Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen - Mitarbeiter-Entscheider-Fehlverhalten

Lübecker Jugendamt schlägt Alarm: Stellen seit Juli unbesetzt

Lübecker Jugendamt schlägt Alarm: Stellen seit Juli unbesetzt

ln-online/lokales vom 07.03.2009 00:00
Lübecker Jugendamt schlägt Alarm: Stellen seit Juli unbesetzt
Lübeck - Das Jugendamt kann Kinder nicht ausreichend schützen, weil Personal fehlt. Beschlossene neue Stellen sind noch immer nicht vergeben. Bürgermeister Saxe muss heftige Kritik einstecken.

Gefährliche Sparpolitik: Wegen fehlenden Personals konnte das Jugendamt Hinweisen auf Kindeswohlgefährdung in Moisling nicht mehr nachgehen. Die Polizei griff ein. Der Jugendhilfeausschuss ist entsetzt und will Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) die Personalhoheit für diesen Bereich entziehen.

Anfang Dezember holte die Polizei fünf kleine Kinder aus einer Moislinger Familie. „Wir konnten die Familie nicht mehr betreuen“, berichtete Renate Junghans, Leiterin des Jugendamtes, dem zuständigen politischen Ausschuss. Beim Allgemeinen Sozialdienst in Moisling seien seit mehreren Monaten drei Stellen unbesetzt gewesen. Zudem würden sich die verbliebenen Mitarbeiter wegbewerben, weil sie den Druck nicht mehr aushielten. Sogar Kinderärzte schlugen schon Alarm. In einem Brandbrief an den Bürgermeister lehnte Junghans jede weitere Verantwortung für die Lage ab.

Der Jugendhilfeausschuss fiel aus allen Wolken. Denn die Bürgerschaft hatte am 17. Juli 2008 dreieinhalb neue Stellen für die Allgemeinen Sozialdienste bewilligt, damit Lübeck nicht eines Tages traurige Berühmtheit durch tote Kinder erlangt – wie zuvor schon Bremen, Hamburg und Schwerin. Jetzt kam heraus, dass die Stellen bis heute nicht besetzt sind. Immerhin hat der Brandbrief den Bürgermeister dazu bewegt, die Stellen zur Besetzung freizugeben.

Der Ausschuss hat Saxe zwecks Aufklärung in die Sitzung am Donnerstag gebeten. Der Verwaltungschef schickte einen Mitarbeiter des Zentralen Controllings, der den Politikern die langwierigen Prozesse bei der Stellenbesetzung erklärte. In der Regel würden freie Stellen neun Monate nicht wieder besetzt, um Personalkosten zu sparen. Hintergrund ist das Programm „Minus 500“, das erst in der letzten Bürgerschaftssitzung gestoppt wurde. Muss eine Stelle besetzt werden, wird zunächst der interne Stellenmarkt durchforstet. Findet sich keine geeignete Person, wird die Stelle extern ausgeschrieben.

Ein Verfahren, das auf Unmut stieß. Jan Lindenau (SPD): „Wenn es darum geht, den Tod von Kindern zu verhindern, erwarte ich von der Verwaltung zügige Entscheidungen.“ Kai Gusek, der Chef der Gemeindediakonie und Mitglied im Jugendhilfeausschuss: „Wenn die Polizei statt des Jugendamtes eingreifen muss, ist das ein Armutszeugnis.“ Antje Jansen (Linke): „Ich bin entsetzt. Wir müssen dem Bürgermeister unser Misstrauen aussprechen.“ Olaf Nevermann (BfL): „Das ist ein Skandal. Saxe hatte den klaren Auftrag, die Stellen zu besetzen.“ Katja Mentz (Grüne): „Eigentlich müssten wir zu Saxe ins Büro gehen und ihn zur Rede stellen.“

Soweit kam es nicht. Der Jugendhilfeausschuss missbilligte die Arbeit des Bürgermeisters und fordert ihn in einem einstimmigen Beschluss auf, die Personalhoheit bei Kitas, Familienhilfe und Jugendarbeit auf Senatorin Annette Borns (SPD) zu übertragen. Ob er dem folgen wird, ließ Bürgermeister Saxe gestern offen. Er verwies auf die übliche Praxis, dass neu zu besetzende Stellen erst intern ausgeschrieben werden. Warum der ganze Besetzungsvorgang in diesem Fall bereits acht Monate dauert, konnte der Bürgermeister nicht erklären. „In einzelne Stellenausschreibungen bin ich nicht involviert.“ Saxe räumte jedoch ein, dass nicht nur das Jugendamt, sondern die gesamte Verwaltung unter „Minus 500“ leide. Das gelte ebenso für andere sensible Bereiche wie Feuerwehr und Gesundheitsamt. „Das ist nun einmal das Dilemma“, so Saxe. „Auf der einen Seite müssen wir Stellen neu besetzen, auf der anderen Seite ein Haushaltsloch von 40 Millionen Euro konsolidieren.“
Von Kai Dordowsky und Oliver Vogt
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