Bundesagentur für Arbeit: Job-Center konnten 12 000 Bescheide für die Verlängerung von ALG II noch nicht bearbeiten
Berlin - Zahlreiche Berliner müssen offenbar wochenlang ohne das ihnen zustehende Arbeitslosengeld II von den Job-Centern auskommen. Mehrere Arbeitslose schilderten der Berliner Morgenpost übereinstimmend, sie seien ohne Scheck oder Barzahlung weggeschickt worden. "Ich habe zum 1. Juni zum letzten Mal Geld bekommen", sagt Ralph P. aus Mitte. "Ich lebe von Freunden, die mir mal etwas zustecken." Auch aus Marzahn wird ein ähnlicher Fall geschildert. Arbeitslose versichern, daß ihnen noch weitere ähnliche Vorgänge bekannt seien.
Hintergrund der Schwierigkeiten ist die Verlängerung der Arbeitslosengeld-II-Bescheide nach Auslaufen der ersten Bewilligungsphase am 30. Juni. Die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit räumt ein, daß die Job-Center insgesamt 12 000 Bescheide für die Verlängerung noch nicht bearbeiten konnten. Die zweite Antragswelle der 260 000 Berliner Empfängerhaushalte traf die Job-Center in einer Phase der Umstrukturierung und der Umzüge. Betroffene berichten von verlorenen Unterlagen und liegengebliebenen Bescheiden.
Nach Aussage der Job-Center und der Regionaldirektion dürfte es aber nicht vorkommen, daß Bedürftige ohne Geld weggeschickt werden. Alle Job-Center seien mit Kassenautomaten ausgestattet worden, um Kunden Abschlagszahlungen geben zu können. Nach Schilderung von Arbeitslosen ist aber offenbar ein massives Auftreten notwendig, um Geld zu bekommen. Viele klagen, die Mitarbeiter würden den "Kunden" nicht sagen, welche Ansprüche sie hätten. Generell sei die Betreuung nach der Hartz-IV-Reform viel schlechter geworden.
Re: RotGrün's verbrecherischer Umverteilungscoup von Unten nach Oben
Job-Center sind mit Bewilligungen im Rückstand - Viele Hartz-IV-Betroffene bekommen keine Zahlung
Von Joachim Fahrun
In Berlin müssen zahlreiche Arbeitslose offensichtlich wochenlang ohne ihr Arbeitslosengeld II von den Job-Centern auskommen. "Ich habe zum 1. Juni zum letzten Mal Geld bekommen", sagt Ralph P., 50, aus Mitte. "Die Bewag mahnt mich, ich brauche Geld. Ich lebe von Freunden, die mir mal etwas zustecken", sagt der gelernte Trockenbauer. Auch seine Bekannte Marina wartet seit Wochen auf die 68 Euro, die die Arbeitsagentur monatlich zu ihrer kleinen Witwenrente hinzuzahlt. Und aus Marzahn berichtet Ingrid M., ihr Sohn Torsten laufe ebenfalls seit mehreren Wochen seinem Arbeitslosengeld hinterher, wurde mehrfach aufs Amt bestellt, aber stets wegen Computerausfällen oder anderer Gründe vertröstet. Jetzt lebt er von der schmalen Rente seiner Mutter.
Hintergrund des Chaos ist die Verlängerung der Arbeitslosengeld-Bescheide zum 30. Juni. Die erste Antragswelle vom Anfang des Jahres galt nur für sechs Monate. Für das zweite Halbjahr mußten alle 260 000 Empfänger-Haushalte das Arbeitslosengeld II neu beantragen. Die neue Flut traf die Job-Center in einer neuen Umzugs- und Umstrukturierungsphase. Betroffene berichten von verlorenen Unterlagen, verschwundenen Anträgen und liegengebliebenen Akten. "Die Job-Center haben 12 000 Bescheide für die Verlängerung von Erstbewilligungen noch nicht bearbeitet", räumt Olaf Möller, Sprecher der Berliner Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit, ein. Das habe aber nicht zur Folge, daß Kunden ihr Geld nicht bekämen. Es seien extra überall in den Job-Centern Kassenautomaten angeschafft worden. "Jeder bekommt eine Barauszahlung."
Auch Andrea Lützeyer, Vize-Geschäftsführerin des Job-Centers Mitte in Wedding, sagt, sie habe noch nie einen Fall gehabt, in dem einem Bedürftigen Geld verweigert worden sei. Selbst wenn eine Bewilligung, wie es "in Einzelfällen vorgekommen" sei, noch nicht erteilt sei, gebe es Sonderzahlungen. "Ich bin überrascht, was da geschildert wird", so die Job-Center-Vize-Chefin.
Denn der arbeitslose Trockenbauer Ralph und seine Bekannte Marina kennen in ihrem Kiez um die Torstraße in Mitte gleich mehrere Fälle von Hartz-IV-Betroffenen, die auf Geld aus dem Job-Center Mitte warten. "Auf dem Amt hätten sie sich deswegen neulich fast geschlagen", berichtet Ralph. Nicht umsonst hätten die Job-Center massiv Sicherheitsleute aufgeboten. Er habe keinen Scheck und auch kein Bargeld erhalten. Immerhin habe ihm ein Gruppenleiter zugesagt, daß er am Dienstag sein Geld bekomme. "Wir können ihm ja nicht andauernd etwas geben", sagt sein Kumpel Heinz, 54, arbeitsloser Bauarbeiter.
Auch Torsten M. hat in Marzahn offenbar nicht genügend Druck gemacht, um seinen Scheck zu bekommen. Nachdem er dreimal vorsprach, wurde ihm nun die Zahlung für Ende nächster Woche in Aussicht gestellt. Seine resolute Mutter jedoch hatte zuvor ausreichend gedroht, um sofort einen Scheck über die Summe für die hör- und sprachbehinderte Tochter ausgehändigt zu bekommen.
Offensichtlich klaffen die Beteuerungen der Offiziellen und die Wahrnehmung der Arbeitslosen über die Arbeit der Job-Center weit auseinander. An der Torstraße hat jeder seine Horrorgeschichte zu bieten. Besonders genervt sind die Arbeitslosen von ständig wechselnden Ansprechpartnern. Sachbearbeiter verweigerten ihren Namen, niemand kenne irgendeinen Vorgang, viele hörten nicht einmal zu, immer müsse man sämtliche Unterlagen vorlegen. "Warum haben die uns denn überhaupt im Computer gespeichert", fragt sich Marina. Katrin, 38, berichtet von sechsstündiger Wartezeit auf den Fluren. Seit Monaten wartet sie auf 270 Euro für die Klassenfahrt ihres Sohnes, die die anderen Eltern vorgestreckt haben. Nachdem ihre Tochter ausgezogen ist, flatterte hingegen ganz schnell der Brief ins Haus: Ihre Wohnung sei nun zu groß, sie müsse wohl umziehen. Heinz zeigt einen Brief vor, den das Amt seiner Frau geschrieben hat. Sie möge zum Gespräch über ihren beruflichen Werdegang erscheinen. Die Frau ist aber gar nicht arbeitslos. "Was ist da bloß los", fragt sich ihr Ehemann. Früher sei es auf dem Arbeitsamt ganz einfach gewesen. Man bekam einen Termin, ging hin, traf seinen Sachbearbeiter. Heute klappt das nicht mehr.
