Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen - Kindstötungen

Jugendamt Hildesheim: Fall Nadine

Jugendamt Hildesheim: Fall Nadine

Prozess Eltern angeklagt
Nadine (2) - misshandelt und verhungert?
Der Vater soll sie gequält und die Mutter tatenlos zugesehen haben. Aber: Die Leiche ist verschwunden.

Von Ludger Fertmann

Der Leiter der Kriminalinspektion in Gifhorn, Jürgen Schmidt, auf einer Pressekonferenz in Gifhorn. Beide Eltern der vermutlich nach Misshandlungen gestorbenen Nadine aus Gifhorn müssen sich vor Gericht verantworten.

Der Leiter der Kriminalinspektion in Gifhorn, Jürgen Schmidt, auf einer Pressekonferenz in Gifhorn. Beide Eltern der vermutlich nach Misshandlungen gestorbenen Nadine aus Gifhorn müssen sich vor Gericht verantworten. Foto: dpa

Gifhorn -

Am 2. Oktober 2000 ist Nadine in Gifhorn geboren worden, spätestens im August 2002 war sie tot, vielfach misshandelt und am Ende ihres kurzen Lebens regelrecht verhungert und verdurstet. So geht es aus der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Hildesheim hervor, die die Ratlosigkeit der Juristen widerspiegelt: Der eigene Vater soll Nadine über Monate immer wieder misshandelt und die eigene Mutter tatenlos zugesehen haben, wie das fast zweijährige Kind am Ende qualvoll starb. Die gestern vorgelegte Anklage gegen die Eltern lautet auf Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Misshandlung einer Schutzbefohlenen - Strafrahmen bis zu 15 Jahre Haft. Per DNA-Analyse lässt die Justiz noch prüfen, ob der Ehemann überhaupt der leibliche Vater von Nadine war.

Es wird ein langer und schwieriger Prozess. Nach Aussage der Eltern nämlich ist Nadine nach einem Sturz von der Leiter ihres Hochbettes unerwartet gestorben - erst im Januar 2003. An der Stelle aber am Rande des Harzes, wo die Eltern die Leiche vergraben haben wollen, konnte die Polizei trotz intensiver Suche keine Spur von Nadine finden.

Die Staatsanwaltschaft bietet deshalb 54 Zeugen auf, um den Beweis anzutreten, dass Nadine bereits Monate früher gestorben ist - nach einem regelrechten Martyrium. Auf einem Familienvideo vom Weihnachtsfest 2002 fehlt Nadine, es gibt auch keine Geschenke für sie. Die Familie mit insgesamt sechs Kindern lebte zurückgezogen, die seltenen Besucher, darunter die Großeltern, wurden abgewimmelt, wenn sie nach Nadine fragten, hieß es: Die sei gerade im Kinderheim, bei Nachbarn, im Kindergarten.

So dauert es vom mutmaßlichen Todeszeitpunkt Mitte 2002 an fast vier Jahre, ehe den Behörden das Fehlen von Nadine auffällt. Beim Erstgespräch zur anstehenden Einschulung von Nadine stellen die Eltern die dreijährige kleinere Schwester den Schulbehörden als Nadine vor. Eine Lehrerin schöpft Verdacht, das Gesundheitsamt wird eingeschaltet, aber nicht sofort tätig. Die Mutter bekommt es mit der Angst zu tun, vertraut sich Monate später einer Freundin an. Die geht sofort zur Polizei, und die Ermittlungen beginnen. Dabei stellt sich heraus, dass Polizei und Jugendamt schon häufiger mit der Familie zu tun hatten. 2001 hatte der Großvater die Polizei informiert, er habe den Verdacht, dass sein Sohn Nadine misshandele. Ein Amtsarzt findet aber nur einen blauen Fleck auf der Stirn des Kindes. Auch ein späterer Anruf des Großvaters beim Jugendamt deckt Nadines Verschwinden nicht auf.

Ermittlungen gegen Behördenvertreter gibt es nicht. Der beschuldigte Vater sitzt in Untersuchungshaft, die Kinder sind in einem Heim untergebracht.

erschienen am 23. Januar 2007
https://www.abendblatt.de/daten/2007/01/23/674794.html

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Niedersachsen
Suche nach Nadine vorläufig eingestellt
Nach dem mutmaßlichen Misshandlungs- und Tötungsfall nahe dem niedersächsischen Gifhorn glaubt die Polizei nicht mehr daran, Nadines Leiche zu finden. War es ein kaltblütiges Verbrechen oder eine Verzweiflungstat? (04.11.2006, 15:36 Uhr)
Gifhorn - Bunte Blätter segeln von den Bäumen, Regen klopft an die Fenster, Kinder spielen Fußball. So sieht ein ganz normaler Herbst-Samstag im niedersächsischen Neudorf-Platendorf bei Gifhorn aus. Doch es ist kein normaler Samstag. Der Schock steht den Anwohnern des kleinen Dörfchens ins Gesicht geschrieben. Erst am Vortag war hier bekannt geworden, dass damalige Nachbarn im Januar 2003 ihre damals drei Jahre alte Tochter Nadine schwer misshandelt und getötet haben sollen.

Unmittelbar danach sollen sie ein weiteres Kind gezeugt, es anonym im Wohnzimmer zur Welt gebracht und dann als Nadine ausgegeben haben. "Das Schockierendste ist, dass niemand etwas gemerkt hat", sagt Manfred Knigge. Er wohnt seit 56 Jahren in der Straße, in der alles passiert sein soll. "Die Leute habe ich nie zu Gesicht bekommen. Da stand nur immer ein Haufen Spielzeug auf der Terrasse", sagt er.

Auch sonst will niemand in dem Dorf die Familie gekannt haben. "Seit 15 Jahren hat sich hier alles anonymisiert. Es war ein ständiges Kommen und Gehen, viele neue Häuser wurden gebaut", sagt Nachbar Georg Benke. Wer nicht im Sportverein war, war quasi auch kein Mitglied der Dorfgemeinschaft. Die Männer des Sportvereins sind sich einig: "Die Geschichte ist unglaublich und unheimlich."

