Scheidung: Väter im Schatten
Scheidung: Väter im Schatten
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Die Scheidung ist das Ende vieler Vater-Kind-Beziehungen - Warum so viele Männer so oft ins Schattendasein treten, zeigt eine neue Studie
Wie sich das Herrenleben nach dem großen Krach gestaltet, ist nicht nur, aber auch eine Geldfrage.
Vater/Mutter/Kind, mit dieser Konstellation ist es nach einer Scheidung vorbei. Meistens, so lehrt das Leben, bleiben die Väter, was ihre Kinder betrifft, auf der Strecke. Der "Scheidungsväter" hat sich das Institut für Familienforschung der Universität Wien (OIF) in einer Studie angenommen und nach Gründen gesucht, warum Väter nach der Scheidung den Kontakt zu ihren Kindern abbrechen.
Die Statistik zeigt: 56,2 Prozent der Väter haben noch "starken Kontakt" zu ihrem Nachwuchs. 10,7 Prozent haben gar keinen Kontakt, 9,6 mäßigen (mindestens einmal im Jahr), 23,5 Prozent mittleren Kontakt. 40 Prozent der befragten Väter machten keine Angaben. "Väter werden leichter aus der Verantwortung entlassen als Mütter", sagt Studienautorin Mariam Tazi-Preve. "Eine Mutter, die sich nicht kümmert, wird sozial sanktioniert." Dass sich Väter nicht mehr melden, hat verschiedene Gründe. Einerseits ziehen sich einige Väter aus Trotz zurück und sagen: "Die Kinder haben sich nicht mehr gemeldet." Andererseits wird es ihnen auch nicht leicht gemacht, sagt Tazi-Preve. Sie werden anders sozialisiert als Frauen. Das traditionelle Bild des Mannes als Ernährer verändere sich schon, "aber Männer geraten ins Spannungsfeld, und das lässt sich nicht leicht auflösen, weil die Arbeitswelt mit immer einsetzbaren Männern rechnet."
Schleichender Bruch
Vor allem strittige Scheidungen sind es, die zu einem schleichenden Kontaktabbruch führen, präsentiert die Expertin ein Ergebnis der Studie. Das erklärt laut Fachleuten, die in der Studie zu Wort kommen, auch, warum Väter, die sich vor der Scheidung um ihre Kinder gekümmert haben, nach der Scheidung passiv werden.
Die Anzahl strittiger Verfahren sei gering, sagt Familienrichterin Susanne Göttlicher vom Bezirksgericht Wien-Leopoldstadt. Von 200 Scheidungen im Jahr habe sie zwei der zermürbenden Sorte. Obwohl seit 2001 das Gesetz zur gemeinsamen Obsorge besteht, wird meistens den Müttern das Sorgerecht zugesprochen. Die Studienautoren Mariam Tazi-Preve und Olaf Kapella kritisieren, dass die Justiz gesellschaftliche Bilder reproduziere. "Die Gesellschaft hat eine bestimmte Form. Wenn man dem in Entscheidungen nicht Rechnung trägt, entscheidet man am faktischen Leben vorbei", entgegnet Göttlicher. Sie entscheide nach der Situation der Familie und danach, was für das Kind die bessere "beziehungsweise die weniger schlechte Lösung" sei. Nach einer Scheidung tritt der Vater in den meisten Fällen aus dem Familiensystem, sagt Mariam Tazi-Preve. "Er muss jetzt selber überlegen, welche Rolle er einnehmen will", führt sie zu dem Begriff des "Vaterschaftskonzeptes" hin. Was ist zu tun, um nicht "Disneyworld-Dads", wie jene Männer bezeichnet werden, die mit den Kindern am Besuchswochenende in den Vergnügungspark gehen, genannt zu werden. Denn wenn die Kinder älter werden und andere Interessen als den Zoo haben, kommen die Väter nicht damit zurecht.