Die Menschen von der Torstraße wollen nicht mehr Geld haben, als ihnen zusteht. Aber der Kampf gegen den Amtsschimmel geht ihnen an die Nieren. "Das ist doch nicht in Ordnung. Wir haben Kinder großgezogen und 30 Jahre lang gearbeitet", sagt Marina und fragt: "Wo ist die Menschenwürde geblieben?"
Re: RotGrün's verbrecherischer Umverteilungscoup von Unten nach Oben
Gut ein halbes Jahr nach Inkrafttreten der Hartz-IV-Reformen hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) die Probleme mit ihrer Computersoftware noch nicht gelöst. Ein BA-Sprecher bestätigte der Potsdamer "Märkischen Allgemeinen" (Mittwoch): "Es gibt ein Softwareproblem, das Neu- und Wiederbewilligungen betrifft." Seit Mitte Juli werden dem Bericht zufolge Arbeitslosengeld-II-Empfänger nicht mehr bei den Krankenkassen gemeldet.
Dies führe dazu, dass neue Arbeitslosengeld-II-Empfänger beziehungsweise Arbeitslose mit einem neuen Bewilligungsbescheid auch die Krankenversicherungskarte nicht mehr automatisch zugeschickt bekommen. Der BA-Sprecher bestätigte dies. Versicherte müssten vor einem Arztbesuch vielleicht mit ihrem Bewilligungsbescheid bei der AOK vorbeigehen, um eine Karte ausgestellt zu bekommen. Das sei unangenehm, aber "wichtig ist doch, dass der Versicherungsschutz nicht gefährdet ist".
Dem widersprach ein Sprecher der AOK Brandenburg: "Eigentlich sollte auch bei der Bundesagentur bekannt sein, dass jeder Teil der Sozialversicherung vom Gesetzgeber verpflichtet ist, wirtschaftlich zu arbeiten." Was der BA-Sprecher als einfach schildere, bedeute für die Krankenkasse zusätzlichen Zeit- und Personalaufwand. Die Geschäftsbereichsleiterin der AOK Brandenburg, Ursula Köhler, sagte dem Blatt: "Offenbar wurde die Software in Nürnberg so optimiert, dass jetzt gar nichts mehr geht."
Re: RotGrün's verbrecherischer Umverteilungscoup von Unten nach Oben
Gestern 20:51 NEU Autor: Ronald R. Betreff: Lesenswert Text: Erfahrungsbericht von Montagsdemo Dortmund:
>>>>>>Gestern habe ich bei dem Bundesministerium für Arbeit angerufen und es gelang
mir bis zur Vorzimmerdame von Herrn Clement zu gelangen.
Ich fragte die Vorzimmerdame : Ich möchte gerne einkaufen gehen, habe aber Angst das ich so eine Befragung der BA verpasse. Würde mich gerne abmelden aber bei meiner ARGE ist leider kein durchkommen. Diese Frau sagte mir, das Sie mir nicht helfen könnte, das Sie die Abmeldung nicht abnehmen könnte und mir dadurch dann keine Strafe erspart werden könnte. Sie gab mir aber eine Nummer, die für solche Ratschläge da ist und auch helfen könnte. Diese Nummer ist übrigens für alle Arbeitslosen angeblich und soll schnelle Hilfe geben bei Fragen : 030-20146922.
Da hatte ich auch wieder eine nette Frau dran die mich aufklärte über mein Problem des Einkaufen. Diese Nummer ist übrigens auch eine Nummer des Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit. Ich fragte auch Sie, was kann passieren wenn ?
Sie sagte im dem Fall hätte ich ja einen Kassenbon und der würde für die BA zählen.
Ich stutzte. Ich fragte weiter, was ist wenn ein Arbeitsloser mal den ganzen Tag weg ist ?
Sie sagte, das kann nicht sein, ein Arbeitsloser ist nicht den ganzen Tag weg weil er verfügbar sein muss. Ich fragte wieder was ist wenn ich das möchte ? Danach wurde ich aufgeklärt in Beamtendeutsch, was nichts anderes heißen sollte. Wenn Sie aus dem Haus gehen, dann haben Sie sich telefonisch abzumelden.
Danach war mir klar das aus der Fußfesselgeschichte vor ein Paar Wochen nun eine Telefonfessel Geschichte geworden ist. (...).<<< ___________________________________________________________________
Presseerklärung und vollständiger Bericht zu dem Irrsinn:
Re: RotGrün's verbrecherischer Umverteilungscoup von Unten nach Oben
Wer ist auch so blöd und gibt im Antragsbogen seine Telefonnummer an? Noch blödere habe ich erlebt, die geben sogar ihr handy an! Brrrrr!
Was soll das? Die ARGE´s bezahlen keine Telefongrundgebühren, warum sollte man denen daher die Nummern angeben! Ist nirgends Pflicht!
Allen meinen KlientInnen, die zu mir in die Beratung kommen, erzähle ich, keine Telefonnummern abzugeben, es sei denn sie haben eine teure Einrichtung mit Display, auf der sie die Nummer des Anrufers sehen können, bevor sie abheben!
Also, wer so blöd ist, dem gehört´s nicht anders! Das sind genau die Untertanen, die auch beim Schild "Rasen betreten" stehen bleiben und an keinem Protest teilnehmen! - und ich setze mich 40 Stunden in der Woche hin und versuche, neben Verteidigung ihrer Rechte vor den "Arbeitsämtern", denen Selbstbewußtsein beizubringen!?????
Hach, dieser Beitrag hat mir heute noch gefehlt, nach einem Tag Stress mit den ARGE´s und nach Streß mit der regionalen WASG und dann auch noch mit den eigenen PDS-Mitgliedern (die haben sich ausgeweint, weil sie heute mal wieder nicht wissen, wozu alles gut sein soll????)
Manchmal denke ich, es gibt nur lauter Dackel, die man auf die Jagd tragen muß und da darf ich mich nicht wundern, wenn so wenig veränderbar ist. Die dümmsten Kälber wählen auch hier immer wieder ihre Schlächter selber. Muß jetzt sehen, daß sich meine Laune bessert, denn ich habe noch 6 Wochen Wahlkampf vor mir und da muß ich mit aller Kraft versuchen, zu retten, was zu retten ist, - auch wenn Pisa noch so laut "Hilfe" brüllt!
Heute total genervt und fixy-foxy
Baba Yaga
PS. 1 Die WASG in meiner Region hat sich "formiert" und das gleich zweifach! Da haben zwei Gruppen in Konkurrenz zueinander einen Vorstand gewählt und sich am Donnerstag getroffen und auf´s Übelste duelliert, - wurde mir heute im HartzIV-Büro zugetragen! Naja, die scheiden auf jeden Fall als Wahlkampf-Unterstützung aus! Mein Gott, da kann man wirklich nur sagen: "Meister, Meister, die Geister.......!
PS.2 Danke Bernd für Deine seriöse und treue Unterstützung!
Re: RotGrün's verbrecherischer Umverteilungscoup von Unten nach Oben
"Was für ein glücklicher Tag für alle Arbeitslosen." Peter Hartz
Die Vorläufer der Arbeitsämter wurden im Aufwind der Bismarck'schen Sozialgesetzgebung bereits Ende des 19. Jahrhunderts von der ersten Frauenbewegung gegründet. Ziel war die Berufsförderung von Frauen und Hilfe für die Arbeitslosen. Staatliche Arbeitslosenpolitik realisierte sich erst 30 Jahre später:
1927 wurde die Reichsanstalt f. Arbeitsvermittlung u. Arbeitslosenversicherung gegründet, um das Risiko der Arbeitslosigkeit abzusichern.
