Im Bundestag notiert: Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen
Inneres/Kleine Anfrage
Berlin: (hib/MAR) Der Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen steht im Mittelpunkt einer Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (16/2539). Wie viele solcher Flüchtlinge von der Bundespolizei zwischen 1. Oktober 2005 und 31. Juni 2006 in Deutschland aufgegriffen wurden, wollen die Abgeordneten unter anderem wissen. Weiter ist von Interesse, ob alle den jeweils örtlich zuständigen Jugendämtern zur Inobhutnahme gemeldet wurden.
Re: Bundestag: Jugendamt-Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen
Deutscher Bundestag
Drucksache 16/2539 16. Wahlperiode 06. 09. 2006
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Ekin Deligöz, Katrin Göring-Eckardt, Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln), Monika Lazar, Silke Stokar von Neuforn, Jerzy Montag, Grietje Bettin, Kai Boris Gehring, Britta Haßelmann, Priska Hinz (Herborn) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen nach Aufgriff durch die Bundespolizei
Im Rahmen des Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetzes (KICK) änderte die damalige rot-grüne Bundesregierung auch § 42 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII), der die vorläufige Maßnahme der Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen durch das Jugendamt regelt. Das Gesetz trat im Oktober 2005 in Kraft.
Während nach alter Rechtslage eine Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge unter der Voraussetzung einer individuellen Kindeswohlgefährdung zu verfügen war, ist unter Geltung des neuen Rechts in § 42 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII die unbegleitete Einreise von Minderjährigen bis 18 Jahre als eigenständiges In- obhutnahmekriterium ausdrücklich festgeschrieben.
Eine Risikoabschätzung muss nicht mehr erfolgen. Einem unbegleiteten minder- jährigen Flüchtling bis 18 Jahre wird eine die Inobhutnahme auslösende, das Kindeswohl gefährdende Situation per se unterstellt.
Das örtlich zuständige Jugendamt hat nach § 42 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII unver- züglich die Bestellung eines Vormundes oder Pflegers zu veranlassen. Das Jugendamt hat bis zur Übernahme der Verantwortung durch einen Vormund oder Pfleger dem häufig physisch und psychisch stark belasteten Kind oder Jugend- lichen Erstversorgung, sozialpädagogische Betreuung und ggf. auch therapeu- tische Hilfe zu gewähren.
Für die tatsächliche Umsetzung der Neuregelung des § 42 SGB VIII im Interesse der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge ist die unverzügliche Meldung der von der Bundespolizei aufgegriffenen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge beim jeweils örtlich zuständigen Jugendamt entscheidend.
Ist ein minderjähriger Flüchtling von der Bundespolizei als unbegleitet identifi- ziert, ist er oder sie dementsprechend von der Bundespolizei dem örtlich zustän- digen Jugendamt zur Inobhutnahme zu melden.
Einen Rechtsanspruch auf Inobhutnahme haben aber nicht nur Flüchtlinge, die jünger als 18 Jahre sind und die einen Asylantrag stellen, sondern auch
Jugendliche, die unerlaubt in die Bundesrepublik Deutschland einreisen, kei- nen Asylantrag stellen wollen oder können (z. B. Fälle nach dem Dubliner Übereinkommen) und deshalb von der Bundespolizei aufgefordert werden, Deutschland zu verlassen sowie
Jugendliche, die auf Veranlassung der Bundespolizei in Abschiebehaft ge- nommen werden.
Drucksache 16/2539 16. Wahlperiode 06. 09. 2006
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Ekin Deligöz, Katrin Göring-Eckardt, Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln), Monika Lazar, Silke Stokar von Neuforn, Jerzy Montag, Grietje Bettin, Kai Boris Gehring, Britta Haßelmann, Priska Hinz (Herborn) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen nach Aufgriff durch die Bundespolizei
Im Rahmen des Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetzes (KICK) änderte die damalige rot-grüne Bundesregierung auch § 42 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII), der die vorläufige Maßnahme der Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen durch das Jugendamt regelt. Das Gesetz trat im Oktober 2005 in Kraft.
