Die Ohnmacht der Vaeter
Focus Magazin
8. Oktober 2001
FAMILIENRECHT;
Die Ohnmacht der Vaeter
Nr.41; Seite 76-80
Maenner machen mobil noch koennen Ex-Frauen ihnen nach der Trennung ihre Kinder ungestraft vorenthalten
Der Landschaftsgaertner Heinrich Schwarzmayr feiert den ersten Geburtstag seiner Tochter auf ungewoehnliche Weise: auf dem Buergersteig vor dem Haus, in dem sein Kind wohnt. Er haelt eine Kerze und Geschenke in der Hand. Der 46 -Jaehrige behauptet, als Gast ungebeten zu sein. Seine Ex-Partnerin im bayerischen Eberfing habe ihn auf Dauer ausgesperrt.
Auch Georg Mohr, 58, Paedagoge aus Koenigstein im Taunus, fuehlt sich von der Mutter seines Kindes, mit der er frueher zusammenlebte, ausgebootet. Zwar habe ein Gerichtsbeschluss festgelegt, dass er seine siebenjaehrige Tochter alle drei Wochen besuchen darf. "Aber immer wenn ich komme, ist keiner da, oder es oeffnet niemand."
Der 39-jaehrige Peter Paschke lebt seit vier Jahren getrennt von seiner Tochter Viktoria, 12. Deren Mutter, so Paschke, verbiete jeglichen Umgang. Der einzige noch vorhandene Bezug zu seinem Kind sei die monatliche Unterhaltszahlung. Bald, prognostiziert der Immobilienfachwirt aus Leipzig resigniert, werde ihn "nur noch der 28. eines Monats daran erinnern", dass er Vater ist.
Entsorgte Erzeuger. Bei jaehrlich fast 200 000 Scheidungen in der Bundesrepublik, schaetzt der Verein Vaeteraufbruch fuer Kinder (VafK), haetten 900 000 Vaeter keine Chance, ihren Nachwuchs zu sehen. Im Zwist um Kind und Kohle, so der Sprecher des VafK, Markus Meier, schrecke manche Mutter auch vor Verleumdungen nicht zurueck, um dem Ex-Partner den Nachwuchs auf Jahre zu entziehen. Etwa im Rosenkrieg Kusche gegen Kusche. Die Mutter hatte ihren Noch -Ehemann vor dem Familiengericht Strausberg des sexuellen Missbrauchs der beiden kleinen Soehne bezichtigt. Rudi Kusche sieht sich psychisch und sozial zerstoert: "Sie hat mich fertig gemacht. Nach elf Jahren war ich ein solches Nervenwrack, dass ich auch meine Arbeit verlor."
Der Vorstand des Deutschen Familiengerichtstags wird diese Woche beim Gesetzgeber fuer eine schaerfere Umsetzung des Umgangsrechts plae-dieren. Ehrenvorsitzender Siegfried Willutzki schon jetzt: "Wir sollten unser Vollstreckungsrecht ueberpruefen." Zwangsgeld, Beugehaft und Entzug des Sorgerechts fuer Muetter, die Umgangsregelungen sabotieren, sollten staerker als Abschreckung genutzt werden.
Das Bundesjustizministerium selbst erkannte Maengel bei der Durchsetzung des Umgangsrechts und will bis Ende des Jahres einen Gesetzentwurf zur Straffung der Verfahren vorlegen.
Auch nach der Reform des Kindschaftsrechts von 1998 erhalten nicht eheliche Vaeter ein gemeinsames Sorgerecht nur dann, wenn die Mutter des Kindes sich damit einverstanden erklaert. Im Fall Paschke, so der Vater, sabotierte die Ex -Partnerin trotz eines entsprechenden Gerichtsbeschlusses die vereinbarte Umgangsregelung bis die Tochter selbst den Kontakt abbrach. Uwe Jopt, Psychologe an der Universitaet Bielefeld, weiss, dass die Sproesslinge "einen Ausweg aus den ewigen Loyalitaetskonflikten suchen, indem sie irgendwann den Kontakt verweigern".
Die Macht der Muetter. Familiengerichte und Jugendaemter werden nicht muede zu betonen, das "Kindeswohl" stehe im Vordergrund. Oft schliessen sie die Vaeter aus dem Leben ihres Nachwuchses aus, damit das aufreibende Gezerre um die Kinder ein Ende findet. Die frustrierten Maenner fuehlen sich als blosse Unterhaltszahler missbraucht. Der Bundesgerichtshof wies im April die Klage eines nicht ehelichen Vaters auf gemeinsames Sorgerecht ab. Die Mutter hatte ihren Widerspruch damit begruendet, der Vater wolle sich in ihr Leben einmischen. Das Gericht gab ihr Recht, weil die "Mutter naturgegeben mit der Geburt die Hauptverantwortung fuer das Wohl des Kindes" trage.
