Sphinx Älter als das Reich der Pharaonen?
Der Streit um das Weltwunder im Wüstensand
Sphinx Älter als das Reich der Pharaonen?
Nach gängiger Lehrmeinung ließ Pharao Chephren um 2520 v. Chr. den Steinkoloß errichten. Zwei Forscher behaupten jetzt, daß der Sphinx von einer unbekannten Hochkultur aus der Vorzeit stammt.
[Von Gerhard Wisnewski]
Wir wissen nicht, wer sie waren und wie sie lebten. Wir wissen nicht, wovon sie träumten und an welche Götter sie glaubten. Wir wissen nicht, womit sie ihre Tage verbrachten und wohin sie verschwanden. Das einzige, was wir wissen, ist, daß sie vor etwa 12000 Jahren in der Gegend des heutigen Ägypten lebten und dort ein gewaltiges Kunstwerk hinterließen.: den Sphinx. Jene Großkatze aus Stein mit den Abmessungen eines Wohnblocks also, die zusammen mit den Pyramiden von Gizeh jedes Jahr Millionen von Touristen anzieht. Der Sphinx soll keineswegs, wie bisher angenommen, etwa 2520 Jahre v. Chr. von Pharao Chephren erbaut worden sein. Vielmehr soll er samt Sphinxtempel nach neueren Erkenntnissen wesentlich älter sein und möglicherweise bis auf das Jahr 10000 v. Chr. zurückgehen. Was bedeuten würde, daß es schon damals eine hochentwickelte Zivilisation gab, von der wir heute nichts mehr wissen.
"Dachten wir bisher, menschliche Hochzivilisationen hätten etwa 5000 Jahre v. Chr. ihren Anfang genommen, müssen wir nun wohl umdenken und die Geschichte des Menschen neu schreiben" - so der britische Sender BBC. Demnach standen nicht die Sumerer in Mesopotamien (um 5000 - 4000 v. Chr.), die minoischen und mykenischen Kulturen in der Ägäis (circa 3000 - 1000 v. Chr.), die Shang-Dynastie in Nordchina (rund 1600 v. Chr.) oder der sagenhafte Gottesstaat der alten Ägypter mit seinen Pyramiden (ab etwa 3000 v. Chr.) am Anfang der Geschichte. Sondern eine viel ältere, geheimnisvolle Zivilisation, die zu enormen technischen Leistungen in der Lage gewesen sein muß.
Die neue Erkenntnis verbreitete sich in Windeseile um den Globus: TV-Sender wie BBC und CNN drehten Reportagen über die Entdeckung, eine Fernsehshow über "Das Sphinx-Mysterium" brachte es in den USA auf 30 Millionen Zuschauer. In der Times und New York Times machte die These vom "prähistorischen Sphinx" ebenso Furore wie in der Süddeutschen Zeitung und im Internet. Die Theorie vom zehntausend Jahre alten Sphinx war mehr als ein Sturm im Wasserglas: Für P.M. History Anlaß, der Entdeckung auf den Zahn zu fühlen und die Fakten abzuklopfen.
Apropos Wasser: Alles begann damit, daß ein paar rührige Autoren und Altertumsforscher an der altehrwürdigen Skulptur Spuren des kühlen Naß entdeckten, wo eigentlich gar keine sein sollten. Denn, wie fast jeder weiß, steht der Sphinx seit mindestens dreitausend Jahren in der knochentrockenen Wüste des Giseh-Plateaus am Rande Kairos. Hier wurde er nach unten aus dem Fels gehauen, so daß ein fast rechteckiges Bassin entstand, in dessen Mitte die steinerne Großkatze thront: 20 Meter hoch und 73,5 Meter lang. Der Löwenkörper wurde im Maßstab 22:1 nachgebildet, sein Menschenkopf im Maßstab 30:1.