1933 Gleichschaltung d. Reichsanstalt, Abschaffung d. freien Berufswahl zu Gunsten d. "Lenkung der Arbeitskräfte", (Einführung v. Arbeitsdienst usw.)
1938 Einführung d. Arbeitspflicht. Nach Kriegsbeginn waren die Arbeitsämter auch i. d. überfallenen und besetzten Ländern für Rekrutierung, Organisation u. Verteilung der Zwangsarbeiter für die Kriegswirtschaft im Reich zuständig.
1952 Neugründung der Bundesanstalt f. Arbeitsvermittlung u. Arbeitslosenversicherung.
1969 Mit d. Verabschiedung d. Arbeitsförderungsgesetzes (mehr Dienstleistungsbehörde) Umbenennung i. Bundesanstalt für Arbeit (mit neuem roten Logo A)
2004 Im Rahmen der Umsetzung d. "3. Gesetzes f. moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" (Hartz IV) Umbenennung u. Umorganisierung d. Anstalt in eine Bundesagentur für Arbeit. Kürzung d. Leistungsdauer aus d. Sozialversicherung, Zusammenlegung v. Arbeitslosengeld u. Arbeitslosenhilfe zum Alg II (einer knapp bemessenen Fürsorgeleistung auf Sozialhilfeniveau) für alle Langzeitarbeitslosen; Abschaffung d. freien Berufswahl; Zumutbarkeit jeder Arbeit bis an die Grenze zur Sittenwidrigkeit; 1-Euro-Arbeitspflicht; Anwendung repressiver Mittel mit Zwangscharakter. Härtester Sozialeinschnitt i. d. Nachkriegsgeschichte.
Von den 15 (bis auf eine Frau) männlichen Mitgliedern der Hartz-Kommission, die dieses Gesetzeswerk erarbeitet haben, waren mehr als die Hälfte Wirtschaftsmanager. McKinsey war auch dabei.
Frau K. ist Beamtin, Anf. 60, und arbeitet in einer Arbeitsagentur in einem der alten Bundesländer. Sie möchte aus nahe liegenden Gründen hier anonym bleiben.
"Sie haben angedeutet, dass Sie zahllose schlechte Erfahrungen seit der Einführung von Hartz IV gemacht haben?" Frau K. sagt heftig: "Nein, ich mache nicht zahllose, ich mache vor allem eine grundsätzliche, hässliche Erfahrung, und das ist die der Würdelosigkeit. Die ist quasi schon per Gesetz so angelegt und zusätzlich wird sie dann noch durch schlecht qualifizierte Kollegen verschärft. Dem Arbeitslosen ist seine Würde aberkannt worden das schlägt natürlich auch auf uns zurück, ich habe eine richtige Wut im Bauch! Und da stehe ich nicht alleine. Aber es sind hauptsächlich die Älteren, die, so wie ich, vor der Pensionierung stehen, die noch die alte BA- Haltung vertreten, also die Haltung aus den 70er-Jahren, wo sich die BA wirklich noch gekümmert hat um die Arbeitslosen. Und auch in den Zeiten zunehmender Arbeitslosigkeit hatten die Vermittler diese - ich will mal sagen - solidarische Einstellung. Aber seit eine Reform nach der anderen durch die Behörde jagt, seit es immer mehr um die Verschönerung der Statistik geht, um betrügerische Manipulationen, siehe Jagoda usf., weht bei uns ein ganz anderer Wind. Heute ist es so, dass wir ganz unmittelbar zu Mittätern beim Sozialraub gemacht werden. Das Ganze wird als größte Arbeitsmarktreform Deutschlands angepriesen, von zwei Millionen neuer Arbeitsplätze war die Rede, ,fördern und fordern' lautet die Devise. Wo gefördert wird in diesem Land, haben wir gesehen, als gleichzeitig mit Hartz IV die 3. Senkung des Spitzensteuersatzes beschlossen wurde. Unten jedenfalls wird ,gefordert'.
Das Ganze ist zugleich auch eine Vereinigung von zwei Behörden, sozusagen, denn durch den Kompromiss sind die Kommunen mit ins Boot genommen worden. Das hat natürlich zu enormen zusätzlichen Kosten und Chaos geführt. Mitarbeiter aus den Sozialämtern und viele Mitarbeiter aus der Arbeitsagentur wurden für Hartz IV in die neu geschaffenen ARGEs (Arbeitsgemeinschaften zur Grundsicherung für Arbeitssuchende, oder Arbeitsgemeinschaft SGB II) umgesetzt, dazu kamen noch mal 3.000 Hilfskräfte aus den kurz vor der Pleite stehenden ehemaligen Betrieben, Telekom, Deutsche Bahn, Deutsche Bundespost, da gibt's ja einen riesigen Beamtenpool, für den man bisher keine Verwendung hatte, nach der Privatisierung. Und so kam es, dass ein beamteter Starkstromtechniker aus Wuppertal plötzlich in Berlin als Sachbearbeiter auftauchte, nach einer Kurzschulung. In den ARGEs besteht das Riesenproblem vor allem darin, zwei Arbeitskulturen aus zwei unterschiedlichen Behörden zusammenzuführen. Das hat es ja noch nie gegeben in der Geschichte der Bundesrepublik, dass kommunale und Bundesbehörden zusammengeführt werden. Und wie es bei Beamten ist, einer kämpft gegen den anderen, die eine Arbeitskultur kämpft gegen die andere, angefangen mit der Frage, wie man eine Akte führt, und wer das Sagen hat. In den Händen der BA war das Ganze ja eine glasklare, professionelle Angelegenheit. Damit ist es vorbei.
Die Zeit vom Juni bis Dezember 2004 war der reinste Horror, die Bearbeitung der ersten Anträge auf Alg II, also auf das Arbeitslosengeld II. Es musste in großer Geschwindigkeit gearbeitet werden, Anträge durchsehen, sind alle Unterlagen vorhanden - das ist ja ein 16-seitiger Antrag, zu dem vielfältige Unterlagen beizubringen sind. Und die Auflage aus Berlin: Am 3. Januar müssen überall die Gelder auf den Konten sein, damit kein politisches Desaster entsteht! Unter diesem Zeitdruck ist unheimlich schlampig gearbeitet worden, es gab 15 Prozent und mehr Ablehnungen. Innerhalb der BA gab es eine heftige Leistungskontrolle, täglich wurde Statistik geführt über die Antragsbearbeitung. Es wurden Sonderschichten eingeführt, auch Wochenendarbeit, und es gab diese irrsinnigen Probleme mit der Software, die ja bis heute nicht läuft. Also, dass der Laden nicht vollkommen zusammenbrach, ist nur den Mitarbeitern zu verdanken. Und ein kleiner Teil ist hoch motiviert, der denkt trotz aller Überlastung an die Leute draußen. Ein Hardliner in der Behörde, der kann diesen Übergangszustand nutzen für Härte und Strenge und zum Vorführen der Kunden - wir nennen die Arbeitslosen nämlich Kunden. Die wohlmeinenden unter den Kollegen können, in aller Stille, die gesetzlichen Vorschriften im Sinne des Kunden auslegen. Die Machtbefugnis ist erschreckend groß. Also der Punkt ist, und das muss man einfach sagen, der Charakter eines Mitarbeiters entscheidet unter Umständen über Leben und Tod, er kann einen Suizid auslösen. Er kann jemanden depressiv machen oder einen potenziellen Gewalttäter durch Demütigungen zu einer tickenden Zeitbombe machen. Er hat die Macht, Schicksale zu erzeugen. Und der andere Punkt ist der Druck, unter dem diese ganze Angelegenheit steht, auch unter dem Druck, die Wahrheit zu verheimlichen. So entsteht ein scharfer Korporationsgeist, wie bei der Polizei, Kritik wird nicht geduldet. Das ist unerträglich! Der politische Druck wird, ausgehend von Berlin, auf die Spitze der Behörde ausgeübt und von da weitergegeben, bis ganz nach unten, bis zum Kunden letztendlich. Und der schweigt und ist erschüttert.
