Wer "konstruktive Kritik" fordert, will in Wahrheit jede Kritik abwürgen
kopiert aus: https://ad-sinistram.blogspot.com/2009/10/losungswege.html
Lösungswege
Sie sind heute aber wieder destruktiv. Recht haben Sie ja, keine Frage. Aber Sie bieten einfach keine Lösungen, Sie klagen nur an, zeigen mit dem Finger auf Konstellationen. Wie es besser zu gestalten sei, dazu äußern Sie sich nicht. Wenn man nicht konstruktiv sein will, sollte man in Verstummung harren. Entweder Kritik und als Nachschub des Rätsels Lösung oder Schweigen und als Nachschlag Ruhe. Ganz oder gar nicht! Unreif ist es, wenn man nur motzt, Befindlichkeiten angreift, laut über den Globus lärmt, man wolle es so, in dieser Weise nicht mehr erleben müssen. Ja, wie wollen Sie es denn dann erleben? Seien Sie konstruktiv, Mann! Lassen Sie sich ein neuartiges Konstrukt einfallen, ein Konzept, wie die Welt besser würde. Bäh, ich will das nicht! Das ist doch kindisch. Vorallem ist es nutzlos, peinlich, ohne Aussicht auf Gehörtwerden.
Hier haben wir es mit des Kritikers täglichem Brot zu tun, mit dem (fast) alltäglichen Versuchen, kritische Stimmen zu erwürgen. Lösungen soll man anbieten, Aussichten auf neue Welten, Gesamtkonzepte erarbeiten, in die Zukunft hineinstochern und voraussehen, mit welchem Patentrezept sich Besserungen hundertprozentig verwirklichen lassen. Der Ruf nach konstruktiver Kritik zeigt sich selten als Ausdruck von Interesse am Kritiker und seinen Kritikpunkten; er zeigt sich als Würgeeisen, als Mechanismus, die Kritik der Lächerlichkeit preiszugeben. Man streift der Kritik die Legitimität ab, degradiert sie zum wertlosen Vorgeplänkel reformerischen Denkens und erstickt sie langsam und genussvoll, bevor sie zur Entfaltung gelangen kann, erklärt sie zur gefühlsbetonten Maßnahme, die in geschäftlich-kühlen Zeiten wie antiquierte Romantik wirkt.
Lösung ist die Losung! Die Losung des Schweigens. Nur weil ein Mißstand benannt wird, muß noch nicht klar ersichtlich sein, wie man es zufriedenstellender bewerkstelligen könnte. Dabei ist die Kritik nicht destruktiv, sie ist Lösung in sich. Loslösung vom Falschen, sie löst die irrige Auffassung in den Köpfen auf, wonach der Übelstand so wie er sich zeigt, annehmbar und unbehebbar sei. Die Kritik löst sich vom Gegenstand, sie ermöglicht dem Kritiker und seinen Zuhörern, ein entlöstes Bild zu zeichnen, losgelöst von den Prämissen und Gesetzen der real existierenden Realität. Der Loslösung folgt eine schrittweise Ablösung. Im Denken derer, die die Kritik aufgreifen und durchkauen, wird der Urmißstand, das schlecht Gegebene langsam abgelöst. Zurück bleibt die Auflösung dessen, was vor der Kritik als a priori richtig erkannt wurde, was unverrückbare Vorbedingung war.
Die Negation ist kein Vorspiel zur Veränderung. Sie ist Säule - die Säule - tragende Säule möglicher Lösungsansätze. Wo kritiklos und geschäftig an Lösungen herangetreten wird, die Los- und Ablösung noch nicht stattgefunden hat, da ist Veränderung eine leere Phrase. Es ist seit einer Weile das Zeitalter kritikloser Reformtreiberei angebrochen, als dessen Ausdruck bestimmt besinnungsloser Aktionismus das Geschehen. Indem die Kritik herabgewürdigt, zu einen Akt emotionaler Entleerung umgedeutet wird, der zur Lösungsfindung keinen Beitrag zu leisten imstande ist, wird das Herangehen an Lösungswege schon im Kern unmöglich gemacht. Die Negation ist das Fundament der Veränderung, sie ist nicht der Beginn des Prozesses, sie ist der Prozess selbst.
Geschrieben von Roberto J. De Lapuente
Es ist allerhöchste Zeit, Art. 1, Abs. 1 und Art. 20, Abs. 4, GG, Geltung und Wirkung zu verschaffen!