Anreise Teil 4
Im Nebelruf der Moore Die Herren der Flüsse
Teil 4
Ausgehend von Dailynnas führt euch Hadra mit seinen Männern nach Môrllynnas entlang der breiten Straße nach Norden. Diese führt nicht direkt am Fluss entlang, was ihr bedauert, denn ein Blick hinüber wo die Dyvli herrschen ist sehr verlockend. Ihr begegnet jetzt nur wenigen Reisenden Turma und nach zwei Tagen und etwa fünfzehn Meilen erreicht ihr die kleine Siedlung Môrllynnas am großen See Môrllyn. Hier leben hauptsächlich Fischer und Viehzüchter. Das Dorf ist direkt am See gebaut und es gibt eine kleine Bucht, die als Hafen fungiert. Überreste einer Kaianlage sind zu erkennen, doch diese sind stark zerstört worden und verfallen. Etwas abseits ist daher ein langer Steg gebaut worden an dem Boote vertäut sind. Kleine Fischerboote sind teilweise auf Land gesetzt worden oder schwimmen in Ufernähe auf dem großen See, der nicht weniger als fünf Meilen im Durchmesser sein dürfte. Eher mehr.
Am Ende des Stegs könnt ihr neben den Fischerbooten ein Langboot mit Riemen und Segel erkennen. Als ihr in das Dorf einzieht werdet ihr auch sogleich zu einem Haus gebracht, welches das Versammlungshaus zu sein scheint. Vor dem Haus steht eine stattliche Garde von sechs Turma-Kriegern. Nach dem Hadra ein paar Worte mit einem Dorfbewohner gewechselt hat wird euch erklärt, dass Prinz Marbod hier ist und euch empfangen wird. Da dreißig Personen etwas zu viel für das Haus sind wird beschlossen, dass Elekander mit ein paar wenigen seiner Wahl das Haus betritt. Später können sie berichten, dass Prinz Marbod sie freundlich empfangen habe und auch der Rhona namens Thales dort gewesen sei. Außer den beiden war der Kapitän des Langbootes dabei. Man habe sich gefreut, dass ihr pünktlich und wohlbehalten eingetroffen seid. Hadra hat seine Aufgabe erfüllt und wird entlassen. Er verabschiedet sich freundlich von euch und wünscht euch viel Erfolg auf eurer weiteren Reise.
In der Zwischenzeit haben sich die Rhona und Turma zwar angenähert jedoch steht nach wie vor zwischen ihnen, was vor so langer Zeit geschehen sein soll. Die Turma bezichtigen nämlich die Rhona des Eidbruches und haben sie verstoßen. Die Rhona behaupten das Gegenteil und sich als nicht abtrünnig. Marbod verwendet sich in dieser Angelegenheit für euch und eurer Suche indem er für die Turma und Rhona erhofft, dass ihr bei der Aufklärung helfen werdet. Denn eure Reise geht in das verbannte und verlassene Dorf inmitten des Cormawr, dem großen Sumpf- und Moorgebiet östlich von hier. Das Cormawr dehnt sich über dreßig Meilen in Richtung Osten bis an das Hochmeer aus und etwa genauso weit nach Richtung Norden. Thales berichtete bereits, dass das Moorgebiet für alle Rhona tabu ist und nur der Prionn, ihr Herr, darüber entscheidet wer die Erlaubnis erhält dorthin zu reisen. Immer mal wieder bitten junge Rhona um die Erlaubnis und manchmal wird ihnen sie ihnen gewährt. Doch bisher ist niemand zurückgekehrt.
Der Abend des sechzehnten Tages wird wieder bei gutem Wetter unter freiem Himmel und an gut gedeckten Tischen verbracht. Es werden Fische, Muscheln und Flußkrebse gereicht. Dabei tauscht ihr Geschichten aus und spekuliert über das, was euch erwarten möge.