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Nach herrschender Meinung soll das im Auftrag des Pharaos Chephren geschehen sein, dem zweiten Sohn des sagenhaften Cheops. Chephren soll nicht nur den Sphinx, sondern nach Cheops auch die zweitgrößte Pyramide errichtet haben. Für Chephren als Sphinx-Auftraggeber spricht vor allem die Nähe des Sphinx zum Taltempel seiner Pyramide und die Nachbarschaft zum Pyramidenaufweg: "Wegen der engen Verbindung zu ihm ist anzunehmen, daß der Sphinx für Chephren geschaffen wurde", meinte der amerikanische Sphinx-Experte Dr. Mark Lehner (Buchtitel: "Das erste Weltwunder"). Zwischen den Pfoten des Sphinx fand man eine Steinplatte, auf der die erste Silbe von Chephrens Name entzifferbar war. Allerdings stammt die Steinplatte aus der Regierungszeit von Tutmosis IV., etwa 1400 v. Chr.
Dennoch wäre kein Mensch auf den Gedanken gekommen, den Sphinx älter zu machen als er schien, wenn, ja, wenn da nicht jene südliche Einfassungsmauer gewesen wäre, die zusammen mit zwei anderen Wällen das Becken formt, in dem der Sphinx hockt. Diese Mauer nämlich zeigt nicht nur waagrechte Rillen, wie sie entstehen, wenn der Wind den Sand am Gestein entlangtreibt. Weit interessanter sind tiefe senkrechte Furchen und bauchig abgerundete Steine, die an dicke rundliche Kiesel erinnern, wie man sie in jedem Bach findet. Kurz: Die Wand sieht genauso aus, als sei hier jahrhundertelang Wasser hinuntergeronnen.
In den letzten dreitausend Jahren kann das aber kaum passiert sein, denn mindestens so lange ist es in diesem Teil Ägyptens staubtrocken.. Und genau deshalb war diese Entdeckung Wasser auf die Mühlen des Schriftstellers und Amateur-Ägyptologen John Anthony West, der schon geraume Zeit nach einer "Vor-Zivilisation" in Ägypten forscht: "Ich glaube, wir haben Überreste einer verlorenen und erstaunlich fortgeschrittenen Zivilisation gefunden, die älter ist, als alle, die wir bisher kannten." Denn, so die Schlußfolgerung, wenn der Sphinx und seine Einfassungswand deutliche Spuren von herabrinnendem Wasser tragen, muß er zu einer Zeit geschaffen worden sein, als es in der Gegend des heutigen Ägypten noch heftige Regenfälle gab. Das aber ist mindestens fünf bis zehntausend Jahre her.
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Zusammen mit dem Geologen Robert Schoch von der Bostoner University untersuchte West sowohl die Einfassungsmauer als auch den Boden des Sphinxbassins. Letzteren mit seismischen Methoden, bei denen Schallwellen in den Fels eindringen und von den verschiedenen Schichten reflektiert werden. Dabei stellte sich heraus, daß der Fels an der Oberfläche stakr porös ist - was West und Schoch als Indiz dafür nahmen, daß der Felsboden durch Regen ausgespült worden sein mußte, und zwar etwa um das Jahr 5000 v. Chr. Damit schien die Sensation perfekt: Der Beweis, daß die Statue "viel älter als das dynastische Ägypten ist - viele, viele tausend Jahre" (West) - schien erbracht. Ganz sah es aus, als könnten andere Ägyptologen dem alerten Autor das Wasser nicht reichen. Umgehend sah sich West in einer Reihe mit den berühmtesten Genies des 20. Jahrhunderts: "Wenn wir nachweisen können, daß es so früh eine Kultur gegeben hat, die so etwas schaffen konnte, wäre das für die Geschichtsschreibung dasselbe, wie Einsteins Relativitätstheorie für die Physik."
In der Tat. Aber wie es aussieht, müssen West und Schoch statt mit ewigem Ruhm eher mit einer unsterblichen Blamage rechnen. Kritiker sehen in ihrer Beweisführung "eine üble Mischung aus Verschweigen, Verdrehung und Schwindel". So der international bekannte Pyramidenexperte Rudolph Gantenbrink. Der Münchner Ingeneur gilt als Kenner der technischen Entstehungsbedingungen antiker Bauwerke. "Die gegenwärtige Kampagne, den Sphinx einer unbekannten vorägyptischen Kultur zuzuschreiben, ist nicht seriös", befindet auch Professor Dieter Arnold, Leiter der Ägypten-Abteilung des Metropolitan-Museums in New York und Verfasser eines renommierten Lexikons der ägyptischen Baukunst. "Eine wilde Behauptung" sieht der deutsche Mineraloge Professor Dietrich Klemm, Verfasser eines Standardwerks über "Steine und Steinbrüche im Alten Ägypten", in der These von dem Regen-erodierten Sphinx: "Ähnliche Strukturen kennt man auch aus Steinbrüchen und Gräbern, die nachweislich zur Zeit von Cheops und Chephren entstanden sind."
