Hilfe wir sterben aus !
So der erste neue Thread dür eine unserer großartigen Stammdeschdiskussionen: Auszug aus unserem allseitsbeliebtem immer qualifiziertem Tagesblatt KSTA:
Die Krise der Kerle
Was ist männlich, was ist weiblich? Zur aktuellen Diskussion ein strittiges wie streitbares Plädoyer für das wahre schwache Geschlecht.
Erbarmen mit den Männern, denn sie sind das verletzliche Geschlecht! Sie stecken in der größten Krise, aber die meisten wollen nichts davon wissen - oder behaupten schlicht das Gegenteil. Ihr Aufschrei gegen die wachsende Diskriminierung findet überwiegend auf Internetseiten statt, wo Männer Gleichberechtigung fordern und weibliche Chuzpe beim Kampf um Kinder und Unterhalt beklagen, die von Richtern auch noch sanktioniert wird. Justitia, du bist Frau und blind, schimpft Christian Kronherr in einem Beitrag, und Hunderte pflichten ihm bei.
Kronherrs Mitstreiter geben sich als Väter von untergeschobenen Kuckuckskindern zu erkennen, beneiden die unfairen Ladys um ihre Erfolge in Beruf wie Publizistik, sie sammeln Unterschriften gegen gewollte Vaterschaften, weil sie genug Beispiele kennen aus ihren kleinen Väter-Initiativen. Sie fordern deshalb auf zum Zeugungsboykott. Demnächst, so prognostizieren namenlos bleibende Tiefenpsychologen, werde es gar eine wachsende Impotenz als Rache des Mannes an der Frau geben.
Unsicher, ängstlich, desorientiert: Der deutsche Mann trägt schwer, aber meist schweigend an seinem gefühlten Machtverlust, wie der Bremer Männerforscher Professor Walter Hollstein feststellt. Anders als in den USA, Großbritannien, Australien, Skandinavien und in den Niederlanden sind Men's Studies in Deutschland noch keine akademische Disziplin, sondern ein Thema für Soziologen, Feuilletons und Frauenzeitschriften. So lästert der Spiegel über das schwache Gemächt, und die Tiefdruck-Frauenblätter versuchen den Mythos Mann zu entschleiern oder Elf Wahrheiten über Männer und Sex zu entschlüsseln.
Während die Doppelbelastung in Familie und Beruf bei Frauen die Anpassungsfähigkeit fördert, wenn sie sich nicht gerade als Frauen überfordert fühlen und lauthals darüber klagen, reduzieren zu viele Männer ihr Leben immer noch auf ihre traditionellen Ks: Karriere, Konkurrenzkampf, Kollaps. Dabei sind Männer ebenso wenig wie Frauen eine homogene Gruppe. Machos, Patriarchen sind ohnehin vom Aussterben bedroht wie auch die Softies der 70er Jahre, die ohne Murren in den selbst gestrickten Strampelanzügen ihrer Freundinnen auf die Straße gingen. Die so genannten Pragmatiker sind nach Meinung der Soziologen im Kommen wie auch die neuen Väter, die weder Windeln noch nasse Aufwischlappen fürchten. Ihren Mut demonstrieren sie, wenn sie ihre Frauen oder Lebensabschnittsgefährtinnen zur Schwangerschaftsgymnastik begleiten und das Hecheln üben.
Die Autoren jüngster Männer-Zustandsbeschreibungen weiden sich an der Misere des Mannes auf Orientierungssuche, obwohl es letztlich Frauen sind, die eine veränderte, sprich variantenreichere Männerrolle torpedieren. Für sie ist der traditionelle, gut verdienende Mann mit hohem Prestige einfach attraktiver als einer, der gut spült, meint Professor Hollstein, Leiter des Instituts für Geschlechter- und Generationenforschung.