Jeder, der mindestens drei Stunden pro Tag arbeiten kann, gilt als ,erwerbsfähig', das ist sozusagen ein Hauptbestandteil von Hartz IV. Und dadurch, dass es für erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger keine Sozialhilfe mehr gibt, sondern Alg II, wurden plötzlich ca. 90 Prozent der Sozialhilfeempfänger, auf einen Schlag sozusagen, zu erwerbsfähigen Arbeitslosen. Man war stolz auf den Rückgang der Zahl an Sozialhilfeempfängern um 90 Prozent. Dass durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe natürlich die Arbeitslosenstatistik enorm steigen wird, hat man offenbar nicht erwartet. Da gab's Geschrei. Man wollte einfach nicht sehen, die Leute waren ja schon vorher arbeitslos! Es hat aber keinen interessiert, sie waren ja unsichtbar, zu Lasten der Kommunen. Dazu kommt die Masse der Leute, also der Arbeitslosen, die bisher Arbeitslosenhilfe bezogen haben -Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe wurden ja nach SGB III abgehandelt - also die bekommen jetzt auch Alg II. Nur für die Anspruchsberechtigten gibt es weiterhin Arbeitslosengeld I nach SGB III, aber die Anspruchsdauer hat sich stark verringert - auch hier hat man eine dicke Salamischeibe abgeschnitten im Rahmen der Umverteilung von unten nach oben. Ausgenommen sind für eine Übergangszeit die über 58-Jährigen, sofern sie nach Paragraf 428/SGB III unterschrieben haben, das heißt, sie konnten Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe zu "erleichterten Bedingungen" beziehen, also Urlaubsanspruch, keine Meldepflicht, keine Eigenbemühungen usw., und dafür müssen sie a) zum frühestmöglichen Zeitpunkt in Rente gehen und b) als ,Arbeitssuchende' weiterhin den Vermittlungsservice der Agentur in Anspruch nehmen, das ist nur so pro forma. Worum es eigentlich geht, die sind dadurch außen vor, die zählen nicht mehr als Arbeitslose, sondern nur noch als Arbeitssuchende. Das ist der statistische Trick, die fliegen aus der Statistik raus! Dann kommen noch dazu all diejenigen, die in einer Trainingsmaßnahme sind, Leute in Fortbildung und Umschulung. Die dritte Gruppe, die aus der Statistik verschwindet, ist die mit den 1-Euro-Jobs, der ,Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung' Paragraf 16 Abs. B SGB II, wie die Euro-Jobs im Amtsdeutsch heißen - oder auch nur Arbeitsgelegenheiten, Aktiv-Jobs, Zusatz-Jobs, es gibt bundesweit keine Sprachregelung. 200.000 Arbeitslose wurden bereits in 1-Euro-Jobs vermittelt, 600.000 sollen es werden, bundesweit.
Bevor ich näher auf die 1-Euro-Jobs eingehe, möchte ich kurz noch was zum Alg II sagen, nur so zum Grundverständnis. Also die Regelleistung beträgt 345 Euro in den alten Bundesländern einschließlich Berlin Ost, und 331 Euro in den neuen Bundesländern, für einen Singlehaushalt. Diese Kosten trägt der Bund. Die Kosten für die Unterkunft, die maximal 50 Quadratmeter, bei selbst genutzten Eigentumswohnungen 120 Quadratmeter, haben darf für eine Einzelperson, werden von den Kommunen getragen - bis auf die Ausnahmen der Optionskommunen, die noch beides machen. Die Kosten der Unterkunft setzen sich aus Miete und Heizkosten zusammen, plus der üblichen Betriebskosten. Die Kaltmiete soll den Betrag von 245 Euro nicht überschreiten. Die Kosten für Haushaltsstrom und Warmwasserzubereitung sind übrigens in der Regelleistung von 345 Euro bereits enthalten, was ja eigentlich eine Wohnung mit Bad überflüssig macht. Ist ein Bad angemessen? Das müssen Sie selbst entscheiden. Angemessen ist eines der meistgebrauchten Wörter. Angemessen im Vergleich wozu? Das Wort ist aus der Sozialhilfe mitübernommen worden. Angemessen ist für jeden Langzeitarbeitslosen künftig der Haushalt eines Sozialhilfeempfängers, weil er dem Alg II zugrunde gelegt wurde. Im Moment gibt es noch zahlreiche Erleichterungen, Zusatzleistungen, Übergangsregelungen, aber ab 2006 ist das vorbei, dann wird es ernst. Man hat zwar beteuert, man wolle Härten vermeiden, aber gerade die Härten sind ja das Grundprinzip der ,Arbeitsmarktreform', die Privatisierung der sozialen Risiken ist auf dem Weg! Und Alg II ist ja keine Versicherungsleistung, sondern eine steuerfinanzierte Fürsorgeleistung will ich es mal nennen, ein Almosen eigentlich. Und Fürsorgezöglinge bzw. Almosenempfänger dürfen sich nicht wundern, wenn sie hart rangenommen werden. Eines der vier Kriterien für Alg II ist ,Hilfsbedürftigkeit'. Ein ,EHB', also ein erwerbsfähiger Hilfsbedürftiger, der um Almosen ansucht, kann sich nicht gleichzeitig hinstellen und sagen, ich möchte also weiter als Kunstpädagoge arbeiten, das habe ich studiert Ja soll denn die Allgemeinheit Ihre luxuriösen beruflichen Erwartungen finanzieren, diese Zeiten sind vorbei, Sie müssen sich jetzt schon auch die Finger schmutzig machen, wie jeder andere auch! So. Das zum Beispiel meinte ich mit der Würdelosigkeit. Also der Hebel, an dem die ganze Sache psychologisch funktioniert, ist ,Hilfsbedürftigkeit' und ,Almosenempfänger', mit diesem moralischen Druck stopft man den Leuten das Maul.
