Jugendamt Hildesheim: Fall Nadine
Prozess Eltern angeklagt
Nadine (2) - misshandelt und verhungert?
Der Vater soll sie gequält und die Mutter tatenlos zugesehen haben. Aber: Die Leiche ist verschwunden.
Von Ludger Fertmann
Der Leiter der Kriminalinspektion in Gifhorn, Jürgen Schmidt, auf einer Pressekonferenz in Gifhorn. Beide Eltern der vermutlich nach Misshandlungen gestorbenen Nadine aus Gifhorn müssen sich vor Gericht verantworten.
Der Leiter der Kriminalinspektion in Gifhorn, Jürgen Schmidt, auf einer Pressekonferenz in Gifhorn. Beide Eltern der vermutlich nach Misshandlungen gestorbenen Nadine aus Gifhorn müssen sich vor Gericht verantworten. Foto: dpa
Gifhorn -
Am 2. Oktober 2000 ist Nadine in Gifhorn geboren worden, spätestens im August 2002 war sie tot, vielfach misshandelt und am Ende ihres kurzen Lebens regelrecht verhungert und verdurstet. So geht es aus der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Hildesheim hervor, die die Ratlosigkeit der Juristen widerspiegelt: Der eigene Vater soll Nadine über Monate immer wieder misshandelt und die eigene Mutter tatenlos zugesehen haben, wie das fast zweijährige Kind am Ende qualvoll starb. Die gestern vorgelegte Anklage gegen die Eltern lautet auf Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Misshandlung einer Schutzbefohlenen - Strafrahmen bis zu 15 Jahre Haft. Per DNA-Analyse lässt die Justiz noch prüfen, ob der Ehemann überhaupt der leibliche Vater von Nadine war.
Es wird ein langer und schwieriger Prozess. Nach Aussage der Eltern nämlich ist Nadine nach einem Sturz von der Leiter ihres Hochbettes unerwartet gestorben - erst im Januar 2003. An der Stelle aber am Rande des Harzes, wo die Eltern die Leiche vergraben haben wollen, konnte die Polizei trotz intensiver Suche keine Spur von Nadine finden.
Die Staatsanwaltschaft bietet deshalb 54 Zeugen auf, um den Beweis anzutreten, dass Nadine bereits Monate früher gestorben ist - nach einem regelrechten Martyrium. Auf einem Familienvideo vom Weihnachtsfest 2002 fehlt Nadine, es gibt auch keine Geschenke für sie. Die Familie mit insgesamt sechs Kindern lebte zurückgezogen, die seltenen Besucher, darunter die Großeltern, wurden abgewimmelt, wenn sie nach Nadine fragten, hieß es: Die sei gerade im Kinderheim, bei Nachbarn, im Kindergarten.
So dauert es vom mutmaßlichen Todeszeitpunkt Mitte 2002 an fast vier Jahre, ehe den Behörden das Fehlen von Nadine auffällt. Beim Erstgespräch zur anstehenden Einschulung von Nadine stellen die Eltern die dreijährige kleinere Schwester den Schulbehörden als Nadine vor. Eine Lehrerin schöpft Verdacht, das Gesundheitsamt wird eingeschaltet, aber nicht sofort tätig. Die Mutter bekommt es mit der Angst zu tun, vertraut sich Monate später einer Freundin an. Die geht sofort zur Polizei, und die Ermittlungen beginnen. Dabei stellt sich heraus, dass Polizei und Jugendamt schon häufiger mit der Familie zu tun hatten. 2001 hatte der Großvater die Polizei informiert, er habe den Verdacht, dass sein Sohn Nadine misshandele. Ein Amtsarzt findet aber nur einen blauen Fleck auf der Stirn des Kindes. Auch ein späterer Anruf des Großvaters beim Jugendamt deckt Nadines Verschwinden nicht auf.
Ermittlungen gegen Behördenvertreter gibt es nicht. Der beschuldigte Vater sitzt in Untersuchungshaft, die Kinder sind in einem Heim untergebracht.
erschienen am 23. Januar 2007
https://www.abendblatt.de/daten/2007/01/23/674794.html
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Niedersachsen
Suche nach Nadine vorläufig eingestellt
Nach dem mutmaßlichen Misshandlungs- und Tötungsfall nahe dem niedersächsischen Gifhorn glaubt die Polizei nicht mehr daran, Nadines Leiche zu finden. War es ein kaltblütiges Verbrechen oder eine Verzweiflungstat? (04.11.2006, 15:36 Uhr)
Gifhorn - Bunte Blätter segeln von den Bäumen, Regen klopft an die Fenster, Kinder spielen Fußball. So sieht ein ganz normaler Herbst-Samstag im niedersächsischen Neudorf-Platendorf bei Gifhorn aus. Doch es ist kein normaler Samstag. Der Schock steht den Anwohnern des kleinen Dörfchens ins Gesicht geschrieben. Erst am Vortag war hier bekannt geworden, dass damalige Nachbarn im Januar 2003 ihre damals drei Jahre alte Tochter Nadine schwer misshandelt und getötet haben sollen.
