Jugendamt Paderborn: Sorgerechtsentzug wegen Schulverweigerung
Jugendamt Paderborn: Sorgerechtsentzug wegen Schulverweigerung
Gerichtsbeschluss
BGH entzieht Sorgerecht wegen Schulverweigerung
Von Reinhard Müller
"Staatlicher Erziehungsauftrag" 16. November 2007 Eltern, die ihre Kinder aus religiösen Gründen nicht zur Schule schicken, kann das Sorgerecht teilweise entzogen werden. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) am Freitag entschieden. Die Allgemeinheit habe ein Interesse daran, Parallelgesellschaften zu verhindern. Es ging um Spätaussiedler, die einer christlichen Glaubensgemeinschaft angehörten. Sie hatten der öffentlichen Grundschule mitgeteilt, dass sie künftig zwei jüngere ihrer Kinder zu Hause unterrichten würden.
Erziehung und Bildung in der Schule seien mit ihren Glaubensüberzeugungen nicht vereinbar. Gespräche mit Schulleitung, Bezirksregierung und Integrationsbeauftragten sowie ein Bußgeld konnten die Eltern umstimmen. Daraufhin entzog das Familiengericht den Eltern die elterliche Sorge in Schulangelegenheiten sowie das Aufenthaltsbestimmungsrecht für diese Kinder und bestellte das Jugendamt zu den Pflegern der Kinder. Mit dessen Einwilligung brachten die Eltern die Kinder daraufhin in ein Dorf in Österreich.
Missbrauch ihrer elterlichen Sorge
Das Jugendamt setzte nach österreichischem Recht durch, dass die Mutter den Kindern Hausunterricht erteilen dürfe. Seither werden die Kinder dort von ihrer pädagogisch nicht vorgebildeten Mutter unterrichtet. Der BGH bestätigte nun im Wesentlichen die Vorinstanzen: Der Besuch der Grundschule diene dem legitimen Ziel der Durchsetzung des staatlichen Erziehungsauftrags. Die Allgemeinheit habe ein berechtigtes Interesse daran, der Entstehung von religiös oder weltanschaulich geprägten Parallelgesellschaften entgegenzuwirken und Minderheiten zu integrieren.
Integration setze voraus, dass Minderheiten sich nicht selbst abgrenzten und sich einem Dialog mit Andersdenkenden nicht verschlössen. Das einzuüben und zu praktizieren sei eine wichtige Aufgabe der Grundschule. Die beharrliche Weigerung der Eltern, ihre Kinder auf die öffentliche Schule zu schicken, sei deshalb ein Missbrauch ihrer elterlichen Sorge. Eltern seien auch dann nicht berechtigt, ihre Kinder der Schulpflicht zu entziehen, wenn einzelne Lehrinhalte oder -methoden ihren Glaubensüberzeugungen entgegenstünden.
Der teilweise Entzug der elterlichen Sorge und die Anordnung der Pflegschaft seien im Grundsatz verhältnismäßig. Der BGH beanstandete aber die Bestellung des Jugendamtes zum Pfleger für die Kinder. Denn dieser Pfleger habe sich offenkundig als in diesen Fällen ungeeignet erwiesen, den Gefahren für das Kindeswohl effektiv zu begegnen. Es habe erst die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Kinder nach Österreich umgemeldet und dann zu Hause unterrichtet worden seien.
Kann der Staat Eltern das Sorgerecht entziehen, wenn sie ihre Kinder von der Schule fernhalten? Der Bundesgerichtshof hat heute Klarheit geschaffen: Ein Baptisten-Paar aus Paderborn darf nicht länger über Schulangelegenheiten und Wohnort von zwei Kindern bestimmen. ANZEIGE
Vor ein paar Jahren zogen sie aus Kasachstan nach Deutschland, in den Kreis Paderborn in Nordrhein-Westfalen. Weil vor allem der Sexualkunde-Unterricht an der Schule ihrem Glauben widersprach, schickten die Spätaussiedler ihre Kinder nicht mehr zur Schule. Erst war es nur ein Elternpaar, dann zwei, dann vier, am Ende sieben. 15 Kinder sollten nicht mehr zur normalen Schule gehen. Alle Familien gehören der freikirchlich-evangelischen Glaubensgemeinschaft der Baptisten an.