"Wir werden nicht weitersuchen"

Als Nadine starb, war sie drei Jahre alt. Ihre Leiche ist nach Angaben der Eltern im Südharz, irgendwo zwischen Seesen und Bad Gandersheim, verscharrt. Gefunden wurde die Leiche noch nicht. "Wir werden nicht weitersuchen. Die von den Eltern beschriebene Stelle haben wir komplett erfolglos umgekrempelt", sagt Polizeisprecher Sven-Marco Claus am Samstag. Erst wenn es eindeutige Hinweise auf den Grabungsort gebe, werde die Polizei wieder tätig. Die Ermittlungen gestalten sich auch sonst äußerst schwierig. Die Mutter, eine 30 Jahre alte Malerin, und der Vater, ein Jahr älter und gelernter Kfz-Mechaniker, waren zum Zeitpunkt von Nadines Verschwinden beide arbeitslos und zogen nach dem mysteriösen Verbrechen Hals über Kopf nach Gifhorn, um keinen Verdacht auf sich zu ziehen.

Auf die Spur des Verbrechens war die Polizei durch einen Hinweis eines Freundes der Familie gekommen. Die Eltern habe offenbar die Last des schlechten Gewissen bedrückt, deshalb hätten sie sich jemandem anvertraut, sagte Claus weiter. Am Dienstagabend überprüften Beamte daraufhin die Wohnung des Paares. Den Polizisten wurde ein deutlich jüngeres Kind als das gesuchte präsentiert, das heute sechs Jahre alt wäre.

Daraufhin wurden die Eltern wegen des Verdachts auf Körperverletzung mit Todesfolge vorläufig festgenommen. Die anderen fünf Kinder der Familie machten laut Claus keinen vernachlässigten Eindruck. Ob die drei Jungen (10 und 5 Jahre sowie 11 Monate alt) und zwei Mädchen (8 und 3 Jahre alt) ebenso misshandelt wurden, werde derzeit geprüft.

Eltern bestreiten Misshandlungen

In ihren Vernehmungen gaben die Eltern laut Polizei den Tod ihrer Tochter zu. Sie bestritten jedoch vorangegangene Misshandlungen oder Vernachlässigungen. Beide gaben an, dass Nadine in der elterlichen Wohnung in Neudorf-Platendorf von der Leiter eines Hochbettes gestürzt sei. Man habe keine äußeren Verletzungen festgestellt und deshalb mit dem Kind auch keinen Arzt aufgesucht. Nadine sei dann an den Sturzfolgen verstorben.

Laut Landrätin Marion Lau wurde die Familie bis 2002 vom Jugendamt betreut. Danach sei es nicht mehr nötig gewesen. Das Jugendamt habe korrekt gehandelt.

Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis das Schicksal der kleinen Nadine ans Tageslicht kam. 2007 hätte Nadine eingeschult werden müssen. Bei der jüngeren Tochter, die als Nadine ausgegeben wurde, wurde bereits in einer ersten Schuluntersuchung im April dieses Jahres aktenkundig festgestellt, dass sie auffällig kleingewachsen und erheblich sprachauffällig war. Eine weitere und ausführlichere Untersuchung sollte demnächst folgen. (Von Daniela Schmitz, ddp )
https://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/nachrichten/gifhorn-nadine/79501.asp

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Niedersachsen
Fall Nadine aus Gifhorn: Neue Hinweise auf Todeszeitpunkt

Polizeiabsperrunggroße Bildversion anzeigen

Im Fall der möglicherweise durch Misshandlungen der Eltern ums Leben gekommenen kleinen Nadine aus Gifhorn gibt es neue Hinweise. Das Mädchen starb möglicherweise früher als bisher angenommen. Nach der Sichtung von Familienfotos und -videos weise alles darauf hin, dass Nadine bereits im Juli 2002 nicht gelebt habe, sagte ein Polizeisprecher am Freitag. Auch die Aussagen des Teams einer Talkshow, in der die Eltern seinerzeit auftraten, liefen darauf hinaus. Einen Beweis gebe es jedoch noch nicht. Die Eltern hatten ausgesagt, Nadine sei im Januar 2003 nach einem Sturz vom Hochbett gestorben.
Mädchen fiel angeblich aus Hochbett

Die 30 Jahre alte Mutter und ihr 31 Jahre alter Lebensgefährte stehen im Verdacht, ihre Tochter Nadine zu Tode misshandelt zu haben. Aus Angst vor dem Jugendamt hätten sie den Tod verschwiegen, die Leiche im Harz vergraben und eine 2003 geborene und nicht angemeldete Tochter als Nadine ausgegeben, so die Vorwürfe. Die Leiche wurde bisher nicht gefunden.
Fünf Geschwister in Obhut des Jugendamtes

Am Donnerstag hatten die Ermittler die fünf Geschwister von Nadine, für die seit Kurzem das Jugendamt das Sorgerecht innehat, an einem geheimen Ort vernommen. Wie die Staatsanwaltschaft Hildesheim mitgeteilt hatte, erhofften sich die Ermittler vor allem von der Aussage des zehnjährigen Bruders Hinweise. Zu den Ergebnissen der Befragung wurde bislang nicht Stellung genommen.

Stand: 24.11.2006 15:53
https://www1.ndr.de/ndr_pages_std/0,2570,OID3390240,00.html


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© ZEIT online, Tagesspiegel | 22.01.2007 13:15
Fall Nadine: Anklage gegen Eltern erhoben

Die Ermittlungen sind abgeschlossen: Gegen die Eltern der toten Nadine aus dem niedersächsischen Neudorf-Platendorf bei Gifhorn ist Anklage erhoben worden.

Gifhorn - Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Hildesheim wird den Eltern Körperverletzung mit Todesfolge vorgeworfen. Die Mutter befindet sich auf freiem Fuß. Der 31 Jahre alte Vater von Nadine sitzt seit Ende Oktober in Untersuchungshaft.