Tatsache ist: In der Theorie von dem durch Wasser erodierten Sphinx ist der (Regen-)Wurm drin. Glaubwürdig klingt sie nur, weil wissenschaftliche Befunde in ihr Gegenteil verkehrt und wesentliche Fakten verschwiegen werden. Etwa der, daß nicht nur die benachbarten Gräber aus der Chephren-Zeit, sondern sogar diesselbe Wand, die angeblich Spuren von Regenerosion zeigt, wenige Meter weiter glatt und nahezu ebenmäßig ist. Ausgerechnet hier aber soll laut der seismischen Messungen wiederum der Boden des Sphinxbeckens ausgiebig von Regen überspült worden sein. Und während der Rücken des Sphinx ähnliche Verwitterungsspuren aufweist wie manche Stellen der Wand, sind auf der Brustseite kaum senkrechte Rillen und abgerundete Gesteinsformen zu sehen.
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"Ich kann den Regen nicht einmal an- und einmal abstellen, ganz wie es mir für meine Theorie beliebt". meint Pyramidenkenner Gantenbrink. Für die poröse Struktur des Bassinbodens gibt es für ihn auch noch andere Erklärungen: "Die Porösität kann auch eine natürliche Eigenschaft dieser Gesteinsschicht sein." Zur Klärung plädiert Gantenbrink dafür, die Gesteinsschicht einmal im Sphinxbassin anzubohren, das andere Mal daneben: "Von hier aus sind es vom Bodenniveau bis zur Gesteinsschicht viele Meter. Sollte sie in dieser Tiefe ebenfalls porös sein, kann dies kaum durch Regen bewirkt worden sein." Eine solche Probebohrung unterblieb aber bisher durch das Team West/Schoch.
Gantenbrink sieht denn auch einen ganz anderen Stoff als Ursache für die seltsamen Verwitterungsspuren - und zwar einen, der in Ägypten seit Tausenden von Jahren nachweislich in ausreichender Menge vorhanden ist: Sand. Da das Sphinxbassin unter dem Bodenniveau der Wüste liegt, dürfen seine Wände im Gegensatz zu anderen Bauwerken über die Jahrtausende hinweg einem ständigen senkrechten Sandabrieb ausgesetzt gewesen sein. Das Monoment rieselte mit Sand zu, wurde wieder ausgegraben und rieselte anschließend wieder zu. So traf der junge Prinz Tutmosis etwa 1400 v. Chr. bei einem Jagdausflug einen völlig versandeten Sphinx an. Nachdem er sich im Schatten seines Kopfes (der allein aus dem Sand aufragte) schlafen gelegt hatte, erschien ihm im Traum der Sonnengott Re - Harachte. Er versprach dem Prinzen die Königswürde, wenn er dem Sphinx vom Sand befreien würde. Diese kleine Geschichte berichtet eine Stele, die zwischen den Pfoten des Sphinx gefunden wurde. Gesagt, getan, und aus dem Prinzen Tutmosis wurde der Pharao Tutmosis IV.
1755 zeichnete der Däne Frederick Norden einen wiederum bis zum Hals mi Sand bedeckten Sphinx. 1818 wurde der Sphinx von Hauptmann G. B. Caviglia ausgegraben. 68 Jahre später wurde die Skulptur durch Gaston Maspero abermals vom Sand befreit. 1925 unternahm die ägyptische Altertümerverwaltung eine erneute Ausgrabung. Wie viele solcher Zyklen der Sphinx genau durchmachte, wissen wir nicht. Sicher ist nur, daß, wer den Sphinx auch fand, vom Wunsch beseelt war, das Monoment wieder den Sand zu entreißen - und damit erst die Vorraussetzung für den weiteren Verfall schuf. Denn erst dann, wenn das Sphinxbassin vom Sand gereinigt wurde (zum Beispiel, als der Sphinx als Kultstätte in Gebrauch war), konnte immer neuer Sand nachrieseln. "Größere herabrieselnde Sandmengen schleifen den Fels natürlich genauso ab wie herablaufendes Wasser, nämlich entlang natürlicher Schwachstellen und weicher Gesteinsadern. Sand ist in der Lage, über wesentlich kürzere Zeiträume dieselben Erosionserscheinungen zu erzeugen wie Wasser", meint der Archäotechniker Gantenbrink.
