Gedichte aus dem alten Forum
RE: Gedichte
von Sven (vorlesen) 15.Jun.2003 23:31
Ich erwarte von mir selbst glücklich zu werden
Um dieses Glück verteilen zu können auf Erden
Damit erwarte ich schon viel zu viel
Denn Glücklich sein ist der Weg und das Ziel
Erwarte ich nicht, sondern bin einfach ich selbst
Bin ich glücklich als Mensch auf der Welt
Nicht euphorisch glücklichund auch nicht zufrieden
Ich könnte noch viel mehr geben und lieben
Ich erwarte schon wieder fällt mir gerade auf
Jetzt trete ich mal raus aus diesem Kreislauf
Einfach nicht mehr (er)warten genießend den Augenblick
Jetzt steh ich mitten in meinem Glück
Ein kleines Glück - zugegeben
Ich erwarte schon wieder mehr vom Leben
Wie konnte ich nur erwarten - mit welchem Recht?
Bei dem Gedanken wird mir jetzt ganz schlecht
RE: Gedichte
von Sven (vorlesen) 13.Jul.2003 23:01
Auf jede Nacht folgt ein neuer Morgen.
von Phil Bosmans
Seltsames, unbegreifliches Menschenleben. Es gibt
Tage, da scheint die Sonne, und du weisst nicht warum.
Du bist zufrieden. Du siehst die guten, schönen Seiten
des Lebens. Die Arbeit geht dir von der Hand. Alle
sind freundlich zu dir. Du weisst nicht warum.
Vielleicht hast du gut geschlafen. Vielleicht hast du
einen guten Menschen gefunden und fühlst dich
verstanden, geborgen.Du denkst: So soll es bleiben,
dieser Friede, diese tiefe Freude.
Doch auf einmal ist alles anders. Als ob eine
überhelle Sonne die Wolken anzieht - derart fällt
Trauer über dich, unerklärlich. Dir erscheint alles
schwarz. Du meinst, dass die andern nichts mehr an dir
mögen. In Belanglosigkeiten suchst du Gründe, um zu
nörgeln und zu jammern, um zu beneiden und anzuklagen.
Du denkst: So wird es immer weitergehen und du weisst
nicht warum. Vielleicht bist du müde. Du weisst es
nicht.
Warum muss das so sein?
Weil der Mensch ein Stück Natur ist, mit
Frühlingstagen und Herbsttagen, mit der Wärme des
Sommers und der Kälte des Winters. Weil der Mensch dem
Rhytmus des Meeres folgt: Ebbe und Flut. Weil unser
Dasein eine ständige Wiederholung von Leben und
Sterben ist.
Wenn du das begreifst, kannst du wieder weiter mit
Mut, voller Vertrauen, denn dann weisst du:
Auf jede Nacht folgt ein neuer Morgen. Wenn du dazu ja
sagst, wenn du das hinnimmst, wirst du durch dieses
Auf und Ab zu immer grösserer Lebenstiefe und
Lebensfreude kommen.
RE: Gedichte
von Sven (vorlesen) 3.Aug.2003 22:19
Raum zum Träumen,
einen Traum für Morgen
und den Mut, ihn heute schon zu leben.
Raum für Tränen,
echten Trost im Leiden
und den Mut, dem andern zu vergeben.
Luft zum Atmen
und den Duft des Frühlings,
die Geduld, den Winter zu ertragen.
Platz im Herzen,
einen Kreis von Menschen
und den Mut, auch Widerspruch zu wagen.
Grund zum Danken,
einen Freund für´s Leben,
eine Arbeit, täglich Brot zu essen.
Zeit zum Schweigen
und auf Gott zu hören,
einen Ort, den Alltag zu vergessen.
Das wünsch ich Dir, das wünsch ich Dir
von Herzen,
Gott behüte Deine Schritte,
niemals gehst Du ganz allein.
Das wünsch ich Dir, das wünsch ich Dir von
Herzen,
Gott begleite Deine Reise,
er wird immer bei Dir sein.
RE: Gedichte
von Sven (vorlesen) 11.Aug.2003 13:05
Ich will unter keinen Umständen ein Allerwelts-
Mensch sein. Ich habe ein Recht darauf, aus dem
Rahmen zu fallen - wenn ich es kann.
Ich wünsche mir Chancen, nicht Sicherheiten.
Ich will kein ausgehaltener Bürger sein,
gedemütigt und abgestumpft, weil der Staat für
mich sorgt.