Dem 31-Jährigen wird zur Last gelegt, seine Tochter zwischen Dezember 2001 und August 2002 vielfach misshandelt, verletzt und längere Zeit nicht ernährt zu haben, sodass das Kind starb. Die Leiche des Mädchens soll der Mann an einem bis heute unbekannten Ort vergraben haben. Der 30 Jahre alten Mutter des Kindes wird vorgeworfen, durch ihre Untätigkeit zum Tod des Kindes beigetragen zu haben.

Wo ist Nadines Leiche?

Der Fall kam im Oktober ans Licht, als eine Freundin der Familie die Polizei verständigte. Dabei stellte sich heraus, dass die 2000 geborene Nadine seit mindestens 2002 nicht mehr lebte. Eine im Jahr 2003 geborene weitere Tochter gaben die Eltern fortan als Nadine aus. Die Leiche soll der Vater im Harz verscharrt haben. Sie wurde bislang nicht gefunden. Nach Darstellung der Eltern soll Nadine im Januar 2003 an den Folgen eines Sturzes aus einem Hochbett gestorben sein.

Die fünf Kinder der Familie sind in einem Heim untergebracht. Das Sorgerecht hat das Jugendamt. Zur Verhandlung werden laut Staatsanwaltschaft 54 Zeugen und ein rechtsmedizinischer Sachverständiger geladen. Zudem werden Akten über familienrechtliche Streitigkeiten, des Jugendamts und der Schule sowie ärztliche Befunde, Krankenakten der Familie, Videomaterial aus der Wohnung der Familie und 22 Beweismittel vorgelegt. (tso/ddp)

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© ZEIT online, Tagesspiegel | 22.01.2007 13:15
https://www.zeit.de/news/artikel/2007/01/22/89207.xml

Re: Jugendamt Hildesheim: Fall Nadine

13. März 2007

PROZESS OHNE LEICHE

Nadine - vom Vater verscharrt und spurlos verschwunden

Von Julia Jüttner

Susanne und Daniel M. sollen ihre Tochter Nadine misshandelt und verhungern lassen haben. Danach zeugten sie ein weiteres Kind und gaben es für Nadine aus. Die Leiche ist bis heute verschwunden - jetzt wird den Eltern der Prozess gemacht.

Gifhorn - Der Fund des Leichnams könnte vielleicht etwas Licht in das dunkle Geheimnis der Familie M. bringen. "Für beide Seiten - für uns und die Staatsanwaltschaft - wäre das von Vorteil", sagt Arne Böthling, Daniel M.s Verteidiger. "Es ist zwar fraglich, aber die Hoffnung besteht, dass man an der Leiche die Todesursache feststellen könnte." Denn Daniel M. behauptet, Nadine sei im Januar 2003 aus ihrem Hochbettchen gestürzt, auf den Betonboden geprallt und Tage später an den Verletzungen gestorben.

Die Terrasse der Wohnung in Gifhorn, in der die Familie M. lebte:
Großbildansicht
DPA

Die Terrasse der Wohnung in Gifhorn, in der die Familie M. lebte: "Als die Familie hierher zog, lebte Nadine nicht mehr"

Die Staatsanwaltschaft wirft Nadines Eltern dagegen in einer 41-seitigen Anklageschrift Körperverletzung mit Todesfolge und Misshandlung von Schutzbefohlenen vor. Daniel M. soll seine Tochter zwischen Dezember 2001 und August 2002 immer wieder verprügelt, ihre kleinen, nackten Füße auf glühend heiße Herdplatten gestellt und sie misshandelt haben, bis die Zweijährige elendig verhungerte. Doch niemand weiß, wann genau das Mädchen mit den blonden Haaren und den blauen Augen starb - außer ihren Eltern, Susanne und Daniel M.

Das Ehepaar steht ab heute vor dem Landgericht Hildesheim. Auftakt eines Prozesses ohne Leiche. Denn diese verscharrte der 32-jährige Familienvater im Harz, auf einem Parkplatz in einem Waldstück zwischen Bad Gandersheim und Seesen. Zweimal grub die Polizei dort intensiv nach dem Leichnam, suchte fieberhaft mit Spürhunden - vergeblich.

"Ich denke, wo die Leiche ist, wird im Prozess nicht geklärt werden", so Böthling. Der Verteidiger hält es für wahrscheinlich, dass sie bereits von Tieren zerfressen wurde. Daniel M. habe sie nicht tief genug vergraben, und außerdem sei das auch schon einige Jahre her.

Daniel M. hat im Verhör immer wieder beteuert, er habe seine Tochter nicht getötet oder misshandelt. Aber er hat gestanden, sie vergraben zu haben - aus Angst vor dem Jugendamt.

Denn ausgerechnet Daniel M.s Vater, Udo R., zeigte im August 2001 seinen eigenen Sohn wegen Körperverletzung an und gab zu Protokoll, Daniel M. misshandle Nadine. Das Kind war damals zehn Monate alt. Nadine und ihre Geschwister werden daraufhin untersucht. Sie seien gesund, gut ernährt, alles bestens, attestiert ein Arzt am 14. August 2001. Der Bluterguss an Nadines Kopf stamme von einem Sturz, sagen ihre Eltern, der Arzt hält die Erklärung anhand der Verletzung für glaubwürdig. Trotzdem wird die Familie ab jetzt vom Jugendamt betreut.

Die Eltern entwickeln einen grausamen Plan

Doch Anhaltspunkte dafür, dass die Kinder vernachlässigt oder misshandelt werden, bleiben aus. Die Betreuung wird Mitte 2002 eingestellt. Wie lange Nadine danach noch lebt, ist unklar und wird ebenfalls nicht im Prozess geklärt werden können. Ihre Eltern behaupten, sie sei im Januar 2003 nach dem Sturz aus ihrem Hochbett gestorben. Doch auf einem Familienvideo von Weihnachten 2002 fehlt das zierliche Mädchen bereits. Die Ermittler sollen Anhaltspunkte dafür haben, dass Nadine schon im Spätsommer 2002 ums Leben kommt.

