegnern wird negiert. Ein Handeln wird gefordert, dass die Bemühungen der Völkerverständigung und der Anerkennung zu nichte macht. Die nationalsozialistische Tendenz des Liedes "Frankreich '84" steht im Widerspruch zu der im Artikel 25 Grundgesetz vorgegebenen Wertordnung. Dort wird die Bindung des Völkerrechts für die deutsche Bevölkerung vorgeschrieben. Handlungen, die das friedliche Zusammenleben der Völker stören, widersprechen dieser Wertordnung. Ein Lied, das sich offen gegen die Völkerverständigung ausspricht und -mehr noch- dazu auffordert, einen als minderwertig beschriebenen Volksstamm zu beleidigen, führt zu einer sozialethischen Verwirrung. Dieses Lied ist jugendgefährdend.
11. "Fußball und Gewalt" Gewalt wird in diesem Lied als etwas Normales beständiges beschrieben. Der mit den Fäusten ausgetragenen Kampf wird als legitimes und gängiges Konfliktlösungsmittel dargestellt. Wer mit Gewalt vorgeht, ist nicht allein, er findet Zuspruch von allen Seiten; alle anderen im "Fußballstadion" helfen ihm. Insbesondere junge Rezipienten werden durch das Lied zur Begehung von Gewalttätigkeiten, Verbrechen oder anderen Straftaten angestiftet. Schlägereien im Fußballstadion werden als herrlich, vorbildlich und nachahmenswert beschrieben. Damit besteht die Gefahr, das Jugendliche solche Verhaltensweisen übernehmen, sich aneignen und mit Gewalt gegen ihre Mitmenschen vorgehen.
12. Das Lied "Der nette Mann" hat der Gesamtschallplatte seinen Namen gegeben. Ihm ist die verstümmelte und mit Blut verschmierte Kinderspielpuppe auf der Titelseite des Plattencovers zuzuordnen. Dieses Lied stellt nicht nur Grausamkeiten dar, es predigt auch eine gefühllose Gesinnung gegenüber kleinen Kindern. Es verherrlicht Kindesmisshandlungen und -zerstückelungen, es predigt Mord an kleinen Kindern, § 211 StGB. Das Lied ist geeignet, rohe Instinkte zu wecken. Eine Gefühllose, gegen Schicksal und Leiden anderer abgestumpfte Gesinnung wird hervorgerufen bzw. intensiviert. Die Begehung von schwersten Gewalttätigkeiten und Verbrechen wird verherrlicht. Perverses Menschenschlachten wird als herrlich, vorbildlich und nachahmenswert geschildert. Es ist zu befürchten, dass sich insbesondere junge Leute durch das rezipieren dieses Liedes zu Gewalttätigkeiten hinreißen lassen.
13. Aufforderungen zu Gewalttätigkeiten enthält ebenfalls das Lied "Dr. Martens Beat". Mit dem Namen "Dr. Martens Beat" bezeichnen die Autoren spezielle englische Werftarbeiterschuhe, deren Markenname Dr. Martens ist. In diese Schuhe sind Stahlkappen eingearbeitet ("hässlich, gewalttätig und brutal", der rechte Flügel der westdeutschen Jugendszene: Die Skinheads, Der Spiegel, Magazin, Ausgabe Nr. 26/86, S86, S87 ff.). Das Lied fordert zwar nicht auf - wie das Lied "Der nette Mann"- kleine Kinder zu zerstückeln; die Aufforderung zur Gewalt richtet sich hier "nur" gegen die körperliche Integrität, eine direkte Aufforderung zum Töten wird nicht gegeben. Es wird zwar nicht der Mord verherrlicht, statt dessen wird zu brutalen Schlägereien und zu Tritten mit Schuhen, ausgerüstet mit Stahlkappen, aufgefordert. Wiederum wird besonders brutales Verhalten verherrlicht, als vorbildlich und nachahmenswert propagiert. Wiederum wird Gewalt beständig als etwas Normales geschildert. Brutale Kampfauseinandersetzungen werden als legitimes und gängiges Konfliktlösungsmuster dargestellt Prügeleien sind an der Tagesordnung, diese kann man nur durch brutale Kampfmethoden und durch den Einsatz von Hilfsmitteln, wie etwa Stahlkappenschuhen, gut bestehen. Andere friedlichere Konfliktlösungsmuster werden nicht beschrieben; ein Kampf muss nicht vermieden, vielmehr die Gegner rücksichtslos zermalmt werden.
