Defibrillator-Forum - Allgemein

Suche konstruktiven Umgang mit Defi

Suche konstruktiven Umgang mit Defi

Hallo Defi-Leute,

ich bin seit gestern neu im Forum und möchte mich kurz vorstellen:
2008 - überlebter Herststillstand im Alter von 25 Jahren, Reanimation, künstliches Koma etc. und im Anschluss sämtliche Untersuchungen, die es damals im Unispital gab.
2008 - Implantation Defi (da trotz aller Untersuchungen keine Ursache für dieses Ereignis herausgefunden werden konnte).
2008 - drei Monate später erneutes Kammerflimmern während dem Geschlechtsverkehr, erste adäquate Schockabgabe des Defis.
2011 - erneutes Kammerflimmern vor einem Gleitschirmflug, adäquate Schockabgabe des Defis.
2012 - erneutes Kammerflimmern, zur Abwechslung mal einfach so beim Gehen mit Sturz auf das Gesicht.
2014 - vergangenen Montag: Zwei inadäquate Schocks hintereinander während der Präsentation von meiner Diplomarbeit vor geladenem Publikum und Prüfungsexperten...
So viel mal zu meiner Defigeschichte.
Ich habe bisher die Auseinandersetzung mit den Defi verdrängt, doch das soll sich jetzt ändern, weshalb ich diesem Forum beigetreten bin. Wie mir von den Kardiologen angekündigt wurde sollte ich noch dieses Jahr operiert werden (Elektroden und Batterie).
Ich möchte euch fragen was euch bei der Auseinandersetzung mit eurer Geschichte, dem Defi etc. geholfen hat. Habt ihr Selbsthilfegruppen besucht oder psychologische Unterstützung in Anspruch genommen? Was hat euch geholfen? Wie geht ihr generell damit um? Sprecht ihr beispielsweise die Situation mit eurem Defi an eurem Arbeitsplatz an? Wie habt ihr den Defi in eurer Leben integriert?

Danke für eure Antwort.
Ayumi

Re: Suche konstruktiven Umgang mit Defi

Hallo Ayumi,
erstmal ein herzliches Willkommen im Forum :-)

Da hast Du ja auch schon einiges durch, ich hoffe Du hast Deine Prüfung trotzdem bestanden :-)

Schon mal vorab: die Meisten von uns kennen und akzeptieren auch die psychischen Einflüsse auf unseren Körper, fast alle aber auch erst nach einer Lernphase und zum Teil auch mit psychosomatischer Hilfe. Bei Dir scheint der Auslöser eine innere Anspannung/Aufgeregtheit zu sein. Gerne werden hier Deine Fragen beantwortet, aber stöber Dich auch durchs Forum, die Inhaltsverzeichnisse und nutz die Suchfunktion. Auf die meisten Fragen gibt es hier schon eine Antwort. Und wenn Du dazu dann noch eine Frage hast, stell sie einfach in dem jeweiligen Thread, egal wie alt der ist. Das System holt ihn dann automatisch für jedes Mitglied nach vorne. Damit erleichterst Du den Mitgliedern auch die Nachvollziehbarkeit Deiner Frage.

Beste Grüße

Thorsten



Re: Suche konstruktiven Umgang mit Defi

Hallo Thorsten

Danke für Deinen Hinweis. Ich bin gerade erst reingestolpert und habe das Stöbern noch vor mir:-). Habe gesehen, dass einige Antworten und Beiträge schon alt sind und nicht gewusst, ob ich mich dort trotzdem einklinken kann. Werde dann bei Gelegenheit versuchen meine Fragen zu konkretisieren und beim richtigen Thema einordnen, falls es noch keine Antworten gibt!

Die Prüfung habe ich leider nicht bestanden weil ich nach der zweiten Schockabgabe abbrechen musste...
Morgen hole ich die Präsentation nach...mein Defi wurde inzwischen auf Schockabgabe bei 220 Schlägen/Minute nach 11 Sekunden programmiert, so dass bei einer Sinustachykardie, wie ich sie hatte der Defi aufgrund von Aufregung/Nervosität nicht mehr losgehen sollte...