Nur, wenn die Skulptur völlig mit Sand bedeckt war, waren sie und ihre Einfassungswände vor dem schmirgelnden Rieseln der kleinen Körnchen geschützt. Ganz nebenbei liefert Gantenbrinks Sand - Hypothese auch eine plausible Erklärung für die unterschiedliche Erosion ein- und derselben Einfassungsmauer. Diese fällt nämlich vom hinteren Bereich des Sphinx zum vorderen ab. Hinten ist sie also viel höher, so daß der Sand dort viel länger rieseln konnte als vorne, wo das Bassin wesentlich schneller zugeschüttet war. Da die Wand auch noch geneigt ist, bewegten sich die Sandkörner nicht im freien Fall, sondern rollten sozusagen an ihr hinunter, was einen wesentlich stärkeren Abrieb erzeugt - auch im Vergleich zu Sandkörnern, die vom Wind waagrecht an der Wand entlang getrieben werden.
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Apropos Wind: Der bläst West und Schoch inzwischen heftig ins Gesicht. Bis heute wurde schließlich nicht ein weiteres Staubkörnchen, geschweige denn Bauwerk gefunden, das ebenfalls von ihrer geheimnisvollen "Präzivilisation" stammen könnte. "Wenn dieses Monument 5000 vor Christus gebaut wurde, wo zur Hölle ist dann der Rest dieser Kultur, die es geschafft hat?" schimpfte Ägyptologieprofessor Lanny Bell von der Brown University in Providence, Rhode Island. Daß das merkwürdig ist, räumt auch West ein. Was ihn aber nicht dazu führt, den Sphinx jünger, sondern noch älter zu machen.
So alt - vielleicht zehn- bis fünfzehntausend Jahre -, daß sämtliche anderen Belege der unbekannten Kultur inzwischen verschwunden sein müssen. West: "Die fehlenden Belege liegen möglicherweise tiefer verschüttet, als man bisher gegraben hat, und / oder an bislang unerforschten Stellen - vielleicht entlang der Ufer des antiken Nilbetts, das etliche Kilometer
vom heutigem Grund des Mittelmeers, das während der letzten Eiszeit trocken lag". Doch hier beißt sich die (Groß-) Katze in den Schwanz. Denn wenn sämtliche anderen Belege der ominösen Kultur an völlig anderen Stellen liegen oder unerreichbar tief unter Sand und Wasser begraben wurden, stellt sich die Frage, wie es kommt, daß der Sphinx in voller Pracht mitten unter den Bauten des Pharaos Chephren steht. Merkwürdigerweise trägt der Sphinx außerdem den letzten Schrei der Pharaonenmode: das Königskopftuch mit der Uräus-Schlange, wie man es von vielen Statuen aus dem Alten Reich kennt, und den geflochtenen, an der Spitze aufgebogenen "Götterbart" (heute kaum noch zu erkennen).
Den Sphinx aus dem Pyramidenkomplex des Chephren herauszutrennen und ein paar tausend Jahre früher zu datieren, ähnelt in Wahrheit dem Versuch, das Münchner Olympiastadion ein paar tausend Jahre älter zu machen als den zugehörigen Olympiaturm: Beide Bauwerke stimmen in Stil, Bautechnik und Material überein und sind architektonisch aufeinander bezogen. Der Sphinx gehört zur Grabanlage des Chephren und paßt zur Gigantomanie der damaligen Pharaonen. Erste tausend Jahre später wurden wieder ähnlich große Skulpturen geschaffen.