14. Das Lied "Böhse Onkelz". Dieses Lied ist jugendgefährdend, weil es die nationalsozialistische Ideologie unreflektiert übernimmt und deren Gedankengut darüber hinaus propagiert. Deutschland wird als die einzige Macht beschrieben. Das deutsche Volk ist das einzige wertvolle, alle anderen Völker zählen nichts. Rassistische Tendenzen treten offen zu Tage. Der nationalsozialistische Staat wird als erstrebenswertes Ziel dargestellt. Wie oben unter Punkt 4 näher dargelegt, propagiert auch diese Lied problematische politische Tendenzen, die der Wertordnung unseres Grundgesetzes völlig entgegen stehen. Das Bekenntnis der Bundesrepublik Deutschland zum Rechtsstaat als gleichberechtigtem Partner in der Völkergemeinschaft wird missachtet, ein diametral entgegengesetztes Leitbild wird propagiert.
Das Lied "Mädchen". Das Lied ist pornographisch i.S.v. §6 Abs. 2 GjS i.V.m. § 184 Abs.1 StGB. Es fordert nämlich zu ungehemmter Sexualität auf, propagiert Fellatio und Promiskuität. Es ist damit offensichtlich schwer jugendgefährdend und übersteigt das bei §1 Abs 1 Satz 2 GjS geforderte Maß an Jugendgefährdung. Das Lied degradiert die Frau zum sexuellen Konsumartikel und jederzeit benutzbaren Gegenstand für den Mann. Die Frau wird als sexuelles Lustobjekt dargestellt. Die sexuelle Befriedigung wird als der der allein menschliche Dasein beherrschende Wert dargestellt. Jugendlichen wird damit die Integration der Sexualität in ihrer Gesamtpersönlichkeit erschwert.
16. Die Jugendgefährdung ist auch offenbar i.S.v. § 15a GjS. Sie tritt offen und zweifelsfrei zutage. Die erhellt einmal aus dem pornographischen Lied "Mädchen", das § 6 Nr. 2 GjS als schwer jugendgefährdend einordnet. Dies wird dem Zuhörer aber auch anhand der Gewalttaten bis zum Mord auffordern den Lieder sowie der Songs mit nationalsozialistischen Inhalt deutlich.
17. Ausnahmetatbestände nach § 1 Abs 2 GjS kommen nicht in Betracht. insbesondere stellen die Lieder auf der Schallplatte keine Kunst dar und dienen ihr auch nicht. Ein Kunstwerk liegt nämlich nur dann vor, wenn ein bestimmtes Maß an künstlerischem Niveau vorliegt. Dies beurteilt Sich nicht allein nach ästhetischen Kriterien, sondern auch nach dem Gewicht, dass das Kunstwerk für die pluralistische Gesellschaft nach deren Vorstellungen über die Funktion der Kunst hat. Dabei ist nicht nur auf die Stilrichtung der Musik sondern auch auf den Inhalt der Texte abzustellen. Die Lieder der vorliegenden Schallplatte sind für die pluralistische Gesellschaft ohne jede Bedeutung. Weder die Stilrichtung der Musik noch die Inhalte der Texte sind so bedeutsam bzw. von derart hohem künstlerischem Gewicht, dass sie der Kunst dienen würden.
18. Ein Fall von geringer Bedeutung i.S.v. § 2 GjS kommt vorliegend nicht in Betracht. Dies vor allem wegen des hohen Maßes an Jugendgefährdung, die von den einzelnen Liedern dieser Schallplatte ausgeht. Im Übrigen ist für die Anwendung von § 2 GjS bislang nichts vorgetragen worden.
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