Der Bundesgerichtshof bestätigte heute das Urteil des Familiengerichts Paderborn, das einem der Elternpaare das Sorgerecht in Schulangelegenheiten und das Aufenthaltsbestimmungsrecht für zwei Kinder entzogen hatte (Aktenzeichen XII ZB 41/07u. 42/07 vom 11.09.2007). Das Paar hatte gegen das Urteil Beschwerde eingelegt - und ihre Kinder zwischenzeitlich nach Österreich gebracht, wo die Mutter sie zu Hause unterrichtete.
Jetzt entschieden die obersten Richter, dass Eltern das Sorgerecht entzogen werden kann, wenn sie den Schulbesuch ihrer Kinder beharrlich verhindern. Das gilt auch, wenn die Eltern aus religiösen Gründen die Lehrpläne ablehnen. Die Allgemeinheit habe ein berechtigtes Interesse daran, dass sich keine religiös oder weltanschaulich geprägten Parallelgesellschaften bildeten, sagten die Richter in der Begründung des Urteils. Integration setze voraus, dass religiöse oder weltanschauliche Minderheiten sich nicht dem Dialog mit Andersdenkenden verschließen (Aktenzeichen: XII ZV 42/07).
Serie von Schulboykott-Fällen
Der Konflikt der Paderborner Eltern mit Behörden und Gerichten sorgt seit Jahren für Aufsehen. Bundesweit gibt es eine ganze Reihe weiterer hartnäckiger und meist religiös motivierter Schulverweigerern. Fast immer werden sie von kleinen, aber rührigen Lobbyorganisationen gegen die allgemeine Schulpflicht unterstützt und rechtlich beraten. Beim Kampf pro "Homeschooling", contra Schulpflicht sind diese Initiativen sich einig, heißen zum Beispiel "Schule zu Hause", "Schulbildung in Familieninitiative" oder "Schulunterricht zu Hause" und sind teils im "Netzwerk Bildungsfreiheit" organisiert sind.
Mehrere Fälle wurden überregional bekannt. So wurde ein bibelfrommes Elternpaar in Hamburg strafrechtlich verurteilt, weil es drei Töchter auf eigene Faust in einem Reihenhaus unterrichtete und von der Außenwelt abschottete. Auch ein strenggläubiges hessisches Ehepaar scheiterte vor Gericht mit der Forderung nach Heimunterricht. Und in Bayern gab es jahrelange Auseinandersetzungen mit der urchristlichen Gemeinschaft "Zwölf Stämme".
VOTE # Lernen in Heimarbeit
Soll es Eltern gestattet sein, ihre Kinder zu Hause unterrichten zu lassen?
* Ja, wenn die Qualität des Unterrichtes gewährleistet ist, schließlich stellt dies in anderen Ländern auch kein Problem dar. * Ja, Religionsfreiheit muss gewährleistet sein. * Nein, nur die allgemeine Schulpflicht garantiert gleiche Bildungs-Chancen und soziale Erfahrungen für alle. * Nein, keine Sonderrechte für Sekten.
Die Paderborner Baptisten weigern sich seit mehr als vier Jahren, ihre Kinder auf eine staatliche Schule zu schicken. Im Oktober 2003 meldeten sie ihre beiden jüngsten von mehreren Kindern vom Unterricht ab. Zuerst versuchten die Lehrer und die Schulleitung der betroffenen Schule mit den Eltern zu sprechen - als das fehlschlug, kamen die ersten Ermahnungen. Die Baptisten wollten ihre Kinder jedoch zu Hause unterrichten und dazu das Lehrmaterial von zwei Fernschulen nutzen. Auch dafür gab es keine Genehmigung.
Ihr Fall ging an die Bezirksregierung, der Integrations-Beauftragte schaltete sich ein. Die Eltern schlugen auch den Vorschlag aus, die Kinder auf eine staatlich anerkannte Bekenntnisschule zu schicken - sie beantragten die Gründung einer eigenen Schule. Alles mit dem Verweis auf ihre Glaubensgrundsätze.
Den Eltern geht es vor allem um den Sexualkundeunterricht in regulären Schulen: Dort würden die Kinder "geradezu sexuell stimuliert", sagte einer der Befürworter der Schulverweigerung. Baptisten lehnen im allgemeinen Sex vor und außerhalb der Ehe ab - dies sei mit dem biblischen Bild von Sexualität und Ehe nicht vereinbar, sagen sie. Die Eltern aus dem Kreis Paderborn bestanden außerdem darauf, dass Gott ausschließlich ihnen als Eltern die Erziehungsgewalt über die Kinder zugestanden habe.