Also man bekommt diese Sozialleistung nur dann, wenn man hilfsbedürftig ist, und zwar mit der Auflage, diese Hilfsbedürftigkeit durch egal was - wenn nicht aufzuheben, dann wenigstens zu mindern, sozusagen als Gegenleistung, denn es gehört sich einfach so. Zumal es für alle erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen ja auch noch die ,soziale Absicherung' gibt. Auf der Basis der Mindestbeiträge wird von der BA Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung abgeführt, was natürlich das Problem endlos nach hinten verlängert. In den Job-Centern, in den ARGEs weiß man natürlich genau, dass es, außer für ein paar gesuchte Fachkräfte, keine Arbeitsstellen gibt. Also wird der Kunde, ohne Ansehen der Person sozusagen, in eine Maßnahme nach Paragraf 16 Abs. 3 SGB II gesteckt, in eine Arbeitsgelegenheit, den 1-Euro-Job, beziehungsweise wird in der Behörde gern vom Aktiv-Job oder Zusatzjob gesprochen. Bleiben wir bei 1-Euro-Jobs, es handelt sich hier um subventionierte Arbeitsverhältnisse, wirklich sinnvoll daran ist lediglich die Sache ,Zusatzjobs und Bildung', also wo junge Leute, oft ohne Hauptschulabschluss und Arbeitserfahrung, gefördert werden und rauskommen aus der Lethargie des Nichtstuns. Für viele andere Kunden stellt es sich als 1-Euro-Arbeitsdienst dar. Als pure Maßnahme. Die so genannten Maßnahmeträger sind meist die Kommunen, Kirchen, Vereine, Wohlfahrtsverbände, Archive, Denkmalpflege, Umweltschutz usw., die können bei den Job-Centern Arbeitskräfte anfordern, für all die Tätigkeiten, die zwar wichtig und notwendig sind, aber auf Grund des Niederganges dieser Republik schlicht und einfach nicht mehr finanziert wurden und sich selbst überlassen waren. Es gibt so eine Positiv-negativ-Liste - diese Arbeiten sollen nach dem Gesetz ja ,zusätzlich' sein und keinen regulären Arbeitsplatz gefährden oder ersetzen - da wurde, in Absprache mit den Handwerkskammern, Unternehmerverbänden, der Wirtschaft, den Kirchen und Wohlfahrtsverbänden eine Liste erstellt, welche Beschäftigung als Zusatzjob in Frage kommt, und welche nicht. Es gibt nur wenige, die nicht in Frage kommen. Das Kriterium ,im öffentlichen Interesse' und ,gemeinnützig' lässt sich ja beliebig ausdehnen. Aus der Arbeitslosenarmee wird so unter der Hand eine Billiglohn-Reservearmee, so wie die Wirtschaft sie braucht. Wir machen dann also mit dem Kunden eine so genannte Eingliederungsvereinbarung über den Zusatzjob, die gilt für 6 Monate, kann verlängert werden, 30 Wochenstunden sollen nicht überschritten werden, damit noch, man höre, Zeit bleibt für Bewerbungen. Und das Schöne, sobald die alle in so einem Zusatzjob sind, gelten die nicht mehr als arbeitslos, sie sind nur ,Arbeitssuchende' und werden somit aus der Statistik rausgenommen.
Und damit das auch wirklich klappt, hat man Zumutbarkeitsregelungen erlassen, also zumutbar ist jedem Erwerbsfähigen jede Arbeit, auch bei stark untertariflicher Entlohnung bis an die Grenze der Sittenwidrigkeit. Zumutbar für reguläre Jobs ist Mobilität bis in ein anderes Bundesland, auch Pendelzeiten bis zu drei Stunden täglich sind zumutbar, wenn Arbeit dadurch zu bekommen ist. Die 1-Euro-Jobber, die den Zumutbarkeitsregelungen besonders unterworfen sind, dürfen als kleinen Anreiz die volle Summe des Zuverdienstes behalten, während die Zuverdienstregelung sonst bei maximal 30 Prozent liegt. Falls aber das Zuckerbrot nicht zieht, dann haben wir ja noch die Peitsche in Form der Sanktionen, die regelwidrigem Verhalten und unverschämtem Anspruchsdenken ein Ende machen. Wer zum Beispiel die Eingliederungsvereinbarung verweigert, dem wird sie per Verwaltungsakt festgesetzt und es kommt zu einer 30-prozentigen Leistungskürzung. Bis 100 Prozent bei weiteren Weigerungen. Jugendlichen wird rigoros alles gestrichen. Kosten für Unterkunft und eventuellen Mehrbedarf (bei Diabetes usw.) bleiben erst mal unberührt, schon um Obdachlosigkeit zu verhindern. Jede Strafe gilt für drei Monate. Es können Sachleistungen, Lebensmittelscheine beantragt werden, aber das wird dem Kunden nicht unter die Nase gehalten, wer's nicht weiß, muss verzichten. Also es gibt eigentlich keinen triftigen Grund, eine Arbeit zu verweigern, außer Sie sind physisch oder psychisch krank, sind also nicht diese Mindestzeit von drei Stunden täglich erwerbsfähig, dann wird das erst mal überprüft, die Behörde hat einen eigenen medizinischen und psychologischen Dienst, da haben Sie sich vorzustellen zur Untersuchung. Und egal, was an Gutachten von Hausärzten usw. existiert, was an Befunden vorliegt, Sie werden von diesem medizinischen Dienst überprüft und begutachtet. Befindet man Sie als erwerbsunfähig, sind Sie ein Fall fürs Sozialamt, das gibt es für die Nichterwerbsfähigen ja nach wie vor; und für ältere und alte Frauen zum Beispiel, die ganz fürchterlich kleine Renten bekommen, die alle bekommen ,Sozialgeld', so heißt es jetzt.
Ich möchte noch hervorheben, dass der typische Alg-II-Empfänger, der EHB, der erwerbsfähige Hilfsbedürftige, längst nicht mehr der stark tätowierte Kunde ist, der mit der Bierflasche in der Warteschlange steht, nein, das ist die Krankenschwester, die Kindergärtnerin, die Verkäuferin, das ist der Industriekaufmann, der kleine Selbstständige. Denn es trifft vermehrt auch den Mittelstand, und zunehmend kommen auch Führungskräfte und Akademiker, die alle dem gleichen Ritual unterworfen werden. Und diese Gruppe ist natürlich von Hartz IV besonders getroffen, denn das gehörte bisher eher nicht so zu den Lebenserfahrungen in diesem sozialen Milieu. Also stellen Sie sich eine Führungskraft vor, die durch eine Übernahme oder eine Fusion plötzlich ausgebootet wurde, und weil er schon zu alt war, auch keinen Posten mehr gefunden hat. Also die Tür geht auf und da kommt dieser typische erfolgreiche Businessman, wie man ihn von Bildern kennt, der kommt herein, Anfang 50, seit eineinhalb Jahren arbeitslos, jemand, der niemals mit der Bahn zur Arbeit gefahren ist - aber Sie können sich ebenso gut einen Journalisten, einen Arzt oder Juristen denken - und der Mann hat natürlich ein entsprechendes Auto, die entsprechende Wohnung, war vielleicht Kunstliebhaber oder bibliophil, hat kleine Schätze, die entsprechende Wohnung, den entsprechenden Lebensstandard, zwei Kinder auf der Uni, geschieden. Und dieser Mann muss nun einen Antrag auf 345 Euro im Monat stellen, und alles offen legen, alles vorlegen! Er weiß, seit dem 1. Mai gibt es kein Bankgeheimnis mehr. Er hat eine 150 Quadratmeter große Luxuswohnung zur Miete. Er hat Zeitungs- und Buchabos, er geht aus, ins Theater, in die Oper usw., das alles konnte er als Empfänger von Arbeitslosengeld und auch bei der abgestuften Arbeitslosenhilfe zahlen, denn er bezog den Höchstsatz. Mit Hartz IV ist das vorbei. Nun sind all seine Bilder, seine wertvollen Gegenstände und Besitztümer ,in Geld messbare Güter', die zu berücksichtigen sind bei der Anrechnung aufs Vermögen, die auf dem ,ortsüblichen Markt' veräußert werden müssen. ,Angemessener' Hausrat kann behalten werden, also Gegenstände, die zum Wohnen und zur Haushaltsführung ,nötig und üblich' sind. Unter 58 dürfen Sie ein frei verfügbares Vermögen von 200 Euro pro erreichtem Lebensjahr haben, was drüber geht, wird auf die Gesamtbedarfssumme angerechnet. Ein ,angemessenes' Auto darf man behalten (Wiederverkaufswert von höchstens 5.000 Euro), Aktien, Fondsanlagen usw. müssen aufgelöst und verwertet werden, auch wenn Verluste entstehen. Also unser Mann wird zuerst sein Vermögen aufbrauchen müssen, wenn das auf null ist, dann würde sein Anspruch wieder aufleben. Das ist natürlich der Moment, wo den Leuten die Tränen in die Augen treten.