Um nicht aufzufallen, ziehen der Hartz-IV-Empfänger und seine Frau mit den anderen vier Kindern im Februar 2003 aus dem niedersächsischen Neudorf-Platendorf ins vier Kilometer entfernte Gifhorn.

Dann das Unfassbare: Um den Tod ihrer Tochter zu vertuschen, zeugen Susanne und Daniel M. ein weiteres Kind, bringen es im Oktober 2003 in einer heimlichen Hausgeburt zur Welt. Es wird ein Mädchen, sie nennen es Nadine - und geben es als die dreijährige Nadine aus, die sie vergraben haben. Der arbeitslose Kfz-Mechaniker und die Hausfrau klammern sich an die Hoffnung, dass ihr Vertuschungs-Plan aufgeht.

Immer wieder fragen Familienmitglieder und Freunde nach Nadine. Sie werden mit Ausreden wie erfundenen Kinderkrankheiten oder Ferienaufenthalten abgekanzelt. Den lästigen Fragen weichen die Eltern schließlich aus, indem sie alle sozialen Kontakte abbrechen. Doch das tödliche Geheimnis belastet die Ehe. Im Oktober 2006 hält die sechsfache Mutter den Druck nicht mehr aus, die 30-Jährige vertraut sich ihrer Freundin Melanie J. an.

Nadine - verbrüht, verhungert, verscharrt

Diese gilt nun als Hauptbelastungszeugin, die heute im Prozess aussagen wird. Ihr soll Susanne M. gebeichtet haben, dass Daniel M. Nadine nichts zu essen gab, als sie selbst im Krankenhaus lag. Nach dem Klinikaufenthalt habe sie ihre Tochter völlig abgemagert vorgefunden, ihre Füßchen völlig verbrannt. Die Dreijährige habe furchtbar geschrieen, dann irgendwann damit aufgehört - und als sie tot war, habe sie sie tagelang im Haus aufgebahrt. Als der Leichengeruch nicht mehr zu ertragen war, habe Daniel M. sein eigenes Kind verscharrt.

Melanie J. alarmiert sofort die Polizei. Beamte klingeln bei der Familie - und werden gleich misstrauisch, als ihnen ein "augenscheinlich viel jüngeres Kind präsentiert wurde", so ein Polizeisprecher. Nadines Geschwister - fünf Kinder im Alter von einem bis elf Jahren - seien weder verwahrlost noch in einem schlechten Zustand gewesen. "Alle wurden amtsärztlich untersucht. Es wurden keinerlei Anzeichen für Misshandlung oder Vernachlässigung entdeckt", so der Polizeisprecher.

Die Schulbehörden waren der Familie M. auf der Spur

Der Druck lastete auch deshalb so schwer auf der sechsfachen Mutter, weil das Ehepaar bereits unter Beobachtung der Schulbehörden stand: Denn Nadine, geboren am 2. Oktober 2000, sollte am 1. August 2007 eingeschult werden. Weil in Niedersachsen Schulkinder 16 Monate vor dem ersten Schultag zu einem Vorstellungstermin müssen, benachrichtigte die Alfred-Teves-Schule im Frühjahr die Eltern. Sie vereinbarte mit ihnen einen Gesprächstermin für den 20. März 2006. An diesem Tag sollten die Eltern mit Nadine zur Schule kommen. In letzter Sekunde sagten die Eltern ab: Nadine habe Windpocken.

Die Schule schickte einen Brief mit einem neuen Termin, am 21. April 2006. Doch wieder kamen die Eltern nicht. Diesmal ohne Absage. Zu einem kurzfristig vereinbarten Termin drei Tage später erscheinen Susanne und Daniel M. mit der dreijährigen Nadine und geben sie als die drei Jahre ältere Schwester aus. Obwohl die Eltern beteuern, ihr Kind leide unter Kleinwüchsigkeit fällt einer Lehrerin sofort auf: Das Mädchen ist zu klein für eine Sechsjährige. Sie spricht schlecht. Die Pädagogin schaltet das Gesundheitsamt ein.

54 Zeugen in einem außergewöhnlichen Prozess

43.000 Menschen leben in Gifhorn. Die Großfamilie M. wohnte in einem Sechziger-Jahre-Bau eines völlig unauffälligen Viertels. Warum niemand Nadines Verschwinden bemerkte, erklärte Walter Lippe, Erster Stadtrat von Gifhorn und Stellvertreter des Bürgermeisters, so: "Als die Familie M. hierher zog, lebte Nadine nicht mehr. Außerdem sind die M.s in den vergangenen drei Jahren innerhalb von Gifhorn mehrfach umgezogen."

Die kinderreiche Familie habe sehr zurückgezogen gelebt, bestätigt auch ein Polizeisprecher. "Dem äußeren Anschein nach lebte sie in geordneten Verhältnissen." Die Kinder seien regelmäßig zur Schule gegangen. Es habe keine Anzeichen von Misshandlungen oder Vernachlässigungen gegeben.

Die Staatsanwaltschaft hat in dem außergewöhnlichen Prozess 54 Zeugen geladen. Heute werden neben der Hauptbelastungszeugin auch die Eltern von Daniel M. aussagen. Sein Vater Udo R. betreibt eine kleine Autowerkstatt bei Gifhorn. Er hat seinem Sohn, den er selbst anzeigte und der zuvor noch nie mit dem Gesetz in Konflikt geriet, zum Pflichtverteidiger einen weiteren Anwalt zur Seite gestellt. Das einzige, was er jetzt noch für seinen Sohn tun kann.

https://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,471204,00.html

Re: Jugendamt Hildesheim: Fall Nadine

CHRONOLOGIE: Der Fall Nadine


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Gifhorn - Die Eltern der vermutlich nach Misshandlungen gestorbenen Nadine aus dem niedersächsischen Gifhorn müssen sich seit diesem Dienstag in Hildesheim vor dem Landgericht verantworten. dpa dokumentiert den Fall:

Oktober 2000: Nadine wird geboren.

August 2001: Eine ärztliche Untersuchung gilt als das letzte amtliche Lebenszeichen des Kindes.