Am Ende wurde ein Bußgeld gegen sie verhängt - 500 Euro wegen des Verstoßes gegen das Schulpflichtgesetz. Nicht alle Elternpaare ließen sich davon beeindrucken. Sechs von ihnen stimmten zwar schließlich im Dezember 2005 zu, dass ihre Kinder auf einer konfessionellen Ersatzschule in Heidelberg unterrichtet werden sollten. (mehr...)
Eine Familie aber suchte sich einen anderen Schlupfwinkel. Die Geschichte ging weiter - und zwar ziemlich kurios.
Eine Ohrfeige vom Bundesgerichtshof
Zunächst entzog das Familiengericht in Paderborn den Eltern das Sorgerecht in Schulangelegenheiten und setzte einen Pfleger des örtlichen Jugendamtes ein, um sich um den Fall zu kümmern. Mit dessen Einwilligung brachten das letzte Elternpaar seine Kinder schließlich in ein österreichisches Dorf (mehr...), wo die Mutter sie selbst unterrichtet. Sie hat dafür keine pädagogische Ausbildung. Die Eltern und die Familie behielten ihren Wohnsitz in deutschland allerdings bei.
Die österreichischen Behörden vom Bezirksschulrat Villach-Land segneten den Heimunterricht auf Antrag des Jugendamtes der Stadt Paderborn ab, da es in Österreich wie in vielen Ländern nur eine Unterrichtspflicht gibt - aber keine Schulpflicht wie in Deutschland. Das war im Dezember 2005.
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"Hier endet unsere Zuständigkeit. Deshalb werden wir die Akten schließen", sagte der Paderborner Landrat Manfred Müller damals. Damit lag er falsch. Der Bundesgerichtshof entzog dem Jugendamt der Stadt Paderborn heute die Pflegschaft für die Kinder. Begründung: Die Stadt habe die Situation selbst herbeigeführt und der Pfleger sich "als ungeeignet erwiesen, den Gefahren für das Kindeswohl effektiv zu begegnen", so der Bundesgerichtshof heute.
Es sei das Jugendamt als Pfleger gewesen, welches die Voraussetzungen dafür geschaffen habe, dass die Kinder nach Österreich gebracht wurden. Außerdem habe es durch den Antrag bei den österreichischen Behörden den Haus-Unterricht erst ermöglicht. Der Bundesgerichtshof verwies die Sache zurück an das Oberlandesgericht Hamm - die Richter dort müssen nun erneut über einen geeigneten Pfleger für die Kinder entscheiden. Und das Gezerre um die Kinder und ihren Unterricht geht von Neuem los.
Die beiden innenpolitischen Sprecher der großen Koalition haben das Urteil begrüßt. "Das Gemeinwesen hat sehr wohl das recht, Mindestnormen in der Erziehung durchzusetzen", sagte Dieter Wiefelspütz (SPD) den "Stuttgarter Nachrichten". Und Hans-Peter Uhl (CSU) betonte: "Wir sind froh über jeden Richterspruch, der Ernst macht mit dem Integrationsprinzip 'fordern und fördern'." Wer sich widersetze, müsse Sanktionen erfahren.
Re: Jugendamt Paderborn: Sorgerechtsentzug wegen Schulverweigerung
Freitag, 16. November 2007 Religiöse Schulverweigerung Sorgerechtsentzug möglich
Eltern, die ihre Kinder aus religiösen Gründen nicht in die Schule schicken, darf das Sorgerecht entzogen werden. Entsprechende Urteile des Familiengerichts Paderborn hat der Bundesgerichtshof bestätigt.
Das Paderborner Gericht hatte zwei baptistischen Familien aus der Stadt das Sorgerecht für Schulangelegenheiten sowie das Recht zur Bestimmung des Wohnortes der Kinder entzogen. Die betroffenen Eltern hatten zwei ihrer Kinder trotz hartnäckiger Versuche der Behörden von der Grundschule ferngehalten. Später brachten sie ihre Kinder nach Österreich, wo sie zu Hause von den Müttern unterrichtet werden.
"Eltern sind auch dann nicht berechtigt, ihre Kinder der Schulpflicht zu entziehen, wenn einzelne Lehrinhalte oder -methoden der Schule ihren Glaubensüberzeugungen entgegenstehen", heißt es in der Urteilsbegründung (Az: XII ZB 41/07 u. 42/07 - Beschlüsse vom 11. September 2007).