Unmittelbar danach sollen sie ein weiteres Kind gezeugt, es anonym im Wohnzimmer zur Welt gebracht und dann als Nadine ausgegeben haben. "Das Schockierendste ist, dass niemand etwas gemerkt hat", sagt Manfred Knigge. Er wohnt seit 56 Jahren in der Straße, in der alles passiert sein soll. "Die Leute habe ich nie zu Gesicht bekommen. Da stand nur immer ein Haufen Spielzeug auf der Terrasse", sagt er.
Auch sonst will niemand in dem Dorf die Familie gekannt haben. "Seit 15 Jahren hat sich hier alles anonymisiert. Es war ein ständiges Kommen und Gehen, viele neue Häuser wurden gebaut", sagt Nachbar Georg Benke. Wer nicht im Sportverein war, war quasi auch kein Mitglied der Dorfgemeinschaft. Die Männer des Sportvereins sind sich einig: "Die Geschichte ist unglaublich und unheimlich."
"Wir werden nicht weitersuchen"
Als Nadine starb, war sie drei Jahre alt. Ihre Leiche ist nach Angaben der Eltern im Südharz, irgendwo zwischen Seesen und Bad Gandersheim, verscharrt. Gefunden wurde die Leiche noch nicht. "Wir werden nicht weitersuchen. Die von den Eltern beschriebene Stelle haben wir komplett erfolglos umgekrempelt", sagt Polizeisprecher Sven-Marco Claus am Samstag. Erst wenn es eindeutige Hinweise auf den Grabungsort gebe, werde die Polizei wieder tätig. Die Ermittlungen gestalten sich auch sonst äußerst schwierig. Die Mutter, eine 30 Jahre alte Malerin, und der Vater, ein Jahr älter und gelernter Kfz-Mechaniker, waren zum Zeitpunkt von Nadines Verschwinden beide arbeitslos und zogen nach dem mysteriösen Verbrechen Hals über Kopf nach Gifhorn, um keinen Verdacht auf sich zu ziehen.
Auf die Spur des Verbrechens war die Polizei durch einen Hinweis eines Freundes der Familie gekommen. Die Eltern habe offenbar die Last des schlechten Gewissen bedrückt, deshalb hätten sie sich jemandem anvertraut, sagte Claus weiter. Am Dienstagabend überprüften Beamte daraufhin die Wohnung des Paares. Den Polizisten wurde ein deutlich jüngeres Kind als das gesuchte präsentiert, das heute sechs Jahre alt wäre.
Daraufhin wurden die Eltern wegen des Verdachts auf Körperverletzung mit Todesfolge vorläufig festgenommen. Die anderen fünf Kinder der Familie machten laut Claus keinen vernachlässigten Eindruck. Ob die drei Jungen (10 und 5 Jahre sowie 11 Monate alt) und zwei Mädchen (8 und 3 Jahre alt) ebenso misshandelt wurden, werde derzeit geprüft.
Eltern bestreiten Misshandlungen
In ihren Vernehmungen gaben die Eltern laut Polizei den Tod ihrer Tochter zu. Sie bestritten jedoch vorangegangene Misshandlungen oder Vernachlässigungen. Beide gaben an, dass Nadine in der elterlichen Wohnung in Neudorf-Platendorf von der Leiter eines Hochbettes gestürzt sei. Man habe keine äußeren Verletzungen festgestellt und deshalb mit dem Kind auch keinen Arzt aufgesucht. Nadine sei dann an den Sturzfolgen verstorben.
Laut Landrätin Marion Lau wurde die Familie bis 2002 vom Jugendamt betreut. Danach sei es nicht mehr nötig gewesen. Das Jugendamt habe korrekt gehandelt.
Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis das Schicksal der kleinen Nadine ans Tageslicht kam. 2007 hätte Nadine eingeschult werden müssen. Bei der jüngeren Tochter, die als Nadine ausgegeben wurde, wurde bereits in einer ersten Schuluntersuchung im April dieses Jahres aktenkundig festgestellt, dass sie auffällig kleingewachsen und erheblich sprachauffällig war. Eine weitere und ausführlichere Untersuchung sollte demnächst folgen. (Von Daniela Schmitz, ddp )
https://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/nachrichten/gifhorn-nadine/79501.asp
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Niedersachsen
Fall Nadine aus Gifhorn: Neue Hinweise auf Todeszeitpunkt
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Im Fall der möglicherweise durch Misshandlungen der Eltern ums Leben gekommenen kleinen Nadine aus Gifhorn gibt es neue Hinweise. Das Mädchen starb möglicherweise früher als bisher angenommen. Nach der Sichtung von Familienfotos und -videos weise alles darauf hin, dass Nadine bereits im Juli 2002 nicht gelebt habe, sagte ein Polizeisprecher am Freitag. Auch die Aussagen des Teams einer Talkshow, in der die Eltern seinerzeit auftraten, liefen darauf hinaus. Einen Beweis gebe es jedoch noch nicht. Die Eltern hatten ausgesagt, Nadine sei im Januar 2003 nach einem Sturz vom Hochbett gestorben.
Mädchen fiel angeblich aus Hochbett
Die 30 Jahre alte Mutter und ihr 31 Jahre alter Lebensgefährte stehen im Verdacht, ihre Tochter Nadine zu Tode misshandelt zu haben. Aus Angst vor dem Jugendamt hätten sie den Tod verschwiegen, die Leiche im Harz vergraben und eine 2003 geborene und nicht angemeldete Tochter als Nadine ausgegeben, so die Vorwürfe. Die Leiche wurde bisher nicht gefunden.
Fünf Geschwister in Obhut des Jugendamtes
Am Donnerstag hatten die Ermittler die fünf Geschwister von Nadine, für die seit Kurzem das Jugendamt das Sorgerecht innehat, an einem geheimen Ort vernommen. Wie die Staatsanwaltschaft Hildesheim mitgeteilt hatte, erhofften sich die Ermittler vor allem von der Aussage des zehnjährigen Bruders Hinweise. Zu den Ergebnissen der Befragung wurde bislang nicht Stellung genommen.
Stand: 24.11.2006 15:53
https://www1.ndr.de/ndr_pages_std/0,2570,OID3390240,00.html
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© ZEIT online, Tagesspiegel | 22.01.2007 13:15
Fall Nadine: Anklage gegen Eltern erhoben
Die Ermittlungen sind abgeschlossen: Gegen die Eltern der toten Nadine aus dem niedersächsischen Neudorf-Platendorf bei Gifhorn ist Anklage erhoben worden.
Gifhorn - Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Hildesheim wird den Eltern Körperverletzung mit Todesfolge vorgeworfen. Die Mutter befindet sich auf freiem Fuß. Der 31 Jahre alte Vater von Nadine sitzt seit Ende Oktober in Untersuchungshaft.
Dem 31-Jährigen wird zur Last gelegt, seine Tochter zwischen Dezember 2001 und August 2002 vielfach misshandelt, verletzt und längere Zeit nicht ernährt zu haben, sodass das Kind starb. Die Leiche des Mädchens soll der Mann an einem bis heute unbekannten Ort vergraben haben. Der 30 Jahre alten Mutter des Kindes wird vorgeworfen, durch ihre Untätigkeit zum Tod des Kindes beigetragen zu haben.
Wo ist Nadines Leiche?
Der Fall kam im Oktober ans Licht, als eine Freundin der Familie die Polizei verständigte. Dabei stellte sich heraus, dass die 2000 geborene Nadine seit mindestens 2002 nicht mehr lebte. Eine im Jahr 2003 geborene weitere Tochter gaben die Eltern fortan als Nadine aus. Die Leiche soll der Vater im Harz verscharrt haben. Sie wurde bislang nicht gefunden. Nach Darstellung der Eltern soll Nadine im Januar 2003 an den Folgen eines Sturzes aus einem Hochbett gestorben sein.
Die fünf Kinder der Familie sind in einem Heim untergebracht. Das Sorgerecht hat das Jugendamt. Zur Verhandlung werden laut Staatsanwaltschaft 54 Zeugen und ein rechtsmedizinischer Sachverständiger geladen. Zudem werden Akten über familienrechtliche Streitigkeiten, des Jugendamts und der Schule sowie ärztliche Befunde, Krankenakten der Familie, Videomaterial aus der Wohnung der Familie und 22 Beweismittel vorgelegt. (tso/ddp)
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© ZEIT online, Tagesspiegel | 22.01.2007 13:15
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