30. Oktober 2006: Eine Freundin der Mutter meldet sich bei der Polizei in Gifhorn und gibt den Hinweis, dass Nadine möglicherweise schon vor Jahren nach Misshandlungen gestorben ist.

31. Oktober 2006: Die Polizei überprüft die Familie, eine Dreijährige wird den Beamten als Nadine vorgestellt. Mutter und Vater werden festgenommen, um die fünf Kinder kümmert sich das Jugendamt..

1. November 2006: Gegen den 31 Jahre alten Vater wird Haftbefehl wegen Körperverletzung mit Todesfolge und Kindesmisshandlung erlassen. Die Mutter wird zunächst auf freien Fuß gesetzt.

2. November 2006: Die Suche nach der Leiche Nadines wird ergebnislos eingestellt.

14. November 2006: Die Freundin der Mutter und wichtigste Zeugin der Polizei wiederholt ihre Aussage vor einem Richter.

20. November 2006: Bei der Polizei verdichten sich die Hinweise, dass Nadine bereits im Sommer 2001 starb.

23. November 2006: Das Jugendamt, das mittlerweile die Vormundschaft der fünf Geschwister von Nadine übertragen bekommen hat, erlaubt die Befragung des zehnjährigen Bruders von Nadine.

18. Dezember 2006: Bei einem Haftprüfungstermin wird entschieden, dass der 31 Jahre alte Vater von Nadine in Haft bleiben muss.

22. Januar 2007: Die Staatsanwaltschaft Hildesheim erhebt Anklage gegen die Eltern. (dpa)

https://www.ksta.de/html/artikel/1173765831901.shtml

Re: Jugendamt Hildesheim: Fall Nadine

27.05.2007 18:49 Uhr

Verschwundene Nadine
Großvater entdeckt Kinderleiche

Wende im Todesfall Nadine: Um die Unschuld seines Sohnes zu beweisen hat ein 58-Jähriger ein Waldstück umgegraben – und wurde fündig.
Nadines Mutter nahe des Fundortes der Leiche

Die Leiche der kleinen Nadine aus Gifhorn ist am Sonntag aller Wahrscheinlichkeit nach in einem Waldstück bei Bad Gandersheim im Harz gefunden worden. Der Großvater von Nadine hatte mit zwei anderen Männern ein Waldstück umgegraben, in dem die Eltern die Kinderleiche nach einem Unfall vergraben haben wollen.

Im Beisein von Journalisten und der Polizei zeigte der 58 Jahre alte Großvater am Sonntag die sterblichen Überreste. „Mein Sohn ist unschuldig. Er hat die Wahrheit gesagt, die Leiche liegt genau dort, wo er es der Polizei gezeigt hat“, sagte er.

Nadines Eltern waren Anfang Mai in einem Indizienprozess wegen Körperverletzung mit Todesfolge und schwerer Misshandlung zu Haftstrafen verurteilt worden.

Die Leiche hätten sie bereits am Samstag entdeckt, sagte der Großvater. Die Polizei geht davon aus, dass es sich bei dem Fund tatsächlich um eine Kinderleiche handelt. Aber erst nach der gerichtsmedizinischen Untersuchung wird nach Polizeiangaben zweifelsfrei feststehen, ob es tatsächlich die sterblichen Überreste von Nadine sind.

Auch die Mutter von Nadine, die nach eigenen Angaben erst vor wenigen Tagen eine Tochter geboren hat, war am Sonntag dabei, als die Kinderleiche gezeigt wurde. „Ich bin in Tränen ausgebrochen, als ich sie sah“, sagte sie. „Wir haben sie hierher gebracht, es ist unsere Tochter.“

Jahrelanges Vertuschen

„Der Fund ändert zum jetzigen Zeitpunkt nichts am Stand der Untersuchungen“, sagte Polizeisprecher Sven-Marco Claus. Danach war die im Oktober 2000 geborene Nadine bereits 2001 nach Misshandlungen ihres 32 Jahre alten Stiefvaters gestorben. Das Landgericht Hildesheim hatte ihn am 4. Mai zu acht Jahren Haft verurteilt. Die 30 Jahre alte Mutter, die der Gewalt nach Überzeugung des Gerichts tatenlos zusah, erhielt ein Jahr Haft auf Bewährung. Nach Überzeugung des Gerichts musste Nadine sterben, weil sie einem Seitensprung entstammte. „Nadine war das Aschenputtel der Familie“, sagte der Vorsitzende Richter damals.

Das Ehepaar hatte dagegen stets angegeben, Nadine sei Anfang 2003 als Zweieinhalbjährige nach einem Sturz aus dem Hochbett gestorben. Aus Angst vor dem Jugendamt hätten sie das Mädchen heimlich im Harz begraben. In Detailfragen hatten sie sich allerdings widersprochen.

Jahrelang hatten sie Nadines Tod vertuscht. Erst durch eine bevorstehende Schuluntersuchung war der Druck offenbar so groß geworden, dass sich die Mutter einer Freundin anvertraute, die im November 2006 schließlich zur Polizei ging.

Der Großvater von Nadine sagte, er habe mit seinen Helfern unmittelbar nach der Verurteilung am 4. Mai begonnen, das Waldstück umzugraben. Auch die Polizei hatte seinerzeit dort nach der Leiche gesucht. Die Beamten glaubten jedoch nicht daran, dass das Kind in dem von Brombeerbüschen und Bäumen dicht bewachsenen Boden vergraben sein könnte.

(dpa)

https://www.sueddeutsche.de/panorama/artikel/28/115912/

Re: Jugendamt Hildesheim: Fall Nadine

Kindstod

Großvater findet offenbar Nadines Leiche

© Stefan Simonsen/DDP Bild-Zoom-FunktionPostkarte-Sende-Funktion
Bestatter transportiere den Leichnam des Kindes

Die Leiche der kleinen Nadine aus Gifhorn ist offenbar von ihrem Großvater in einem Waldstück bei Bad Gandersheim im Harz gefunden worden. Den Eltern war vor Gericht die Schuld am Tod des Kindes zugewiesen worden. Der Leichenfund könne nun ihre Unschuld beweisen, hofft der Großvater.

