Republikflucht einmal anders
Republikflucht einmal anders
Frank Rauscher (teleschau - der mediendienst)
(tsch) "Republikflucht" ist ein Wort, das heute kein Mensch mehr braucht. In den 80er-Jahren, vor der Wende, war das anders. Wer aus der DDR in den Westen "rübermachte", galt als "Republikflüchtiger". Ein wenig populäres Thema für einen Film von heute, möchte man meinen. Das Drama "Lilly unter den Linden", das 3sat nun in einer Wiederholung zeigt, entstand 2002 und spielt im Jahr 1988. Es bringt Deutsche in Ost und West einander so nahe, wie das bislang nur wenigen Produktionen gelungen ist.
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Till (Tobias Unkauf, vorne) und Rolf (Roland Schäfer) warten auf die Ankunft von Lena.
Bild: ZDF / MDR
Dabei ist die Idee (Buch: A. C. Voorhoeve) fast ebenso absurd wie die innerdeutschen politischen Beziehungen der damaligen Zeit. Im Mittelpunkt steht Lilly (Cornelia Gröschel, die mittlerweile 20-jährige Schauspielerin spielte unter anderem in "Experiment Bootcamp" und "Tornado"), die flüchten will. Allerdings nicht aus der DDR, sondern in die DDR, nach Jena. Dort leben die einzigen Verwandten des aufgeweckten Mädchens. Denn die 13-Jährige steht in Hamburg ziemlich alleine da, nachdem ihre Mutter gestorben ist. Die Erwachsenen aus ihrem Umfeld wollen sie im Internat und bei einer Pflegefamilie unterbringen. Doch als Lilly während der Beerdigung ihrer Mutter Tante Lena (Suzanne von Borsody) kennenlernt, steht für sie fest: Sie möchte bei ihr in Thüringen leben.
Lilly gelingt die Flucht, aber sie muss erfahren, dass nicht nur das Jugendamt und die DDR-Bürokratie ihrem Vorhaben entgegenstehen. Auch bei der Familie der Tante ist die Begeisterung über den unerwarteten Besuch aus dem Westen nicht gerade riesig. Man muss sich aneinander gewöhnen, gemeinsam versuchen, gegen Widerstände anzugehen - und die Vergangenheit aufarbeiten: Lilly erfährt, dass es vor 15 Jahren schon einmal eine "Republikflucht" gab. Ihre Mutter war der Liebe wegen in den Westen geflohen, eine Familientragödie war die Folge.
"Lilly unter den Linden" macht einfühlsam deutlich, wie gigantisch die Unterschiede zwischen Ost und West im Großen waren und wie geringfügig doch im Grunde die menschlichen Ebenen auseinander lagen. Man war sich irgendwo doch ganz schön nahe - nicht nur wegen des Depeche-Mode-Posters an der Wand des DDR-Jugendzimmers ...
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