Richter erschweren Terrorbekämpfung
Der niedersächsische Innenminister fordert harte Strafen für das Verbreiten von «Hassbotschaften». Die Netzeitung sprach mit Uwe Schünemann über strengere Internet-Kontrollen und über Richter die dne Anti-Terror-Kampf behindern.
Netzeitung: Herr Schünemann, ist nach der Verhaftung des Irakers eine Neubewertung der Sicherheitslage in Deutschland notwendig?
Uwe Schünemann: Bedarf für eine Neubewertung sehe ich nicht. Spätestens nach den Kofferbombenlegern wissen wir, dass eine Bedrohung durch islamistischen Terrorismus auch in Deutschland existiert. Wir haben in Niedersachsen darauf entsprechend reagiert. Sowohl beim Landeskriminalamt als auch beim Verfassungsschutz haben wir Personal aufgestockt, um die Ermittlungsarbeit zu verstärken. Wir haben ein gemeinsames Informations- und Analysezentrum geschaffen, wo Verfassungsschutz und Polizei gemeinsam eine Bewertung vornehmen. Im LKA haben wir zudem acht Spezialermittler eingesetzt, die ausschließlich im Internet nach strafbaren Inhalten suchen.
Netzeitung: Wie bewerten Sie die aktuelle Sicherheitslage?
Schünemann: Wir haben eine latente Bedrohung durch den islamistischen Extremismus. Der aktuelle Fall zeigt, dass es auch Terror-Unterstützer gibt. Wir müssen davon ausgehen, dass Al Qaeda in Deutschland Anhänger hat, die die medialen Möglichkeiten wie Internet, Audio und Video nutzen, um Botschaften zu verbreiten.
Netzeitung: Auch der Iraker soll sich des Internets zur Verbreitung der Terrorbotschaften bedient haben. Ist die Polizei für Ermittlungen in diesem Bereich ausreichend geschult?
Schünemann: Mit unseren Spezialermittlern sind wir in diesem Bereich besser aufgestellt als noch vor einigen Jahren. Natürlich muss es hier deutschlandweit noch zu Verbesserungen kommen. Ich weiß, dass der Bundes- Innenminister plant, das Internet strenger zu kontrollieren. Wir müssen im Internet genauso Streife gehen wie auf der Straße. Das ist uns allen bewusst.
Netzeitung: Wie gefährlich ist die mediale Verbreitung von Propaganda durch Terroristen im Internet?
Schünemann: Wir sehen darin eine große Gefährdung, weil dadurch eine Mobilisierung von potenziellen Unterstützern stattfindet. Deshalb ist es notwendig, dass wir entsprechende Inhalte aufspüren.
Netzeitung: Welche Maßnahmen neben mehr Personal sind notwenig, um das Internet strenger zu kontrollieren?
Schünemann: Für mich ist wichtig, dass wir eine Anpassung im Strafgesetzbuch vornehmen. Das Herunterladen von Hassbotschaften aus dem Internet sollte ein eigener Straftatbestand werden. Es ist notwendig, dass nicht nur die Verbreitung bestraft wird, sondern auch diejenigen, die sich solche Inhalte aus dem Netz ziehen.
Netzeitung: Welche Strafen stellen Sie sich vor?
Schünemann: Wir sollten dies ähnlich bestrafen wie die Verbreitung, den Erwerb und den Besitz kinderpornographischer Schriften. In diesen Fällen ist eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vorgesehen. Das kann ich mir auch bei Hassbotschaften vorstellen.
Netzeitung: Auf die Spur kamen ihm die Behörden bei einer vorbeugenden Telefonüberwachung. Die wurde vom Bundesverfassungsgericht kurz darauf verboten. Sehen Sie eine Möglichkeit das Verbot zu lockern?
Schünemann: Ich sehe einen Spielraum. Die präventive Telefonüberwachung wurde ja nicht generell verboten. Die entsprechende Passage im niedersächsischen Polizeigesetz war den Richtern nur nicht differenziert genug. Deshalb wollen wir die Überwachung auf Extremismus und Terrorismus beschränken. Ich denke, dann dürfte das Gesetz verfassungskonform sein. Wir haben einen Staatsrechtler beauftragt, hierfür eine Formulierung zu finden.
Netzeitung: Behindert die deutsche Rechtsprechung eine effektive Terrorbekämpfung?
Schünemann: Wir haben leider durch das Bundes- Verfassungsgericht in den letzten Monaten einige Einschränkungen hinnehmen müssen. Ob es sich nun um die Rasterfahndung, den Lauschangriff oder die präventive Telefonüberwachung handelt. Dass diese Maßnahmen von den Richtern teilweise eingeschränkt wurden, hat das Aufspüren von islamstischen Terroristen nicht gerade erleichtert. Das ist bedauerlich, weil eine effektive Terrorbekämpfung erschwert wird.
Netzeitung: Der Verhaftete ist Iraker. Er sollte in Kürze das Land verlassen. Was bedeuten diese Erkenntnisse für den künftigen Umgang mit dieser Bevölkerungsgruppe?
Schünemann: Wir dürfen niemanden unter Generalverdacht stellen, auch wenn er irakischer Herkunft ist. Wir müssen aber die Beobachtung verstärken. Wir brauchen auch eine Mitarbeit der Muslime insgesamt. Es reicht nicht, dass man sich von Terrorismus und Extremismus lossagt. Wir brauchen die Kooperation, wir brauchen Hinweise auf potenzielle Gefährder. Deswegen halte ich es für sinnvoll, dass wir in Niedersachsen seit Jahren schon verdachtsunabhängige Kontrollen vor Moscheen durchführen.
Mit Uwe Schünemann sprach Dietmar Neuerer