Zauberwaldverein e.V. - Medien/Internet

Dick, dumm und traurig

Dick, dumm und traurig


werben & verkaufen Nr. 27 vom 07.07.2005 Seite 050


medien


Dick, dumm und traurig


Medienkompetenz
hat auch etwas mit dem Gelingen von Kommunikation zu tun. Ausgerechnet
bei der in Sonntagsreden beliebten Forderung nach mehr Medienerziehung
in den Schulen reden deren Wortführer allerdings aneinander vorbei.
Zwei Lager lassen sich festmachen: Die Pragmatiker und die
Kulturpessimisten. Letztlich wollen beide das Gleiche, aber ihre Motive
liegen weit auseinander.

Hubert Burda ist Pragmatiker. Wir brauchen "ein eigenes Unterrichtsfach
an unseren Schulen, das den modernen und qualifizierten Umgang mit
Medien vermittelt", sagte er jüngst bei einer Tagung. Natürlich hat
Burda den Zielgruppennachwuchs für seine Blätter im Sinn, aber auch
Arbeitskräfte für "ständig neue Berufsfelder und Jobs mit Zukunft".

"Der Vorstoß von Herrn Burda geht genau in die richtige Richtung",
sekundiert Jürgen Doetz. Den Präsidenten des Privatfunk-Verbands VPRT
treibt dabei auch die Angst vor verbeamteten Moralaposteln um: "Um
Jugendliche zu schützen, müssen nicht die Medienangebote überreguliert
werden." Selbst die Werbungtreibenden sehen in aufgeklärten
Jung-Konsumenten nur Chancen - nämlich die zu mehr inhaltlicher
Qualität der Medien und weniger Vorurteilen, "wie etwa dem, dass
Werbung die Menschen manipuliert", erklärt Uwe Becker von Unilever,
Vorstand der Organisation Werbungtreibende im Markenverband.

Die Schwarzmaler hingegen preisen schulische Medienkunde als einen Weg,
kulturkritische Medienasketen heranzuziehen und allerlei
gesellschaftliche Übel zu bekämpfen. "Zu viel Fernsehen macht dick,
dumm und traurig", fasst Professor Christian Pfeiffer vom
Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen seine aktuelle Studie
"Medienverwahrlosung" zusammen.

Tatsache ist: Es gibt zwar nirgendwo ein eigenes Schulfach für den
rechten Umgang mit Presse, TV, Handy und PC. Trotzdem passiert bereits
viel von dem, was sich die Bedenkenträger wünschen. So hat
Familienministerin Renate Schmidt ("TV im Kinderzimmer ist
Körperverletzung") gemeinsam mit Hörzu die Aktion "Schau hin!" ins
Leben gerufen - unterstützt von ARD, ZDF und Arcor. Die Initiative
erteilt Erziehungstipps und gibt viermal jährlich eine Zeitschrift
heraus. Auflage: 500 000. Die Landesmedienanstalten veranstalten
Workshops und verbreiten Broschüren wie den TV-Führer Flimmo, der
Kindersender Kika stellt Pädagogen aufklärerische Schriften und
Videokassetten zur Verfügung.

Ohne die Eltern geht nichts

In den Lehrplänen taucht Medienkunde meist als Empfehlung und
freiwillige Leistung auf. Am weitesten ist Thüringen. 2002 wurde für
die Jahrgangsstufen 5 bis 7 ein fächerübergreifender Kurs "Medienkunde"
verbindlich eingeführt. Gelehrt werden Mediengeschichte, -politik und
-recht, Marktstrukturen sowie die Arbeitsweise von Verlagen und Sendern
- ergänzt durch praktische Übungen wie Zeitungsgestaltung oder
TV-Produktion. Am Ende bekommen die Schüler einen "Medienpass".

Das Beispiel zeigt: Ein eigenes Schulfach ist nicht zwingend nötig,
könnte ohnehin erst nach Jahren der Kultusministerkonferenzen
eingerichtet werden. Engagierte Lehrer
können schon heute viel erreichen. Gleichwohl darf man von den Schulen
nicht zu viel erwarten: "Mediennutzung wird vor allem in den Familien
gelernt, bevor die Kinder in die Schule kommen", sagt Barbara Groth von
"Schau hin!". Das wissen auch die Eltern. Die Vermittlung von
Medienkompetenz sei ihre Aufgabe, erklärten 97 Prozent der Bundesbürger
in einer Umfrage. Nur ein Drittel sieht die Schule in dieser Rolle.

Lothar Derichs;