Während nach alter Rechtslage eine Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge unter der Voraussetzung einer individuellen Kindeswohlgefährdung zu verfügen war, ist unter Geltung des neuen Rechts in § 42 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII die unbegleitete Einreise von Minderjährigen bis 18 Jahre als eigenständiges In- obhutnahmekriterium ausdrücklich festgeschrieben.
Eine Risikoabschätzung muss nicht mehr erfolgen. Einem unbegleiteten minder- jährigen Flüchtling bis 18 Jahre wird eine die Inobhutnahme auslösende, das Kindeswohl gefährdende Situation per se unterstellt.
Das örtlich zuständige Jugendamt hat nach § 42 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII unver- züglich die Bestellung eines Vormundes oder Pflegers zu veranlassen. Das Jugendamt hat bis zur Übernahme der Verantwortung durch einen Vormund oder Pfleger dem häufig physisch und psychisch stark belasteten Kind oder Jugend- lichen Erstversorgung, sozialpädagogische Betreuung und ggf. auch therapeu- tische Hilfe zu gewähren.
Für die tatsächliche Umsetzung der Neuregelung des § 42 SGB VIII im Interesse der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge ist die unverzügliche Meldung der von der Bundespolizei aufgegriffenen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge beim jeweils örtlich zuständigen Jugendamt entscheidend.
Ist ein minderjähriger Flüchtling von der Bundespolizei als unbegleitet identifi- ziert, ist er oder sie dementsprechend von der Bundespolizei dem örtlich zustän- digen Jugendamt zur Inobhutnahme zu melden.
Einen Rechtsanspruch auf Inobhutnahme haben aber nicht nur Flüchtlinge, die jünger als 18 Jahre sind und die einen Asylantrag stellen, sondern auch
Jugendliche, die unerlaubt in die Bundesrepublik Deutschland einreisen, kei- nen Asylantrag stellen wollen oder können (z. B. Fälle nach dem Dubliner Übereinkommen) und deshalb von der Bundespolizei aufgefordert werden, Deutschland zu verlassen sowie
Jugendliche, die auf Veranlassung der Bundespolizei in Abschiebehaft ge- nommen werden.
der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Ekin Deligöz, Katrin Göring-Eckardt, Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln), Monika Lazar, Silke Stokar von Neuforn, Jerzy Montag, Grietje Bettin, Kai Boris Gehring, Britta Haßelmann, Priska Hinz (Herborn) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen nach Aufgriff durch die Bundespolizei
Im Rahmen des Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetzes (KICK) änderte die damalige rot-grüne Bundesregierung auch § 42 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII), der die vorläufige Maßnahme der Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen durch das Jugendamt regelt. Das Gesetz trat im Oktober 2005 in Kraft.
Während nach alter Rechtslage eine Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge unter der Voraussetzung einer individuellen Kindeswohlgefährdung zu verfügen war, ist unter Geltung des neuen Rechts in § 42 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII die unbegleitete Einreise von Minderjährigen bis 18 Jahre als eigenständiges In- obhutnahmekriterium ausdrücklich festgeschrieben.
Eine Risikoabschätzung muss nicht mehr erfolgen. Einem unbegleiteten minder- jährigen Flüchtling bis 18 Jahre wird eine die Inobhutnahme auslösende, das Kindeswohl gefährdende Situation per se unterstellt.
Das örtlich zuständige Jugendamt hat nach § 42 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII unver- züglich die Bestellung eines Vormundes oder Pflegers zu veranlassen. Das Jugendamt hat bis zur Übernahme der Verantwortung durch einen Vormund oder Pfleger dem häufig physisch und psychisch stark belasteten Kind oder Jugend- lichen Erstversorgung, sozialpädagogische Betreuung und ggf. auch therapeu- tische Hilfe zu gewähren.