Ich will Ihnen die prekäre Lage eines Alg-II-Empfängers mal ganz kurz vor Augen führen, von den 345 Euro bleiben nach Abzug der Heißwasser- und Stromkosten, nach Abzug von Fahrtkosten, Bank- und Praxisgebühren, Grundgebühr für Telefon usw. kaum noch nennenswerte Beträge übrig für Lebensmittel, Tabak, Schwimmbad, Friseur. Da können Sie alles streichen, Zeitung, Bücher, Kultur, Kino, Essen gehen, Kleidung, den schnellen Internet-Zugang, Ihr Auto sowieso. Alg-II-Empfänger mit zu teuren Wohnungen haben ein halbes Jahr Zeit zum Umziehen, irgendwo an den Stadtrand oder in eine Hinterhauswohnung. Also das ist kein Leben, mitten im gesellschaftlichen Reichtum, den diese Herren der Hartz-Kommission ja ganz selbstverständlich und im Übermaß für sich in Anspruch nehmen. Nein, das ist staatlich verordnetes Vegetieren, jenseits vom normalen - noch normalen - gesellschaftlichen Leben. Was dabei herauskommt, ist die Produktion von Parias. Das ist dem Mittelstand und den gebildeten Schichten immer noch nicht klar, dass die Maßnahmen auch sie erfassen können, deshalb wundert mich eigentlich die Ruhe im Lande.
Sie fragen mich, weshalb ich Ihnen das alles eigentlich erzähle? Die Antwort ist ganz einfach: Ich gehöre zu der Generation, die gelernt hat, dass man zum Unrecht nicht schweigen darf, so wie es die Generation unserer Eltern weitgehend getan hat. Und ich habe schon viel zu lange geschwiegen! Das Problem ist ja nicht neu, das ging ja schon los, als die Massenarbeitslosigkeit unübersehbar wurde, und keiner von uns durfte den Begriff in den Mund nehmen, ich glaube, damals waren es zwei Millionen, am Ende der Ära Schmidt. Und verdoppelt hat Kohl. Schröder hat größtenteils geerbt und die Sache nun vollends in den Sand gesetzt. Die Rot-Grünen hatten die Chance, was wirklich Modernes zu tun: Einführung eines existenzsichernden, bedingungslosen Grundeinkommens. Das Geld ist da und wird verpulvert. Für den Erhalt von vorsintflutlichen Privilegien. Seit 30 Jahren gibt es keine Demokratie mehr. Auch das fing unter Schmidt schon an, dass ein kanzlerdiktatorischer Staat durchgezogen wird, dass die Verfassung permanent unterhöhlt wird, durch höchstrichterliche Beschlüsse in Karlsruhe, die die Krisenentscheidungen einer der drei Gewalten immer wieder verfassungsmäßig absegnen. Auch das, was der Bundespräsident jetzt zu den vorgezogenen Wahlen gesagt hat, war windelweiches Absegnen. Gleichzeitig gibt der Staat durch Privatisierung viele seiner ureigenen Aufgaben auf, ohne sich legitimieren zu müssen, wozu er denn eigentlich noch da ist in Form einer schwerfälligen, teuren, ineffizienten Bürokratie und Behördenqualle. Es gibt Gerüchte, dass sich die hohen Herren von Gerling und Allianz in Nürnberg die Klinken in die Hand geben, es geht um die Privatisierung der Arbeitslosenversicherung, um die Privatisierung der Bundesagentur letztlich. Zu all dem darf man einfach nicht schweigen, es belastet mich. Ich bin ja nicht gerade eine Revolutionärin, aber ich habe eigentlich ein ganz klares, nennen wir's mal ,christlich-protestantisches' Weltbild, und da geht es zentral um so was wie soziale Gerechtigkeit und Solidarität.
Und deshalb sehe ich natürlich jeden Tag rot, wenn so eine gewaltige Fehlentscheidung wie Hartz IV von uns Beamten durchgeboxt werden soll. Wir wissen genau, es gibt keine Arbeitsplätze, aber ich stehe unter dem Leistungsdruck, bestimmte Vermittlungszahlen, pro Vierteljahr, pro Halbjahr, pro Jahr zu erbringen. Also bin ich auf das Wohlverhalten, die Fügsamkeit des Kunden total angewiesen. Und dieses Wohlverhalten erzeuge ich, indem ich meinerseits Druck ausübe, oder, was fast noch schlimmer ist, indem ich den Kunden wie einen Menschen behandle. Was aber eigentlich anzustreben ist, er muss vermittelt werden. Und da gibt es eben die ,vermittlungsrelevanten Merkmale', die datenmäßig erfasst werden. Es gibt Schlüsselkennziffern, mit denen auch jedes Gespräch, das stattfindet, festgehalten wird, und hinter so einer Kennziffer steht zum Beispiel, ich habe dem Kunden einen Vermittlungsvorschlag für einen Zusatzjob ausgedruckt, damit ist der Tatbestand ,Vermittlungsangebot' bereits erfüllt und geht in die Statistik ein, der nächste Schritt ist natürlich, dass der Kunde auch in die Maßnahme eingeschleust wird und aus der Arbeitslosenstatistik verschwindet. Und unsere Auflage ist nun, so viel wie möglich vermittlungsrelevante Merkmale zu erzeugen, denn bis zum 30. 12. sollen alle unter 25 in einer Maßnahme drinstecken, und die über 25 sollen auch vermittelt werden, wie soll das gehen? Achtzig Prozent der Arbeit, die wir täglich machen, geht in die Bewältigung von Verschlüsselung, in die Herstellung der Statistik! Dabei sollen wir uns ,intensiv' um die Arbeitslosen kümmern, Fakt ist aber das reinste Chaos in den Jobcentern bundesweit. Gedränge, Schlangen, lange Wartezeiten, überlastete und genervte Sachbearbeiter, verschwundene Akten und Unterlagen, kaum Auskunft, dauernd besetzte Telefonleitungen.
