Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen - Kinder- und Jugenddelinquenz

Lieber Raub als Diebstahl

Lieber Raub als Diebstahl

Jugendgewalt
Lieber Raub als Diebstahl

Von Deniz Baspinar | © ZEIT ONLINE 25.3.2009 - 19:08 Uhr

* Schlagworte:
* Jugendkriminalität
* Gewalt

Einige türkische junge Männer wollen mit Gewalt Stärke zeigen. Warum? Ein Grund ist, dass sie den hohen Leistungserwartungen ihrer Eltern nicht gerecht werden können
Manche Jugendliche glauben nur durch Gewalt anerkannt zu werden

Manche Jugendliche glauben nur durch Gewalt anerkannt zu werden

© traumtod/Photocase

Ein immer wieder reproduziertes Ergebnis von Studien zur Jugendgewalt ist die Tatsache, dass Jugendliche migrantischer Herkunft (ausgenommen Kinder aus asiatischen Ländern) häufiger Gewalttaten begehen. Das hat auch die jüngste bundesweite Studie des Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen gezeigt.

Eine wichtige Ergänzung zu diesen Zahlen ist die Feststellung der Forscher, dass diese Unterschiede sich völlig ausgleichen, wenn man Jugendliche unterschiedlicher Herkunft mit denselben familiären und sozialen Ausgangsbedingungen einander gegenüberstellt. Es sind also soziale Faktoren, keine ethnischen Festschreibungen, die zu den Unterschieden in der Statistik führen.

Ein kleines Detail in der Studie gewährt einen interessanten Einblick in die Psyche dieser Jugendlichen. Wenn man die Täterrate nach Delikten aufschlüsselt sieht man, dass Jugendliche türkischer Herkunft die niedrigste Ladendiebstahlsquote aufweisen, gleichzeitig beim Delikt "Raubtaten" aber an dritter Stelle stehen. Hieraus schließen die Forscher, dass es diesen jugendlichen Tätern in erster Linie um die Demonstration von Stärke geht und erst nachrangig um den Diebstahl selbst.

Wie kommt es dazu? Warum ist es für diese Jugendlichen so wichtig Stärke durch Gewalt zu demonstrieren?

Junge Migranten sind in viel höherem Maße Risikofaktoren ausgesetzt, die gewalttätiges Verhalten begünstigen. Sie erleben beispielsweise häufig Gewalt in der Familie.
Porträt

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Die Kölümne von Deniz Baspinar

Deniz Baspinar schreibt für ZEIT ONLINE über Deutschland und Deutsche mit und ohne Hintergrund. Sie arbeitet in Köln als Psychotherapeutin und Freie Autorin

Eine andere Ursache liegt darin, dass türkischstämmige männliche Jugendliche in der Familie häufig überzogenen Leistungserwartungen ausgesetzt sind. Die ehemaligen Gastarbeiter erwarten von ihren Kindern den sozialen Aufstieg, der ihnen selbst verwehrt geblieben ist. Dabei spielen magische Vorstellungen eine Rolle: der Sohn wird schon irgendwie die gewünschte Leistung erbringen. Die Schule als Black Box: das Kind wird reingeschoben und kommt als Anwalt oder Arzt heraus.

Kinder brauchen aber eine gezielte, auch familiäre Förderung: das gemeinsame Lesen, Basteln und Spielen stellt eine Vorbereitung auf die Schule dar. Fähigkeiten wie Ausdauer, seine Bedürfnisse auch mal aufschieben zu können und Selbstdisziplin müssen in der Familie vermittelt werden, damit die Kinder im Schulalltag erfolgreich bestehen zu können.

Aber insbesondere türkische Jungen werden von ihren Familien zunächst häufig sehr verwöhnt, was psychologisch nichts anderes als Verwahrlosung bedeutet. Dann werden sie jedoch mit den überzogenen Leistungsanforderungen konfrontiert.

Das verwöhnte Kind verfügt gar nicht über die erforderliche Ausrüstung, um im Bildungssystem zu bestehen. Eine Schere zwischen der Vorstellung von eigener Größe und Macht und dem Versagen in der Wirklichkeit öffnet sich. Diese Diskrepanz wird gerade im Jugendalter offensichtlich und gewalttätiges Handeln ist eine Möglichkeit, Gefühle von Macht und Bedeutung wieder herzustellen. Im Akt der Gewalt erlebt sich der Täter als mächtig, er erniedrigt sein Opfer und versetzt ihn in eine ohnmächtige Position.

Mangelnde familiäre Förderung ist natürlich auch ein Problem in sozial schwachen deutschen Familien, aber zusammen mit einer besonders narzisstischen Aufladung von Männlichkeit ergibt dies eine explosible Mischung.
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Deniz Baspinar schreibt für ZEIT ONLINE über Deutschland und Deutsche mit und ohne Hintergrund. Sie arbeitet in Köln als Psychotherapeutin und Freie Autorin […]»

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