Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen - Väterdiskriminierungen

Jugendamt Rostock: Fall Sommerfeld vor dem EGMR

Jugendamt Rostock: Fall Sommerfeld vor dem EGMR

Urteile

Europäischer Gerichthof für Menschenrechte, Vierte Sektion
Nichtamtliche Übersetzung
Quelle: Bundesministerium der Justiz, Berlin

11/10/01 - Rechtssache SOMMERFELD gegen DEUTSCHLAND (Individualbeschwerde Nr. 31871/96)

Siehe auch Urteil der Großen Kammer vom 08.07.2003 in der Rechtssache Sommerfeld gegen Deutschland (Individualbeschwerde Nr. 31871/96)

URTEIL

Straßburg

11. Oktober 2001

Dieses Urteil wird nach Maßgabe des Artikels 44 Absatz 2 der Konvention endgültig. Es wird gegebenenfalls noch redaktionell überarbeitet.

In der Rechtssache Sommerfeld ./. Deutschland hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Vierte Sektion) als Kammer mit den Richtern:

Herrn A. Pastor Ridruejo, Präsident,
Herrn G. Ress,
Herrn L. Caflisch,
Herrn I. Cabral Barreto,
Herrn V. Butkevych,
Frau N. Vajić,
Herrn M. Pellonpää,
und Herrn V. Berger, Sektionskanzler,

nach nicht öffentlicher Beratung am 20. September 2001,

das folgende Urteil erlassen, das am selben Tag angenommen wurde:

VERFAHREN

1. Der Rechtssache lag eine Individualbeschwerde (Nr. 31871/96) gegen die Bundesrepublik Deutschland zugrunde, die ein deutscher Staatsangehöriger, Manfred Sommerfeld („der Beschwerdeführer“), am 7. Juni 1995 nach dem damaligen Artikel 25 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten („die Konvention“) bei der Europäischen Kommission für Menschrechte („die Kommission“) eingereicht hatte.

2. Der Beschwerdeführer, für den Prozesskostenhilfe bewilligt worden war, wurde vor dem Gerichtshof von Frau S. Hierstetter, einer in München praktizierenden Rechtsanwältin, vertreten. Die deutsche Regierung („die Regierung") war vertreten durch ihre Verfahrensbevollmächtigten, Frau Ministerialdirigentin H. Voelskow-Thies, Bundesministerium der Justiz, zu Beginn des Verfahrens und anschließend durch Herrn Ministerialdirigent K. Stoltenberg, ebenfalls Bundesministerium der Justiz.

3. Der Beschwerdeführer machte insbesondere geltend, dass die deutschen Gerichtsentscheidungen, mit denen sein Antrag auf Umgang mit seiner nichtehelich geborenen Tochter zurückgewiesen wurde, sein Recht auf Achtung seines Familienlebens verletzten und er diesbezüglich Opfer einer diskriminierenden Behandlung geworden sei. Ferner rügte er, dass sein Recht auf ein faires Verfahren verletzt worden sei. Er berief sich auf die Artikel 6, 8 und 14 der Konvention.

4. Die Beschwerde wurde am 1. November 1998, als das Protokoll Nr. 11 zur Konvention in Kraft trat (Artikel 5 Abs. 2 des Protokolls Nr. 11), an den Gerichtshof weitergeleitet.

5. Die Beschwerde wurde der Vierten Sektion des Gerichtshofs zugewiesen (Artikel 52 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs). In dieser Sektion wurde die Kammer, welche die Rechtssache prüfen sollte (Artikel 27 Abs. 1 der Konvention), gemäß Artikel 26 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs gebildet.

6. Mit Entscheidung vom 12. Dezember 2000 erklärte die Kammer die Beschwerde in Teilen für zulässig.

7. Der Beschwerdeführer und die Regierung gaben jeweils Stellungnahmen zur Begründetheit ab (Artikel 59 Abs. 1 der Verfahrensordnung).

SACHVERHALT

I. DER HINTERGRUND DER RECHTSSACHE

8. Der 1953 geborene Beschwerdeführer ist Vater des Kindes M., das am 25. Januar 1981 nichtehelich geboren wurde. Der Beschwerdeführer erkannte die Vaterschaft an.

9. Der Beschwerdeführer und die Mutter des Kindes lebten zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes zusammen. Im September 1986 trennten sie sich. Die Mutter des Kindes untersagte jeglichen Kontakt zwischen dem Beschwerdeführer und dem Kind. Trotzdem traf der Beschwerdeführer M. mehrere Male an der Schule, bis solche Kontaktmöglichkeiten nicht mehr bestanden. Später heiratete die Mutter des Kindes Herrn W., den Vater ihres im August 1985 geborenen Kindes A., W. ist der gemeinsame Familienname.

A. Der erste Antrag auf Regelung des Umgangs

10. Am 2. Oktober 1990 stellte der Beschwerdeführer beim Kreisgericht Rostock den Antrag, ihm ein Umgangsrecht mit seiner Tochter zuzusprechen. Das Jugendamt Rostock sprach sich nach Anhörung der Beteiligten gegen ein Umgangsrecht aus. Es führte aus, dass sich zwischen M. und Herrn W. ein enges Verhältnis aufgebaut habe, das durch Kontakte zwischen M. und ihrem leiblichen Vater beeinträchtigt würde. M. habe sich in einem Gespräch in Abwesenheit ihrer Mutter dahingehend geäußert, dass ihr an einem Kontakt zum Beschwerdeführer nicht gelegen sei und dass sie unter seinen ständigen Bemühungen um Umgang leide.

11. Am 27. Juni 1991 wurde die damals 10-jährige M. vor der zuständigen Richterin des Kreisgerichts angehört. Sie berichtete, dass der Beschwerdeführer immer am Zaun des Schulhofs stehe und sie dadurch gestört werde; sie wolle den Beschwerdeführer nicht besuchen, auch wenn es gerichtlich angeordnet würde.

12. In einer gerichtlichen Anhörung am 31. Juli 1991 erklärten der Beschwerdeführer und die Mutter des Kindes, dass sie sich mit Hilfe des Jugendamtes bemühen wollten, eine Umgangsregelung herbeizuführen.

Am 30. September 1991 teilte das Jugendamt dem Kreisgericht mit, dass eine Einigung nicht erzielt werden konnte und dass M. erklärt habe, sie wolle den Beschwerdeführer nicht sehen.

13. Am 12. Dezember 1991 ordnete das Gericht ein psychologisches Gutachten an. Am 9. April 1992 führte die Psychologin des Gesundheitsamts Rostock in einer eine Seite umfassenden Stellungnahme aus, dass wegen des bereits vor sechs Jahren abgebrochenen Kontakts zwischen dem Beschwerdeführer und M. eine aktuelle Beziehungsdiagnostik nicht möglich erscheine. Die Psychologin wies darauf hin, dass M. keinen persönlichen Kontakt zum Beschwerdeführer wünsche und dieser ihr die nötige Zeit einräumen solle, aus eigenem Antrieb Kontakt aufzunehmen. Die Psychologin erklärte, sie habe ein Treffen zwischen dem Beschwerdeführer und M. vermittelt, das jedoch von M.' s Stiefvater abgesagt worden sei.

14. Am 24. Juni 1992 hörte die zuständige Richterin des Kreisgerichts den Beschwerdeführer und M. in Anwesenheit der sachkundigen Psychologin an. Nachdem M. mehrfach geäußert hatte, dass sie keinen Kontakt zum Beschwerdeführer haben wolle, erklärte dieser, dass er seinen Antrag auf Umgangsrecht zurücknehmen werde.

