Wirtschaft & Politik

Peinlicher Fehler im Klimamodell

 Peinlicher Fehler im Klimamodell

Hochwasser, heftige Niederschläge, extreme Hitzewellen: Eine aufwendige Klimasimulation, im April vorgestellt vom Umweltbundesamt, sagte dramatische Folgen des Klimawandels für Deutschland voraus. Jetzt aber stellt sich heraus: Das teure Rechenwerk ist fehlerhaft.

Es waren keine guten Nachrichten, die das Umweltbundesamt (UBA) im April dieses Jahres verbreitete: Deutschland könne schon im Jahr 2050 um 2,6 Grad Celsius wärmer sein als heute. Während die Sommer im Durchschnitt immer trockener ausfielen, könnten die Niederschläge stellenweise stark steigen. Die Fachbehörde mit Hauptsitz in Dessau verließ sich dabei auf die Expertise des Hamburger Max-Planck-Instituts (MPI) für Meteorologie, Deutschlands erste Adresse auf diesem Forschungsgebiet, mit dem Deutschen Klimarechenzentrum (DKRZ) nebst obligaten Supercomputern gleich nebenan.

Ausgestattet mit Fördergeldern des UBA, simulierten die Hamburger mit ihrem regionalen Klimamodell ("Remo"), wie sich das Klima in Deutschland im Zuge der Erderwärmung im 21. Jahrhundert verändern wird. Doch inzwischen ist fraglich, inwieweit man den erzielten Ergebnissen überhaupt noch trauen kann.

Dem MPI ist unerwartet ein handwerklicher Schnitzer beim Rechnen unterlaufen, die Simulationen des Regionalklimas sind nun zum Teil wertlos und müssen wiederholt werden. In einer E-Mail informierten die Hamburger im September alle "Remo"-Anwender an Universitäten und in Landesumweltämtern, dass die fehlerhaften Zeitabschnitte der Modellläufe "kurzfristig aus der Datenbank gelöscht werden". Dabei hat das Projekt nach Aussagen von Teilnehmern der gerade beendeten 7. Deutschen Klimatagung in München bereits über 60.000 Stunden Rechenzeit am DKRZ verschlungen. Und die ist grundsätzlich knapp in der Klimaforschung und wird auch von vielen anderen Gruppen beansprucht.

Regenmengen stark überschätzt

In den "Remo"-Szenarien für das Umweltbundesamt ist es offensichtlich missglückt, Niederschläge im künftigen Klima Deutschlands korrekt darzustellen. Vor allem in den Alpen, aber auch im Mittelgebirge werden die Regenmengen im Sommer über- und unterschätzt - zum Teil um 30 bis 40 Prozent, wie in München zu hören war. Während der Modelllauf in einzelnen Feldern des engmaschigen Rechengitters (räumliche Auflösung: 10 mal 10 Kilometer) einen Anstieg der Niederschläge um 50 Prozent ausgeworfen hat, kam in unmittelbar benachbarten Feldern ein Rückgang um 50 Prozent zustande.

Solche sogenannten "Schachbrettmuster" haben mit der Realität wenig gemein - und so hohe Abweichungen sind laut Günther Zängl nicht tolerierbar. Selbst wenn man beim Niederschlag nur um zehn Prozent danebenliege, gebe es bereits große Abweichungen in der Zahl von Dürre-Tagen, so der Meteorologe und Mitorganisator der Konferenz an der Universität München.

Dass das MPI-Modell in Hügelland und Gebirge zudem "Luv-Lee-Effekte verfälscht", war schon im Rahmen eines früheren Klimaforschungsprojekts in Bayern und Baden-Württemberg vor zwei Jahren aufgefallen. Der Deutsche Wetterdienst hatte dafür die Ergebnisse dreier verschiedener Regionalmodelle miteinander verglichen.

Der Fehler im Hamburger Modelllauf hat sich offenbar unter großem Termindruck eingeschlichen - weil absehbar war, dass der Abgabetermin beim Umweltbundesamt anders nicht eingehalten werden kann. In ihren monatelangen Simulationen lassen die Klimaforscher die Zukunft im Zeitraffer ablaufen. Dabei kann man die sogenannten Rechenzeitschritte variieren. Im Prinzip haben Klimamodelle also nicht nur eine räumliche, sondern auch eine zeitliche Auflösung. Bei den "Remo"-Simulationen für das UBA wurden die Rechenzeitschritte unter dem großen Zeitdruck am Ende verlängert, um die Rechnungen zu beschleunigen. Doch das geschah offenbar ohne nötige Korrekturen bei Prozessen vorzunehmen, die für den Aufwärtstransport feuchter Luftmassen im Gebirge wichtig sind.

Kritik am Umweltbundesamt

Kritisiert wird nun, dass sich das UBA auf "Remo" zunächst als Deutschland-Modell seiner Wahl festgelegt habe, obwohl noch vier weitere regionale Klimamodelle aus anderen Forscherwerkstätten existierten. So gab es auch die Empfehlung mehrerer Wissenschaftler an das UBA, zunächst alle fünf Kandidaten gewissenhaft zu prüfen und sich erst dann auf einen von ihnen festzulegen. Doch diesem Rat sei die Fachbehörde des Bundesumweltministeriums nicht gefolgt, wie einer der Initiatoren bedauert: "Aus heutiger Sicht wäre das vielleicht der bessere Weg gewesen."

Die Temperaturprognosen von "Remo" seien "auch weiterhin robust", bekräftigte derweil Martin Claußen, Direktor am Hamburger Max-Planck-Institut, auf der Münchener Konferenz. Laut Claußen kann mit dem Modell weiter gerechnet, der größte Teil der Simulation ohne Einschränkung weiter verwendet werden. "Remo"-Chefentwicklerin Daniela Jacob betont, der Fehler betreffe lediglich die letzten vier Jahrzehnte in der Klimasimulation für das 21. Jahrhundert.

Ein Meteorologe bei einem deutschen Landesumweltamt meint dagegen, es sei "egal, ob der Fehler nun klein oder groß" sei. Die Anwender zögerten nun, die Daten weiter zu benutzen. Die Skepsis gegenüber dem Modell "ist jetzt groß".

Es gibt auch Klimaforscher, die das MPI für seinen Mut loben, den Fehler zuzugeben - so etwas könne schließlich jedem Modellierer passieren. In Hamburg läuft mittlerweile eine neue "Remo"-Simulation, diesmal komplett mit den kurzen Rechenzeitschritten. Laut Jacob ist sie bereits im Modelljahr 2085 angelangt, Ende 2006 soll sie abgeschlossen sein.

Die Mehrzahl der Kollegen aber sieht einen nicht unerheblichen Imageschaden für die deutsche Klimamodellschmiede wie auch für das Umweltbundesamt. Es sei schon peinlich, findet ein "Remo"-Nutzer, "wenn man seine Ergebnisse erst groß öffentlich verkündet und sie dann zurückziehen muss".

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