Am siebzehnten Tage brecht ihr auf und drängt euch auf das Langboot der Rhona. Schweigsam ist die Mannschaft, die euch unter dem Kommando von Kapitän Tiago aus der Bucht pullt und dann das Segel setzt. Die Mannschaft hat alle blaue Tuniken an mit blau-karierten Überwürfen, dazu sind sie mit Kurzschwertern, Messern und Rundschilden bewaffnet. Unter den Ruderbänken liegen jede Menge Kurzspeere. Der Wind weht scheinbar aus nur teilweise günstiger Richtung, denn auf halber Strecke dreht der Kapitän an und lässt den restlichen Weg rudern. Während der Überfahrt, die ihr dichtgedrängt und immer wieder rempelnd verbringt, schätzt ihr, dass der See mindestens sieben oder acht Meilen im Durchmesser betragen muss. Im Süden erkennt ihr die Hügel des ausgedehnten Turma Gebietes, von dem ihr euch stetig entfernt. Im Osten macht ihr die Einmündung des Gormafon in den Môrllyn-See aus. Der Gormafon fließt langsam aus dem Ûchelmôr, dem Hochmeer. Dabei durchfließt er das Cormawr hierher. Den Westen könnt ihr nur schwach ausmachen, doch dahinter zeichnen sie ganz weit hohe Gebirge ab. Im Norden schließlich, eurem Ziel entgegen, seht ihr wieder Hügelland und grüne Felder.
Plötzlich macht eine Entdeckung die Runde. Irgendjemand aus eurer Gruppe hat bemerkt, dass über euch ein Paar großer Vögel, vielleicht Adler, kreisen. Jetzt wo ihr alle hochschaut, erinnert ihr euch auch, dass ihr die letzten Wochen immer wieder zwei ögel in großer Höhe habt kreisen sehen. Bisher habt ihr dem wenig Aufmerksamkeit geschenkt, denn es gab ja immer was zu sehen und stets musstet ihr achten wohin ihr tretet. Doch jetzt, während der Überfahrt, ist es auffällig. Einige sagen sogar, dass es die gleichen Vögel seien und sie womöglich seit dem Eiswasser mitziehen würden. Ein seltsames Gefühl macht sich breit. Während die einen jedoch diese seltsame Begebenheit auf einen Zufall schieben, beobachten die anderen weiter. Die Vögel ziehen nach einer Weile nach Norden und steigen höher, bis ihr sie aus den Augen verliert.
Nach etwa zwei Stunden Überfahrt erreicht ihr eine Küstenstadt der Rhona. Sie hat einen kleinen Hafen mit Langbooten, wie dem euren, sowie eine Bucht mit Stegen für Fischerboote. Etwa ein Duzend Krieger der Rhona, schick in Blau mit kariertem Kilt, stehen verteilt an den Hafenanlagen. Euch scheint, dass diese Langboote eher als Kriegsschiffe eingesetzt werden als für etwas anderes. Thales erklärt, dass sie mit den Langbooten den Gormafon vom Gebiet der Okrra bis ins Cormawr befahren und eigentlich auch bis zum Ûchelmôr könnten. Außerdem sind sie gelegentlich auch auf dem Morafon unterwegs. Die Fischerboote fahren nur in Begleitung oder auf dem Môrllyn oder ein Stück weit den Gormafon hoch.
Obwohl es oft den anderen (Turma, Dyvli oder Kiruna) nicht passe, so unternehmen sie doch nichts gegen die Schiffe der Rhona. Die Rhona sind die einzigen, die die Flüsse frei von Okrra halten, die es immer wieder versuchen mit gestohlenen Booten oder Flößen die Flüsse zu befahren um zu plündern. Thales schließt, dass es einfach eine Frage der Ehre sei, die Okrra zurückzutreiben.
Das Boot legt an und nachdem es vertäut wurde, dürft ihr endlich aussteigen und wieder festen Boden unter den Füßen spüren. Trotz der kurzen Fahrt, war es den meisten jedoch keine angenehme Erfahrung so eng und schwankend bei einander zu stehen. Euer Blick richtet sich auf die Stadt. Thales erklärt in ruhigen Worten, dass Brennlynn ihre Hauptstadt sei. Das größte Haus, welches sich deutlich von den anderen abzeichnet, sei der Sitz des Prionn Milan. Ein großer Holzbau mit reichen Verzierungen. Leider führt euch Thales anschließend nicht dorthin, sondern am Ufer entlang knapp außerhalb der Stadt. Prionn Milan lässt sich entschuldigen und bedauert euch Gäste nicht willkommen heißen zu können. Wenn die Reise glücklich verlaufen sollte, wird bestimmt ein Fest gefeiert werden und die Zeit reichen.