Der Beschwerdeführer nahm seinen Antrag am 1. Juli 1992 zurück.

B. Der zweite Antrag auf Umgangsrecht

15. Am 13. September 1993 stellte der Beschwerdeführer beim Amtsgericht erneut einen Antrag auf Umgang mit seiner Tochter.

16. Am 15. Februar 1994 erklärte die dreizehnjährige M. bei einer Anhörung durch die Amtsrichterin, dass sie weder mit dem Beschwerdeführer sprechen wolle noch von ihm Geschenke annehmen werde und dass er sie in Ruhe lassen solle. Sie habe einen Vater, den sie sehr möge, auch wenn er nicht ihr leiblicher Vater sei. Am 26. April 1994 fand vor dem Amtsgericht eine mündliche Verhandlung mit dem Beschwerdeführer und der Mutter des Kindes statt.

17. Am 1. Juni 1994 lehnte das Amtsgericht den Antrag des Beschwerdeführers ab.

Das Amtsgericht nahm die Stellungnahmen des Jugendamts Rostock sowie der Eltern und die Äußerungen des Kindes vor Gericht zur Kenntnis. Das Gericht nahm auch Bezug auf die im Rahmen des ersten Verfahrens zur Umgangsregelung abgegebenen Stellungnahmen des Jugendamts im April 1991 und der Psychologin im April 1992.

Das Amtsgericht entschied, dass dem Beschwerdeführer der Umgang mit seiner Tochter nicht zustehe. Unter Hinweis auf § 1711 BGB stellte das Gericht fest, dass die Mutter in Ausübung ihres Sorgerechts den Umgang des Kindes mit Dritten bestimme und daher ihr Wille ausschlaggebend sei. Dem Vater könne ein Umgang mit dem Kind durch eine Gerichtsentscheidung nur gewährt werden, wenn dies dem Wohl des Kindes diene. Nach den Erkenntnissen des Amtsgerichts, insbesondere den Äußerungen M.' s im Jahr 1992 und im Februar 1994, waren diese Bedingungen nicht erfüllt. Das Amtsgericht war der Auffassung, M., die damals dreizehn Jahre alt und zu einer eigenen Willensbildung fähig war, habe Kontakte zu ihrem leiblichen Vater eindeutig abgelehnt. Die zwangsweise Herbeiführung von Kontakten gegen ihren Willen diene nicht M.' s Wohl, da hierdurch ihr seelisches und psychisches Gleichgewicht gefährdet würde. Der Auffassung des Beschwerdeführers, dass Umgang mit dem leiblichen Vater immer dem Wohl des Kindes diene, folgte das Gericht nicht.

18. Am 17. Juni 1994 wies das Landgericht Rostock die vom Beschwerdeführer erhobene Beschwerde zurück.

Das Landgericht bestätigte die Feststellungen des Amtsgerichts und entschied, dass ein Umgang nicht dem Wohl des Kindes entspreche. Es sah als wesentlich an, dass das mittlerweile dreizehnjährige Mädchen seit vielen Jahren Kontakte mit ihrem Vater eindeutig abgelehnt habe. Der Beschwerdeführer, so das Landgericht, sollte den Willen seiner heranwachsenden Tochter sowohl in ihrem als auch im eigenen Interesse respektieren. Nur wenn er aufhöre, sie zu bedrängen, könnten eines Tages Kontakte möglich werden. Das Gericht wies ferner darauf hin, dass jeglicher Umgang zwischen dem Beschwerdeführer und M. kaum gegen ihren Willen durchgesetzt werden könnte.

Am 22. Juli 1994 erhob der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht.

Am 19. Januar 1996 beschloss ein Dreierausschuss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts, die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers nicht zur Entscheidung anzunehmen.

II. EINSCHLÄGIGE INNERSTAATLICHE RECHTSVORSCHRIFTEN

A. Derzeit geltende Rechtsvorschriften in Familiensachen

19. Die Gesetzesbestimmungen über elterliche Sorge und Umgang finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch. Sie sind wiederholt geändert worden, und viele Bestimmungen wurden durch das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts vom 16. Dezember 1997 (BGBl. 1997, S. 2942), das am 1. Juli 1998 in Kraft getreten ist, aufgehoben.

20. § 1626 Abs. 1 lautet wie folgt:

"Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge)."

21. Nach § 1626a Abs. 1 in der geänderten Fassung üben die Eltern eines außerhalb der Ehe geborenen minderjährigen Kindes die elterliche Sorge gemeinsam aus, wenn sie eine entsprechende Erklärung abgeben (Sorgeerklärung) oder einander heiraten. Nach § 1684 in der geänderten Fassung hat ein Kind Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt. Die Eltern haben ferner alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigen oder die Erziehung des Kindes erschweren würde. Die Familiengerichte können über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung, auch gegenüber Dritten, näher regeln; und sie können die Beteiligten durch Anordnungen zur Erfüllung ihrer Pflichten gegenüber dem Kind anhalten. Die Familiengerichte können dieses Recht aber auch einschränken oder ausschließen, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Eine Entscheidung, die dieses Recht für längere Zeit oder auf Dauer einschränkt oder ausschließt, kann nur ergehen, wenn andernfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre. Die Familiengerichte können anordnen, dass das Umgangsrecht in Anwesenheit eines Dritten, z.B. eines Trägers der Jugendhilfe oder eines Vereins, auszuüben ist.

B. Zur maßgeblichen Zeit geltende Rechtsvorschriften in Familiensachen

22. Vor Inkrafttreten der familienrechtlichen Neuregelungen lautete die einschlägige Bestimmung des BGB zur Sorge und zum Umgang in Bezug auf ein eheliches Kind wie folgt:

§ 1634
"(1) Ein Elternteil, dem die Personensorge nicht zusteht, behält die Befugnis zum persönlichen Umgang mit dem Kinde. Der Elternteil, dem die Personensorge nicht zusteht, und der Personensorgeberechtigte haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum anderen beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert.

(2) Das Familiengericht kann über den Umfang der Befugnis entscheiden und ihre Ausübung, auch gegenüber Dritten, näher regeln; soweit es keine Bestimmung trifft, übt während der Dauer des Umgangs der nicht personensorgeberechtigte Elternteil das Recht nach § 1632 Abs. 2 aus. Das Familiengericht kann die Befugnis einschränken oder ausschließen, wenn dies zum Wohle des Kindes erforderlich ist.

(3) Ein Elternteil, dem die Personensorge nicht zusteht, kann bei berechtigtem Interesse vom Personensorgeberechtigten Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes verlangen, soweit ihre Erteilung mit dem Wohle des Kindes vereinbar ist. Über Streitigkeiten, die das Recht auf Auskunft betreffen, entscheidet das Vormundschaftsgericht.

(4) Steht beiden Eltern die Personensorge zu und leben sie nicht nur vorübergehend getrennt, so gelten die vorstehenden Vorschriften entsprechend."

23. Die einschlägigen Bestimmungen des BGB zur Sorge und zum Umgang in Bezug auf ein außerhalb der Ehe geborenes Kind lauteten wie folgt:

§ 1705

"Das nichteheliche Kind steht ... unter der elterlichen Sorge der Mutter. ..."

§ 1711

"(1) Derjenige, dem die Personensorge für das Kind zusteht, bestimmt den Umgang des Kindes mit dem Vater. § 1634 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend.