Liebe Grüsse
Ayumi

Re: Suche konstruktiven Umgang mit Defi

Herzlich willkommen, Ayumi!

Inhaltlich und sachlich möchte ich mich gerne Thorstens Meinung anschließen. Der Zusammenhang zwischen Schockabgabe und Anspannung/ psychischer Belastung ist ziemlich deutlich.
Eine veränderte Defi- Einstellung macht sicher Sinn, und das Erlernen diverser Entspannungstechniken.
Das nutzt dir zwar jetzt in der akuten Situation gar nichts, aber auf Dauer tut es doch sehr gut, entspannt in Prüfungssituationen oder andere Belastungssituationen hineinzugehen. Du drehst dann nicht ganz so schnell ganz so hoch.
Ich bevorzuge progressive Muskelentspannung nach Jacobsen.

Ist absehbar, dass ich die Situation so nicht durchstehen werde, werfe ich Tabletten ein. Das hört sich jetzt so lapidar an, aber ich versuche das nach Möglichkeit sehr dosiert und selten zu tun ( dann wirkt es auch noch)
Gute Erfahrungen habe ich mit Neurexan, einem pflanzlichen Mittel gemacht.

Für die Prüfung morgen wünsche ich dir alles alles Gute!

Ulla



HOCM

Re: Suche konstruktiven Umgang mit Defi

Liebe Ulla

Vielen Dank für Deine Antwort und die guten Wünsche. Ich habe die Prüfung bestanden, (habe den Defi angebetet er möge kein zweites Mal Quatsch machen) und mein Studium letztendlich erfolgreich abgeschlossen:-). Das ist die pure Erleichterung. Jetzt werde ich mich erst mal durch's Forum arbeiten und mich dann wieder melden.

Wünsche Dir einen schönen Abend.
Ayumi

Re: Suche konstruktiven Umgang mit Defi

Auch von mir ein herzliches Willkommen und
ich gratuliere dir zur bestandenen Prüfung.

Gruß

Thekla


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Sei du selbst, alle anderen gibt es schon (Oscar Wilde)

Vorderwandinfarkt 7/2011, Eventrecorder 12/2011 wegen Synkopen, 12 x Herzkatheter mit Dilatationen, 8 Stents, 2012 Kammerflimmern, ausgeprägtes Vorderwandaneurysma, EF 35%, NYHA 3, Kardiomyopathie, Implantation ICD 1. 7. 2014, gleichzeitig Explantation Eventrecorder. Seit 15 Jahren Vorhofflimmern. Diabetes mellitus Typ 2, Hashimoto, chronische Niereninsuffizienz III. Nach Amiodaron sauerstoffpflichtig.

Re: Suche konstruktiven Umgang mit Defi

Hallo Ayumi,
Glückwunsch zur bestandenen Prüfung!
Ich hatte zweimal aufgrund von Aufregung inadäquate Schockabgaben - einmal einen, einmal vier - auf Vorhoftachykardien. Allerdings war ich verärgert, und habe mich dabei reingesteigert.
Alles Gute!

Evi


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Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt, 4xOP am offenen Herzen, Herzinsuffizienz 2. Grades, Z.n. überlebtem Plötzlichem Herztod 2007, anschließend Defibrillatorimplantation, 2011 und 2012 Ballondilatation mit Stentimplantation in den Pulmonalarterien, 2012 Kammerflimmern