Viel schwerer wiegt jedoch, daß die Steine von Chephrens Pyramidentaltempel aus dem Sphinxbecken stammen. Die wurde durch Untersuchungen des Geologen Thomas Aigner nachgewiesen. Als der Sphinx aus dem Fels herausgehauen wurde, benutze man die dabei gewonnenen Blöcke zum Bau des Sphinxtempels und des Taltempels. Der Taltempel wurde aus riesigen Quadern erbaut, "die durch den oberen Teil der Sphinx verlaufen", erläutert der Sphinx-Experte Mark Lehner. "Die Standard-Kernblöcke des Sphinxtempels mit ihren weichen gelben Streifen zwischen zwei härteren Lagen stammen von unterhalb der Brusthöhe des Sphinxleibes".
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Die Steine wurden dabei so gebrochen, daß in der Mitte des Bassins der Rohling für den Sphinx stehenblieb, der anschließend sorgfältig ausgearbeitet wurde. Da der Steinbruch von oben nach unten abgetragen wurde, kann man daraus den Schluß ziehen, daß zunächst der Taltempel und anschließend der Sphinxtempel gebaut wurde. Was nur logisch wäre, denn sonst hätte der Sphinxtempel den Transportweg der riesigen Blöcke zum Taltempel versperrt. Außerdem blieb der Sphinxtempel unvollendet, was ebenfalls dafür spricht, daß er als letztes Bauwerk in Angriff genommen wurde.
Warum aber solle jemand einen Taltempel für eine Pyramide bauen, die erst mehrere tausend Jahre später errichtet werden würde? "Das wäre so ähnlich als würde ein Häuslebauer zunächst eine Garage bauen und erst dreißig Jahre später das Haus dazu", sagt Archäotechniker Rudolf Gantenbrink. Durch den schräg in den Taltempel eingebauten Pyramidenaufweg wäre fünftausend Jahre zuvor die Position der zwei Millionen Tonnen schweren Pyramide bereits weitgehend festgelegt worden. Nach West und Schochs These wäre demnach der Taltempel zum Ausgangspunkt für den Bau einer gewaltigen Pyramide geworden. Allein das wäre schon verwunderlich genug, denn schließlich ist nicht der Tempel, sondern die Pyramide das maßgebliche Heiligtum. Darüber hinaus hat sich aufgrund ihrer Größe und ihres gewaltigen Gewichts auch bei der Bauplatzsuche aus praktischen Gründen alles nach ihr zu richten. "Die Standorte der Komponenten richten sich nach der Pyramide und nicht umgekehrt", meint Gantenbrink. "An dieser Stelle wird es immer deutlicher, daß hier der Schwanz mit dem Hund wedelt."
Es zeichnet sich immer deutlicher ab, daß John Anthony West mit seiner Hypothese von der geheimnisvollen Vorkultur auf verlorenem Posten steht. Bestehen bleiben kann sie nur, wenn man sämtliche wissenschaftlichen Argumente beharrlich ignoriert. An dieser Stelle stellt sich die Frage, um welches Gedankengut es sich hier dabei überhaupt handelt.
Interessant ist, daß die Idee von dem durch Regen verwitterten Sphinx ursprünglich gar nicht von West vertreten wurde, sondern von dem französischen "Forscher" Renè Adolphe Schwaller de Lubicz (1887-1961). De Lubicz, so West, "entwickelte eine völlige Neuinterpretation der ägyptischen Zivilisation. Nach Schwaller de Lubicz wurde die Zivilisation, die wir als das alte Ägypten kennen, auf dem überlieferten Wissen von fortgeschrittenen früheren und spurlos verschwundenen Zivilisationen errichtet. Schwaller de Lubicz hielt es für möglich, daß die alten Ägypter mehr über ihre eigene ferne Vergangenheit gewußt haben könnten, als heutige Ägyptologen."
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Der "unabhängige Ägyptologe" (New York Times) John Anthony West machte sich über die Jahre zum Sprachrohr von Schwaller de Lubicz. Mit seinem Buch "Serpent in the Sky: The High Wisdom of Ancient Egypt" (etwa: Die Schlange am Himmel: Die hohe Weisheit des alten Ägypten) wollte er das englischsprachige Publikum nach eigener Aussage mit den "radikalen ägyptologischen Ideen" von Lubicz bekanntmachen. Auch die Keimzelle zu Wests Feldzug für einen älteren Sphinx stammt aus den Schriften von Lubicz, nämlich aus dem Buch "Sacred Science" (etwa: "Heilige Wissenschaft"): "Wir müssen zur Kenntnis nehmen", heißt es da, "daß den gewaltigen Wassermengen, die sich über Ägypten ergossen, eine großartige Zivilisation vorausging: die ergibt sich aus dem in den Fels gehauenen Sphinx. Einem Sphinx, dessen ganzer Löwenkörper, mit Ausnahme des Kopfes, unbestreitbar von Wasser erodiert wurde."