Es gibt so genannte Taktzeiten. In den ,Kundenzentren', zu denen bis Ende 2005 alle Arbeitsagenturen verwandelt werden sollen - sieht dann aus wie bei den Banken - sind nur noch drei Minuten vorgesehen, in denen der Kunde abgefertigt sein muss. Für Antragsteller gibt es noch 15 bis 30 Minuten, für den Erstantrag, für 16 Seiten! Wenn's absehbar ist, er braucht länger, dann nach Hause schicken mit Merkzettel über das, was fehlt, und: ,Der Nächste bitte!'. Aller Druck, alles, was die Behörde grundsätzlich nicht fähig ist zu leisten, wird gnadenlos auf den Kunden abgewälzt. Und es entsteht auch dadurch so eine brutale Überheblichkeit, die in den internen Gesprächen immer wieder zum Vorschein kommt: Keiner von denen will in Wirklichkeit arbeiten, die wollen nur die Kohle, alles notorische Arbeitsverweigerer, ja wissen denn die Arschlöcher immer noch nicht, dass jede Arbeit zumutbar ist? Bei mir haben die nichts zu lachen, da heißt es fordern! Das ist so der Tenor, und leider muss ich sagen, sind dabei die Frauen die Schlimmeren, zu 80 Prozent bestimmt. Aber es gibt eben auch die andere Seite, die Kritischen, und das werden immer mehr nach dem ersten Schreck über den völligen Umbau der Bundesanstalt. Es ist einfach nicht zu übersehen, was los ist, was vor sich geht. Das Ganze ist ja von Wirtschaftsleuten nach wirtschaftlichen Kriterien kreiert worden, es soll unternehmerisch gedacht und gehandelt werden, marktorientiert. Der Bismarck'sche Sozialversicherungsstaat wird in einen Almosenstaat verwandelt, die sozialversicherten Arbeitslosen in ein Heer von Almosenempfängern und billigen Dienstleistungssklaven. Die können ja keinen ,sozialen Frieden' mehr gefährden.
Und was uns, die BA betrifft, unser Unternehmensauftrag ist offiziell Arbeitsvermittlung. Aber nicht die Vermittlung von Arbeit ist das Ziel. Das eigentliche Unternehmensziel ist der Selbsterhalt der Behörde - wie überall - wenn möglich, die Vergrößerung der Behörde durch bürokratische Mastkuren. Denn eigentlich macht sie primär eins: Sie macht Statistik. Ihr Auftrag ist, eine positive Statistik zu produzieren. Und so wird sie ganz automatisch zu einer Maschinerie des Betrugs und Selbstbetrugs. Mit einem riesigen Apparat an Personal, Material, Geld, Gebäuden, Kunden, Fragebögen, Akten kümmern wir uns energisch um die Verbesserung der Arbeitslosenstatistik. Was ja der reinste Wahnsinn ist, angesichts von inzwischen über sechs Millionen Arbeitslosen - also ich rechne über den Daumen gepeilt die herausgerechneten Arbeitslosen wieder mit rein. Solche Zahlen hatten wir das letzte Mal 1933 und wir wissen, wozu sie geführt haben. Aber darüber darf nicht gesprochen werden, auch nicht intern, höchstens mal im kleinen Kollegenkreis, oder mal privat mit Kolleginnen, das grenzt nämlich an Hochverrat, und deshalb ist das Thema einfach tabu. Es ist doch ein Skandal, dass kein einziger von den entscheidenden Leuten es wagt, sich hinzustellen und zu sagen: Okay, wir ziehen das jetzt rigoros durch und wir machen das, weil wir es so haben wollen, nicht weil mit Hartz IV Arbeitsplätze entstehen. Basta! Das wagt keiner. Das mit den versprochenen Arbeitsplätzen ist natürlich eine Illusion. Es gibt keine Arbeitsplätze und es wird auch keine geben. Nie mehr! Keiner kennt dieses Dilemma besser als die Behörde.
'Arbeit, nein danke!' - Bericht von Rita Knobel-Ulrich
Offener Brief von Hans-Dieter Hey an die Programmdirektion des Ersten Deutschen Fernsehens, 25.8.2005
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Knobel-Ulrich,
wieder einmal hat die ARD in vorauseilendem politischem Gehorsam deutlich gemacht, wen sie mit ihrem Bericht vertritt: die vereinheitlichte politische Lobby und die Wirtschaftslobby. Und nicht nur das! Der Bericht macht deutlich, dass sich Stimmungsmache und Hetze auf die Benachteiligten dieser Gesellschaft offenbar günstiger auf die Quote auswirkt, als sauber recherchierte journalistische Arbeit.
Sie liefern damit gegen die Bürgerinnen und Bürger im Lande eine politische Steilvorlage für eine weitere Prekarisierung der Arbeit und die Zerstörung der sozialen Sicherungssysteme, genauso, wie dies vor "Hartz IV" bereits geschehen ist. Damit reiht sich die ARD auch mit diesem Bericht in die inzwischen nahezu gleichgeschalteten vulgären Medien in Deutschland ein und macht es damit einfacher, auf die ARD künftig zu verzichten. Warum ist das so zu sehen?
Es wird in dem Bericht auch nicht nur angedeutet, dass sich im Bereich der Arbeitsplätze seit Jahren ein verheerende Situation entwickelt, die nicht vom Himmel gefallen ist, sondern durch neoliberale Fehlentwicklungen verursacht wurde. Die Amerikanisierung der Arbeitsverhältnisse bedeutet, dass immer mehr Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen arbeiten müssen, die ein Überleben kaum noch sichern. Die Zahl derer, die zwei und drei Jobs für das Überleben brauchen, wächst auch bei uns atemberaubend.
Nichts davon ist in ihrem Bericht!
Es wird in ihrem Bericht dargestellt, dass man eigentlich mit 345 Euro ALG II im Monat wie ein Fürst leben kann. Sie haben nicht davon berichtet, dass sich dieser Betrag an der Sozialhilfe aus dem Jahr 1998 orientiert, der durch Veränderung des zugrunde liegenden Warenkorbes außerdem noch um 20 % durch die rot-grüne Regierung gesenkt wurde!
Auch die inzwischen nachgewiesenen Preissteigerungen durch die Einführung des Euro sind nicht berücksichtigt. Sie lagen zwischen 10 und 30 % für die wichtigsten Artikel des täglichen Lebensbedarfs. Bereits 1998 reichte die Sozialhilfe nach Untersuchungen der Europäischen Gemeinschaft für eine kulturelle Existenzsicherung in Deutschland nicht aus.
Nichts davon ist in Ihrem Bericht!
