Aus dem alten Dorf - Zur Geschichte

Persönliche Berichte

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Persönlich erlebt oder vom Erzählen bekannt - hier ist Platz für private Erfahrungen in und mit Dilldorf.


Re: Die Kaserne neben mir

Die Kaserne neben mir
Persönlicher Bericht

Bis zur Schließung der Kaserne 1994 kannte ich Dilldorf nicht ohne seine Soldaten. Die ersten, an die ich mich erinnern kann, waren die Engländer. Vor allem an einen: Er ritt fast täglich auf einem Schimmel über die Dilldorfer Straße. "Nix chocolate?" riefen wir Kinder ihm regelmäßig zu. Manchmal kam ein Lächeln, ein Kopfschütteln, meist aber blickte er streng geradeaus. Er erhielt von uns den Spitznamen "Nixchocolate".

Was sonst auffiel, war die englische Militärpolizei. Die war ständig präsent mit ihren Stöckchen unter dem Arm, und das war wohl auch der Grund, warum wir mit unserer "Besatzungsmacht" kein Problem hatten – die englischen Soldaten waren sehr diszipliniert. Wir Kinder fanden sie sowieso nur interessant und scherten uns nicht um die geschichtlichen Hintergründe. Die Engländer gehörten einfach zu Dilldorf und Kupferdreh dazu.

Als dann die Bundeswehr kam, wurde es unruhig in Dilldorf. Die Flak übte auf dem Kasernengelände – an kleinen ein- und zweimotorigen Maschinen, die stundenlang über Dilldorf kreisten, aber auch an Starfightern. Das waren Tage, die man nicht vergisst: Immer wieder rasten 2 Starfighter nebeneinander im Tiefflug über Dilldorf, drehten über Langenberg ab und kehrten nach einiger Zeit zurück. Ich sehe sie heute noch über Langenberg auftauchen, völlig geräuschlos, um dann mit einem ohrenbetäubenden Donner über unser Haus zu rasen.
Zum Glück war ein solcher Einsatz ziemlich teuer und kam zu Übungszwecken nicht allzu oft vor.
Geübt wurde auch auf dem Priemberg, wo die Bundeswehr einen Schießplatz unterhielt (heute fliegen da ganz friedliche Modellflieger). Maschinengewehrprasseln gehörte in Dilldorf zur normalem Geräuschkulisse.

Die Versorgungseinheit der Luftwaffe, die Kerosin beförderte, kam leider weit vor dem Bau der Schnellstraße B 227 nach Dilldorf. Der normale Zufahrtsweg führte also nur über die Dilldorfer Straße, was bedeutete, dass in manchen Nächten kaum an Schlaf zu denken war. Dann rückten die Versorger aus: Immer nachts, es müssen Hunderte von Lkws gewesen sein (zumindest gefühlt), mit nur kurzen Pausen dazwischen. Und da es damals noch keine Schallschutzfenster gab, kriegte man jeden einzelnen Lkw mit.

Das Ausbildungsbataillon brachte eine große Anzahl sehr junger Männer nach Dilldorf, damals noch für 1,5 Jahre, und die meisten mussten in der Kaserne übernachten. Vor dem Zapfenstreich gab es für manche Soldaten, die aus den Kupferdreher Kneipen zurückkehrten, einen besonderen Sport: Laternen austreten. Damals gab es noch Gaslaternen an der Dilldorfer Straße, und wenn man kräftig und lange genug unten gegen den Mast trat, ging oben das Licht aus. Auch diese Geräusche habe ich noch im Ohr , denn sie waren Alltag (besser: Allnacht).

Am liebsten war mir persönlich die Sportfördergruppe der Bundeswehr. Toll, dass der Fußballstar Olaf Thon in Dilldorf lebte. Die Sportsoldaten waren so gut wie unsichtbar und vor allem unhörbar – die hatten anderes zu tun als Krieg zu spielen oder aus Langeweile Laternen auszutreten. Die angenehmsten Soldaten, die man sich vorstellen kann.

Beim Tag der offenen Tür 1970 war ich natürlich dabei, und auch bei einem öffentlichen Gelöbnis auf dem Kasernengelände. Eigentlich neigte ich damals eher zum Pazifismus und stand auf der Seite der Wehrdienstverweigerer – aber die Dilldorfer Kaserne und die Dilldorfer Soldaten waren etwas ganz anderes – Dilldorfer eben. Und als vor dem Kasernentor die Randale gegen das Gelöbnis losging, da stand ich mit anderen eigentlich kritischen Geistern stramm zu "unseren" Dilldorfer Soldaten. So weit kann Lokalpatriotismus gehen!!

Alles in allem: Ich habe gut mit der Kaserne neben mir gelebt, und so wird es den meisten Dilldorfern ergangen sein. Jedenfalls habe ich damals das Ende der Kaserne sehr bedauert. Dilldorf ohne Soldaten war ein Gedanke, an den man sich erst gewöhnen musste. Gut, dass das Kasernengelände in der Dilldorfer Höhe einen würdigen Erben gefunden hat!