Warum soll ein Mann ein neuer werden, wenn ihn die Frauen so gar nicht wollen. Die öffentliche Kritik am Männlichen hat das Selbstbild der Männer ins Schwanken gebracht, predigte ein Pastor zum Männersonntag im Oktober 2005 seiner Gemeinde. Für viele ist offenkundig, dass die Zukunft weiblich und aus den Herren der Schöpfung Herren der Erschöpfung geworden sind. Und zum 6. Welttag des Mannes am 3. November werden prominente Männer abermals den schlechten Gesundheitszustand der Geschlechtsgenossen betrauern, die fast sieben Jahre früher als Frauen von ihren Lastern und Leiden dahingerafft werden - von Alkohol, Nikotin, Übergewicht, Stress, Herzinfarkt - und natürlich von den überhöhten Ansprüchen ihrer Frauen. Und sie werden daran erinnern, dass die Selbstmordrate bei Männern um ein Vierfaches höher ist als bei Frauen, Verkehrsunfälle zu 40 Prozent die Todesursache für junge Männer zwischen 15 und 25 Jahren bleiben; 17 Prozent bis zum Alter von 44 Jahren.
Keine Frage: Die Männer werden zu Verlierern, das starke Geschlecht wird schwach. Mann braucht also Förderung! Das signalisiert nicht nur der gefühlte Machtverlust, wie er gern in schwammigen Zeitgeist-Geschichten heraufbeschworen wird. Dafür gibt es objektive Merkmale - und zwar ganz schön viele. Von der Wiege bis zur Bahre ist das männliche Geschlecht mehr Risiken ausgesetzt als das weibliche.
Die Krise der Kerle beginnt schon in der Kindheit, da viele ohne Väter oder männliche Vorbilder aufwachsen. Im Kindergarten treffen sie zu 95 Prozent auf Erzieherinnen, in der Grundschule sind allenfalls der Rektor und dessen Stellvertreter männlich. Der auf Harmonie zielende Erziehungsstil auf dem Schulhof bekommt den Jungen nicht, insbesondere dann nicht, wenn Mama zu Hause die Männlichkeit des Sohnes appelliert: Ein Junge weint nicht. Und : Ein Indianer kennt keinen Schmerz.
Jungen sind häufiger überaktiv, fallen durch Aggressivität auf, stottern viermal so oft wie Mädchen, finden weniger Beachtung, sind bis zum zehnten Lebensjahr öfter krank als ihre Schwestern, werden auch zu Hause weniger zum Lesen und Lernen animiert. Das Ergebnis: schlechtere Leistungen, weniger Chancen für eine weiterführende Ausbildung, für einen qualifizierenden Schulabschluss. Inzwischen legen mehr Mädchen das Abitur ab als Jungen. Die Arbeitslosigkeit unter jungen Männern ist extrem hoch, da die Umstrukturierung auf dem Arbeitsmarkt hin zur Dienstleistungsgesellschaft vermehrt weibliche Verhaltensregeln verlangt wie Kooperationsfähigkeit, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, zu denen Männer noch nicht erzogen werden. Neue Erziehungskonzepte braucht das Land - und mehr Männer in Kindergärten und Schulen. Das Ausagieren fehlgeleiteter Männlichkeit von Jugendlichen und jungen Männern ohne Perspektive verursacht nach Berechnungen von Professor Hollstein pro Jahr Folgekosten von 15 Milliarden Euro - das ist ein Drittel des Hartz-IV-Budgets. Während Mädchen schon früh lernen, mit Nervosität, Ängstlichkeit, Magenbeschwerden und Schlafstörungen auf Stress in der Schule und Familie zu reagieren und sich damit vor großen physischen und psychischen Zusammenbrüchen zu bewahren, verdrängen Jungen viel stärker ihre Belastungen und versuchen sie durch Aggressivität abzureagieren. Diese Verhaltensweise bleibt oft bis ins hohe Alter unverändert, wie eine Studie von Gesundheitswissenschaftlern in Bielefeld dokumentierte.
Männer betrachten ihren Körper als Maschine, konzentrieren sich darauf, körperlich fit, stark energiegeladen zu erscheinen und alles unter Kontrolle zu haben. Sie scheuen sich, Rat und Hilfe zu suchen, fressen lieber in Stress-Situationen zu viel in sich hinein - Ärger und Kalorien. Sie sind überzeugt, ihr Leben im Griff zu haben. Aber sie irren - und ihr Irrtum kann tödlich sein.
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Alleine Bier trinken macht dick.
Friedrich Kühtz
Der Mensch ist trunken, der Mensch ist närrisch !
Schämt euch, ihr Nüchternen! Schämt euch ihr Weisen!
Johann Wolfgang von Goethe