Papierkrieg am Rio de la Plata
Montag 13. Februar 2006
Das St. Galler Tagblatt, Ostschweizer Tageszeitung (www.tagblatt.ch)
Papierkrieg am Rio de la Plata
ARGENTINIEN UND URUGUAY BEKÄMPFEN SICH WEGEN ZWEIER ZELLULOSEFABRIKEN
Papier ist bekanntlich geduldig; aber über dessen Herstellung sind Argentinien und Uruguay, die Nachbarn am Rio de la Plata, in heftigen Streit geraten.
Carl D. Goerdeler/Rio
Argentinien neidet Uruguay die Errichtung von zwei Zellulosekombinaten in Fray Bentos, am Ufer des Rio Uruguai, der die Grenze zwischen beiden Ländern bildet. Die Regierung des linken Peronisten Nestor Kirchner lässt es in diesem Zusammenhang auch zu, dass argentinische Lokalpolitiker zusammen mit Umweltschützrn die Brücke nach Uruguay blockieren, wo der ebenfalls linke Tabaré Vásquez regiert. Werden die Fabriken tatsächlich den Grenzfluss verdrecken, wie es Kirchner befürchtet, der bisher kaum als Naturschützer aufgetreten war? Und entspricht das Vorgehen den Regeln der südamerikanischen Zollunion Mercosur, der beide angehören?
Eigene Pläne in der Schublade
Ein Schriftstück zeigt, dass Argentinien selbst ein ähnliches Projekt plante So verspricht ein Dekret des argentinischen Gouverneurs Jorge Busti aus dem Jahr 1990 einen ganzen Industriepark, ebenfalls inklusive Papiermühlen, für die argentinische Grenzprovinz Entre Rios und das Städtchen Gualeguaychú, das mit Uruguays Fray Bentos auf dem Gegenufer per Brücke verbunden ist.
Doch nun haben sich internationale Papierkonzerne für Uruguay entschieden. Für das Land sind die 1,8 Mrd $, die die Unternehmen Ence aus Spanien und Botnia aus Finnland in die Zellulosefabriken investieren, kein Pappenstiel. Schliesslich könnten damit 10000 Arbeitsplätze in der strukturschwachen Region geschaffen werden. Ausserdem locken Deviseneinnahmen - die Papiermühlen würden die Hälfte ihres Ausstosses nach Europa exportieren und ein Drittel nach China. Uruguay hatte sich im Vorfeld für Weltbankkredite stark gemacht, damit das Projekt Gestalt annimmt. Die Weltbank prüfte die Konditionen und die Umweltverträglichkeit und sagte die Kredite zu. Dies liess den argentinischen Botschafter in Washington vorstellig werden: Die Weltbank solle grundsätzlich keine Kredite für Zellulosefabriken mehr vergeben, forderte er.
Gemeinsame Untersuchung
Von Beginn an hatte man in Uruguay versucht, den grossen Nachban in das Projekt einzubeziehen. Man hatte eine bilaterale Kommission eingerichtet, die die Umweltverträglichkeit der Papiermühlen prüfen solle. Aber die Kommission kam zu keinem einheitlichen Votum. Und in Argentinien stieg der politische Druck auf den Provinzfürsten Jorge Busti, der um seine Wiederwahl kämpfte. Schliesslich verfasste auch Argentiniens Aussenminister Raymundo Gargano diplomatische Proteste.
Die Durchfahrt blockiert
Aber in Uruguay liess man sich davon nicht beeindrucken, die beiden Konzerne aus Spanien und Finnland begannen mit dem Bau der Fabriken - bis vor kurzem Umweltschützer und argentinische Lokalpolitiker die Brücke nach Uruguay blockierten und sieben Lastwagen aufs Abstellgleis zwangen. Die Lastwagen kamen aus Chile, und sie hatten wichtige Bauteile für die Zellulosefabriken in Uruguay geladen.
Nun hatte sich der Papierkrieg bis über die Anden ausgedehnt, denn Chile legte eine Protestnote "gegen die Wegelagerei" ein. Ein Manager der Finnen drohte gar mit einer Schadensersatzklage gegen Argentinien. Statt Lastwagen-transporte über argentinisches Territorium plante man bereits eine Luftbrücke für Einzelteile. Heizt sich der Streit weiter auf, ist es nicht auszuschliessen, dass er am Ende sogar vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag landen wird.
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