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Das Glück des Zauberers

Das Glück des Zauberers

Es war einmal ein braunes Wasser. Das befand sich in einem runden Glas, welches auf einem großen Schreibtisch stand. Dieser wiederum gehörte einem alten Zauberer.

Jedes Mal, wenn der Zauberer schlechte Laune hatte oder traurig war, setzte er sich an seinen Schreibtisch und steckte seinen Zeigefinger in das Glas mit dem braunen Wasser. Dann schrieb er mit dem Finger auf ein großes weißes Blatt Papier: WOW! und hängte es an die Fensterscheibe, so daß alle Leute, die vorbeigingen, es lesen konnten.

Die Leute gingen vorbei, manche lasen das Wort, schüttelten den Kopf und dachten: der alte Zauberer spinnt mal wieder. Nur ein kleiner Junge blieb stehen, sah sich das Wort genau an, überlegte und klopfte ans Fenster. Der Zauberer schaute erstaunt, öffnete dem Jungen das Fenster und bat ihn, hereinzukommen. Der Junge kletterte über das Fensterbrett und fragte den Zauberer, ob er traurig sei. "Wie kommst Du denn darauf?" fragte der Zauberer verwundert. "Du musst sehr traurig sein; würdest Du sonst immer 'Weh Oh Weh' auf dein Blatt schreiben und es allen Leuten zeigen?"

Der Zauberer war ganz still, sah den Jungen mit großen feuchten Augen an und sagte dann leise: "Ich glaube, du bist sehr weise, viel klüger als ich; ich wußte gar nicht genau, was ich tat, als ich das Wort aufschrieb. Es stimmt, ich bin oft sehr traurig und einsam, und ich habe mir immer gewünscht, dass jemand meinen Zettel liest und hereinkommt. Aber niemand ist bisher gekommen..."

Der Zauberer wollte den Jungen an seiner Freude teilhaben lassen und fragte, was er sich denn wünsche; er könne ihm alles herbeizaubern, was er haben wolle. Der Junge überlegte lange und sah sich sorgfältig im Schloss des Zauberers um. Da fiel sein Blick auf das Glas mit dem braunen Wasser, und er fragte den Zauberer, was das sei. Der Zauberer erklärte es ihm. Da sagte der Junge: "Ich möchte das Glas mit dem braunen Wasser haben." "Aber was willst Du denn damit?" fragte der Zauberer. "Es wegschütten", sagte der Junge stolz, "du brauchst es ja nicht mehr; und ich habe einen neuen Freund; einen, wie ich ihn mir schon immer gewünscht habe." Da lachte der Zauberer und gab dem Jungen das Glas.

Der Junge lief zur Tür hinaus und schüttete es sofort in die Straßenrinne; und das braune Wasser floss durch die ganze Stadt. Die Leute rannten wie immer vorbei und sahen nichts; nur einige rümpften die Nase und meinten: "Da hat wieder jemand seine ganze Scheiße auf die Straße geschüttet. Unverschämt, solcher Dreck! Wenn das jeder machen würde...! Die schönen Straßen!"

Und weil die Leute so denken, sind bis heute die Menschen traurig und einsam - und die Straßen sauber.