(2) Wenn ein persönlicher Umgang mit dem Vater dem Wohl des Kindes dient, kann das Vormundschaftsgericht entscheiden, dass dem Vater die Befugnis zum persönlichen Umgang zusteht. § 1634 Abs. 2 gilt entsprechend. Das Vormundschaftsgericht kann seine Entscheidung jederzeit ändern.

(3) Die Befugnis, Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes zu verlangen, bestimmt § 1634 Abs. 3.

(4) In geeigneten Fällen soll das Jugendamt zwischen dem Vater und dem Sorgeberechtigten vermitteln."

C. Das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

24. Verfahren nach dem früheren § 1711 Abs. 2 BGB waren wie Verfahren in sonstigen Familiensachen durch das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geregelt.

25. Nach § 12 dieses Gesetzes hat das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranstalten und die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen.

26. In Verfahren zur Umgangsregelung ist vor der Entscheidung das zuständige Jugendamt zu hören (§ 49 Abs. 1 Buchstabe k).

27. In Bezug auf die Anhörung der Eltern in Sorgerechtsverfahren sieht § 50a Abs. 1 vor, dass das Gericht in einem Verfahren, das die Personen- oder Vermögenssorge für ein Kind betrifft, die Eltern anhört. In Angelegenheiten der Personensorge soll das Gericht die Eltern in der Regel persönlich anhören. In Fällen einer Unterbringung außerhalb der Familie sind die Eltern stets anzuhören. Nach § 50a Abs. 2 wird ein Elternteil, der nicht sorgeberechtigt ist, angehört, es sei denn, dass von der Anhörung eine Aufklärung nicht erwartet werden kann.

28. Nach § 63 ist gegen die Entscheidung über die erste Beschwerde eine weitere Beschwerde vorgesehen. Nach § 63a dieses Gesetzes in der zur maßgeblichen Zeit geltenden Fassung war in Verfahren, die den Umgang des leiblichen Vaters mit seinem außerhalb der Ehe geborenen Kind zum Gegenstand hatten, dieses Recht ausgeschlossen. Diese Bestimmung ist durch das Gesetz von 1997 zur Reform des Kindschaftsrechts aufgehoben worden.

DIE RECHTSLAGE

I. BEHAUPTETE VERLETZUNG VON ARTIKEL 8 DER KONVENTION

29. Der Beschwerdeführer machte geltend, die deutschen Gerichtsentscheidungen, mit denen sein zweiter Antrag auf Umgang mit seinem nichtehelichen Kind zurückgewiesen wurde, hätten gegen Artikel 8 der Konvention verstoßen, der, soweit einschlägig, wie folgt lautet:

"(1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres ... Familienlebens ... . .

(2) Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist ... zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer."

A. Stellungnahmen der Parteien

30. Der Beschwerdeführer trug vor, dass der Umgang zwischen ihm und seiner Tochter dem Kindeswohl gedient hätte. Die Mutter habe ihm M. entfremdet. Die Stellungnahme, welche die Psychologin des Jugendamts Rostock dem Amtsgericht Rostock übersandt habe, stelle kein Gutachten dar. Er kritisierte auch das Fehlen einer sachkundigen Beratung durch einen Familienpsychologen.

31. Die Regierung räumte ein, dass das Verhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Tochter als Familienleben im Sinne von Artikel 8 Abs. 1 anzusehen sei. Wie es in ihrer Stellungnahme heißt, stelle die gesetzliche Regelung des Umgangsrechts von Vätern mit ihren nichtehelichen Kindern an sich allerdings keinen Eingriff in die Rechte nach diesem Artikel dar.

Gleichwohl erkannte die Regierung an, dass die deutschen Gerichtsentscheidungen im Fall des Beschwerdeführers, die auf diesen Rechtsvorschriften beruhten, einen Eingriff in die Rechte des Beschwerdeführers nach Artikel 8 Abs. 1 dargestellt hätten. Dieser Eingriff sei in Deutschland gesetzlich vorgesehen und habe dem Schutz des Wohls des Kindes des Beschwerdeführers gedient. Darüber hinaus sei der gerügte Eingriff im Sinne von Artikel 8 Abs. 2 in einer demokratischen Gesellschaft notwendig gewesen. Diesbezüglich trug die Regierung vor, dass das Kindeswohl für die deutschen Gerichte ausschlaggebend gewesen sei.

B. Würdigung durch den Gerichtshof

1. Gab es einen Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung seines Familienlebens?

32. Der Gerichtshof erinnert daran, dass der Begriff der Familie nach dieser Bestimmung sich nicht auf eheliche Beziehungen beschränkt und auch andere faktische „Familien“-Bande erfassen kann, wenn die Beteiligten in nichtehelicher Gemeinschaft zusammenleben. Ein Kind, das aus einer solchen Beziehung hervorgeht, ist vom Augenblick seiner Geburt an und schon allein durch seine Geburt ipso iure Teil dieser „Familien“-Einheit. Zwischen dem Kind und seinen Eltern besteht also eine familiäre Bindung (siehe Urteil Keegan ./. Irland vom 26. Mai 1994, Serie A, Band 290, S. 18-19, Nr. 44).

Der Gerichtshof weist ferner darauf hin, dass für einen Elternteil und sein Kind das Zusammensein einen grundlegenden Bestandteil des Familienlebens darstellt, selbst wenn die Beziehung zwischen den Eltern zerbrochen ist, und dass innerstaatliche Maßnahmen, die die Betroffenen an diesem Zusammensein hindern, einen Eingriff in das durch Artikel 8 der Konvention geschützte Recht bedeuten (siehe u.a. Urteil Johansen ./. Norwegen vom 7. August 1996, Urteils- und Entscheidungssammlung 1996-III, S. 1001-1002, Nr. 52, und Elsholz ./. Deutschland [GK], Individualbeschwerde Nr. 25735/94, Nr. 43, EuGHMR 2000-VIII).

33. Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer mit seinem Kind von dessen Geburt im Januar 1981 bis zum September 1986 zusammengelebt. Die nachfolgenden Entscheidungen, mit denen ihm der Umgang mit seinem Kind verweigert wurde, waren deshalb ein Eingriff in die Ausübung seines nach Artikel 8 Abs. 1 der Konvention geschützten Rechts auf Achtung seines Familienlebens.

34. Unter diesen Umständen hält es der Gerichtshof für nicht erforderlich zu prüfen, ob § 1711 BGB als solcher einen Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung seines Familienlebens darstellte.