Kommunikation als Voraussetzung
Die Idee ist, dass sie sich in den Alltag einklinken, die Kinder zum Arzt bringen oder bei den Hausaufgaben helfen und dadurch auch die Mutter aktiv entlasten. Die Voraussetzung ist, dass beide Elternteile die Paar- und die Elternebene trennen und trotz Streitigkeiten kommunizieren. Oft sind es dann die Männer, die sich zurückziehen. Genau das empfiehlt Familienrichterin Göttlicher nicht zu tun, sondern "ein freundliches und positives Interesse" an den Kindern zu zeigen. Es bräuchte mehr Beratung und Mediation, welche die Männer während der Scheidung nicht allein lassen, fordern die Autoren. Die Expertengeister scheiden sich, wenn es um gewalttätige Väter geht. Die einen finden, dass Gewalt gegen die Mutter nicht Gewalt gegen das Kind bedeute, andere sagen, es sei psychische Gewalt am Kind, führt Tazi-Preve aus.
Männer mit höherer Bildung und höherem Einkommen haben laut Studie mehr Kontakt als andere. Sie können sich in der neuen Wohnung beispielsweise das Kinderzimmer leisten. Jene, die ihrem Nachwuchs keine Extras bieten können, fragen sich, ob die Kinder mit der Mutter nicht ohnehin glücklicher seien. Viele Väter, die den Kontakt abbrechen, sind auch selbst Scheidungskinder, besagen amerikanische Studien. "Nur wenn Väter die Vorbildwirkung ihres eigenen Vaters reflektieren, können sie es anderes machen", fordert Mariam Tazi-Preve die Männer auf, sich mit der Problematik auseinanderzusetzen und Verantwortung zu übernehmen. Wenn der Vater eine neue Familie gründet, gibt es zwei Szenarien. Entweder er gibt die "alte Brut" ab, oder er bezieht sie stärker in sein Leben, als zuvor. (Marijana Miljkovic/DER STANDARD-Printausgabe, 19./20.04.2007)
Links:
Institut für Familienforschung der Universität Wien - OIF
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"Männer fühlen sich vorgeführt" - Klappt es mit dem Besuchsrecht nicht, machen viele Väter mehr Druck als zuträglich, oder sie resignieren - Männer sollten den Wunsch, ihre Kinder zu sehen, gewaltfrei äußern, sagt der Paarberater Gottfried Kühbauer im STANDARD-Interview
STANDARD: Was bringt Väter dazu, den Kontakt zu ihren Kindern abzubrechen?
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Kühbauer: Die Frage ist immer, wer bricht warum ab. Wenn der Vater abbricht, ist der Grund häufig eine starke Beziehungslosigkeit zum Kind und zur Kindesmutter. Oder die Mutter ist nicht an einem weiteren Kontakt interessiert. Wenn die Beziehung zwischen den Eltern sehr belastet ist, wird als Revanche für Erlittenes der Kontakt zum Kind zumindestens erschwert. Abbruch durch die Kinder passiert meist aus Loyalitätsgefühlen zu dem Elternteil, bei dem sie leben.
STANDARD: Bricht der Kontakt nicht oft ab, wenn ein Elternteil einen neuen Partner hat?
Kühbauer: Männer, die ihre Vaterschaft aktiv leben wollen, werden dadurch nicht unbedingt beeinflusst. Meistens hat ein neuer Partner Einfluss auf die Beziehung zwischen den Elternteilen. Irgendwer ist am Anfang immer gekränkt. Dann kommen oft Forderungen wie "Du darfst die Kinder nur haben, wenn sie deine neue Partnerin nicht sehen". Je emotionaler, je gekränkter, umso schwieriger wird die Kommunikation. Entstehende Ängste, durch einen neuen Partner des Expartners als Mutter oder Vater ersetzt zu werden, muss derjenige ausräumen, der in eine neue Beziehung eintritt.
