"Vampire" leiden an einer Erbkrankheit
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Angst vor Knoblauch und Sonnenlicht durch Gendefekt - Epidemien schürten den Aberglauben[
Quelle: DIE WELT, 31. Oktober 2000, Wissenschaft
Bonn - Mitternacht.
Mit einem unheimlichen Ächzen hebt sich der Sargdeckel. Ein Untoter steigt daraus empor, ein Vampir mit spitzen Zähnen, den es nach Blut gelüstet. So in etwa bebildern Hollywood-Filme mit Vorliebe die Vampirgeschichten.
Und zum heutigen Halloween werden viele weiß geschminkt mit Plastikgebiss und schwarzem Umhang auf den Spuren des sagenumwobenen Grafen Dracula wandeln.
Kaum jemand wird sich in braunen Plüsch hüllen, nur um den "echten" Vampiren besonders ähnlich zu sehen.
Dabei existieren diese in Wirklichkeit, nicht nur in Filmen und alten Erzählungen:
Die gemeine Vampirfledermaus, Desmodus rotundus, lebt im tropischen Südamerika und ernährt sich ausschließlich von Blut. Mit ihren rasiermesserscharfen Zähnen ritzt sie nächtens die Haut ihrer schlafenden Opfer auf. Ihr Speichel betäubt die Bisswunde, hält das Blut flüssig. Geschickt leckt sie mit ihrer Zunge das austretende Blut auf - nur wenige Milliliter pro Nacht und Fledermaus.
In Bonn versuchen Wissenschaftler, den Geheimnissen der tropischen Bluttrinker auf die Schliche zu kommen.
Professor Uwe Schmidt vom Institut für Zoologie der Universität Bonn züchtet seit über 20 Jahren Vampirfledermäuse im Labor.
Von allen Fledermäusen hat die Art den am weitesten entwickelten Neocortex - der Gehirnteil, der für das Lernen zuständig ist.
"Vampire werden rasch handzahm und lernen außergewöhnlich schnell", erklärt Schmidt.
Zudem schmusen sie gern und lassen sich streicheln. Faszinierend ist vor allem ihr Sozialverhalten: "Geht ein Koloniemitglied in einer Nacht leer aus, füttern ihn die Artgenossen mit herausgewürgtem Blut - eine einzigartige Fürsorge zwischen nichtverwandten Tieren im Tierreich", so der Zoologe.
Nahezu menschlich anmutende Fürsorge zeigen die Vampire bei der Aufzucht ihres Nachwuchses. Stirbt die Mutter eines Jungtieres, kann der verwaiste Vampir von einem fremden Weibchen großgezogen werden, die Adoptivmutter produziert dafür Milch in ihren Brustdrüsen. Trotz dieser einnehmenden Eigenschaften sind Vampire bei Rinderzüchtern in Südamerika unbeliebt. Mit ihren Bissen können Vampirfledermäuse Krankheiten wie zum Beispiel Tollwut übertragen und werden daher gnadenlos gejagt.
Wie kann eine südamerikanische Fledermaus zum Vorbild für eine Blut saugende Legendengestalt aus Transsylvanien werden?
Möglicherweise haben die Flattertiere nichts mit dem Vampiraberglauben zu tun.
Der kanadische Wissenschaftler David Dolphin von der Universität in British Columbia glaubt, dass eine erbliche Stoffwechselstörung zur Legende von Werwölfen und Vampiren führte, die Porphyrie.
Bei Porphyrie-Kranken ist die Produktion des roten Blutfarbstoffes gestört.
Ursache kann entweder ein ererbter Gendefekt oder eine Vergiftung sein, beispielsweise durch Blei oder andere Chemikalien. Die biochemischen Grundprodukte zur Herstellung des Blutfarbstoffs häufen sich dadurch im Körper an, unregelmäßig auftretende Bauchkrämpfe und Depressionen können die Folge sein. In schweren Fällen schrumpfen Lippen und Gaumen und lassen die Zähne hervortreten, die durch einen Belag stets blutrot gefärbt erscheinen. So, als habe der vermeintliche "Vampir" gerade Blut getrunken. Hinzu kommt die legendäre Lichtempfindlichkeit, Nase und Finger können unter Einfluss des Sonnenlichts verkrüppeln. Knoblauch ist ebenfalls Gift für Porphyrie-Kranke. Der Genuss von Dialkylsulfid, einer in Knoblauch enthaltenen Substanz, verschlimmert die Symptome.
Die erbliche Form der Porphyrie soll in britischen und deutschen Königshäusern gehäuft auftreten.
"Mad King" George III. und seine Nachkommen haben offenbar daran gelitten.
