Rezi: "Lizard"
Das dritte King-Crimson-Album beginnt mit der musikalischen Malerei Circus, das mit Celeste beginnt, wozu sich der Gesang Gordon Haskells begibt. Nach der ersten Strophe wird es dann bombastisch: mächtige Mellotronakkorde ertönen. Nun kommt auch eine wilde Akustikgitarre dazu. So bleibt es dann auch bis zum Schluss; zwischendrin gibt es ruhige Mellotronzwischenspiele und sehnsüchtige Saxophonmelodien dazu. Proggige Jazzfusion vom feinsten, ein toller Opener.
Das nächste Stück, Indoor Games ist eine Fortbildung von "Cat Food" vom Vorgänger, das sehr entspannt und bluesig daher kommt. Das Hauptriff wird von Saxophonen übernommen, dazu kommt der charakteristische holprige Rhythmus von Andy McCulloch, der der neue Schlagzeuger bei King Crimson war, aber ähnlich, wenn auch swingender, als Vorgänger Michael Giles klingt. Fripp verzichtet auch hier wieder auf die E-Gitarre und spielt auf einer Steelstring-Akustikgitarre, während Gordon Haskell mit seiner Baritonstimme die surrealen Texte von Pete Sinfield vorträgt. Im Mittelteil wird es wieder instrumental mit fiepsigen Heimorgelflöten und Freejazzanleihen. Für 2 Sekunden wurde hier außerdem eine Hammondorgel an Land gezogen. Am Ende wird das Gesangsthema wieder aufgegriffen. Der Ausklang ist das Lachen von Gordon Haskell, der sich bezüglich der Nonsens-Texte von Sinfield anscheinend sehr amüsiert hat. Eigentlich sehr gut gemacht, aber es zündet bei mir nicht...
Das nächste Stück, Happy Family ist hingegen sehr schwach. Der Gesang wurde hier mit dem VCS-3-Synthesizer zu einer Art Roboterstimme verzerrt. Dazu haut Keith Tippett wie wild auf dem E-Clavinet herum, dann setzt ein Flötensolo ein, diverse Pfeifgeräusche kommen dazu. Das ist selbst für mich als Fan von Freejazz zu bizarr und lärmig...
Das nächste Stück, genannt Lady of the Dancing Water, ist wieder eine kurze Ballade mit Akustikgitarre, melancholischen Flötentönen und sanftem Gesang von Gordon Haskell.
Ein bisschen Erholung kann natürlich nicht schaden, aber es plätschert uninspiriert vor sich hin.
Nun kommen wir zum zweiten Verbindungspunkt zwischen Yes und King Crimson: der eine ist Bill Bruford, der andere Jon Anderson, der das ruhige "Prince Rupert Awakes", den Anfangsteil vom 23minütigen Titeltrack vorträgt. Die Strophen sind recht leise, mit Klavier, dissonanten Mellotrontönen, während die Strophen einen "Mitsingcharakter" aufweisen. Langsam verschwindet der Gesang, stattdessen gibt es diverse jazzige Improvisationen von Posaune, Trompete, Oboe und Cor Anglais, dazu tobt sich wieder Keith Tippett am Klavier aus.
Nach einigen Minuten Improvisation erklingt aus der Ferne das sehnsüchtige Cor Anglais, wozu sich Gordon Haskells Stimme und melodische Klavierakkorde gesellen. Die leisen Trommelwirbel im Hintergrund lassen aber nichts gutes ahnen... auf einmal kommt der Ausbruch: ein schräges Mellotronriff erklingt, dazu holpriges Schlagzeug und krumme Basslinien. Jetzt gibt es von den Saxophonen ein neues Riff zu hören, wozu eine Piccolo wild flötet. Es wird immer dissonanter, Keith Tippett zaubert mit einem Klavier mit lackierten Hämmerchen beklemmende Linien dazu. Ein Schlagzeugschlag macht den bedrohlich und fröhlich (!) quietschenden Improvisationen den Gar aus: jetzt gibt es nur noch leise Geräusche. Am Ende kristalliert sich dann eine Jahrmarktsmelodie heraus: "Big Top", bei dem zu Karusellmusik vom Mellotron Schlagzeug und Bass klimpern.
Nun... was soll ich zu dem Album sagen? Musikalisch ist es sicherlich sehr gut, aber es packt mich irgendwie nicht. Es wirkt kalt, unemotional, bizarr. Bei "Circus" gefällt mir das, aber beim Rest nicht, wobei der Titeltrack da positiv aus dem Rahmen fällt.
Vielleicht ändert sich mein Verhältnis zu der CD mit wachsendem Alter, aber momentan kann ich nicht mehr als 3/5 Punktern vergeben.