2. War der Eingriff gerechtfertigt?

35. Der vorstehend erwähnte Eingriff stellt eine Verletzung von Artikel 8 dar, es sei denn, er ist „gesetzlich vorgesehen“, verfolgt ein oder mehrere Ziele, die nach Abs. 2 dieser Bestimmung legitim sind, und kann als „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ angesehen werden.

a. „Gesetzlich vorgesehen“

36. Die betreffenden Entscheidungen basierten auf einer Bestimmung des innerstaatlichem Rechts, nämlich auf § 1711 Abs. 2 BGB in der zur maßgeblichen Zeit geltenden Fassung.

b. Legitimes Ziel

37. Nach Auffassung des Gerichtshofs zielten die vom Beschwerdeführer gerügten Gerichtsentscheidungen auf den Schutz „der Gesundheit oder der Moral“ und „der Rechte und Freiheiten“ des Kindes ab. Sie verfolgten also legitime Ziele im Sinne von Artikel 8 Abs. 2.

c. „In einer demokratischen Gesellschaft notwendig“

38. Bei der Entscheidung darüber, ob die angefochtene Maßnahme „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ war, hat der Gerichtshof zu prüfen, ob die zur Rechtfertigung dieser Maßnahme angeführten Gründe in Anbetracht des Falls insgesamt im Sinne von Artikel 8 Abs. 2 der Konvention relevant und ausreichend waren. Von entscheidender Bedeutung ist bei jedem Fall dieser Art zweifellos die Überlegung, was dem Kindeswohl am besten dient. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die nationalen Behörden insoweit im Vorteil sind, als sie unmittelbaren Kontakt zu allen Beteiligten haben. Aus diesen Überlegungen folgt, dass die Aufgabe des Gerichtshofs nicht darin besteht, an Stelle der nationalen Behörden deren Aufgaben in Fragen des Sorge- und Umgangsrechts wahrzunehmen, sondern im Lichte der Konvention die Entscheidungen zu überprüfen, die diese Behörden in Ausübung ihres Ermessens getroffen haben (siehe Urteil Hokkanen ./. Finnland vom 23. September 1994, Serie A, Band 299-A, S. 20, Nr. 55, sowie sinngemäß o.a. Urteil Elsholz ./. Deutschland, Nr. 48).

39. Welcher Ermessensspielraum den zuständigen innerstaatlichen Behörden dabei einzuräumen ist, hängt von der Art der streitigen Fragen und der Bedeutung der betroffenen Interessen ab. Der Gerichtshof erkennt somit an, dass die Behörden einen großen Ermessensspielraum haben, insbesondere bei der Beurteilung der Frage, ob ein Kind in Pflege zu nehmen ist.

Einer strengeren Prüfung bedarf es jedoch bei weitergehenden Beschränkungen, wie beispielsweise bei Einschränkungen des Umgangsrechts der Eltern durch diese Behörden, sowie bei gesetzlichen Maßnahmen, die einen wirksamen Schutz des Rechts von Eltern und Kindern auf Achtung ihres Familienlebens gewährleisten sollen. Solche weitergehenden Beschränkungen bergen die Gefahr, dass die Familienbeziehungen zwischen den Eltern und einem jungen Kind deutlich beeinträchtigt werden (siehe o.a. Urteil Elsholz ./. Deutschland, Nr. 49).

40. Der Gerichtshof erinnert ferner daran, dass ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen des Kindes und denen des Elternteils herbeigeführt werden muss und dass dabei dem Wohl des Kindes, das je nach seiner Art und Bedeutung den Interessen des Elternteils vorgehen kann, besonderes Gewicht beizumessen ist. Insbesondere kann der Elternteil nach Artikel 8 der Konvention nicht beanspruchen, dass Maßnahmen getroffen werden, die der Gesundheit und der Entwicklung des Kindes schaden würden (siehe o.a. Urteil Elsholz ./. Deutschland, Nr. 50 sowie T.P. und K.M. ./. Vereinigtes Königreich, Individualbeschwerde Nr. 28945/95, Nr. 71, EuGHMR- ).

41. Im vorliegenden Fall hat sich das Amtsgericht bei der Ablehnung der vom Beschwerdeführer beantragten Besuchsregelung auf die Aussagen des Kindes gestützt, das vom Amtsgericht 1994 im Alter von 13 Jahren und in einem vorangegangenen Verfahren zur Umgangsregelung im Alter von 10 Jahren gehört worden war. Es hatte auch den Beschwerdeführer und die Mutter des Kindes gehört. Auch unter Berücksichtigung von Stellungnahmen des örtlichen Jugendamtes sowie von Unterlagen, die im ersten Verfahren zur Umgangsregelung eingeholt wurden, stellte das Amtsgericht fest, dass Kontakte dem Kindeswohl nicht dienlich seien. Das Landgericht bestätigte die Feststellungen des Amtsgerichts.

42. Der Gerichtshof bezweifelt nicht, dass diese Gründe relevant waren. Er hat jedoch zu entscheiden, ob der Beschwerdeführer angesichts der besonderen Umstände des Falls und vor allem angesichts der Bedeutung der zu treffenden Entscheidungen in den Entscheidungsfindungsprozess als Ganzes so weit eingebunden war, dass der erforderliche Schutz seiner Interessen gewährleistet war (siehe Urteil W. ./. Vereinigtes Königreich vom 8. Juli 1987, Serie A Band 121, S. 29, Nr. 64; o.a. Urteil Elsholz ./. Deutschland, Nr. 52 sowie o.a. Urteil T.P. und K.M. ./. Vereinigtes Königreich, Nr. 72).

43. Der Gerichtshof stellt fest, dass das Amtsgericht das Kind und die Eltern angehört und Unterlagen berücksichtigt hat, die in einem ersten Verfahren zur Umgangsregelung eingeholt worden waren, u.a. die im April 1992 abgegebene Stellungnahme einer Psychologin des örtlichen Gesundheitsamts. Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass sich das Amtsgericht in Anbetracht der ziemlich oberflächlichen Stellungnahme der Psychologin im ersten Verfahren und der inzwischen verstrichenen Zeit sowie im Bewusstsein dessen, was in dem Verfahren auf dem Spiel stand, nämlich das Verhältnis zwischen einem Vater und seinem Kind, nicht mit der bloßen Anhörung des Kindes zu seinen Wünschen in der Sache hätte begnügen sollen, ohne über einen psychologischen Sachverständigenbeweis zu verfügen, um die scheinbar eindeutigen Wünsche des Kindes zu bewerten. Zutreffende und vollständige Informationen über das Verhältnis des Kindes zum Beschwerdeführer als dem Elternteil, der Umgang mit dem Kind beantragt hat, sind unerlässlich für die Feststellung der wahren Wünsche eines Kindes und somit für die Herbeiführung eines gerechten Ausgleichs zwischen den betroffenen Interessen. Der Gerichtshof weist ferner darauf hin, dass das Landgericht, das zur Überprüfung aller Fragen in Zusammenhang mit dem Umgangsantrag voll befugt war, die Feststellungen des Amtsgerichts nach Aktenlage bestätigt hat.

44. Dass die deutschen Gerichte eine psychologische Stellungnahme über die Möglichkeiten der Herstellung von Kontakten zwischen dem Kind und dem Beschwerdeführer nicht angeordnet haben, lässt nach Meinung des Gerichtshofs erkennen, dass der Beschwerdeführer in den Entscheidungsfindungsprozess nicht hinreichend eingebunden war.

45. Unter Berücksichtigung aller Umstände kommt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass die nationalen Behörden ihren Ermessensspielraum überschritten und somit die Rechte des Beschwerdeführers nach Artikel 8 der Konvention verletzt haben.

II. BEHAUPTETE VERLETZUNG DES ARTIKELS 14 IN VERBINDUNG MIT ARTIKEL 8 DER KONVENTION

46. Der Beschwerdeführer rügte ferner, dass er Opfer einer diskriminierenden Behandlung unter Verletzung von Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 8 der Konvention geworden sei. Artikel 14 sieht vor:

"Der Genuss der in [der] Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten ist ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status zu gewährleisten."

47. Der Beschwerdeführer verweist auf die Schwierigkeit des Nachweises, dass der Umgang mit dem leiblichen Vater dem Wohl des Kindes dient. Ferner trägt er vor, dass nach § 63a des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der zur maßgeblichen Zeit geltenden Fassung eine weitere Beschwerde ausgeschlossen ist, wenn die erste Beschwerde gegen die Verweigerung des Umgangs zurückgewiesen wurde.

