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"Alle lieben Jimmy" - Wenn Türken ihre Wurzeln ablegen

"Alle lieben Jimmy" - Wenn Türken ihre Wurzeln ablegen

17. März 2007, 10:00 Uhr Von Christoph Mathieu

Comedy

Wenn Türken ihre Wurzeln ablegen

So charmant, liebevoll und moralisch geht es am Freitagabend nur selten im Fernsehen zu: Die neue Serie „Alle lieben Jimmy" handelt vom Leben einer türkischen Familie in Deutschland. Doch kann das Format auch für mehr Verständigung zwischen den Kulturen sorgen?
Foto: DPAAlle lieben Jimmy: Acht neue Folgen der beliebten Serie kommen nun ins Fernsehen. Jimmy (M.) schlägt sich weiter gewohnt pfiffig mit den ganz alltäglichen Problemen eines deutsch-türkischen Jugendlichen herum

Erinnern Sie sich noch an die „Bill Cosby Show“? Darin geht es um die afroamerikanische Familie Huxtable, die zur oberen Mittelschicht gehört. Der Mann ist Arzt, die Frau Anwältin – und das mitten im New York der achtziger Jahre. Die Serie ist vor allem an Weiße gerichtet und will sie ihnen sagen: Wir Schwarze können es genauso wie ihr! Schlagworte
Jimmy Gülcan Rauchen Comedy Familie RTL Wir leben mit euch, und das keineswegs nur als Einpacker in Supermärkten oder als Straßengangster in den Ghettos, wie ihr immer denkt! Jetzt startete auf RTL die zweite Staffel der Sitcom „Alle lieben Jimmy“. Darin geht es um die deutschtürkische Familie Arkadas, die zur oberen Mittelschicht gehört. Der Mann ist Bauunternehmer, die Frau hat statt einem Kopftuch die Hosen an – und das mitten im Deutschland von heute. Die Serie ist vor allem an Deutsche gerichtet, will sie doch sagen: Wir Türken können es genauso wie ihr! Wir leben mit euch, und das keineswegs nur als Dönerverkäufer oder Straßengangster in den Ghettos, wie ihr immer denkt! Die Parallelen zwischen den Huxtables und den Arkadas sind kaum zu übersehen: In beiden Familien herrscht die absolute Emanzipation, was ja oft bedeutet, dass die Mutter das Sagen hat. Vielleicht sind die Arkadas eine Art Integrationsutopie: Sie sprechen reines Hochdeutsch, nur geflucht wird auf Türkisch. Das Wertesystem ist sehr westlich orientiert, Religion spielt keine Rolle, auch Ausländerhass begegnet unserer Fernsehfamilie nie. Im Gegenteil, in der Folge „Meine Lunge gehört mir“ wird Mama Gül aktiv. Sie will ein Rauchverbot an Jimmys Schule durchsetzen und legt sich – ganz Powerfrau – mit den deutschen und ignoranten Beamten in Führungspositionen an. Unsere Fernsehtürken stürzen sich also mitten ins soziale Leben. Doch kann man „Alle lieben Jimmy“ als Anleitung für ein besseres Miteinander verstehen? Wohl nicht. Dafür sind die einzelnen Episoden zu oberflächlich und neigen zur Bagatellisierung brisanter Themen. Das Format macht es sich zu einfach, indem es die Familie Arkadas komplett eindeutscht. Die Rassenproblematik, mit denen die Afroamerikaner zu kämpfen haben, ist nicht gleichzusetzen mit den Integrationsproblemen der Türken in Deutschland. Die Huxtables sind Amerikaner, die im eigenen Land ihre Wurzeln gefunden haben. Die Arkadas legen stattdessen ihre Wurzeln fast vollständig ab. Ein zweifelhafter Lösungsvorschlag, so kann das nicht funktionieren. Darum ist „Alle lieben Jimmy“ unterm Strich zwar eine unterhaltsame Serie, die aber keine tiefere Auseinandersetzung mit dem Thema bieten kann. Trösten wir uns damit, dass sie es vielleicht auch gar nicht will.

"Alle lieben Jimmy", jeden Freitag um 21:15 Uhr auf RTL

Quelle: https://www.welt.de/fernsehen/article764729/Wenn_Tuerken_ihre_Wurzeln_ablegen.html

G Petra