Jugendamt half bei der Ausreise
Das Gericht übte in den konkreten Fällen allerdings auch harsche Kritik am Jugendamt der Stadt Paderborn und entzog ihm die Pflegschaft. Jetzt muss das Oberlandesgericht Hamm über eine neue Pflegschaft entscheiden.
Den Mitgliedern der konservativen Glaubensgemeinschaft, die vor allem den Sexualkundeunterricht als zu freizügig ablehnen, war es gelungen, ihre Kinder nach dem Sorgerechtsentzug nach Österreich zu bringen. Dort bekommen die Kinder inzwischen von den - pädagogisch nicht vorgebildeten - Müttern Hausunterricht, was nach österreichischem Recht möglich ist. Verantwortlich dafür ist laut BGH das Jugendamt der Stadt Paderborn, das den Eltern die Ummeldung der Kinder erlaubt und ihnen sogar noch beim Antrag auf Hausunterricht geholfen habe. Der BGH entzog dem Jugendamt die Pflegschaft, weil es sich als "offenkundig" ungeeignet erwiesen habe.
Die Stadt Paderborn argumentierte, das Paderborner Gericht habe in seinem Urteil ausdrücklich erklärt, eine Ausreise der Eltern mit ihren Kindern sei jederzeit möglich. Das Gericht habe sich dabei auf die Rechtsprechung des bayerischen Oberlandesgerichts aus dem Jahr 1985 berufen. Die Stadt habe lediglich die Vorgaben der Paderborner Richter erfüllt. Hinsichtlich des Entzugs des Sorgerechtes für die Eltern stellte sich die Stadt hinter den Beschluss der Karlsruher Richter. "Die Stadt hat von Anfang an vorgeschlagen, den Baptisten-Eltern das Sorgerecht zu entziehen", sagte Paderborns Jugenddezernent Wolfgang Walter.
Gegen "Parallelgesellschaften"
Nach den Worten des BGH-Familiensenats hat die Allgemeinheit ein berechtigtes Interesse, der Entstehung von religiös oder weltanschaulich geprägten "Parallelgesellschaften" entgegenzuwirken und Minderheiten zu integrieren. Integration setze voraus, dass religiöse oder weltanschauliche Minderheiten sich nicht selbst abgrenzten und einem Dialog mit Andersdenkenden verschlössen. Eine wichtige Aufgabe der Grundschule sei es, eine solche "gelebte Toleranz" einzuüben und zu praktizieren. https://www.n-tv.de/880743.html
Re: Jugendamt Paderborn: Sorgerechtsentzug wegen Schulverweigerung
Familie Glaube befreit nicht von Schulpflicht
BGH billigt Sorgerechts-Entzug bei Missachtung - SPD und CDU begrüßen Beschluss
von Norbert Demuth, 16.11.07, 18:56h
Klassenzimmer Blick in ein Klassenzimmer: Schicken Eltern ihre Kinder aus Glaubensgründen nicht zur Schule, kann ihnen zeitweise das Sorgerecht entzogen werden. (Foto: dpa)
Karlsruhe/Stuttgart/ddp. Eltern, die ihre Kinder aus Glaubensgründen nicht zur Schule schicken, können zumindest teilweise das Sorgerecht verlieren. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Freitag veröffentlichten Beschluss. Es liege im Interesse der Allgemeinheit, der Entstehung von religiös oder weltanschaulich geprägten «Parallelgesellschaften» entgegenzuwirken, hieß es. Die beiden innenpolitischen Sprecher der großen Koalition, Dieter Wiefelspütz (SPD) und Hans-Peter Uhl (CSU) begrüßten die Entscheidung.
Im vorliegenden Fall ging es um strenggläubigen Baptisten, die als Spätaussiedler nach Deutschland kamen. Sie beharrten darauf, zwei ihrer Kinder nicht in die Grundschule zu schicken. Darauf entzog ihnen das Familiengericht Paderborn das Sorgerecht in Schulangelegenheiten für diese Kinder und auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Zudem bestellte das Gericht das Jugendamt der Stadt Paderborn als Pfleger. Der BGH betonte, dass die Anordnung einer Pflegschaft für die Kinder grundsätzlich dem «Missbrauch der elterlichen Sorge» entgegenwirken könne.