Bei der Darstellung ihrer 1-Euro-Jobs haben sie nicht darauf hingewiesen, dass dieser zusätzliche eine Euro gar kein Verdienst ist, sondern eine Aufwandsentschädigung, die meist nur zu 70 ct ausgezahlt wird! Die einzigen, die an diesem modernen Sklavenhandel verdienen, sind die privatisierten Vermittler, bei denen keine reguläre Arbeit im Anschluss mehr zu vermitteln ist! Bei 15 Stunden in der Woche und angenommenen 300 Euro Mieterstattung der Arbeitsagentur erhält ein Betroffener 677 Euro, von dem er noch die Fahrtkosten zahlen muss. Würden sie dafür arbeiten? Einem ALG-IIEmpfänger stehen täglich 4,23 Euro zum Überleben zu. Können sie sich dafür gesund ernähren? Ich frage Sie allen Ernstes: Können sie sich selbst dies auch nur für zwei Jahre vorstellen? Erwerbslose werden inzwischen sogar durch die Arbeitsagenturen unter Druck gesetzt, Jobs zu akzeptieren, die unterhalb von Mietzuzahlung zuzüglich ALG II liegen, also unterhalb des derzeit gültigen Existenzminimums. Die medizinischen Zuzahlungen für Erwerbslose, die früher erstattet wurden, gibt es für Erwerbslose nicht mehr. Schließlich lagen die Preissteigerungen nach Einführung der rot-grünen "Gesundheitsreform" bei 20 %. Würde es ihnen leicht fallen, wenn sie mit 345 Euro im Monat plötzlich eine Brille für 100 Euro zahlen müssten?
Warum täuschen sie die Menschen mit ihrem Bericht so?
Sie haben überhaupt nicht verstanden, dass es bei der Einführung der 1-Euro-Jobs nicht darum geht, Menschen in menschenwürdige Arbeit zu vermitteln, sondern mit Blick auf die Bundestagswahl die Zahl der offenen Arbeitsplätze künstlich zu erhöhen, um der politischen selbsternannten Elite zum Überleben zu verhelfen. Es geht nämlich hier um Arbeitsplätze, die entweder nicht wirklich vorhanden sind oder reguläre Arbeitsplätze verdrängen!
Warum informieren sie die Menschen nicht darüber?
Um deutlich zu machen, das Erwerbslose nicht arbeiten wollen, greifen sie in die unterste Schublade des Vulgär-Journalismus und zeigen Menschen, die sich einfach nicht zu helfen wissen und am Rande ihrer eigenen Möglichkeiten stehen. Dagegen bemühen sie einen Fischhändler mit nicht besonders hervorstechenden intellektuellen Merkmalen, der eine Bewerberin wegen ihres Modeschmucks ablehnt und erzeugen in journalistisch unerlaubter Weise Stimmung.
Eine solche Art der Berichterstattung ist doch unerträglich!
Es ist schier unglaublich, wie in diesem Bericht die Tatsachen verkehrt werden! Sie wollen doch sagen, dass es genügend Arbeit gibt, sie aber nur nicht angenommen wird. Warum sagen sie nicht, das eine Reduzierung der Erwerbslosigkeit bei ca. 7 Mio. fehlender Arbeitsplätze und 300.000 geschätzten offenen Stellen überhaupt nicht möglich ist. Von 1991 bis 2004 wurden fast 6 Mio. Vollzeitarbeitsplätze vernichtet. Und nicht schlimm genug: Zukunftsberechnungen gehen davon aus, dass künftig nur für ca. 20 % der Menschen Existenz sichernde Arbeit vorhanden sein wird. Warum fehlen diese wichtigen Informationen in Ihrem Bericht und wem wollen sie mit ihrem Bericht dienen?
Bei einem Regierungswechsel will eine schwarz-gelbe Regierung den Regelsatz von 345 Euro um 30 % senken. Die Bertelsmann-Stiftung ist gar dafür, dass nur noch die Miete gezahlt wird. Die Bertelsmannstiftung! Merken sie als Journalistin denn überhaupt nicht, wer hier Politik macht? Warum trauen Sie sich nicht, die Wahrheit zu sagen?
Hochachtungsvoll Hans-Dieter Hey, Köln
Re: RotGrün's verbrecherischer Umverteilungscoup von Unten nach Oben
Wem gehört das Geldgebirge von 4,1 Billionen Euro?
Informationen über die Vermögensverteilung in Deutschland, 14.9.2005
Montage: arbeiterfotografie.com
Die Bundesregierung förderte mit ihrer Politik der permanenten Senkung des Spitzensteuersatzes genau die Spitzenverdiener, deren Einkommen in den vergangenen Jahren weit überdurchschnittlich gestiegen sind und die erhebliche Teile davon sparen, d.h. in die Geldvermögensbildung (Aktien, Wertpapiere, Fonds) stecken, der Konsumgüter- und Binnennachfrage also entziehen.
Einen Hinweis gibt auch die Entwicklung des Privaten Geldvermögens und seine Verteilung. Dieses Geldgebirge hat sich von 1992 bis 2004 in seiner Höhe von 2 Billionen Euro auf 4,1 Billionen Euro mehr als verdoppelt. Nach dem "World Wealth Report" der Investmentbank Merrill Lynch, besitzt in Deutschland weniger als 1 Prozent der Bevölkerung (756.000 "High Net Worth Individuals") etwa 60 Prozent dieses Geldschatzes.
Würde der Staat diesen Superreichen nur 5 Prozent wegsteuern - in etwa der jährliche Vermögenszuwachs - könnte er 120 Milliarden Euro für zusätzliche Staatsnachfrage, für Infrastruktur-, Bildungs- und ökologische Investitionen, requirieren.
Der Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e.V. (AMP) hat seine Mitgliedsunternehmen nach möglichen Auswirkungen der so genannten 1-Euro-Jobs befragt. Die Ergebnisse unserer Umfrage kann man nur als dramatisch bezeichnen, sagte der Vorstandssprecher des AMP, Peter Mumme, heute in Berlin. Dass diese Zahlen herauskommen würden, hat uns selber überrascht. Auf den ersten Blick, so Mumme weiter, wirkten die Umfrageergebnisse nicht so erschreckend. Immerhin hätten auf die Frage, ob die 1-Euro-Jobs zu Stellenverlusten bei den Mitgliedsunternehmen geführt hätten, 59% mit Nein geantwortet. Wenn ich aber daran denke, dass uns von der Politik immer wieder gesagt wird, dass dieses Arbeitsmarktinstrument definitiv kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis verdrängen dürfe, dann ist es schon dramatisch, wenn 37% unserer Mitglieder durch 1-Euro-Jobs Stellen verloren haben.
Noch schlimmer werde es, betonte Mumme, beim Blick auf die von den AMP-Mitgliedsunternehmen gemeldeten Stellenverluste. Allein hier seien mehr als 570 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse verloren gegangen, weil Kunden der Zeitarbeitsunternehmen aus Kostengründen auf 1-Euro-Kräfte ausgewichen seien. Das ist aber nur die Spitze des Eisberges, sagte Mumme, denn bei dieser Zahl handelt es sich ja nur um die Stellenverluste, die uns bekannt geworden sind. Betroffen seien dabei fast alle Branchen, besonders zwar der Pflegebereich, die Abfallwirtschaft und der Reinigungsbereich, aber u. a. die Elektrobranche und der kaufmännische Bereich. Von den Unternehmen, die Stellenverluste hinnehmen mussten, so Mumme weiter, hätten sogar drei Prozent mehr als 50 Arbeitsplätze verloren.
Unsere Umfrage zeigt, dass einmal mehr von der Politik das Kind mit dem Bade ausgekippt wurde. Wenn auf diese Weise weiter Arbeitsmarktpolitik gemacht wird, müssen wir uns nicht wundern, wenn unsere Sozialsysteme endgültig zusammenbrechen. Eine künftige Bundesregierung sollte sich schnellstens von den 1-Euro-Jobs verabschieden, damit in Deutschland nicht noch mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse verloren gehen als ohnehin schon, so Mummes Resumé.