Historische Berichte von Georges Leiden erweckten die Aufmerksamkeit der Wissenschaftler Martin J. Warren und David M. Hunt. Wie sie vergangenes Jahr im Fachmagazin "Sciene Spectra" berichteten, gelang es ihnen mit Hilfe von Exhumierungen und posthumer DNS-Analysen, bei zwei Nachfahren des Königs eine Mutation nachzuweisen, die auf Porphyrie hindeutet. Bei einem erst 1972 verstorbenen Verwandten von George III. wurde Porphyrie noch zu Lebzeiten diagnostiziert.
Eine ganz andere Erklärung für die Vampirmythen hat dagegen Professor Christian Reiter, Gerichtsmediziner an der Universität Wien.
Im Wiener Hofkammerarchiv stieß er auf Berichte einer rätselhaften Epidemie, die zwischen 1720 bis 1725 an der Grenze zu Serbien wütete. "Die Betroffenen fieberten und sprachen im Delirium davon, dass die Toten ihnen die Lebenskraft raubten", fasst Reiter die Protokolle zusammen. In der serbischen Bevölkerung war der Glaube an Untote, die nachts aus ihren Gräbern steigen, bereits fest verwurzelt. Vampire wurden daher für das Übel verantwortlich gemacht. Exhumieren, pfählen, köpfen und verbrennen, nach diesem Muster wurde dann verfahren, um sich der Untoten zu entledigen. Beim Öffnen der Gräber wurde der Aberglaube auf schreckliche Weise genährt: Die Leichen in den Gräbern waren kaum verwest. "Selbst hagere Menschen schienen wohl genährt und rund von ihren Blutmahlzeiten, deren Reste noch aus Nase und Mund troffen. Man vernahm dazu ein leises Schmatzen", beschreibt der Gerichtsmediziner Reiter die Szenerie.
Heute sind diese schauerlichen "Beweise" für Vampirismus wissenschaftlich erklärbar.
"Unter Luftabschluss verwest eine Leiche nur sehr langsam und ist oft noch nach zehn Jahren körperlich hervorragend erhalten."
Für die übrigen Phänomene seien Faulprozesse verantwortlich, der Körper werde durch Gase aufgebläht.
Entweichen kleine Gasblasen, entsteht das hörbare Leichenschmatzen. Oft tritt auch eine rötlich gefärbte Faulflüssigkeit aus Mund und Nase aus. Selbst für die sexuelle Komponente der meisten Vampirlegenden hat Reiter eine Erklärung: "Bei männlichen Verstorbenen ist häufig eine Erektion sichtbar, die ebenfalls durch Faulgase entsteht."
Die wahre Schuld an der Epidemie trägt vermutlich der Milzbranderreger, das Bakterium Bacillus anthracis.
Charakteristisch für die auch heute noch meist tödliche Infektion sind hohes Fieber und blaue Flecken an den Halslymphknoten. Symptome, wie sie in den archivierten Protokollen beschrieben werden.
Andere Theorien machen wiederum eine Tollwutepidemie für die Vampirgeschichten verantwortlich, die um 1730 in Ungarn gewütet haben soll. Tollwütige Menschen sind bissig, haben Angst vor starken Gerüchen wie Knoblauch und vor Spiegeln - leiden also ebenfalls unter klassischen Vampirsymptomen.
Einen kleinen Anteil an den Legenden haben die Blut trinkenden Fledermäuse möglicherweise doch.
In frühen Berichten konnten sich die sagenumwobenen Untoten in Tiere wie Hunde, Katzen, Pferde, Vögel und Schlangen verwandeln, aber auch in Rauch und Flammen.
Die Berichte der Spanier von Blut saugenden Fledermäusen bestärkten dann vermutlich den Aberglauben der Europäer, und die Fledermaus wurde zur bevorzugten Symbolform für Vampire.
Vampire sind übrigens wieder "in", und das nicht nur zu Halloween und Karneval.
In New York und London, aber auch in Deutschland, gibt es Vampirsubkulturen.
"Das sind junge Leute, die glauben, sie seien Vampire", erklärt Mark Benecke, Kriminalbiologe und Doktor der Medizinwissenschaften in Köln. Benecke hat sich mit dem Phänomen bereits eingehend beschäftigt. "Die Angehörigen solcher Cliquen trinken tatsächlich Blut.
Meist jedoch nur kleine, symbolische Mengen.
Die höher gestellten Vampire dagegen leben von Energie, die sie anderen aussaugen!"
Na bitte - Dracula ist also doch unter uns!
(c) Julia Bidder/DIE WELT. Page owned by Dipl.-Biol. Dr. rer. medic. Mark Benecke, Forensic Biologist, , https://www.benecke.com/, FAX +49-221-660-2644, Phone/SMS/Mailbox +49-173-287-3136. Page created Nov 1, 2000