Ich will dem Risiko begegnen, mich nach etwas
sehnen und es verwirklichen, Schiffbruch erleiden
und Erfolg haben.
Ich lehne es ab, mir den eigenen Antrieb mit
einem Trinkgeld abkaufen zu lassen. Lieber will
ich den Schwierigkeiten des Lebens
entgegentreten, als ein gesichertes Dasein zu
führe; lieber die gespannte Erregung des eigenen
Erfolges, als die dumpfe Ruhe Utopiens.
Ich will weder meine Freiheit gegen Wohltaten
hergeben noch meine Menschenwürde gegen milde
Gaben.
Ich habe gelernt, selbst für mich zu denken und
zu handeln, der Welt gerade ins Gesicht zu sehen
und zu bekennen, dies ist mein Werk.
Das alles ist gemeint, wenn ich sage:
"Ich bin ein freier Mensch!"
Albert Schweizer
Dahingelebt
von Susann (vorlesen) 4.Sept.2003 16:13
Die Spuren, längst verweht im Wind der Ewigkeit.
Gedankenfetzen schleichen sich auf trägem Fuße aus den Abgründen der Vergangenheit.
Vertrauter Duft,
bekanntes Lied,
verlorene Zeit.
Die Uhr läuft weiter, Tag für Tag,
Leere der Gewohnheit..
Ohne Sinn dahingelebt,
vergangnen‘ Zeiten nachgetrauert.
Träges Vegetieren ohne Feuer,
ohne Licht,
ohne Hoffnung.
Die Lebensfreude, lange schon erstickt vom alltäglichen Kampfe.
Abgestumpfte Gefühle lassen keinen Raum für das Leben.
Zäh kriechen die Stunden voran.
Über der Welt liegt ein Schleier aus Trägheit...
der alles verschlingt,
jeden Mann,
jede Frau,
jedes Kind.
„Wer wird es wagen, für das ‚Leben‘ zu kämpfen?“
Ein kleines Blatt
von Susann (vorlesen) 4.Sept.2003 16:14
Ein kleines Blatt fällt hinunter,
herab vom großen Baum.
Golden schimmert es im Abendlicht.
Tiefer fällt es und schwingt,
es tanzt und singt,
besingt seinen Tod.
Es fällt weiter,
weiter in die Tiefen,
der kalte Boden ruft nach ihm.
Doch der Wind ist gnädig,
noch ein letztes Mal fegt er hinüber.
Das Blatt, es steigt,
zum letzten Mal.
Es fliegt hinein in den Abendhimmel,
glänzt und strahlt,
und will nicht fallen,
will nicht sterben,
will nicht vergehn'.
Doch es gibt keinen Ausweg,
Das kleine Blatt ,
es landet und bleibt liegen.
Nie wieder wird es sich im Sturme wiegen,
und nie wieder wird's im Winde rascheln.
Der Tod hat gesiegt
und doch wird das Leben wiederkehren.
Innenleben
von Susann (vorlesen) 4.Sept.2003 16:18
Es schmilzt uns es blutet es lacht uns im Leibe
Wir tragen es auf der Zunge
Wir schütten es aus
Wir machen im Luft
Wir grüßen von ihm
Wir essen es in Aspik
Es ist steinern es ist weich
golden hart brennend gespickt
halb leicht tief gut schwer
gebraten gebrochen erweitert verfettet
Wir bringen etwas darüber und tragen etwas darunter
Wir legen die Hand darauf
Wir schließen etwas darin ein
Wir drücken etwas daran
Wir nehmen uns etwas dazu
Wir hängen es an etwas hin
Es hat Klappen Blätter und Damen
Es hat Fehler Schläge Gründe Beutel und Gruben
Anfälle Kammern und Lüste
Wir lassen und etwas daran wachsen
und etwas darein schneiden
und etwas daran greifen
Ein Stein fällt uns davon herunter
Wir machen ein Mördergrube daraus
Wir haben es auf dem rechten Fleck
Hans Magnus Enzensberger
RE: Gedichte
von Sven (vorlesen) 5.Oct.2003 22:09
Dauerstress
Gejagt und getrieben, von Menschen, von dir,
du hast kaum noch Zeit zum Verschnaufen.
Du steckst im Getriebe und läufst schon für vier,
dir fehlt fast die Kraft, um zu Laufen.
Du ackerst und rackerst, was treibt dich voran,
warum sagst du nicht auch mal Nein?
Was hindert dich daran, zu tun, was man kann,
um nicht überfordert zu sein?