Dort warten zwei Krieger an einem Bauernhof auf Thales. Als ihr eintrefft nicken diese Thales zu und gehen zurück zur Stadt. Euch widmen sie dabei einen kurzen, nichtssagenden Blick. Thales führt euch in ein Bauernhaus in dem es ein paar Räume als Schlafstatt gibt. Ein paar müssen jedoch in der Scheune schlafen. Es wurden offenbar auch ein paar Nahrungsmittel bereitgestellt, die jedoch erst zubereitet werden müssen. Ihr schließt, dass die Rhona etwas weniger gastfreundlich scheinen als die Turma, aber immerhin bisher alles angenehmer als ohne frische Verpflegung unter freiem Himmel verbringen zu müssen. Thales bleibt bei euch und beschreibt wie es weiter gehen soll. Demnach würdet ihr die nächsten Tage durch das Rhona-Gebiet in nordöstlicher Richtung bis zum Gwynnafon reisen. Entlang dieses Flusses kommt ihr zum besagten Dorf und von dort zum Tempel.
Am nächsten Morgen, dem achtzehnten Tage in den Westmarken, ist es kühl und neblig. Vor dem Haus hat sich bereits die Eskorte von sechs Rhona-Kriegern eingefunden und wartet geduldig bis ihr euch fertig gemacht habt. Ihr brecht auf, während die Sonne langsam den Nebel vertreibt. Das Land scheint hier dem der Turma ähnlich. Karge Hügel, gelegentlich Wälder, Weiden und Felder. Vereinzelt seht ihr in der Entfernung einzelne Gehöfte. Die Vegetation lässt schließen, dass es sich hier genauso schwer leben lässt, wie in den meisten Gebieten der Steinmarken, die ihr bisher kennt. Zwischen den Siedlungen, in deren Nähe Generationen lang das Land urbar gemacht wurde, ist wenig fruchtbares oder aussichtsreiches zu finden. Vier Tage und Vierzig Meilen zieht ihr euren Weg dahin, den euch Thales führt. Es geht meistens zwischen den Hügelketten entlang von kleinen Flüsschen und Bächen dahin.
Am Nachmittag des dritten Tages im Lande der Rhona erreicht ihr ein größeres Dorf. Pendefaid. Dort fließen mehrere Bäche zu einem Fluss zusammen, der später in den Gwynnafon münden würde. Ihr schätzt, dass dort um die zweihundert Seelen leben. Ihr kehrt dort ein und Thales wird beim Dorfschulzen vorstellig. Dieser verbeugt sich demütig vor Thales und scheint allen seinen Wünschen gerecht werden zu wollen. Thales überreicht ihm ein kleines Stück Papier oder dergleichen, worauf hin ein höflicher Austausch folgt. Der Dorfschulze lehnt die Annahme ab, Thales insistiert, der Dorfschulze nimmt dankbar an. Danach kehrt Thales zu euch zurück und teilt mit, dass ihr auf einer Wiese am Ufer des Flusses das Lager aufschlagen könnt. Überall sind Schafe zu sehen, die auf den Weiden herumlaufen. Auf dem Fluss sind Pfähle zu sehen, an denen kleine Boote an langen Leinen festgemacht sind. Die Fischer sind dort fleissig und werfen Netze aus. Um nicht abzutreiben nutzen sie die Leinen eine oder mehrere um sich im Fluss zu positionieren.
Am Abend bringen euch der Dorfschulze und ein paar Dörfler Lachse ins Lager, die für euch bestimmt sind. Die Dorfbewohner tragen einfache Kleidung, jedoch fehlt an niemandem das Blau der Rhona. Während ihr so am Lagerfeuer sitzt und die Lachse grillt, nehmt ihr einen weiteren Anlauf Thales auf das verlorene Dorf anzusprechen. Nach einigem Zögern gibt Thales dann doch nach und erzählt ein weiteres Mal die Geschichte. Vor vielen hundert Jahren war das Gebiet der Rhona etwas ausgedehnter. Das Cormawr war damals nicht so gefährlich und keine Bannzone. So konnte das Volk von Fischern und Flussfahrern viele Orte bereisen und bewirtschaften. Damals gab es eine Bewahrerin, so die Überlieferung, die den Rhona die Wunder der Natur brachte. Sie schuf einen Ort der Fruchtbarkeit und des Lebens. Dieses Dorf befand sich inmitten des Sumpfgbietes und war reich zu bestellen. Saftige Felder, klares Wasser und üppige Wälder. Die Legende erzählt von weiteren Bewahrern, die den Menschen in den Turmlanden Weisheit und Wohlstand brachten. Doch dann sei ein großer Krieg ausgebrochen. Aufgebrachte Völker von überall her drangen auf die Turmlande ein und der Turmakönig rief zu den Waffen.