48. Die Regierung machte geltend, dass weder die gesetzliche Regelung des Umgangsrechts für nichteheliche Kinder an sich noch ihre Anwendung in diesem Einzelfall im Hinblick auf das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung seines Familienlebens diskriminierend gewesen sei.

Die Regierung verwies auf frühere Entscheidungen der Kommission, denen zufolge die Regelung des § 1711 BGB nicht gegen das Diskriminierungsverbot nach Artikel 14 verstoße (Individualbeschwerde Nr. 9588/81, Entscheidung vom 15. März 1984; Individualbeschwerde Nr. 9530/81, Entscheidung vom 14. Mai 1984, beide unveröffentlicht). Die angeführten Gründe, dass Väter nichtehelicher Kinder oftmals kein Interesse an Kontakten mit ihren Kindern hätten und eine nichteheliche Lebensgemeinschaft jederzeit verlassen könnten und dass es normalerweise dem Wohl des Kindes entspreche, das Sorge- und Umgangsrecht der Mutter zuzubilligen, hätten weiter Gültigkeit, auch wenn die Häufigkeit der nichtehelichen Lebensgemeinschaften inzwischen zugenommen habe. § 1711 Abs. 2 BGB lasse einen angemessenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen der Beteiligten in allen diesen Fällen zu.

In diesem Zusammenhang wies die Regierung darauf hin, dass sich an dieser Beurteilung auch durch die Reform des Kindschaftsrechts nichts geändert habe.

49. Der Gerichtshof hat in einem früheren Fall festgestellt, dass es nicht erforderlich sei, zu prüfen, ob die deutschen Rechtsvorschriften als solche in der früheren Fassung, nämlich § 1711 Abs. 2 BGB, zwischen Vätern nichtehelicher Kinder und geschiedenen Vätern in einer nicht zu rechtfertigenden Weise unterschieden haben, die im Sinne von Artikel 14 diskriminierend wäre, da die Anwendung dieser Bestimmung auf den betreffenden Fall dem Anschein nach nicht zu einer anderen Betrachtungsweise geführt hätte als bei einem geschiedenen Paar (siehe o.a. Urteil Elsholz ./. Deutschland, Nr. 59).

50. Der Gerichtshof nimmt zur Kenntnis, dass im vorliegenden Fall sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht ausdrücklich festgestellt haben, dass nach § 1711 BGB in der zur maßgeblichen Zeit geltenden Fassung Umgang nur habe gewährt werden können, wenn dies dem Wohl des Kindes entsprochen habe. Ohne ein psychologisches Gutachten zu Rate zu ziehen, stützten sie sich auf die Äußerungen des Kindes vor Gericht und kamen zu dem Ergebnis, dass der Umgang gegen den Willen des Kindes zwangsweise herbeigeführt werden müsste und deshalb nicht seinem Wohl dienen könne.

51. Die Sichtweise der deutschen Gerichte im vorliegenden Fall entspricht den zugrunde liegenden Rechtsvorschriften, die für Väter nichtehelicher Kinder eine andere, weniger günstige Stellung als für geschiedene Väter vorsahen. Im Gegensatz zu geschiedenen Vätern hatten Väter nichtehelicher Kinder kein Recht auf Umgang mit ihren Kindern, und gegen die Verweigerung des Umgangs durch die Mutter konnte ein Gericht nur entscheiden, wenn der Umgang „dem Wohl des Kindes“ entsprach. Nach diesen Vorschriften und unter diesen Umständen war die Beweislast für den Vater eines nichtehelichen Kindes offenkundig schwer. Der entscheidende Punkt ist, dass die Gerichte Kontakte zwischen Kind und leiblichem Vater nicht prima facie als dem Wohl des Kindes dienlich ansahen und eine Gerichtsentscheidung, mit der ein Umgang zugesprochen wurde, die Ausnahme von der allgemeinen gesetzlichen Regelung bildete, nach der die Mutter über die Beziehungen des Kindes zum Vater bestimmte. Auch wenn es in der Entscheidung des Amtsgerichts heißt, dass das seelische und psychische Gleichgewicht des Kindes gefährdet würde, wenn es gegen seinen Willen mit dem Beschwerdeführer Kontakt haben müsste, blieb ausschlaggebend, dass die Mutter den weiteren Umgang von Anfang an unterbunden und auf das Kind Einfluss genommen hatte. Die Schlussfolgerung, dass der Beschwerdeführer als nichtehelicher Vater in dem Verfahren betreffend den Ausschluss seines bestehenden Umgangsrechts schlechter behandelt wurde als ein geschiedener Vater, ist demnach hinreichend begründet.

52. In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof auch das Vorbringen des Beschwerdeführers in Bezug auf einen verfahrensrechtlichen Unterschied geprüft, nämlich den Ausschluss einer weiteren Beschwerde nach dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der zur maßgeblichen Zeit geltenden Fassung.

53. Im Sinne von Artikel 14 ist eine unterschiedliche Behandlung diskriminierend, wenn es für sie keine objektive und angemessene Rechtfertigung gibt, d.h. wenn mit ihr kein legitimes Ziel verfolgt wird oder die eingesetzten Mittel zum angestrebten Ziel nicht in einem angemessenen Verhältnis stehen. Außerdem haben die Vertragsstaaten einen Ermessensspielraum bei der Beurteilung der Frage, ob und inwieweit Unterschiede bei ansonsten ähnlichen Situationen eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen (siehe Camp und Bourimi ./. die Niederlande, Individualbeschwerde Nr. 28369/95. Nr. 37, EuGHMR 2000-X).

54. Nach der Spruchpraxis des Gerichtshofs kann nur, wenn sehr schwerwiegende Gründe vorgetragen werden, eine unterschiedliche Behandlung wegen nichtehelicher Geburt als mit der Konvention vereinbar angesehen werden (siehe o.a. Urteil Camp und Bourimi ./. die Niederlande, Nr. 38).

55. Das Vorbringen der Regierung mit der allgemeinen Begründung, dass Väter nichtehelicher Kinder oftmals kein Interesse an Kontakten mit ihren Kindern hätten und eine nichteheliche Lebensgemeinschaft jederzeit verlassen könnten, überzeugt den Gerichtshof im vorliegenden Fall nicht.

56. Diese Begründung trifft im Fall des Beschwerdeführers nicht zu. Er hatte die Vaterschaft anerkannt und lebte zur Zeit der Geburt des Kindes 1981 sogar mit der Mutter zusammen. Ihre Beziehung zerbrach erst mehrere Jahre später, als das Kind schon über 5 Jahre alt war.Noch wichtiger ist, dass er weiterhin aus ernsten Beweggründen konkretes Interesse an Kontakten mit dem Kind gezeigt hat.

57. Wie die Regierung zu Recht betont hat, hat die Zahl der nichtehelichen Lebensgemeinschaften zugenommen. Das Landgericht hat bei seiner Entscheidung im Fall des Beschwerdeführers erklärt, dass dringend eine Gesetzesreform nötig sei. Beim Bundesverfassungsgericht waren Verfassungsbeschwerden gegen diese Rechtsvorschriften anhängig. Das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts ist schließlich im Juli 1998 in Kraft getreten.

