Lang, lang ist's her, dass mich eine Platte von Anfang an dermaßen emotional mitgerissen hat, selten wurden Gefühle und Stimmungen so traumhaft schön in Musik umgesetzt. Die Reinheit und Vollkommenheit der Klänge des isländischen Quartetts Sigur Rós treibt einem die Tränen in die Augen, jagt einem fortwährend wohlige Schauer den Rücken hinunter. Mit sachtem Sinn für Sensibilität und gut dosierten Gemütsausbrüchen löst diese unglaubliche Klangreise im Kopf einen imaginären Film aus, der von der Weitläufigkeit, der Kargheit, aber zugleich auch der ergreifenden Schönheit der Natur Islands handelt. Worte sind fast zu schade, dies zu beschreiben, man muss dieses sorgsame Werk einfach hören, fühlen, mit der Musik in andere Welten ein- und abtauchen.
Ach, bevor ich völlig ins Schwärmen gerate, hier leider noch zu den harten Fakten, die das fragile Konzept von Sigur Rós versuchen können zu ergründen, es aber doch nicht vollständig erfassen. Da das Booklet komplett in Isländisch gehalten ist, die Band auch fast ausschließlich in dieser Sprache, sowie in der Kunstsprache hopeländisch singt, ist es recht beschwerlich, hier nähere Informationen herauszulocken. Besonders prägnant kommt die klassische Streichergruppe zur Geltung, die meist für die melancholische Grundstimmung sorgt. Darüber türmen sich sachte Pianolinien, spärlich eingesetztes Schlagzeug, überthront von eigenartigen Gitarrentönen, die durch die Spielweise mit einem Geigenbogen erzeugt werden. Zerbrechlicher Gesang, der seltsam hoch für eine Männerstimme klingt, aber perfekt zur Musik passt, rundet das Klangspektrum ab.
Stilistisch schwimmen die Isländer auf der psychedelischen PostRock-Welle, doch durch die Streicher, gefangen nehmende, langsam entwickelnde Melodien und schleppende Folkelemente haben Sigur Rós einen ganz eigenen Sound für sich gefunden. Es ist auch wenig verwunderlich, dass sie bereits im Vorprogramm von Godspeed You Black Emperor! tourten, wobei sie sich zwar auch Zeit in ihren Kompositionen lassen und mehrfach die 10 Minuten Grenze überschreiten, im Gegensatz zu den Kanadiern jedoch schneller zum Ziel kommen: die immer wiederkehrenden Gefühlausbrüche kommen genau zum richtigen Zeitpunkt und werden nicht künstlich in die Länge gedehnt.
Sigur Rós verkörpern die Traurigkeit des Winters, es scheint bei ihnen aber immer auch die Hoffnung des Frühlings durch. Voll Fernweh, aber auch intimer Nähe ist Sigur Rós mit dem wortwörtlich übersetzen Albumtitel wirklich "ein neuer Start" hervorragend gelungen - bitte gebt mir mehr davon, ich bin süchtig nach dieser Musik! |