Atlantis im Atlas-Gebirge / Nordafrika
Platons Atlantis
von Kristian Büsch
Atlantis ist eines der großen Geheimnisse des Altertums. Im Prinzip ist noch nicht einmal klar, ob es Platons idealen Staat wirklich gab. Das mindert die Faszination des Themas aber nicht im Geringsten.
Übersicht:
Platons Atlantis
Der große Grieche
Atlantis in Deutschland?
Platons Atlantis
Eine verblüffende Lösung
Die meisten Archäologen betrachten die ganze Geschichte um Atlantis mit größter Skepsis. Ein Eisen, das so heiß ist, fasst kein seriöser Forscher an, was eigentlich schade ist. Auf diese Weise überlässt unsere Wissenschaft die Suche nach der versunkenen Insel Amateuren und Hobbyforschern. Entsprechend abenteuerlich sind die Publikationen zum Thema normalerweise auch und die Geschichte der Meldungen über die vermeintliche Entdeckung Atlantis' ist eine unendliche.
Weltweite Hinweise
Wo wurde es nicht schon überall vermutet: Mittelmeer, Atlantik, Nord- und Ostsee, Südamerika, vor Japan, sogar in der Mongolei wurde die bei Platon beschriebene Insel schon "entdeckt". In beinahe regelmäßigen Abständen kursieren Meldungen durch die Tagespresse, man habe Atlantis gefunden und mit immer aufwändigeren Tauchexpeditionen versucht man, den entsprechenden Beweis anzutreten – mit mehr als bescheidenem Erfolg, wie man anmerken sollte.
Dabei sind sich sie die jeweilige Entdecker ihrer Sache meist bemerkenswert sicher. Robert Sarmast im Frühjahr 2004 zum Beispiel verkündete im Vorfeld einer geplanten Expedition, dass die Suche nach Atlantis praktisch vorbei sei. Er glaubte, vor Zypern die Spuren des sagenhaften Kontinents gefunden zu haben. Seit er tatsächlich vor Ort ist, haben sich scheinbar keine neuen Erkenntnisse ergeben, es ist jedenfalls bemerkenswert ruhig um ihn geworden.
Es gibt mehrere große Strömungen in der Atlantisforschung und es ist müßig, sie alle aufzuführen. Am häufigsten wurde es sicher im Antlantik nahe der Straße von Gibraltar vermutet. Die Lösung ist in mancher Hinsicht problematisch und mit Belegen sieht es nach wie vor dürftig aus. Trotzdem ist sie insgesamt wohl die heißeste Spur – auch wenn sie es an Schönheit mit dem Klassiker der Atlantistheorie nicht aufnehmen kann.
Der große Grieche
Die wohl populärste These und trotz aller Widerlegungen bis heute kolportierte Geschichte ist die Identifikation Atlantis mit Santorin in der Ägäis. Bei einem der schwersten Vulkansausbrüche der Geschichte wurde die Insel vor rund 3500 Jahren geradezu in Stücke gerissen. Die Caldera, der gewaltige Krater, ist noch heute beredter Zeuge der Katastrophe und eine der spektakulärtsen Ansichten in ganz Griechenland.
Spyridon Marinatos begann in den 1960ern, was zu einer der berühmtesten Ausgrabungen schlechthin werden sollte – Akrotiri. Er war aber nicht nur ein exzellenter Archäologe, sondern auch ein Mann mit einer Vision. Er glaubte, mit Akrotiri Überreste von Atlantis entdeckt zu haben. Nicht ganz wie bei Platon beschrieben doch bildeten seiner Ansicht nach Kreta und Thera wenn nicht Atlantis so doch die Vorlage für die Geschichte.
Der gewaltige Vulkanausbruch fegte demnach nicht nur die Bewohner von Santorin hinweg, sondern auch die gesamte minoische Flotte – Machtbasis und ökonomisches Rückgrat Kretas. Die Minoer gerieten ins Straucheln und feindliche Festlandsgriechen übernahmen die Macht auf der Insel. Mit den Minoern ging ein wahrhaft großes Reich unter und in gewisser Hinsicht ist Thera schließlich gesunken.
Obwohl Marinatos lange widerlegt wurde – er selbst erlebte es übrigens nicht mehr, Marinatos starb 1974 bei einem Unfall auf der Ausgrabung – wird die Theorie immer wieder hervorgeholt, wenn es um Thera geht und das vor allem, weil sie so schön ist. Obwohl er höchstwahrscheinlich Unrecht hatte und Atlantis nicht in der Ägäis lag, war er eine Art Volksheld und ihm gebührt für seine Arbeit in Akrotiri tatsächlich jede Ehre.