Der Gerichtshof möchte klarstellen, dass diese Neuregelung für sich nicht als Beweis dafür angesehen werden kann, dass die bisherige Regelung konventionswidrig war. Gleichwohl zeigt sie, dass das Ziel der in Frage stehenden gesetzlichen Regelung, nämlich der Schutz der Interessen von Kindern und ihren Eltern, auch ohne eine Unterscheidung wegen der Geburt hätte erreicht werden können (siehe sinngemäß Urteil Inze ./. Österreich vom 28. Oktober 1987, Serie A, Band 126, S. 18, Nr. 44).

58. Der Gerichtshof kommt deshalb zu dem Ergebnis, dass Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 8 der Konvention verletzt worden ist.

III. BEHAUPTETE VERLETZUNG VON ARTIKEL 6 ABS. 1 DER KONVENTION

59. Der Beschwerdeführer machte geltend, dass er in seinen Rechten nach Artikel 6 Abs. 1 der Konvention verletzt worden sei; die einschlägige Stelle dieses Artikels lautet:

"Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen ... von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich ... verhandelt wird."

60. Der Beschwerdeführer verwies auf das Fehlen eines Sachverständigengutachtens und übte allgemein Kritik wegen der angeblichen Unwirksamkeit der Gerichtsverfahren bei der Herbeiführung von Kontakten mit seinem Kind. Ferner legte er den verfahrensrechtlichen Unterschied aufgrund von § 63a des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit dar, nämlich den Ausschluss einer weiteren Beschwerde gegen die Entscheidung über die erste Beschwerde.

61. Die Regierung trug vor, dass der Verlauf des Verfahrens vor den zuständigen Gerichten, insbesondere die Beweiserhebung vor dem Amtsgericht Rostock, nicht zu beanstanden sei. Auch das Fehlen eines weiteren Rechtsmittels lasse keine Anzeichen einer Verletzung von Artikel 6 Abs. 1 erkennen.

62. Der Gerichtshof erinnert daran, dass die Beweiserhebung und die Beweiswürdigung in erster Linie durch innerstaatliches Recht zu regeln sind und dass es generell Sache der innerstaatlichen Gerichte ist, die ihnen vorliegenden Beweise zu würdigen. Dagegen ist es nach der Konvention Aufgabe des Gerichtshofs festzustellen, ob das Verfahren insgesamt fair war, einschließlich der Art und Weise, in der Beweise erhoben wurden (siehe o.a. Urteil Elsholz ./. Deutschland, Nr. 66).

63. Zunächst berücksichtigte der Gerichtshof seine Feststellungen in Bezug auf Artikel 8 (siehe Nr. 44 – 45), insbesondere das Fehlen eines psychologischen Gutachtens.

64. Darüber hinaus weist der Gerichtshof erneut darauf hin, dass Artikel 6 Abs. 1 die Staaten nicht verpflichtet, Rechtsmittel- oder Kassationsgerichte vorzusehen. Bestehen solche Gerichte jedoch, so müssen die Garantien nach Artikel 6 erfüllt sein, u.a. durch Sicherstellung eines wirksamen Zugangs zu den Gerichten, damit Prozessparteien eine Entscheidung in Bezug auf ihre „zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen“ erwirken können (siehe sinngemäß Urteil Delcourt ./. Belgien vom 17. Januar 1970, Serie A, Band 11, S. 13-14, Nr. 25 und Kudla ./. Polen (GK), Individualbeschwerde Nr. 30210/96, Nr. 122, EuGHMR 2000-XI; siehe auch García Manibardo ./. Spanien, Individualbeschwerde Nr. 38695/97, Nr. 39, EuGHMR 2000-II).

65. Der Gerichtshof nimmt zur Kenntnis, dass in Verfahren, die den Umgang eines leiblichen Vaters mit seinem nichtehelichen Kind zum Gegenstand hatten, das allgemeine Recht einer weiteren Beschwerde gegen die Entscheidung über eine erste Beschwerde, wie es nach § 63 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vorgesehen ist, kraft Gesetzes, nämlich durch § 63a des genannten Gesetzes in der zur maßgeblichen Zeit geltenden Fassung ausgeschlossen war (siehe Nr. 28). Unter Berücksichtigung seiner Feststellungen nach Artikel 14 der Konvention (siehe Nr. 50 und 56) kommt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass diese Beschränkung des Rechts des Beschwerdeführers auf Zugang zu einem Gericht mit Artikel 6 Abs. 1 nicht vereinbar ist.

66. Unter diesen Umständen stellt der Gerichtshof fest, dass das Verfahren als Ganzes den Erfordernissen des Artikels 6 Abs. 1 nicht genügt hat. Diese Bestimmung ist also verletzt worden.

IV. ANWENDUNG VON ARTIKEL 41 DER KONVENTION

67. Artikel 41 der Konvention sieht Folgendes vor:

"Stellt der Gerichtshof fest, dass diese Konvention oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, und gestattet das innerstaatliche Recht der Hohen Vertragspartei nur eine unvollkommene Wiedergutmachung für die Folgen dieser Verletzung, so spricht der Gerichtshof der verletzten Partei eine gerechte Entschädigung zu, wenn dies notwendig ist."

A. Schaden

68. Der Beschwerdeführer hat unter Hinweis auf den Kummer, den er infolge der Trennung von seinem Kind seit 1986 erlitten hat, 65.000 DEM als Entschädigung für den immateriellen Schaden verlangt.

69. Die Regierung hat hierzu nicht Stellung genommen.

70. Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass der Beschwerdeführer zweifellos einen immateriellen Schaden erlitten hat. Anhand der Beweislage lässt sich zwar nicht sagen, dass dem Beschwerdeführer der Umgang mit seinem Kind wahrscheinlich gewährt worden wäre, wenn es die Verstöße gegen die Artikel 6, 8 und 14 der Konvention nicht gegeben hätte, aber er hat zumindest nicht die Gelegenheit bekommen, seine Interessen in dem Verfahren zur Umgangsregelung zu wahren. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass der Beschwerdeführer durch verfahrensrechtliche Mängel in diesen Verfahren sowie durch Diskriminierung verletzt worden ist; beide Aspekte stehen dabei in engem Zusammenhang mit dem Eingriff in eines der grundlegendsten Rechte, nämlich dem auf Achtung des Familienlebens. Der Gerichtshof nimmt auch zur Kenntnis, dass der Beschwerdeführer sein Kind seit 1986 nicht mehr gesehen hat. Es kann vernünftigerweise angenommen werden, dass diese Umstände in ihrer Gesamtheit dem Beschwerdeführer erhebliches Leid verursacht haben.

71. Der Gerichtshof kommt deshalb zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer einen immateriellen Schaden erlitten hat, der durch die Feststellung einer Konventionsverletzung nicht hinreichend wiedergutgemacht wird. Keiner der genannten Faktoren lässt sich genau quantifizieren. Gemäß Artikel 41 setzt der Gerichtshof die Summe nach Billigkeit fest und spricht dem Beschwerdeführer 55.000 DEM zu.

B. Kosten und Auslagen

72. Der Beschwerdeführer hat ferner seinen Aufwand in den innerstaatlichen Verfahren mit schätzungsweise 5.000 DEM an Kosten und Auslagen vor den deutschen Gerichten beziffert. Er trug vor, dass Belege dafür nicht mehr vorhanden seien.

