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Heimlicher Lehrplan

Heimlicher Lehrplan

https://de.wikipedia.org/wiki/Heimlicher_Lehrplan

Der Begriff heimlicher Lehrplan weist auf unausgesprochene Lernziele und ungewollte Lerneffekte in der Erziehung hin, die im offiziellen Lehrplan nicht erwähnt sind und teilweise in Widerspruch zu diesem stehen.

Der Ausdruck „heimlicher Lehrplan“ wurde in den späten 1960er Jahren geprägt, wahrscheinlich durch Übernahme des englischen Ausdrucks „hidden curriculum“, der angeblich von Philip W. Jackson („Life In Classrooms“, 1968) eingeführt wurde. Die Wortwahl „heimlich“ ist wertend gemeint: die heimlichen Lernziele werden nicht offen kommuniziert, sondern unter- und unbewusst, durch einseitige Auswahl der Inhalte, durch Aufgreifen und Abbilden sozialer Strukturen in Lehrbüchern (Lebensentwürfe, Handlungsverteilung), Struktur der Erziehung sowie das Verhalten der Pädagogen, vermittelt.

Um 1970 wurde der Begriff „heimlicher Lehrplan“ in der Erziehungswissenschaft vornehmlich in gesellschaftskritischer Absicht verwendet. In dieser Sicht bewirkt Schule eine Soziale Reproduktion der gesellschaftlichen Verhältnisse; Schüler und Schülerinnen werden dazu erzogen, im gegebenen Gesellschaftssystem zu funktionieren. Die Schule hat, wie viele Institutionen, einen Doppelcharakter: zwar verspricht sie Emanzipation und Aufklärung, veranlasst die Schülerinnen und Schüler aber zu Anpassung und stabilisiert damit das herrschende „System“ bzw. in der Gesellschaft verankerte Hierarchien.

In jüngerer Zeit wird verstärkt darauf hingewiesen, dass heimliche Lehrpläne Benachteiligungen zum Beispiel aufgrund des Geschlechts oder der Herkunft bewirken oder festigen können. So wird beim Bemühen um interkulturelle Erziehung darauf hingewiesen, dass eine eurozentristische Unterrichtsweise ausländische Schülerinnen und Schüler benachteiligt. Physik- wie auch Mathematikdidaktikerinnen und -didaktiker bemühen sich, den heimlichen Lehrplan zu erkennen und zu verändern, der angeblich dazu führt, dass Mädchen innerhalb weniger Mittelstufenjahre ihr Interesse am Fach Physik verlieren. Eine mögliche Ursache wird darin gesehen, dass die Männer im koedukativen Unterricht den Ton angeben.

Dass Schule nicht nur Unterricht ist, sondern darüber hinaus gesellschaftliche Funktionen erfüllt, stellte in den 1950er Jahren der Begründer der soziologischen Systemtheorie, Talcott Parsons, in allerdings völlig unkritischer Absicht fest, er sprach von den Erfordernissen der Selektion der Schülerinnen und Schüler auf soziale Rollen und der Sozialisation im Sinne des Verinnerlichens von Rollenstandards (vgl. den recht bekannten Aufsatz „Die Schulklasse als soziales System“ von 1955). Der Sache nach machte Eduard Spranger in seinem letzten Buch, „Das Gesetz der ungewollten Nebenwirkungen in der Erziehung“, bereits 1962 aufmerksam.

Schülerinnen und Schüler lernen nicht nur die Inhalte, die sie absichtlich lernen sollen, sondern sind auch Teil von Sozialisationsprozessen wie

* nicht vom Lehrer gesteuerte Interaktionen in der Lerngruppe,
* Verhalten in der Peer Group,
* die Imitation von Vorbildern,

und ähnlichem.

Um im System Schule zu (über)leben, lernen Schülerinnen und Schüler Strategien und Taktiken,

* wie man Erfolg bei Mitschülern oder bei der Lehrkraft hat,
* wie man Unwissen verheimlicht,
* wie man unangenehme Arbeit vermeidet,
* wie man als Leerlauf empfundene Unterrichtszeit effektiv für Nebentätigkeiten nutzt;

und ähnliches.

Somit geht es

„beim heimlichen Lehrplan um die lautlosen Mechanismen der Einübung in die Regeln und Rituale der Institution; es geht darum, sich an Oben und Unten, an Gutsein und Schlechtsein, an Auffälligwerden und Durchwursteln zu gewöhnen. Um es in den gängigen Fremdwörtern zu formulieren: es geht um die Einübung in hierarchisches Denken, in Leistungskonkurrenz und Normkonformität.“ (Meyer, S. 65)