Ein interessanter Nachtrag ist allerdings, dass nach aktuellem Stand der Forschung die meisten Widerlegungen zu seiner Theorien obsolet sind und eigentlich kaum noch etwas gegen den Vulkanausbruch als Verursacher des minoischen Niedergangs spricht.
Eine Katastrophe so apokalyptischen Ausmaßes kann im Grunde genommen auch nicht spurlos an den Anrainerstaaten vorüber gegangen sein. Im Prinzip ist Marinatos also wieder aktuell, trotzdem glaube ich nicht, dass er richtig lag. Es sprechen gute Gründe dagegen
Atlantis in Deutschland?
Eine Fraktion der Atlantisforscher postuliert, Atlantis sei mit Helgoland und der norddeutschen Tiefebene gleichzusetzen. Wenn man den Text bei Platon leicht umdeutet, lässt sich eine solche Analogie tatsächlich ziehen. Demnach wurden die einheimischen Kulturen an der Nordseeküste durch eine Reihe von schweren Naturkatastrophen aus ihrer Heimat vetrieben und zogen nach Süden, wo sie sich ein leichteres Auskommen erhofften. In die Geschichte ging das als Seevölkersturm ein und der ist tatsächlich historisch belegt.
Die Theorie ist nicht völlig von der Hand zu weisen und erfreut sich besonders in nationalistischen Kreisen einiger Beliebtheit. Schließlich impliziert die Theorie eine Art urgermanische Hochkultur, mit Belegen dafür sieht es trotz der Himmelsscheibe von Nebra immer noch eher dürftig aus. Dass es in Deutschland eine Zielgruppe für solche Theorien gibt, ist allerdings eine bekannte Tatsache.
Eine der großen Schwächen der Helgolandthese ist, dass sie einige wesentliche Aspekte in Platons Bericht außer Acht lässt. Das hat sie übrigens mit den meisten Theorien gemeinsam. Niemand scheint sich an den originalen Text zu halten (oder zumindest nur wenn es gerade passt) und im Bezug auf Plausibilität sieht es auch nicht so rosig aus.
Vielleicht ist es an der Zeit, einen Blick auf jene Dialoge zu werfen – schließlich haben wir von Platon gleich zwei einigermaßen ausführliche Texte zum Thema. Auf diese müsste sich eigentlich jede Atlantisforschung stützen. Schließlich sind sie nicht nur der Ursprung, sondern auch die einzigen "Quellen" des Mythos Atlantis.
Platons Atlantis
Als Quelle für seinen Bericht gibt Platon den weisen Solon an, der die Geschichte seinerzeit von den Priestern aus Sais in Ägypten erfahren haben will. Diesen expliziten Hinweis auf Ägypten scheinen einige Atlantisforscher übrigens überlesen zu haben, was in Bezug auf Plausibilität sträflich ist.
Per mündlicher Überlieferung gelangte sie über Dropides und Kritias den Älteren an dessen Enkel Kritias den Jüngeren, der sie bei Platon dann auch tatsächlich vorträgt. Diese Überlieferungskette ist in der Tat möglich, wie man anhand der biografischen Daten der Beteiligten leicht nachprüfen kann.
Der Bericht ist wie erwähnt einigermaßen ausführlich und er enthält zahlreiche Hinweise zu Politik, Gesellschaft, Natur und geografischer Beschaffenheit von Atlantis. So erfahren wir, dass es jenseits der Säulen des Herakles lag, eine Insel von beträchtlicher Größe war (.. größer war als Asien und Libyen zusammen..."), ausgesprochen fruchtbar und reich. Die Insel gehörte ursprünglich dem Poseidon.
Politisch war sie in zehn Provinzen unterteilt, die jeweils von Königen regiert wurden. Dabei handelte es sich um die Sprösslinge des Meeresgottes mit der Sterblichen Kleitos. Fünf Zwillingspaare brachten sie hervor, unter ihnen wurde das Reich aufgeteilt und der älteste Sohn Atlas bekam wie es heißt: "... den mütterlichen Wohnsitz und das umliegende Gebiet, als das größte und beste, zu und (Poseidon) bestellte ihn auch zum König über die anderen Söhne; ...".
Dem Bericht nach beherrschten die Atlanter Libyen bis nach Ägypten und Europa bis nach Tyrrhenien (Etrurien). Zudem ist die Rede von einem gewaltigen Krieg, den die Atlanter vom Zaun brachen gegen ganz Europa und Asien zugleich.
Späterhin aber entstanden gewaltige Erdbeben und Überschwemmungen, und da versank während eines schlimmen Tages und einer schlimmen Nacht das ganze streitbare Geschlecht bei euch scharenweise unter die Erde , und ebenso verschwand die Insel Atlantis, indem sie im Meer unterging. Deshalb ist die dortige See jetzt unbefahrbar und undurchforschbar, weil der sehr hoch angehäufte Schlamm im Wege ist, welche die Insel durch ihren Untergang hervorbrachte.