STANDARD: Wie kann man eine verfahrene Situation wieder knacken?
Kühbauer: Wenn alle Stricke reißen, fühlt sich die betroffene Person dieser Situation völlig ausgeliefert. Man kann ja den anderen nicht zu Kontakt zwingen, auch wenn das Gesetz ein Mindestmaß an Information vorschreibt. Ich lasse Klienten oft Briefe an den Expartner verfassen, die in einer ganz anderen Diktion gehalten sind, als die Kränkungen in den Gesprächen davor, um die Kommunikation neu zu beginnen. Auf der pragmatischen Ebene versuche ich zu vermitteln, dass man durch einen anderen Elternteil, der sich gut um das Kind kümmert, sehr entlastet wird. Darüber hinaus hilft, wenn beide dazu bereit sind, vor allem Mediation.
STANDARD:Wie schildern Männer den Kontaktabbruch?
Kühbauer: Es beginnt schleichend. Zuerst gibt es Kontakt. Dann klappt es hin und wieder nicht, es wird gestritten. Dann will der Vater das Kind holen und steht vor verschlossener Tür. Oder die Oma macht auf und sagt, das Kind sei krank und er muss wieder gehen, ohne sein Kind gesehen zu haben. Die Männer fühlen sich vorgeführt, gekränkt. Dann machen viele Druck, was natürlich kontraproduktiv ist, und je mehr sie kämpfen, umso eher wird das gegen die Männer ausgelegt. Natürlich gehen manche in einer Weise vor, die man nicht unterstützen kann. Mit dieser Ohnmacht müssen die Männer lernen umzugehen. Weil sie dazu neigen, noch mehr Druck zu machen oder zu resignieren.
STANDARD: Das heißt, die Ressentiments des anderen Elternteils bestätigen sich.
Kühbauer: Genau. Ich rate den Männern, die keinen Kontakt zu ihren Kindern haben, so zu tun, als wäre dieser aufrecht. Das heißt, zum Geburtstag, zu Weihnachten Geschenke zu schicken, Briefe zu schreiben, zu versuchen, das Kind telefonisch zu erreichen. Und auch der Mutter offensiv, aber gewaltfrei zu sagen, dass man gerne Kontakt hätte. Die Männer dokumentieren oft penibel, wann sie Geschenke geschickt oder geschrieben haben. Um dem Kind einmal die Antwort darauf geben zu können, wenn es fragt: "Warum hast du dich nicht um mich gekümmert?"
STANDARD: Die meisten Kinder suchen von sich aus Kontakt?
Kühbauer: Spätestens in der Pubertät. Weil Kontaktabbruch für Kinder eine der größten Kränkungen ist und sie die "Warum-Frage" stellen wollen. Aber es gibt auch genug Männer, die sich nichts pfeifen, die kein Problem damit haben, den Unterhalt nicht zu bezahlen. Diese Männer hatten meist selbst Väter, die distanziert waren, und diese Söhne spielen das Muster dann als Väter weiter.
STANDARD:Aber die Väter der neuen Generation wollen doch sicher auch nach einer Trennung ihre Vaterrolle leben.
Kühbauer: Ganz sicher, diese Männer werden immer mehr. Auch die Botschaft der gemeinsamen Obsorge heißt ja, dass beide Elternteile sich zuständig fühlen und sich kümmern wollen. Ein aktiver, liebevoller Vater zu sein ist nicht mehr mit einem Outing behaftet. 30 Jahre Frauenbewegung und die neue Männersozialisation haben viel bewirkt. (Bettina Fernsebner-Kokert, DER STANDARD-Printausgabe, 19./20.04.2007)
Zur Person:
Gottfried Kühbauer (Jg. 1950), ist Lebens- und Sozialberater, Paarberater, Mediator und leitet das "Institut für umfassende Trennungs- und Scheidungsbegleitung".
Link:
Website Gottfried Kühbauer
https://www.kuehbauer.at/