Für die tatsächliche Umsetzung der Neuregelung des § 42 SGB VIII im Interesse der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge ist die unverzügliche Meldung der von der Bundespolizei aufgegriffenen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge beim jeweils örtlich zuständigen Jugendamt entscheidend.
Ist ein minderjähriger Flüchtling von der Bundespolizei als unbegleitet identifi- ziert, ist er oder sie dementsprechend von der Bundespolizei dem örtlich zustän- digen Jugendamt zur Inobhutnahme zu melden.
Einen Rechtsanspruch auf Inobhutnahme haben aber nicht nur Flüchtlinge, die jünger als 18 Jahre sind und die einen Asylantrag stellen, sondern auch
Jugendliche, die unerlaubt in die Bundesrepublik Deutschland einreisen, kei- nen Asylantrag stellen wollen oder können (z. B. Fälle nach dem Dubliner Übereinkommen) und deshalb von der Bundespolizei aufgefordert werden, Deutschland zu verlassen sowie
Jugendliche, die auf Veranlassung der Bundespolizei in Abschiebehaft ge- nommen werden.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wurden von der Bundes- polizei im Zeitraum vom 1. Oktober 2005 bis 31. Juni 2006 in Deutschland aufgegriffen (bitte den Aufgriff nach Bundesländern aufschlüsseln)?
a) Wie viele dieser unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge waren unter 16 Jahre alt?
Wie viele davon waren Mädchen?
b) Wie viele dieser unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge waren zwischen 16 und 18 Jahre alt?
Wie viele davon waren Mädchen?
2. Wurden alle in Frage 1 genannten aufgegriffenen unbegleiteten minderjähri- gen Flüchtlinge bis 18 Jahre, die einen Asylantrag stellen wollten, von der Bundespolizei den jeweils örtlich zuständigen Jugendämtern zur Inobhut- nahme gemeldet?
a) Wenn ja, wie viele dieser unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge wur- den den örtlich zuständigen Jugendämtern von Oktober 2005 bis Juni 2006 gemeldet?
Wie viele davon waren über 16 Jahre?
b) Wenn nein, wie viele wurden aus welchen Gründen von der Bundespolizei den örtlich zuständigen Jugendämtern nicht gemeldet?
3. Wie viele der in Frage 1 genannten aufgegriffenen unbegleiteten minderjähri- gen Flüchtlinge wurden von der Bundespolizei von Oktober 2005 bis Juni 2006 an Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylbewerberinnen und -bewerber verwiesen?
4. Wie wird mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge verfahren, die zwi- schen 16 und 18 Jahre alt sind und die einen Asylantrag stellen wollen?
5. Werden von der Bundespolizei aufgegriffene unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die unerlaubt in Deutschland eingereist sind und keinen Asyl- antrag stellen wollen oder können (z. B. Fälle nach dem Dubliner Überein- kommen), von der Bundespolizei dem jeweils örtlich zuständigen Jugendamt zur Inobhutnahme gemeldet?
Wenn ja, wie viele dieser unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge wurden den örtlich zuständigen Jugendämtern von Oktober 2005 bis Juni 2006 durch die Bundespolizei gemeldet?
Wenn nein, warum nicht?
6. Werden unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die in Abschiebehaft genom- men werden sollen, vorher von der Bundespolizei den örtlich zuständigen Jugendämtern zur Inobhutnahme bzw. zwecks Prüfung milderer Mittel ge- meldet?
Wenn ja, wie viele dieser unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge wurden den örtlich zuständigen Jugendämtern von Oktober 2005 bis Juni 2006 gemel- det?
Wenn nein, warum nicht?
7. Wie viele dieser unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge wurden auf Veran- lassung der Bundespolizei von Oktober 2005 bis Juni 2006 in Abschiebehaft genommen?
8. Wie viele dieser unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge wurden nach Kenntnis der Bundesregierung nach Prüfung milderer Mittel nicht in Ab- schiebehaft genommen, sondern in Jugendhilfeeinrichtungen untergebracht?