Meinst du, dass es nicht auch mal ohne dich geht?
Gib ruhig Verantwortung ab.
Wer immer nur ständig im Dauerstress steht,
macht früher als andere schlapp.
Wer weniger tut, aber das mit viel Lust,
der setzt sich mit Freuden auch ein.
Grad wenn es dann nicht mehr in dir heißt: Du musst!
Wird's Leben viel fröhlicher sein.
RE: Gedichte
von Sven (vorlesen) 20.Oct.2003 00:34
Wer Schmetterlinge lachen hört......
Wer Schmetterlinge lachen hört,
der weiß, wie Wolken schmecken.
Der wird im Mondschein,
ungestört der Furcht,
die Nacht entdecken.
Der wird zur Pflanze, wenn er will,
zum Stier, zum Narr, zum Weisen
und kann in einer Stunde
durchs ganze Weltall reisen.
Der weiß, daß er nichts weiß,
wie alle anderen auch nichts wissen.
Nur weiß er, was die anderen
und auch er selbst noch lernen müssen.
Wer in sich fremde Ufer spürt
und den Mut hat sich zu recken,
der wird allmählich,
ungestört von Furcht
sich selbst entdecken.
Abwärts zu den Gipfeln
seiner selbst bricht er hinauf,
den Kampf mit seiner Unterwelt
nimmt er gelassen auf.
Wer Schmetterlinge lachen hört,
der weiß, wie Wolken schmecken.
Der wird im Mondschein,
ungestört von Furcht
die Nacht entdecken.
Wer mit sich selbst in Frieden lebt,
der wird genauso sterben
und ist selbst dann lebendiger
als alle seine Erben.
Gruppe "Novalis"
RE: Gedichte
von Sven (vorlesen) 11.Nov.2003 00:31
Meine Geliebte
Lange schon bin ich traurig,
weil du mich nicht hörst
Immer bin ich da, und du scheinst immer nicht da
zu sein, wo ich bin
du hast mich verdrängt
weil so viele meinesgleichen
in dein Leben getreten sind
ich bin traurig, weil du dich hypnotisieren
gelassen hast von manchen
Dies ist ein Versuch,
mit dir in Verbindung zu treten,
damit du mich doch einmal anhörst
Ich bin so unendlich frei,
wie auch du frei bist
aber ich sehe dir zu,
wie du immer unfreier wirst,
weil du auf meine Kollegen hörst.
Du beschäftigst dich mit ihnen so sehr,
dass ich vergessen wurde,
obwohl ich doch immer bei dir bin.
Viele von ihnen unterdrücken dich so sehr,
dass du glaubst darunter zu ersticken
Warum lässt du sie nicht los?
Je mehr Aufmerksamkeit du ihnen schenkst,
desto mehr Macht gibst du ihnen.
Und ihr Beständiges Dasein
lassen dich glauben, ohne sie,
nicht mehr leben zu können.
Eher willst du dein Leben aufgeben,
als ihnen die Wahrheit zu sagen:
Ich brauche euch nicht mehr
Eine Wolke lässt du auch vorbeiziehen
in der Hoffnung, wieder die Sonne zu sehen
Warum nur, warum hältst du denn an ihnen fest?
Lass ziehen, die die dich nicht freuen
damit sie keinen Fuss fassen können
Lass ziehen, die die dich nichts angehen
denn sie haben mit dir nichts zu tun
mach Platz für mich
suche mich nicht bei den andern
suche mich nicht in der Welt
suche mich nicht
denn ich bin immer da ---
in deiner Gedankenlosigkeit
dein dich liebender Gedanke
RE: Gedichte
von Sven (vorlesen) 9.Dec.2003 15:23
Das Schwein
(1937)
Zwar das Schwein
ist nicht rein.
Häufig sieht man es in Pfützen
sich mit schwarzem Schlamm bespritzen;
seiner Stimme lauter Schall
ähnelt nicht der Nachtigall.
Dennoch handelt grundverkehrt,
wer das Schwein nicht liebt und ehrt.
Denn wo käm' der Schinken her,
wenn das edle Schwein nicht wär ?
Speck und gutes Schweinernes
sind undenkbar ohne es.
Die Moral von der Betrachtung?
Ein Momentchen, - Achtung, Achtung!
Schaut man ihn von außen an:
wenig wert erscheint der Mann.
A u ß e n nur profaner Dreck,
i n n e n sitzt der Seelenspeck!
Albert Sixtus