Allerdings brachten - mit Einwilligung des Pflegers - die Eltern ihre Kinder dann in ein österreichisches Dorf, wo die - pädagogisch nicht vorgebildete Mutter - den Kindern seither Hausunterricht erteilt. Der BGH rügte, dass der Pfleger sich offenkundig als ungeeignet erwiesen habe, den Gefahren für das Kindeswohl effektiv zu begegnen. Das Oberlandesgericht Hamm müsse nun in einem weiteren Verfahren einen geeigneten Pfleger auswählen oder durch Weisungen sicherstellen, dass die Kinder ihrer Schulpflicht in Deutschland nachkämen. Denn diese bestehe weiterhin, da die Eltern ihren Wohnsitz in Deutschland beibehalten hätten.
Mit Blick auf die Bemühungen, auch muslimische Kinder besser zu integrieren, sagte Wiefelspütz den «Stuttgarter Nachrichten» (Wochenendausgabe) : «Das Gemeinwesen hat sehr wohl das Recht, Mindestnormen in der Erziehung durchzusetzen. Wir müssen das Recht haben, unsere Wertordnung unter Respekt vor religiösen Überzeugungen durchzusetzen.» Der Unionspolitiker Uhl betonte gegenüber der Zeitung: «Wir sind froh über jeden Richterspruch, der Ernst macht mit dem Integrationsprinzip ,fordern und fördern'. Wer sich widersetzt, muss Sanktionen erfahren.»
Re: Jugendamt Paderborn: Sorgerechtsentzug wegen Schulverweigerung
Religiöse Gründe BGH billigt Entzug des Sorgerechts bei Verletzung der Schulpflicht 16. November 2007
[ngo/ddp] Eltern, die ihre Kinder aus Glaubensgründen nicht zur Schule schicken, können zumindest teilweise das Sorgerecht verlieren. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am 16. November veröffentlichten Beschluss. Es liege im Interesse der Allgemeinheit, der Entstehung von religiös oder weltanschaulich geprägten "Parallelgesellschaften" entgegenzuwirken, hieß es.
Im vorliegenden Fall ging es um strenggläubigen Baptisten, die als Spätaussiedler nach Deutschland kamen. Sie beharrten darauf, zwei ihrer Kinder nicht in die Grundschule zu schicken. Darauf entzog ihnen das Familiengericht Paderborn das Sorgerecht in Schulangelegenheiten für diese Kinder und auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Zudem bestellte das Gericht das Jugendamt der Stadt Paderborn als Pfleger. Der BGH betonte, dass die Anordnung einer Pflegschaft für die Kinder grundsätzlich dem "Missbrauch der elterlichen Sorge" entgegenwirken könne.
Allerdings brachten - mit Einwilligung des Pflegers - die Eltern ihre Kinder dann in ein österreichisches Dorf, wo die - pädagogisch nicht vorgebildete Mutter - den Kindern seither Hausunterricht erteilt. Der BGH rügte, dass der Pfleger sich offenkundig als ungeeignet erwiesen habe, den Gefahren für das Kindeswohl effektiv zu begegnen.
Das Oberlandesgericht Hamm müsse nun in einem weiteren Verfahren einen geeigneten Pfleger auswählen oder durch Weisungen sicherstellen, dass die Kinder ihrer Schulpflicht in Deutschland nachkämen. Denn diese bestehe weiterhin, da die Eltern ihren Wohnsitz in Deutschland beibehalten hätten.
Re: Jugendamt Paderborn: Sorgerechtsentzug wegen Schulverweigerung
News 16. 11. 2007
Deutsches Bundesgericht: Sorgerechtsentzug bei religiös motivierter Schulverweigerung Eltern, die ihre Kinder aus religiösen Gründen nicht in die Schule schicken, darf in Deutschland das Sorgerecht entzogen werden. Das hat der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) im Fall von zwei den Baptisten angehörenden Familien aus Paderborn bestätigt, die zwei ihrer Kinder trotz hartnäckiger Versuche der Behörden von der Grundschule ferngehalten hatten.