Die Rhona und Dyvli folgten ihm sofort und schickten ihm alle ihre Krieger. Die Okrra waren verwahrlost und verkommen und brannten sich in das land der Turma und Dyvli. Die Kiruna zogen sich in ihre Berge zurück und verschanzten sich dort. Als das Reich der Turma fiel, wären es die Dyvli und Rhona gewesen, die einzig an des Königs Seite standen. Die Ostmarken waren sämtlich gefallen und weite Gebiete entlang des Hochmeeres und des Aigafon verloren. Jenseits des Gormafon hielten die Dyvli nur knapp gegen die Okrra aus. Am Ende des Schlachtens es hörte wohl einfach plötzlich auf waren die Bewahrer tot oder fort. Bevor der König selber starb wurde ihm berichtet, die Rhona hätten ihren Bewahrer erschlagen. Noch auf dem Totenbett verdammte er die Rhona des Eidbruches. Ohne Möglichkeit ihre Ehre wieder herzustellen und ihre Ehrlichkeit in Frage gestellt zogen sich die Rhona in ihr Gebiet zurück und begannen einen langen Weg aus der Dunkelheit. Heute gilt das Cormawr sowie das Dorf als verdorben und in sein Gegenteil verkehrt. Niemand, der dorthin reise käme zurück.
Dennoch genehmigt Prionn Milan gelegentlich einigen wenigen die Reise dorthin. Manche Krieger täten dies um ihren Mut zu beweisen oder wegen einer Verfehlung ihre Ehre wieder herstellen zu wollen. Andere motiviere ihr Glaube an Lenja und die Absicht den heiligen Ort wieder zu weihen. Thales gibt zu, dass ihn all das nicht antreibe sondern schlicht der Befehl seines Prionn. Als einer der Leibdiener seines Herrn stellt dies eine große Ehre aber auch eine Bürde dar, die er zu tragen bereit sei. Als nach seiner Erzählung weitere Fragen gestellt wurden, stellt er klar, dass es nicht üblich sei, so viele Fragen an jemanden zu richten.
Dennoch werde er antworten. Auf die Frage ob die Bewahrerin tatsächlich eine Frau gewese sei, antwortet Thales, dass die Legende so übermittelt wurde. Er antwortet weiter, dass ihm Zrunisken zuvor noch nicht begegnet seien. Er berichtet davon bereits die gefährlichen Schlingpflanzen zu kennen. Diese wären vergleichbar mit fingerdicken Seilen, deren Oberfläche scharf wie Glassplitter wären. Wenn sich also einer in diesen verheddere und gar beim Laufen hinein gerate, muss mit schweren und hässlichen Schnittwunden gerechnet werden. Lederbekleidung helfe dagegen gut. Zuletzt berichtet Thales davon, dass einzig der Prionn bei den Rhona herrsche und tatsächlich auch spirituell geleitet wird. Dabei wird keiner der bekannten Gottheiten Vorzug gegeben. In seinem Auftrag handeln andere als Gesandte, so wie es Thales tut. Und damit beschließt er, dass es genug für den Abend sei und es beginnt die Nachtruhe.
Am zweiundzwanzigsten Tag erreicht ihr am Abend die Flusssiedlung Salswyn. Diese ist ähnlich groß wie Pendefaid, hat jedoch einen Steg, der in den breiten Fluss ragt. Der Fluss Gwynnafon scheint hier etwas breiter und flacher zu sein und bietet wiederrum Fischern eine gute Basis. Von hier aus kann man sehr gut das Land erkennen, welches sich in Richtung Norden und Westen erstreckt: die Nordmark. Es zeichnet sich eine Ebene ab, die düster scheint und viele Brauntöne enthält. Es zeugt nicht gerade von saftigen Wiesen. Am Horizont sind schroffe Hügel und Gebirge erkennbar. Jenseits der Berge müsste das Land Nevers liegen, welches zum Königreich Burgund gehört. Im Osten findet man das Gegenteil vor. Dort breitet sich das Cormawr vor euch aus. Jenseits des Flusses geht das Land in eine dumpfe, nebelige Masse von Wasser und üppiger Vegetation über. Der Fluss fließt hier sehr langsam, so dass die Fahrt flussauf nicht sehr kräftezehrend werden sollte. Die Boote am Ufer geben euch einen Eindruck von dem was euch erwartet. Es handelt sich um Kanus für etwa vier Personen...
Fortsetzung folgt
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Poldi