Warum nun gerade der Kopf, der als einziger Teil des Sphinx garantiert die ganze Zeit dem Wetter augesetzt war, nicht vom Regen erodiert sein soll, darüber geht schon Lubicz hinweg. Interessant ist, daß West seinen geistigen Ziehvater als "Mathematiker, Philosophen und Orientalisten" bezeichnet, und eine seiner herausragenden Eigenschaften vergißt: Die Mitgliedschaft im Orden der Rosenkreuzer. Diese Sekte kümmert sich nicht nur um Geheimwissenschaften wie die Alchemie, sondern ist auch bemüht, die Ägyptologie mit ihrem Gedankengut von einer geheimnisvollen Vorzivilisation zu durchdringen.
In seinem amerikanischen Hauptquartier in San Jose unterhält der Orden der Rosenkreuzer ein eigenes "Ägyptisches Museum". Bei der Keimzelle zu Wests Theorie über die geheimnisvolle Vorzivilisation handelt es sich also um lupenreinen Okkultismus.
Auch John Anthony West steht mit der Wissenschaft auf Kriegsfuß. In seinem Buch "The Case of Astrology" (etwa: Der Fall Astrologie) brach er die Lanze für die Astrologie und wandte sich vehement gegen "die Lügen und die doppelte Moral der Wissenschaftsgemeinde".
Wie aber entstand nun der Sphinx wirklich? Versetzen wir uns etwa 4500 Jahre zurück in das Jahr 2522 v. Chr. Damals folgte Chephren ("Erscheint wie Re") seinem früh verstorbenen Bruder Djedefre auf den Pharaonenthron. Beide waren Söhne von Cheops, des Erbauers der größten Pyramide in Ägypten. Sofort mit der Thronbesteigung begann die Planung des Pyramidenkomplexes, denn noch mehr als die irdische Herrschaft mußte die Regentschaft des Pharaos im Totenreich gesichert sein.
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Mit seinem Konzept folgte Chephren der Tradition seines Großvaters Snofru und seines Vaters Cheops, die ebenfalls Taltempel am Nilufer errichtet hatten - sozusagen als Emfangshalle für den Pyramidenkomplex. Vom Taltempel bis zum oberen Ende der Pyramide war die Baustelle etwa einen dreiviertel Kilometer lang. Tausende von Arbeitern und Steinmetzen schufteten hier, um die bis zu 200 Tonnen schweren Blöcke zu bewegen - wie das ist bis heute rätselhaft geblieben. Eigentlich hätte nichts dagegen gesprochen, den Aufweg schnurgerade von der Pyramide zum 500 Meter entfernten Taltempel zu führen. Doch dann hätte man eine tiefe Senke östlich der Pyramide künstlich überbrücken müssen. So legte man den Aufweg auf einen natürlichen Felsstreifen an, der von Südost nach Nordwest verläuft.
Das Material für den Taltempel holte man direkt aus einem Steinbruch am Nilufer, der durch einen natürlichen Felsbuckel gekennzeichnet war. Aus diesem Felsbuckel entstand der Kopf des Sphinx: der Körper wurde aus dem darunterliegenden Fels gehauen. Den "Abraum" verbaute man in Form von riesigen Kalksteinblöcken im Taltempel und dann im Sphinxtempel. Der Sphinx geriet zum damals denkbar mächtigsten Wesen der Welt: Zur furchteinflößenden Kombination des Pharaos und des Löwen, also des Königs der
Menschen und des Königs der Tiere.
Aus: P.M. History
liebe Grüße
Sandro
"They say if you play the Windows XP CD backward, you can hear satanic words."
- "Oh, that´s nothing. If you play it forward it installs Windows XP...!"