Re: Suche konstruktiven Umgang mit Defi

Vielen Dank euch beiden.
Evi, inadäquate Schocks sind wie ein schlechter Witz, stimmt's? Wenigstens erspart man sich aber den Sturz, im Gegensatz zu den adäquaten Schocks auf Kammerflimmern ;-).
Weil ich die Präsentation unbedingt schaffen wollte, habe ich ohne Zögern einfach weitergemacht - ich bin eine Verdrängerin (ich wollte ich könnte schon sagen "gewesen"), dann kam der zweite Schock etwa drei Minuten später, was mir dann doch zu viel des Witzes war, so vor geladenem Publikum.
Allerdings hatte ich zuerst einfach nur einen sehr hohen Puls, jedoch keine Rhythmusstörung. Mein Defi, so wie er programmiert war, setzte bei 200 Schlägen nach 11 Sekunden ein. Der zweite Schock folgte dann, weil die erste Schockabgabe eine KT auslöste...
Eigentlich hat mir das Ereignis und meine anschliessenden Reaktionen einfach wieder mal klargemacht, dass ich nicht umgehen kann mit solchen Situationen, weil ich mich mit den Geschehnissen nie richtig auseinandergesetzt habe. Es hatte also durchaus auch einen positiven Nebeneffekt, denn ich möchte ja nun den Mut aufbringen...
Schon irgendwie bizarr, mir kommt es oft so vor, als wäre das alles gar nicht mir passiert. Sobald ich ausser Reichweite von Krankenhäusern bin und sich der Defi still hält, ist das Thema für mich nicht wirklich greifbar.
Bist Du bei Deinem Kammerflimmern auch ohnmächtig geworden und wurdest vom Schock zurückgeholt?
Und hast Du etwas gefunden, was Dir bei Aufregung/Nervosität hilft? Immer noch Mathe? Ich finde es schwierig zu wissen, dass der Defi losgehen kann, wenn ich nervös bin, das macht ja die Nervosität in einem solchen Augenblick nicht unbedingt kleiner;-).

Re: Suche konstruktiven Umgang mit Defi

Ja, schon wirklich ein miserabler Witz, ja... Aber den einzigen Sturz hatte ich bei einem inadäquaten! Es hat mich volle Kanne auf den Hosenboden gesetzt und ich hatte tagelang Steißbeinschmerzen. Vor dem Kammerflimmern habe ich mich noch selber hingelegt.
Daß du da nach dem Schock noch weitergemacht hast, wow.... wow... Ich bin einmal noch ein paarhundert Meter zu Fuß heimgegangen. Aber zum Reden und Denken wäre ich nicht mehr imstande gewesen.
Ich finde es beeindruckend, daß du es schaffst, diese Erlebnisse im Alltag beiseitezulegen. Mich verfolgen sie oft. Du nennst es verdrängen...
Vor dem Kammerflimmern habe ich mich noch hingelegt, dann war ich kurz weggetreten, also schon kurz ohnmächtig. Ich habe noch gesehen, wie meine Hand blau angelaufen ist, gespürt, wie mein Arm eingeschlafen ist, und "Mama" gestammelt - sie war bei mir, ich hatte sie zuvor wegen Rhythmusstörungen geweckt und sie gebeten, mich ins Krankenhaus zu fahren. Dazu ist es nicht mehr gekommen, nach dem Schock wurde der Notarzt alarmiert.
Neben Mathe hilft mir vor allem telefonieren. Ich rufe jemanden an und lasse mir irgendetwas erzählen. Und ja, auch ich bin seitdem bei Rhythmusstörungen viel nervöser. Ich habe viele verschiedene Methoden ausprobiert, Songtexte aufsagen oder denken, rechnen, zählen (zu einfach, zu viel platz für die negativen Gedanken), und Atemübungen, Muskelentspannung nach Jacobson,... Diese letzteren, auf den Körper gerichteten Techniken funktionieren bei mir aber nicht, trotz langer langer Übung. Ich brauche Ablenkung. Was tust du?