73. Wenn der Gerichtshof eine Konventionsverletzung feststellt, kann er dem Beschwerdeführer die Kosten und Auslagen zubilligen, die ihm vor den innerstaatlichen Gerichten entstanden sind, um diese Verletzung zu verhindern oder ihr abzuhelfen (siehe Urteil Hertel ./. Schweiz vom 25. August 1998, Sammlung 1998-VI, S. 2334, Nr. 63). Unter Berücksichtigung des Gegenstands und der Bedeutung des Verfahrens vor den deutschen Gerichten kann der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall die Erstattung der ihm vor diesen Gerichten entstandenen Kosten und Auslagen verlangen, soweit der Nachweis erbracht wird, dass diese Kosten und Auslagen tatsächlich und notwendigerweise entstanden und der Höhe nach angemessen sind (vgl. sinngemäß Elsholz ./. Deutschland, wie o.a., Nr. 73).

74. Der Beschwerdeführer, dem Prozesskostenhilfe gewährt worden war, machte keine weiteren in dem Verfahren vor den Konventionsorganen entstandenen Kosten und Auslagen geltend. Angesichts fehlender Quittungen oder sonstiger Belege ist der Gerichtshof nicht davon überzeugt, dass dem Beschwerdeführer Kosten und Auslagen in der geschätzten Höhe entstanden sind. Der Gerichtshof entscheidet nach Billigkeit und spricht ihm den Betrag von 2.500 DEM zu.

C. Verzugszinsen

75. Nach den Informationen, die dem Gerichtshof vorliegen, beträgt der in Deutschland gesetzlich vorgesehene Zinssatz am Tag der Annahme dieses Urteils 8,62 % jährlich.

AUS DIESEN GRÜNDEN ENTSCHEIDET DER GERICHTSHOF

1. mit fünf zu zwei Stimmen, dass Artikel 8 der Konvention verletzt worden ist;

2. mit fünf zu zwei Stimmen, dass Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 8 der Konvention verletzt worden ist;

3. mit sechs zu einer Stimme, dass Artikel 6 Abs. 1 der Konvention verletzt worden ist;

4. mit fünf zu zwei Stimmen,
a) dass der beklagte Staat dem Beschwerdeführer binnen drei Monaten nach dem Tag, an dem das Urteil nach Artikel 44 Abs. 2 der Konvention endgültig wird, folgende Beträge zu zahlen hat:

i) 55.000 (fünfundfünfzigtausend) DEM in Bezug auf den immateriellen Schaden;

ii) 2.500 (zweitausendfünfhundert) DEM, zuzüglich der gegebenenfalls zu berechnenden Mehrwertsteuer, für Kosten und Auslagen;

b) dass nach Ablauf der o.g. Zahlungsfrist von drei Monaten einfache Zinsen in Höhe eines jährlichen Zinssatzes von 8,62 % anfallen.

5. einstimmig, dass die Forderungen des Beschwerdeführers nach gerechter Entschädigung im Übrigen zurückgewiesen werden.

Ausgefertigt in Englisch und schriftlich zugestellt am 11. Oktober 2001 nach Artikel 77 Absätze 2 und 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs.

Mark Villiger

Antonio Pastor Ridruejo

Kanzler

Präsident

Gemäß Artikel 45 Abs. 2 der Konvention und Artikel 74 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs sind diesem Urteil die teilweise abweichende Meinung von Frau Vajić sowie die abweichende Meinung von Herrn Pellonpää beigefügt.
A.P.R.
V.B.

TEILWEISE ABWEICHENDE MEINUNG VON RICHTERIN VAJIĆ

1. Ich kann leider die Mehrheitsmeinung, dass im vorliegenden Fall Artikel 8 verletzt worden sei, nicht teilen.

In Anbetracht des Urteils des Gerichtshofs in der Rechtssache Elsholz ./. Deutschland (angeführt unter Nr. 38 dieses Urteils) kann ich auch die Mehrheitsmeinung in Bezug auf die Verletzung von Artikel 8 in Verbindung mit Artikel 14 der Konvention nicht teilen.

Was diese beiden Verletzungen angeht, stimme ich der Auffassung zu, die Richter Pellonpää in seiner abweichenden Meinung geäußert hat.

2. Mit einigen Bedenken habe ich mit der Mehrheit dafür gestimmt, dass der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall in seinen Rechten nach Artikel 6 der Konvention verletzt worden ist.

Die Meinung von Richter Pellonpää, dass § 63a des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der zur maßgeblichen Zeit geltenden Fassung (siehe Nr. 28) eher das Problem der Diskriminierung als das des Zugangs zu den Gerichten aufwirft und deshalb nach Artikel 6 in Verbindung mit Artikel 14 hätte behandelt werden können, ist meines Erachtens sehr überzeugend.

Ich erkenne jedoch an, dass das Problem auch als ein Problem der unangemessenen Beschränkung des Zugangs zu einem Gericht angesehen werden kann. Mit anderen Worten, der gesetzliche Ausschluss eines allgemeinen Rechts auf eine weitere Beschwerde (in der zur maßgeblichen Zeit geltenden Fassung des Gesetzes) hat das Recht des Beschwerdeführers auf Zugang zu den Gerichten so sehr beschränkt, dass dies eine Verletzung von Artikel 6 der Konvention darstellt.

ABWEICHENDE MEINUNG VON RICHTER PELLONPÄÄ

Ich kann mich der Meinung der Kammer, dass Artikel 8 sowohl für sich genommen als auch in Verbindung mit Artikel 14 verletzt worden sei, nicht anschließen.

Den in Nr. 38 des Urteils formulierten allgemeinen Grundsätzen, dass „zu bedenken [ist], dass die nationalen Behörden insoweit im Vorteil sind, als sie unmittelbaren Kontakt zu allen Beteiligten haben“ und dass „die Aufgabe des Gerichtshofs nicht darin besteht, an Stelle der nationalen Behörden deren Aufgaben in Fragen des Sorge- und Umgangsrechts wahrzunehmen...“, stimme ich zu. Doch die Anwendung dieser Grundsätze auf die Umstände der vorliegenden Rechtssache sollte meines Erachtens nicht zur Feststellung einer Verletzung führen.

Die Mehrheit hat zur Begründung der Verletzung des Artikels 8 angeführt, dass „sich das Amtsgericht“ in dem Verfahren betreffend den zweiten Antrag des Beschwerdeführers auf ein Umgangsrecht „nicht mit der bloßen Anhörung des Kindes zu seinen Wünschen in der Sache hätte begnügen sollen, ohne über einen psychologischen Sachverständigenbeweis zu verfügen, um die scheinbar eindeutigen Wünsche des Kindes zu bewerten“ (Nr. 43). „Dass die deutschen Gerichte eine psychologische Stellungnahme über die Möglichkeiten der Herstellung von Kontakten zwischen dem Kind und dem Beschwerdeführer nicht angeordnet haben, lässt“ nach Meinung des Gerichtshofs „erkennen, dass der Beschwerdeführer in den Entscheidungsfindungsprozess nicht hinreichend eingebunden war“ (Nr. 44). Weitere wesentliche Kritikpunkte in Bezug auf das innerstaatliche Verfahren scheint es nicht zu geben.

Dies überrascht auch nicht, denn das Verfahren scheint prima facie den Verfahrenserfordernissen nach Artikel 8 (und sogar den Erfordernissen nach Artikel 6, die in der Regel strenger sind) voll zu entsprechen. So hat die zuständige Richterin das Kind in Zusammenhang mit dem ersten Antrag auf Regelung des Umgangs zweimal angehört. Nach der zweiten Anhörung (24. Juni 1992), an der auch der Beschwerdeführer und die vom Gericht bestellte sachkundige Psychologin teilnahmen, nahm der Beschwerdeführer seinen Antrag zurück.