Der idyllische Blick auf das Harzvorland wird von den Besuchern des Parkplatzes in der Nähe des Dörfchens Ackenhausen am Sonntag nicht wahrgenommen. Auf dem lang gezogenen Rastplatz am Waldrand haben sich Journalisten, Polizisten und Feuerwehrleute versammelt, um einen grausigen Fund in Augenschein zu nehmen: Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist es die Leiche der vor Jahren als Baby gestorbenen Nadine, gefunden von ihrem Großvater. Erst vor drei Wochen hatte das Landgericht Hildesheim die Eltern für den Tod verantwortlich gemacht. Der Vater wurde zu acht Jahren Haft wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge und schwerer Misshandlung, die Mutter wegen unterlassener Hilfeleistung zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt.
Der Leichenfund im Wald


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"Wir wollten sie unbedingt finden", sagte die 30 Jahre alte Mutter, die erst vor wenigen Tagen erneut eine Tochter geboren hat - Nadine mitgerechnet ihr siebtes Kind. "Wir haben sie hierher gebracht, es ist unsere Tochter", sagte die erschöpft wirkende Frau, die kaum Regung zeigte. Bereits am Samstag hatten die zwei Helfer ihres Schwiegervaters die Leiche entdeckt. Sie hatten den schweren Waldboden gemeinsam mit dem 58-Jährigen seit drei Wochen umgegraben. Auch die Polizei hatte seinerzeit dort gesucht. Die Beamten glaubten jedoch nicht daran, dass das Kind in dem dicht mit Brombeerbüschen und Bäumen bewachsenen Boden vergraben sein könnte.

Bereits in ihren ersten Vernehmung Anfang November 2006 hatten die Eltern aussagt, dass sie ihre Tochter in dem Waldstück vergraben hätten. Allerdings ist Nadine nach ihrer Schilderung nicht an den Folgen von Misshandlungen, sondern nach einem Sturz aus dem Hochbett gestorben. Aus Angst vor dem Jugendamt hätten sie den Tod ihrer Tochter über Jahre hinweg vertuscht. Erst durch eine bevorstehende Schuluntersuchung war der Druck offenbar so groß geworden, dass sich die Mutter einer Freundin anvertraute, die schließlich zur Polizei ging.

Großvater geht von einem Unfall aus
Der Großvater ist auf Polizei und Justiz nicht gut zu sprechen. An seinem Auto kleben gelbe Schilder: Fehlurteil - es war ein Unfall. Auf einem anderen steht, dass die Justiz Nadine nicht finden wollte. Sein Sohn sei unschuldig verurteilt worden. Den Leichenfund habe er nicht sofort am Samstag der Polizei gemeldet, weil Medienvertreter als Zeugen dabei sein sollten. "Kennen sie den Fall Nadine? Die Leiche ist gefunden", sagte er mehreren Journalisten am Telefon und gab ihnen die Wegbeschreibung.

"Der Fund ändert zum jetzigen Zeitpunkt nichts am Stand der Untersuchungen", sagte Polizeisprecher Sven-Marco Claus. Monatelang hatte die Mordkommission der Gifhorner Polizei ermittelt. Unter anderem ist sie zu dem Schluss gekommen, dass Nadine vermutlich aus einem Seitensprung stammt und deshalb das "Aschenputtel" der Familie gewesen sei. "Der Prozess muss wieder aufgerollt werden", forderte der Verteidiger des 32-Jährigen noch auf dem Parkplatz am Harzrand.

Endlich eine ordentliche Beerdigung
An einem der zahlreichen in den Waldboden gegrabenen Löcher markieren rosa Blumen das Grab von Nadine. Auf einem Stück Pappe ist ihr Geburtstag mit dem 2. Oktober 2000 angegeben, ihr Todestag mit dem 15. Januar 2003. "Es ist eine Erleichterung, dass wir sie gefunden haben. Nun können wir eine ordentliche Beerdigung machen", sagte der Großvater. Doch bis dahin wird es noch eine Zeit dauern. Nun sollen erst einmal die Gerichtsmediziner klären, ob das Mädchen 2003 nach einem Sturz aus dem Hochbett oder bereits früher an Misshandlungen gestorben ist.

Anita Pöhlig und Martina Steffen/DPA



Artikel vom 28. Mai 2007

https://www.stern.de/politik/deutschland/:Kindstod-Gro%C3%9Fvater-Leiche-Nadine/589898.html

Re: Jugendamt Hildesheim: Fall Nadine

28.05.2007 15:01 Uhr

Nach Leichenfund im Fall Nadine
Schwierige Aufgabe für Rechtsmediziner

Im Harz hat Nadines Großvater eine Kinderleiche im Wald gefunden. Er sieht darin den Beweis für die Unschuld seines Sohnes. Experten rechnen jedoch damit, dass nur die Identität des Kleinkinds geklärt werden kann – nicht aber die Umstände des Todes.

Die Identifizierung der im Harz gefundenen Kinderleiche stellt die Ermittler nach Auffassung des Leipziger Rechtsmediziners Rüdiger Lessig vor eine schwere Aufgabe. „Es ist zu erwarten, dass nur noch Knochen da sind“, sagte der Mediziner in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.

"Es wird darum schwierig werden für die Ermittler. Mehr als die Identität wird kaum zu klären sein“, sagte der Experte, der auch für das Bundeskriminalamt (BKA) arbeitet.

Die Polizei geht bislang davon aus, dass es sich bei der Kinderleiche um die vor Jahren verschwundene Nadine handelt. Ihr Vater wurde im Mai zu acht Jahren Haft wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge und schwerer Misshandlung, die Mutter wegen unterlassener Hilfeleistung zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt.

Haft für die Eltern

Nadines Eltern waren Anfang Mai in einem Indizienprozess wegen Körperverletzung mit Todesfolge und schwerer Misshandlung zu Haftstrafen verurteilt worden.