"Durch derlei naturrechtliche Vorstellungen", empoeren sich Markus Meier und seine 1200 Mitstreiter vom VafK, wuerden Maenner benachteiligt. Angesichts der "Narrenfreiheit" des schwachen Geschlechts fuehlen sie sich zur Ohnmacht verurteilt. Eine parteiische Phalanx aus Jugendaemtern, Richtern und Gutachtern, so ihr Eindruck, entscheide im Streitfall zu Gunsten der Muetter. Fast nie wuerden Richter ein Zwangsgeld erheben, wenn die Frauen das Umgangsrecht sabotierten.
"Muetter koennen angeordnete Umgangsregeln hemmunglos unterlaufen", urteilt auch der Frankfurter Scheidungsanwalt Friedrich Mathern. Ursache sei weniger die Gesetzgebung als vielmehr die Rechtspraxis.
Gelobte Laender. Vaetervereine verweisen auf die USA, Grossbritannien und Frankreich, wo Umgangsboykott mit Gefaengnis bestraft werden kann. Hiesige Maenner hoffen, dass derlei drakonische Massnahmen bald auch in Deutschland hoffaehig werden. Bis dahin wollen einige den Unterhaltsstreik als Druckmittel einsetzen. Der 36-jaehrige Unternehmer Rolf Orth aus dem bayerischen Neubiberg hat seine Zahlungen fuer Frau und Kind eingestellt: "Sie hat unser Kind entfuehrt, da werde ich sie doch nicht alimentieren."
Die militante Maenner-Minderheit findet bei den Parteien kaum Gehoer. Wenige, wie die CSU-Familienpolitikerin Maria Eichhorn, fordern "notfalls auch Zwangsgeld und Beugehaft".
Interessenvertretungen wie Vater-morgana organisieren derweil "Aktionen der AEchtung" im Muenchner Raum. Da parken Aktivisten schon einmal einen Lkw -Anhaenger mit riesigen Plakaten wie "Kinder brauchen beide Eltern" vor Haeusern von uneinsichtigen Muettern.
Der Initiator Hermann Korff berichtet von einer hohen Selbstmordgefahr bei den entrechteten Vaetern. Er plaediert fuer ein "innovatives Konfliktmanagement mit Privatvertraegen und Mediatoren".
Welche Folgen die Degradierung der Vaeter zum Besuchsonkel fuer die kindliche Seele haben, darueber sind sich die Experten uneins. Psychologen wie Uwe Jopt konstatieren, dass die Abwendung von einem Elternteil zur UEberlebensstrategie gehoert, und bezeichnen das Phaenomen als Parental Alienation Syndrom (Eltern -Kind-Entfremdung).
Fuer Peter Paschke ein Grund mehr zu resignieren. Er sitzt in seiner Wohnung vor einem "Gedaechtnisschrein" mit Fotos seiner Tochter. Der Sachse hatte nach dem letzten gescheiterten Versuch, seine Tochter zu sehen, ein Zwangsgeld gegen seine Ex-Partnerin beantragt. Die zustaendige Rechtspflegerin, so Paschke, habe ihn schon vorab haemisch ueber seine Chancen mit den Worten "Das koennen Sie vergessen" beschieden. Paschke sinniert: "Vaeter haben keine Rechte." Der Mann koennte irren. Der Europaeische Gerichtshof fuer Menschenrechte in Strassburg wird am Donnerstag ueber die Bundesrepublik urteilen. Dort fordern drei Maenner die Umsetzung ihres Umgangsrechts, die ihnen in Deutschland verwehrt blieb.
Bild: SEHNSUCHT nach ihren Kindern haben die Vaeter der Initiative Vatermorgana. Viele von ihnen duerfen ihre Kinder nicht sehen, weil die Muetter den Umgang verhindern;
Verweigert Unterhalt Rolf Orth, ein Sohn Der Unternehmer will nicht zahlen, weil die Ex-Frau ihm angeblich den Filius vorenthaelt;
Vater ohne Kind Peter Paschke, eine Tochter Der Angestellte klagt, dass er seit vier Jahren sein Kind nicht sehen darf;
SCHAERFERE STRAFEN und schnellere Verfahren empfiehlt Familienrechtler Siegfried Willutzki;
Ausgesperrt Georg Mohr, zwei Kinder Trotz Umgangsregelung darf er seine Tochter angeblich nicht sehen;
HUNGERSTREIK Vaeter aus binationalen Ehen protestieren gegen die deutsche Gesetzgebung