Auslöser und Ursachen
Magersucht
Hinweise auf Ursachen und Auslöser
Wie oben dargestellt, liegen die Ursachen der
Magersucht im familiären oder soziokulturellen
Bereich. Auch traumatische Trennungssitua-
tionen, wie der Verlust eines Elternteils oder
eines nahen Familienangehörigen, oder ein
Schul- und Wohnungswechsel können eine
Magersucht auslösen. Wie bei anderen Ess-
störungen können auch sexueller Missbrauch
oder sexuelle Übergriffe eine Ursache sein.
Die Modelle zur Entstehung der Anorexie orientieren
sich an verschiedenen funktionalen Aspekten:
Modell 1
So versteht eine psychoanalytische Erklärung die Magersucht als eine Form der Abwehr sexueller Wünsche und als Möglichkeit wieder in die scheinbar heile Welt der Kindheit zurückzukehren. Als Beleg für diese Sichtweise wird angeführt, dass durch die Abmagerung der Körper weitgehend wieder dem eines Kindes ähnelt und damit die sexuelle Signalwirkung reduziert wird, ebenso, dass die Regelblutung bei Mädchen ausbleibt.
Modell 2
Ein anderes Modell versteht die Magersucht als einen Kampf um Selbstbehauptung. In der Anorexie verdeutlicht sich das Streben nach Identität, nach Kontrolle des eigenen Lebens. Die in der Kindheit oft überangepassten späteren Magersüchtigen sind von einem Gefühl der Ohnmacht gegenüber dem eigenen Leben beherrscht. In der Kontrolle des eigenen Körpers und der Überwindung des Hungergefühls erlebt sich die/der magersüchtige Patientin/Patient stattdessen als eigenständige Person.
Modell 3
Ein drittes Modell betont schließlich die familiären Aspekte. Anorexie findet sich verstärkt in Familien, die durch ein hohes Harmoniestreben, eine Verklärung des Familienzusammenhalts, den Verzicht auf eigene Bedürfnisse und Opferbereitschaft gekennzeichnet sind. Die magersüchtigen Frauen und Männer lenken durch ihre Erkrankung von anderen Spannungen und Konflikten in der Familie ab. Diese verlieren angesichts des starken Untergewichtes der Betroffenen an Bedeutung und müssen daher auch nicht gelöst werden.
Bullemie
Rollenerwartung
Als wesentliche Risikofaktoren haben sich das gesellschaftliche Schlankheitsideal und eine veränderte Rollenerwartung an Frauen erwiesen. Einerseits können Frauen sich von der traditionellen Hausfrau- und Mutterrolle distanzieren und beruflichen Erfolg und Leistungsbereitschaft anstreben, andererseits werden ihnen aber nach wie vor die weiblichen Tugenden der Warmherzigkeit, des Sorgens für andere und vor allem des Schönseins zugesprochen und abverlangt.
Psychische Risikofaktoren sind vor allem ein Mangel an Selbstwertgefühl, eine große Selbstunsicherheit und eine insgesamt gestörte Entwicklung der eigenen Identität. Es besteht ein Mangel in der Wahrnehmungsfähigkeit der eigenen Körpersignale wie Hunger oder Sättigung, diese werden kaum oder verzerrt wahrgenommen. Gewichtskontrolle und Diäten vermitteln dann ein Gefühl der Sicherheit, weil die eigenen Bedürfnisse scheinbar kontrolliert werden.
Die familiäre Situation bulimischer Frauen ist häufig durch große Unsicherheit geprägt; mindestens zu einem Elternteil besteht in der Regel eine unsichere Bindung. Häufig finden sich frühe Verlustereignisse, z.B. Trennung von einem Elternteil, so dass die junge Frau schon früh das Erleben mangelnder Unterstützung zu verarbeiten hatte. Immer wieder wird auch über sexuellen und emotionalen Missbrauch in den Familien berichtet.
Kontrolle und Konfliktvermeidung
Kontrolle und Konfliktvermeidung charakterisieren das familiäre Klima in diesen Familien. Es gibt indirekte gegenseitige Beschuldigungen und Abwertungen. Widersprüchliche Botschaften kennzeichnen den Umgang miteinander. Vor allem die Konfliktvermeidung trägt dazu bei, dass bulimische Frauen kaum taugliche Strategien zur Konfliktlösung lernen. Vielmehr scheint ein Überleben angesichts von Konflikten nur durch ein hohes Maß an Kontrolle der eigenen Gefühle möglich. Viele bulimische Frauen berichten über familiäre Schlankheits- und Gesundheitsideale, der äußeren Erscheinung wurde eine hohe Bedeutung eingeräumt.
In einer Atmosphäre, in der die Bedürfnisse des Einzelnen nicht respektiert werden, wird auch die Wahrnehmung von Körpersignalen wie Hunger und Sättigung verlernt. Essen wird in diesen Familien häufig nicht bedürfnisorientiert eingesetzt, sondern als Mittel der Ablenkung, Belohnung und Entspannung und zur Aufrechterhaltung traditioneller Normen.
Hat sich die Bulimie erst einmal ausgebildet, so wird sie im Sinne eines psychosomatischen Teufelskreises aufrechterhalten. Diäten, Fasten, Erbrechen, exzessiver Sport und Abführmittelmissbrauch führen zu einem körperlichen und psychischen Mangelzustand, der nicht unbegrenzt ausgehalten werden kann. Typischerweise folgen Heißhungeranfälle, die wiederum auf körperlicher und psychischer Ebene zu massivem Unwohlsein führen, das nun abermals durch Diäten, Fasten, Erbrechen, exzessiven Sport und Abführmittelmissbrauch beendet wird. Dies hat erneut einen körperlichen und psychischen Mangelzustand zur Folge usw. usw.