Die Leiche hätten sie bereits am Samstag entdeckt, sagte der Großvater. Die Polizei geht davon aus, dass es sich bei dem Fund im Harz tatsächlich um eine Kinderleiche handelt. Aber erst nach der gerichtsmedizinischen Untersuchung wird nach Polizeiangaben zweifelsfrei feststehen, ob es tatsächlich die sterblichen Überreste von Nadine sind.

Auch die Mutter von Nadine, die nach eigenen Angaben erst vor wenigen Tagen eine Tochter geboren hat, war am Sonntag dabei, als die Kinderleiche gezeigt wurde. "Ich bin in Tränen ausgebrochen, als ich sie sah“, sagte sie. "Wir haben sie hierher gebracht, es ist unsere Tochter.“

Nadine, Harz

Das Ehepaar hatte dagegen stets angegeben, Nadine sei Anfang 2003 als Zweieinhalbjährige nach einem Sturz aus dem Hochbett gestorben. Aus Angst vor dem Jugendamt hätten sie das Mädchen heimlich im Harz begraben. In Detailfragen hatten sie sich allerdings widersprochen.

Höchstens Knochenbrüche feststellbar

"Feststellungen zu möglichen Misshandlungen werden sich anhand der Leiche kaum treffen lassen“, sagte Lessig. Es sei davon auszugehen, dass sämtliche Weichteile des Körpers zerstört seien.

"Eventuell sind noch ein paar Gewebeteile erhalten", sagte der Mediziner. Bei diesem Zustand der Leiche ließen sich Verletzungen nur noch am Skelett feststellen. "Das heißt, dass man nur noch Knochenbrüche sehen könnte, wenn das Kind verletzt wurde.“

Auch die reine Identifizierung ist nach Ansicht Lessigs kompliziert. „Anhand des Entwicklungsgrades der Zähne im Kieferknochen, sofern diese vorhanden sind, müsste sich ablesen lassen, wie alt das Kind ist“, erklärte er.

Der 49-Jährige ist zugleich Zahnarzt. Wegen dieser eher seltenen Kombination ist der Leipziger Rechtsmediziner auch Mitglied der BKA-Identifizierungskommission. Für diese hat er nach dem Tsunami 2004 in Südostasien vor Ort Opfer der Flutkatastrophe untersucht.

(dpa)

https://www.sueddeutsche.de/panorama/artikel/78/115962/

Re: Jugendamt Hildesheim: Fall Nadine

Fall Nadine

"Das war eine 'normale' Familie"

© Peter Steffen/DPA
Susanne M., 30, siebenfache Mutter. Nadine ist tot, für fünf Kinder wurde ihr das Sorgerecht entzogen. Lebte sie wirklich in einer "normalen" Familie?

Von Lutz Kinkel

Das Jugendamt Gifhorn kannte die Eltern der getöteten Nadine seit 2001. "Die Familie machte im Großen und Ganzen einen vernünftigen Eindruck", so Sozialdezernentin Ingrid Alsleben zu stern.de. Das Amt kümmerte sich um die Sprachförderung von zwei Kindern - während Nadine schon unter der Erde lag.

Was war in der Familie der getöteten Nadine los? Warum ist niemanden etwas aufgefallen? Haben wieder alle Beobachter die Augen zugedrückt? Ingrid Alsleben, Sozialdezernentin in Gifhorn, nimmt das örtliche Jugendamt in Schutz. "Die Familie machte im Großen und Ganzen einen - in Anführungszeichen - vernünftigen Eindruck". Die Impfbücher der Kinder seien halbwegs vollständig gewesen, die Eltern seien mit den Kindern zum Arzt gegangen, sie hätten auch die Sprechstunden an der Schule wahrgenommen. Den Sozialarbeitern sei nur die Sprachschwäche von zwei Geschwistern Nadines aufgefallen. Sie erhielten, mit Unterstützung des Amts, eine spezielle Förderung. Währenddessen moderte Nadines Leichnam bereits in einem heimlich ausgehobenen Grab.

Die Staatsanwaltschaft des Langerichts Hildesheim, das Daniel M., Nadines Stiefvater, Anfang Mai zu acht Jahren Haft verurteilte, hatte ein ganz anderes Bild der Familie gezeichnet. Von Trinkgelagen der Mutter war die Rede, von ihren ständigen Seitensprüngen und von Daniel M.s Gewaltausbrüchen. Er habe sich gedemütigt gefühlt und seine Frau Susanne M. gewürgt und geprügelt. Außerdem habe er seine Wut an Nadine ausgelassen, weil sie die Tochter eines fremden Mannes war, das Resultat ihres Fremdgehens. Deswegen, so die Staatsanwaltschaft, habe er sie auch später getötet.
https://www.stern.de/politik/panorama/:Fall-Nadine-Das-'normale'-Familie/590196.html

Re: Jugendamt Hildesheim: Fall Nadine

Mutter der getöteten Nadine darf Baby zunächst behalten

Fünf Kinder leben bei Pflegefamilien



Gifhorn (dpa/lni) - Die Mutter der toten Nadine aus Gifhorn darf ihr Neugeborenes unter Auflagen bis zu einer Entscheidung des Amtsgerichts zunächst behalten. Mutter und Tochter würden regelmäßig von der Familienhilfe und einer Hebamme betreut, sagte am Freitag ein Gerichtssprecher. Das Mädchen war Ende Mai auf die Welt gekommen. Die anderen fünf Kinder leben bei Pflegefamilien. Ein Gutachten zur Erziehungsfähigkeit der Eltern steht noch aus.

„Die neuen Erkenntnisse der Polizei im Fall Nadine werden aber sicherlich in die Entscheidung der Familienrichter einfließen“, sagte Gerichtssprecher Jan-Michael Seidel. Pathologen hatten an der in einem Wald gefundenen Kinderleiche festgestellt, dass das Mädchen vor seinem Tod wahrscheinlich schwer misshandelt worden war. Die Untersuchung, ob es sich tatsächlich um die sterblichen Überreste von Nadine handelt, ist noch nicht abgeschlossen. Die Ermittler zweifeln daran jedoch nicht.