Im Rahmen des zweiten Verfahrens hörte das Amtsgericht (15. Februar 1994) das nunmehr 13-jährige Kind, das deutlich zum Ausdruck brachte, dass es den Beschwerdeführer nicht sehen wolle, erneut an. Darüber hinaus fand vor dem Amtsgericht eine mündliche Verhandlung mit dem Beschwerdeführer und der Mutter des Kindes statt (26. April 1994). Zusätzlich berücksichtigte das Gericht Stellungnahmen des Jugendamts Rostock in Zusammenhang mit diesen und dem ersten Verfahren sowie das im ersten Verfahren zwei Jahre zuvor erstattete psychologische Gutachten. Ein neues Sachverständigengutachten wurde vom Gericht nicht angeordnet.

Im Juni 1994 wies das Landgericht Rostock die vom Beschwerdeführer gegen die Entscheidung des Amtsgerichts erhobene Beschwerde zurück.

Der Schlussfolgerung der Mehrheit, die eine Verletzung von Artikel 8 der Konvention darin sieht, dass die deutschen Gerichte im zweiten Verfahren ein erneutes Sachverständigengutachten nicht angeordnet haben, schließe ich mich nicht an. In der Erwägung, dass das Kind inzwischen mit 13 ein relativ reifes Alter erreicht hatte – ein Umstand, der sowohl vom Amtsgericht als auch vom Landgericht gebührend hervorgehoben wurde -, konnte sich das Amtsgericht zu Recht auf die in dem Gespräch mit dem Kind unmittelbar gewonnenen Eindrücke sowie auf alle anderen vorliegenden Beweisstücke verlassen. Es ist nicht ersichtlich, warum das Landgericht von der Bewertung, die das Amtsgericht vorgenommen hatte, hätte abweichen sollen. Wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte unter diesen Umständen sagt, das innerstaatliche Gericht hätte ein neues Sachverständigengutachten einholen sollen (was anscheinend nicht einmal der Beschwerdeführer bei Gericht beantragt hat), so steht dies im Widerspruch zu dem obengenannten Grundsatz, „dass die Aufgabe des Gerichtshofs nicht darin besteht, an Stelle der nationalen Behörden deren Aufgaben ... wahrzunehmen“. Die Schlussfolgerung, dass „die nationalen Behörden ihren Ermessensspielraum überschritten haben“ (Nr. 45), bedeutet unter den Umständen des vorliegenden Falls, dass den innerstaatlichen Gerichten, die kritische Entscheidungen der Art, wie sie hier in Frage stehen, doch weit besser treffen können als dieser Gerichtshof, praktisch kein Ermessensspielraum bleibt.

Ich schließe mich auch der Schlussfolgerung, dass Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 8 verletzt worden ist, nicht an. Die Kammer versucht, zwischen dieser Rechtssache und der Rechtssache Elsholz ./. Deutschland (zitiert in Nr. 38 des vorliegenden Urteils) zu unterscheiden; in der letztgenannten Rechtssache „hätte die Anwendung von § 1711 Abs. 2 BGB dem Anschein nach nicht zu einer anderen Betrachtungsweise geführt als bei einem geschiedenen Paar“ (Nr. 49 des vorliegenden Urteils).

Die genannten Unterscheidungsmerkmale überzeugen mich nicht. In Nr. 50 wird betont, „dass im vorliegenden Fall sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht ausdrücklich festgestellt haben, dass Umgang nur gewährt werden könne, wenn dies dem Wohl des Kindes entspreche ...“. Insofern als dies anscheinend als ein Unterscheidungsmerkmal angeführt wird, weise ich darauf hin, dass sich ähnliche Ausführungen in den Entscheidungen des Amtsgerichts und des Landgerichts in der Rechtssache Elsholz finden (siehe Nr. 13 und 18 des Urteils Elsholz). Nach Nr. 51 des vorliegenden Urteils ist „der entscheidende Punkt .., dass die Gerichte Kontakte zwischen Kind und leiblichem Vater nicht prima facie als dem Wohl des Kindes dienlich ansahen und eine Gerichtsentscheidung, mit der ein Umgang zugesprochen wurde, die Ausnahme von der allgemeinen gesetzlichen Regelung bildete, nach der die Mutter über die Beziehungen des Kindes zum Vater bestimmte“. Ich kann nicht erkennen, dass die Betrachtungsweise der innerstaatlichen Gerichte in diesem Punkt in irgendeiner rechtserheblichen Weise anders war als in der Rechtssache Elsholz, in der das Amtsgericht festgestellt hat, dass die Bestimmungen „über das Recht des Vaters auf persönlichen Umgang mit seinem nichtehelichen Kind ... als eng auszulegende Ausnahmebestimmung konzipiert“ seien (Nr. 13 des Urteils Elsholz).

In der Rechtssache Elsholz hat der Gerichtshof, als er zu dem Ergebnis kam, dass Artikel 14 nicht verletzt wurde, betont, dass bei den innerstaatlichen Entscheidungen die „Gefährdung des Kindeswohls ... von vorrangiger Bedeutung war“ (Nr. 60). Es könne deshalb nicht „behauptet werden, dass ein geschiedener Vater besser behandelt worden wäre“ (Nr. 61). Das Wohl des Kindes scheint jedoch auch im vorliegenden Fall von vorrangiger Bedeutung gewesen zu sein. Das Amtsgericht hat z.B. besonders betont, dass die zwangsweise Herbeiführung des Umgangs zwischen dem Kind und dem Beschwerdeführer das seelische und psychische Gleichgewicht des Kindes gefährden würde (siehe Nr. 17).

Auch wenn es einige Unterschiede zwischen den Entscheidungen der innerstaatlichen Gerichte in den beiden Rechtssachen gegeben haben mag, so sind diese Unterschiede meines Erachtens nicht der Art, dass es gerechtfertigt wäre, in der einen Rechtssache eine Verletzung festzustellen und in der anderen nicht. Wie in der Rechtssache Elsholz hat der Beschwerdeführer auch hier nicht dargetan, dass ein geschiedener Vater in einem ähnlich gelagerten Fall besser behandelt worden wäre.

Ich habe auch gegen die Verletzung von Artikel 6 gestimmt. Ich erkenne zwar an, dass § 63a des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der zur maßgeblichen Zeit geltenden Fassung (siehe Nr. 28) aus Sicht der Konvention problematisch war. Doch das Problem war meines Erachtens eher ein Problem der Diskriminierung als ein allein nach Artikel 6 zu prüfendes Problem des Zugangs zu den Gerichten. Dementsprechend hätte ich für eine Verletzung von Artikel 6 in Verbindung mit Artikel 14 stimmen können. Der Fall ist sogar ein nahezu klassisches Beispiel für eine Diskriminierung, betrachtet am locus classicus zu diesem Thema, dem belgischen Sprachenstreit (Urteil vom 23. Juli 1968, Serie A, Band 6), in welchem der Gerichtshof ausführte:
„um an ein weiteres Beispiel [für Diskriminierung] zu erinnern .... Artikel 6 verpflichtet die Staaten nicht zur Einrichtung eines Systems von Rechtsmittelgerichten. Ein Staat, der gleichwohl solche Gerichte vorsieht, geht folglich über seine Verpflichtungen nach Artikel 6 hinaus. Es wäre jedoch eine Verletzung dieses Artikels in Verbindung mit Artikel 14, wenn solche Rechtsbehelfe bestimmten Personen ohne legitimen Grund versagt wären, während sie anderen für Klagen derselben Art zur Verfügung stehen“ (S. 33).