Das Familiengericht Paderborn hatte den Eltern die elterliche Sorge für Schulangelegenheiten sowie das Recht zur Bestimmung des Wohnortes der Kinder entzogen. Der BGH bestätigte in zwei am Freitag veröffentlichten Beschlüssen die Entscheidung: "Eltern sind auch dann nicht berechtigt, ihre Kinder der Schulpflicht zu entziehen, wenn einzelne Lehrinhalte oder -methoden der Schule ihren Glaubensüberzeugungen entgegenstehen." Nach den Worten des BGH-Familiensenats hat die Allgemeinheit ein berechtigtes Interesse, der Entstehung von religiös oder weltanschaulich geprägten "Parallelgesellschaften" entgegenzuwirken und Minderheiten zu integrieren. Integration setze voraus, dass religiöse oder weltanschauliche Minderheiten sich nicht selbst abgrenzten und einem Dialog mit Andersdenkenden verschlössen. Eine wichtige Aufgabe der Grundschule sei es, eine solche "gelebte Toleranz" einzuüben und zu praktizieren. BGH kritisiert zuständiges Jugendamt
Den Mitglieder der konservativen Glaubensgemeinschaft, die vor allem den Sexualkundeunterricht als zu freizügig ablehnen, war es gelungen, ihre Kinder noch nach dem Sorgerechtsentzug nach Österreich zu bringen, wo sie inzwischen von den - pädagogisch nicht vorgebildeten - Müttern Hausunterricht bekommen. Verantwortlich dafür ist laut BGH das Jugendamt der Stadt Paderborn, das den Eltern die Ummeldung der Kinder erlaubt und ihnen sogar noch beim Antrag auf Hausunterricht geholfen habe. Der BGH entzog dem Jugendamt die Pflegschaft, weil es sich als "offenkundig" ungeeignet erwiesen habe; nun muss das Oberlandesgericht Hamm erneut über den Fall entscheiden.
Eltern, die ihre Kinder aus religiösen Gründen nicht in die Schule schicken, darf das Sorgerecht entzogen werden. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entzog mit diesem Urteil zwei baptistischen Familien das Sorgerecht.
Kind macht Hausaufgaben
* Kinder in Deutschland müssen zur Schule gehen
Die streng gläubigen Familien hatten zwei ihrer Kinder trotz hartnäckiger Versuche der Behörden von der Grundschule ferngehalten. Die Mitglieder der konservativen Glaubensgemeinschaft lehnen vor allem den Sexualkundeunterricht als zu freizügig ab. Das Familiengericht Paderborn hatte den beiden Paaren die elterliche Sorge für Schulangelegenheiten sowie das Recht zur Bestimmung des Wohnortes der Kinder entzogen und einen Pfleger des örtlichen Jugendamts bestellt. Später brachten die Familien ihre Kinder nach Österreich, wo sie zu Hause von den Müttern unterrichtet werden. Nach österreichischem Recht ist dies möglich, und der Pfleger hatte sich dafür eingesetzt. Der Wohnsitz in Deutschland wurde jedoch beibehalten, daher unterliegen die Kinder nach wie vor der deutschen Schulpflicht. BGH: Dialog mit Andersdenkenden ist gewünscht
Der Bundesgerichtshof bestätigte in zwei jetzt veröffentlichten Beschlüssen diese Entscheidung: "Eltern sind auch dann nicht berechtigt, ihre Kinder der Schulpflicht zu entziehen, wenn einzelne Lehrinhalte oder -methoden der Schule ihren Glaubensüberzeugungen entgegenstehen." (Az: XII ZB 41/07 u. 42/07). Nach den Worten des BGH-Familiensenats hat die Allgemeinheit ein berechtigtes Interesse, Minderheiten zu integrieren und religiös oder weltanschaulich geprägte "Parallelgesellschaften" zu verhindern. Integration setze voraus, dass sich solche Minderheiten nicht einem Dialog mit Andersdenkenden verschlössen. Eine wichtige Aufgabe der Grundschule sei es, eine solche "gelebte Toleranz" einzuüben und zu praktizieren.
Dem Jugendamt in Paderborn entzog der Bundesgerichtshof die Pflegschaft, weil es sich als "offenkundig" ungeeignet erwiesen habe: Das Amt habe den Eltern die Ummeldung der Kindererlaubt und ihnen sogar noch beim Antrag auf Hausunterricht geholfen. Das Oberlandesgericht Hamm muss erneut über den Fall entscheiden. Nach Auffassung des BGH muss es durch die Auswahl eines geeigneten Pflegers oder durch gerichtliche Weisungen sicherstellen, dass die Kinder die Schule besuchen. https://www.swr.de/nachrichten/bw/-/id=1622/nid=1622/did=2823524/e7am8c/index.html