Der 32 Jahre alte Vater war wegen Körperverletzung mit Todesfolge und schwerer Misshandlung zu einer achtjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Die 30 Jahre alte Mutter erhielt wegen unterlassener Hilfeleistung eine Bewährungsstrafe. Die Eltern hatten Misshandlungen stets bestritten und behauptet, Nadine sei 2003 nach einem Sturz aus dem Hochbett gestorben. Anschließend hatten sie die Kinderleiche in einem Wald bei Bad Gandersheim vergraben. Nachdem die Polizei dort im vergangenen Herbst vergeblich nach Nadine gesucht hatte, grub der Großvater das Skelett vor sechs Tagen aus.
Freitag, 01.06.2007

https://www.newsclick.de/index.jsp/menuid/2044/artid/6818237

Re: Jugendamt Hildesheim: Fall Nadine

«Keine Zweifel» an Identität
Staatsanwalt: Leiche Nadines weist Spuren von Misshandlung auf

Hildesheim (ddp). Bei der am letzte Wochenende in einem Waldstück bei Bad Gandersheim im Harz gefundenen Kinderleiche handelt es sich mit sehr großer Wahrscheinlichkeit um die sterblichen Überreste der kleinen Nadine. Darauf deuteten Details an dem fast vollständig gefundenen Skelett hin, sagte Oberstaatsanwalt Bernd Seemann in Hildesheim. Zudem spreche der Fundort dafür, dass es sich um Nadine handele. Absolute Sicherheit könne jedoch erst die noch ausstehende DNA-Untersuchung bringen.

Polizei und Staatsanwaltschaft hätten jedoch schon jetzt «keine Zweifel» an der Identität der Leiche. An dem Skelett seien ältere Knochenbrüche und ein Schädelbruch festgestellt worden, die dem Kind zu Lebzeiten beigebracht worden und verheilt seien. Das stütze die Verurteilung des Vaters wegen Körperverletzung mit Todesfolge.

Älteren Schädelbruch festgestellt
So seien ältere, symmetrische Rippenbrüche rechts und links diagnostiziert worden, «die nicht mit dem von den Eltern behaupteten Sturzgeschehen und dem damit in zeitlicher Nähe erfolgten Todeseintritt erklärt werden können», hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung von Staatsanwaltschaft und Polizei. Zudem hätten die Gerichtsmediziner gemeinsam mit Radiologen der Medizinischen Hochschule Hannover einen älteren Schädelbruch festgestellt, der mehrere Tage bis Wochen vor dem Todeseintritt entstanden sein dürfte.

Zur genauen Todesursache hätten die Rechtsmediziner bislang keine Angaben machen können. Auch die Bestimmung des Lebensalters werde noch einige Zeit dauern, hieß es. Mit weiteren Ergebnissen sei frühestens in der kommenden Woche zu rechnen.

Nach Einschätzung von Oberstaatsanwalt Seemann belegen bereits die ersten Ergebnisse «die Feststellungen des Schwurgerichts in dem bislang noch nichts rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren gegen die Eltern von Nadine». Die Inszenierung des Großvaters sei «nach vorläufiger Bewertung nach hinten losgegangen», betonte Seemann.

Vorwurf des Großvaters
Der Großvater, der die Leiche gefunden hatte, hatte den Ermittlern vorgeworfen, nicht wirklich nach dieser gesucht zu haben. Damit habe die Polizei Hinweise unterdrücken wollen, die seinen Sohn und seine Schwiegertochter hätten entlasten können.

Das im Oktober 2000 geborene Kind soll vom Vater im Zeitraum Sommer 2001 bis Januar 2002 mehrfach geschlagen und misshandelt worden sein. Obwohl die Leiche nicht gefunden werden konnte, verurteilte das Landgericht Hildesheim in einem Indizienprozess den 32 Jahre alten Vater wegen Körperverletzung mit Todesfolge und schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen zu acht Jahren Haft. Die mitangeklagte 30-jährige Mutter erhielt wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen durch Unterlassen eine Bewährungsstrafe von einem Jahr.

02.06.2007 Sab

https://www.e110.de/artikel/detail.cfm?pageid=65&id=82016

Re: Jugendamt Hildesheim: Fall Nadine

Nadines Großvater will Sorgerecht einklagen

Von Thomas Parr



GIFHORN. Das Familiengericht am Amtsgericht Gifhorn hat den Eltern der toten Nadine aus Gifhorn das Sorgerecht für die verbliebenen sechs Geschwister wegen Erziehungsunfähigkeit entzogen. Hans-Udo Rüffer, der Großvater der toten Nadine, ist sich sicher: "Das Urteil gegen meinen Sohn war schon ein Fehlurteil, deshalb ist auch dieses Urteil falsch."

Nadines Vater war in einem Indizienprozess – der Leichnam des Kindes wurde erst nach dem Prozess gefunden, der Tod nahezu fünf Jahre verschwiegen – vor dem Landgericht Hildesheim zu acht Jahren Haft wegen Körperverletzung mit Todesfolge und Misshandlung verurteilt worden. Die Mutter hatte eine Bewährungsstrafe wegen unterlassener Hilfeleistung erhalten.

Die sechs Kinder leben derzeit in einer Pflegefamilie. "Ich habe dem Jugendamt Gifhorn bereits schlimme Fehler in dieser Familie nachgewiesen. Die Folge war, dass mir das Besuchsrecht entzogen worden ist", erbost sich Rüffer. "Ich habe aber das Sorgerecht beantragt. Wird es mir verweigert, klage ich", kündigt er an.

Dass seinem Sohn und seiner Schwiegertochter das Sorgerecht entzogen worden ist, kann der Mann nicht verstehen. "Ich habe es schwarz auf weiß vom Jugendamt. 2002 hat es festgestellt, dass dies eine ordentliche und solide Familie ist." Das Urteil des Amtsgerichts Gifhorn ist noch nicht rechtskräftig.

https://www.newsclick.de/index.jsp/menuid/7534512/artid/7910262