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Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt, 4xOP am offenen Herzen, Herzinsuffizienz 2. Grades, Z.n. überlebtem Plötzlichem Herztod 2007, anschließend Defibrillatorimplantation, 2011 und 2012 Ballondilatation mit Stentimplantation in den Pulmonalarterien, 2012 Kammerflimmern

Re: Suche konstruktiven Umgang mit Defi

Liebe Evi,
es gibt auch Momente in meinem Leben, in denen mich all das verfolgt. Mein Umgang war bisher so, dass ich alles gemieden habe, was mit dem Thema in Berührung stand. Nachdem bei mir alle Untersuchungen immer wieder ergaben, dass ich ein strukturell gesundes Herz habe und ich trotzdem nach meinem Herzstillstand erneute Kammerflimmern erlitt, wusste ich nicht wie weiter. Die Implantation eines Defis lehnte ich von Anfang an ab. Aber in diesem desolaten Zustand, in dem ich mich befand, als ich nach meinem Herzstillstand aus dem Koma erwachte, konnte ich meine Haltung gegenüber dem Leben (in welcher ich den Tod als Bestandteil des Lebens begreife) vor einer Ärzteschaft, welche natürlicherweise die medizinische Seite vertreten muss, nicht durchsetzen.
Die Tatsache, dass ich den Defi nicht als „Lebensversicherung“ akzeptieren konnte, sondern als „Feind im eigenen Lager“ empfand, machte es für mich schwierig. Da mir aber nichts anderes übrig blieb, ausser mich damit zu arrangieren, beschloss ich im Gegenzug alles zu unternehmen, um die Zeit, die mir durch den Defi geschenkt wurde, zu nutzen und auszukosten.
Nach einigen Versuchen mein Leben so weiterzuführen wie bisher, hängte ich meinen damaligen Beruf an den Nagel und machte für ein ganzes Jahr nur noch Dinge, die ich liebte oder die ich schon immer mal machen wollte. Das war mein persönlicher Umgang mit der ganzen Geschichte. Ich schlug einen völlig neuen Weg ein, der mich letztendlich sehr bereicherte. Was ich dabei versäumte, war eine Auseinandersetzung mit den schmerzhaften Aspekten, welche die Ereignisse mit sich brachten. Heute weiss ich, dass ich damals dazu nicht bereit war und meine Vermeidungshaltung auf einer massiven Angst beruhte, die Gefühle zuzulassen, welche die ganze Geschichte in mir auslöste. Es war als wäre ich in einer Art Schockzustand hängen geblieben, in dem ich mich von der ganzen Geschichte abtrennte.
Ich lehnte psychologische Unterstützung ab und mied Krankenhäuser, wenn es möglich war. Ich wollte nicht über das Thema sprechen und nicht darüber nachdenken. Ich wollte einfach ein „normales“ Leben. Dieses Verhalten hatte dann beispielsweise zur Folge, dass ich nach meinem letzten Kammerflimmern vor zwei Jahren, bei dem ich ziemlich übel auf das Gesicht stürzte, einfach nach Hause ging, anstatt die Ambulanz zu rufen, mich auf Arbeit für ein paar Tage krank meldete und erst eine Woche später, bei meinem regulären Kontrolltermin erfuhr, dass ich wieder ein Kammerflimmern hatte. Nachdem ich im vergangenen Jahr immer wieder in Situationen geriet, in denen ich aus dem Nichts heraus panikartige Zustände erlebte, wusste ich, dass ich das Thema längerfristig doch nicht umschiffen kann…
Ich weiss noch nicht wo anfangen und wie. Ich habe seit zwei Wochen psychologische Unterstützung in Anspruch genommen. Ich hatte gestern einen Termin im Krankenhaus, an dem ich über die anstehende Operation informiert wurde (die Elektrode muss noch in diesem Jahr ausgewechselt werden, mir wird die Implantation eines S-ICD empfohlen). Es steht mir auch bevor, meine Kollegen und Vorgesetzten an meinem Arbeitsplatz (die von meiner Geschichte nichts wissen) zu informieren. Ich weiss noch nicht wie und fürchte mich vor den Konsequenzen. Ich habe Angst vor der OP. Nachdem man mir bei der Erstimplantation versehentlich in die Lungen schnitt und ich durch den Pneumothorax, der dabei enstand tierische Schmerzen hatte, wünsche ich keine Wiederholung, denn es war nicht prickelnd.
Aber was können wir tun, ausser immer wieder mutig sein?
Danke Humor, dass es Dich gibt...