Nun sind dies nur Eckpunkte, doch veranschaulichen sie vielleicht schon etwas das Problem des Textes. Wenn Platon, wie die meisten Geisteswissenschaftler glauben, nur einen idealen Staat skizzieren wollte, hat er sich eine Menge Umstände gemacht und jede Menge Details beschrieben, die zur Illustration seines Bildes nichts beitragen. Ist also mehr dran?
Das zweite und ungleich größere Problem ist, dass eine Lokalisierung, die exakt seinen Beschreibungen entspricht, einfach nicht gelingen will. Er gibt uns haufenweise Andeutungen wo, und doch scheint ein wichtiges Puzzlestück zu fehlen. Besonders der Hinweis, dass wegen des Schlamms ... die dortige See jetzt unbefahrbar ist, will nicht so recht zur eigentlich naheliegendsten Lösung passen: Dem Atlantik.
Eine verblüffende Lösung
Wie gesagt haben sich schon Generationen von Forschern an der Frage nach dem Wo die Zähne ausgebissen. Um so verblüffender ist die Lösung, die Ulrich Hofmann in seinem 2004 erschienen Buch Platons Insel Atlantis präsentiert. Auf der Suche nach dem versunkenen Kontinent führt er uns nicht in die dunklen Tiefen des Ozeans, sondern in luftige Höhe.
Er vermutet Atlantis im Atlasgebirge und auch wenn es zunächst einmal etwas abwegig klingt; dem was der Autor auf 264 Seiten präsentiert, kann man zumindest eines nicht absprechen: Plausibilität. Hofmann hält sich nicht nur sehr genau an die Textvorlage Platons, er liefert auch jede Menge Indizien, die zum Nachdenken anregen.
So war es nicht die Insel, die versank, sondern das atlantische Meer, das langsam austrocknete. Dass jenes Gebiet südlich des heutigen Maghreb einst eine Art Binnenmeer bildete, ist einigermaßen wahrscheinlich und wurde schon an anderer Stelle vermutet. die großen Salzseen dort sind möglicherweise ein Überrest davon.
Die geografischen Gegebenheiten des Atlas lassen sich bis zu einem gewissen Grade mit Platon vereinen, was sicher einer der Knackpunkte der Theorie war. Als nächstes begibt sich Hofmann auf Spurensuche in Nordwestafrika, fahndet nach Hinweisen auf jenes mythische Volk der Atlanter. Er wird fündig und spätestens ab diesem Punkt wird es wirklich interessant. Zuviel sei nicht verraten, doch geht die Reise weiter über die Mythologie der Griechen bis hin zu den Anfängen ägyptischer Hochkultur.
Mit der Identifikation des Seevölkersturm als dem "großen Krieg gegen die Völker innerhalb der Säulen" schließt sich zu guter Letzt der Kreis und er landet auf vertrautem Gebiet. Die Idee ist – das sei noch einmal wiederholt – großartig. Ob etwas dran ist, steht auf einem anderen Blatt und muss sich erst noch erweisen. Der Rahmen jedenfalls ist erstmal vorgegeben, das große Bild ist zumindest in Umrissen skizziert.
Dass ihm dabei Detailfehler unterlaufen, verzeiht man Herr Hofmann gern. Schließlich bekennt er sich zu seinen Schwächen und anders als den meisten seiner "Kollegen" scheint es ihm nicht um Entdeckerruhm zu gehen, sondern darum, eine Diskussion anzustoßen. Das dürfte ihm gelingen.
Wenn er Recht hat – und seine These macht eine Menge Sinn – ergeben sich einige interessante Perspektiven. So sollten vor allem Ägyptologen aufhorchen. Selbst wenn sie sich nicht all seinen Interpretationen anschließen werden, lässt sich doch kaum verleugnen, dass bei den von ihm angesprochenen Punkten erheblicher Erklärungsbedarf besteht.
Es ist zu erwarten, dass Ulrich Hofmann eine Menge Widerspruch ernten wird. Das liegt aber fast schon in der Natur der Sache und wird nichts daran ändern, dass er zum Untergang von Atlantis die mit Abstand spannendste Theorie seit Spyridon Marinatos aufstellt. Das Buch ist ausgesprochen lesenswert und wir warten gespannt, ob es die erhoffte Diskussion tatsächlich anstoßen wird.
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Quelle: https://www.freenet.de/freenet/wissenschaft/archaeologie/raetsel/atlantis_platon/index.html
liebe Grüße
Sandro
"They say if you play the Windows XP CD backward, you can hear satanic words."
- "Oh, that´s nothing. If you play it forward it installs Windows XP...!"