"Live Aid" auf DVD - 16 Stunden, die die Welt bewegten
"Live Aid" fesselte am 13. Juli 1985 weltweit 1,5 Milliarden Zuschauer vor den Fernseher. 19 Jahre lang wehrte sich Initiator Bob Geldof gegen eine erneute Austrahlung des legendären Benefiz-Konzerts - nun ist es auf DVD erhältlich. Viele der damaligen Topstars spielen auch heute noch in der ersten Pop-Liga.
Der irische Rockmusiker Bob Geldof, damals 33 Jahre alt, hatte das 16-Stunden-Spektakel unter dem Motto "Feed The World" ("Ernährt die Welt") organisiert. Zeitgleich in zwei Städten auf zwei Kontinenten - im Londoner Wembley-Stadion und im JFK-Stadion in Philadelphia - standen mehr als 40 Bands und Solokünstler auf den Bühnen. "Live Aid" war ein bis heute beispielloses Aufgebot an Stars, das insgesamt rund 144 Millionen Dollar an Spenden und Tantiemen für die Hungernden in Äthiopien, Eritrea und dem Sudan zusammenbrachte.
Gegen eine Veröffentlichung oder selbst eine erneute Ausstrahlung des weltweit im Fernsehen übertragenen Musik-Events hatte sich Geldof bisher vehement gewehrt. "Live Aid" sollte ein einmaliger, einzigartiger Moment bleiben. Doch seit dieser Woche kann der 13. Juli 1985 noch einmal nacherlebt werden. Eine Vierer-DVD-Box mit mehr als zehn Stunden Festivalmittschnitt wurde am Montag veröffentlicht.
Gegenüber CNN begründete der heute 53-jährige Geldof seine späte Einwilligung in eine Veröffentlichung mit der steigenden Zahl an Raubkopien, die in Fankreisen kursierten. "Ich kann nicht glauben, wie viele Bootlegs verkauft wurden", sagte er dem Sender. "Sie haben den Hungernden buchstäblich das Essen weggenommen. Das mussten wir beenden." Die Verkaufserlöse der DVD-Box sollen erneut den ärmsten Ländern Afrikas zugute kommen.
Alle damals beteiligten Bands und Künstler stimmten zu, das Konzert nach 19 Jahren aus den Archiven zu holen - bis auf Led Zeppelin, denn Robert Plant und Jimmy Page waren schon damals von ihrem Auftritt nicht sonderlich begeistert gewesen. Zusätzlich gibt es einige Extras, wie zum Beispiel den Auftritt von INXS live in Australien oder B.B. King mit einer Performance vom North Sea Jazz Festival. Auch der deutsche "Band für Afrika"-Beitrag "Nackt im Wind" fehlt nicht.
Viele der Künstler, die schon damals zu den Superstars gehörten, ruhen sich heute keineswegs auf dem Altenteil aus. Einige der "Live Aid"-Stars feiern in diesem Jahr sogar ein Comeback. Die Popband Duran Duran etwa, die ihre Fans einst in Philadelphia mit schwarz gefärbten Haaren und Hits wie "The Reflex" begeisterten. Vor etwa einem Jahr haben die Briten sich wieder in Originalbesetzung zusammengefunden und unlängst das Album "Astronaut" veröffentlicht - fehlt eigentlich nur noch eine weltumspannende Tournee.
Die hat Phil Collins, 53, jüngst hinter sich gebracht. Der ehemalige Schlagzeuger der Rockband Genesis hatte sie ironisch als "First Final Farewell Tour" bezeichnet und Anfang dieses Monats einen Mitschnitt auf DVD veröffentlicht. Bei "Live Aid" war der bedächtige Brite ebenso omnipräsent: Erst spielte er in London seinen Hit "Against All Odds" sowie gemeinsam mit Sting den Police-Klassiker "Every Breath You Take", anschließend stieg er in die Concorde, jettete nach Philadelphia, ging auf die Bühne und trommelte bei Eric Claptons "Layla" kräftig mit. Mit "In The Air Tonight" verabschiedete er sich wieder solo.
Nicht allein, sondern gemeinsam mit Mick Jagger stand Tina Turner auf der "Live Aid"-Bühne. Auch die inzwischen 64 Jahre alte Amerikanerin kehrt dieser Tage zum wiederholten Mal ins Rampenlicht zurück. Ihre neue Single "Open Arms" stellt sie am kommenden Samstag in der ZDF-Show "Wetten, dass...?" vor. Und wer weiß, ob sie nicht doch noch einmal eine aller-aller-allerletzte Tournee folgen lässt.
Ebenfalls zu Gast bei Thomas Gottschalk wird Elton John sein. 1985 im Wembley Stadion glänzte der extravagante Engländer noch mit seinen virtuos-verrückten Outfits, in der Leipziger TV-Show will der heute 57-jährige und angemessen bieder anmutende Sänger indes den Song "All That I'm Allowed" aus seinem inzwischen 43. Album "Peachtree Road" präsentieren.
Auch andere sind fleißig und erfolgreich geblieben: Sting und Bryan Adams reisen dieser Tage durch Deutschland, David Bowie und Paul McCartney waren vor nicht allzu langer Zeit noch hier zu Gast. Bob Geldof selbst geht auch von Zeit zu Zeit auf Tournee, zwar nicht mehr mit seinen damals noch existenten Boomtown Rats ("I Don't Like Mondays"), dafür mit ständig wechselnden Musikern und neuen Songs.
Die Superstars von einst sind also auch die Superstars von heute, zum Glück hat sich zumindest die Mode geändert. Ein Schmunzeln wird sich kaum einer verkneifen können, der heute Madonna (weiße Söckchen in schwarzen Pumps), Jim Kerr von den Simple Minds (diese Slipper!) oder auch Nik Kershaw (schwarzer Schlabberlook mit schneeweißen Schuhen) noch einmal bei ihren "Live Aid" auftritten bewundert. Hartgesotten zeigten sich zudem Ultravox-Frontmann und Band-Aid-Initiator Midge Ure sowie Spandau-Ballett-Sänger Tony Hadley, die sich aus Imagegründen in lange Mäntel zwängten - trotz brütender Sommer-Hitze und aufgeheizter Stimmung im Wembley-Stadion.
Etwas seltsam, aber eben der Achtziger-Jahre-Mode entsprechend, sahen auch U2 aus: Sänger Bono Vox mit Vokuhila-Frisur und Bassist Adam Clayton im wehenden Seidenhemd. Auch heute bemüht sich die Band wieder um ein zeitgemäßes Image: Sie kooperieren mit Apple und bringen am 22. November ihr elftes Studio-Album "How To Dismantle An Atomic Bomb" heraus, das es auch als Paket mit einem speziell designten iPod zu kaufen gibt. Ob sie damit an frühere Erfolge anknüpfen können, bleibt abzuwarten - die Fan-Gemeinde im Internet ist nach ersten Hörproben eher zwiegespalten. Wer die irischen Rocker noch einmal in ihrer erfolgreichsten und mächtigsten Phase erleben will, muss wohl auf den DVD-Player zurückgreifen.
Quelle: www.spiegel.de (Michael Brandhoff)