Stern-Interview
Miroslav Klose
Ganz oben angekommen: Miroslav Klose steht auf dem Zehn-Meter-Turm im Schwimmbad neben dem Bremer Weserstadion. "Herr Klose, Sie haben doch hoffentlich nicht Höhenangst?" Er lacht. "Hey, ich bin gelernter Zimmermann." In seiner neuen Heimat Bremen hat sich der gebürtige Pole inzwischen gut eingelebt. Ob er für immer bleiben will? "Das weiß ich nicht", sagt er. "ich will auf jeden Fall noch mal bauen." Gelernter Zimmermann eben...
Herr Klose, Sie sind in Polen geboren und spielen bei der WM gegen Ihr Heimatland. Das muss ein komisches Gefühl sein, oder?
Überhaupt nicht. Ich fühle mich als Deutscher durch und durch.
Aber mit Ihrem Sturmpartner Lukas Podolski sprechen Sie doch ab und zu Polnisch.
Ab und zu? Fast immer! Wissen Sie, Polnisch ist so eine schöne Sprache, ich bin froh, dass ich sie beherrsche. Es gibt Dinge, die sag ich lieber in meiner Muttersprache.
Sprechen Sie mit Lukas oft über Erinnerungen an Ihre Heimat?
Meistens sprechen wir übers Kochen.
Wie bitte? Übers Kochen?
Die polnische Küche ist fantastisch. Sie hat zwar viele Gerichte, aber meistens kocht man dasselbe. Da unterhalten wir uns gerne drüber. Pirogi zum Beispiel, das sind gefüllte Maultaschen, oder Koromki, das ist Reis mit Hackfleisch und Kräutern in einem Weißkohlblatt.
Sie sind schon als Kind viel umgezogen - in Polen geboren, fünf Jahre in Frankreich gelebt, mit achteinhalb in die Pfalz gekommen.
Es war schon schwierig. Wir mussten uns alles selbst erarbeiten, von der Sprache bis zur Waschmaschine. Ein paar Monate nachdem wir angekommen waren, fing schon die Schule an. Ich hätte normalerweise in die 4. Klasse kommen müssen, aber ich konnte die Sprache nicht, also bin ich lieber in die 2. Klasse gegangen. Im Nachhinein hat mir das geholfen, so habe ich die Sprache von Grund auf gelernt. Ich habe schnell Deutsch gelernt, ich bin ja immer nach der Schule mit den Jungs auf den Bolzplatz gegangen. Gott sei Dank konnte ich durch meine fußballerischen Qualitäten überzeugen. Jeder wollte mich in seiner Mannschaft haben.
Sie kamen mit Ihren Eltern und Ihrer Schwester über das Spätaussiedlerlager Friedland nach Deutschland. Ist Ihnen das noch präsent?
Ich weiß noch, wir sind da durch so eine Schranke reingegangen. Wir waren mit mehreren Familien in einem Zimmer, und alle haben auf die Pässe gewartet. Das hat eine Woche gedauert oder ein paar Tage. Es war brutal. Ständig hat jemand geweint, Kinder wurden krank, es war laut, hektisch, immer gab es überall Geschrei, irgendeine Mutter hat immer nach ihrem Kind gerufen. Meine Schwester und ich sollten uns nicht vom Fleck bewegen, meine Eltern haben alles erledigt. Mit der Schranke, die nach oben ging, fing unser neues Leben an.
Haben Sie damals alles verstanden, was in diesem Lager vor sich ging?
Nicht richtig. Erst jetzt, wo man älter ist und drüber spricht, begreift man das alles. Als Kind hat man vieles nicht so wahrgenommen. Es gab zum Beispiel nur eine Toilette, da ist jeder drauf gegangen. Und dann gab es 25 Bidets, und die Leute haben mit dem Kopf auf den Knopf gedrückt und sich die Füße darin gewaschen. Wusste ja damals keiner, was ein Bidet ist.
Helfen Ihnen diese Erfahrungen, Ihren Wohlstand heute richtig einzuschätzen?
Absolut. Friedland hat mich geprägt. Man darf nie vergessen, wo man herkommt.
Besuchen Sie denn Ihre Heimat noch regelmäßig?
Ich versuche, es einmal im Jahr zu schaffen. ich habe noch Onkel und Tanten dort, und bei denen quartieren wir uns dann ein. Meine Frau ist auch aus Polen. Wir sprechen zu Hause Polnisch und Deutsch, auch mit den Kindern. Die sind jetzt 15 Monate alt und sollen zweisprachig aufwachsen.
Ist Polen eine Art Zufluchtsort für Sie?
Es ist wie eine Kur. Die Leute sind ganz anders als hier. Ruhiger, mit so wenig zufrieden. Das beeindruckt mich. Die müssen nicht immer haben, haben, haben. Die haben selber wenig und wollen noch geben.
Sind das die Werte, die Sie Ihren Kindern vermitteln wollen?
Absolut. Ich will ihnen klarmachen, dass man nicht alles haben muss, um glücklich zu sein, dass man sich auch mit weniger zufrieden geben kann. Dieses Ruhige in unserem Wesen will ich ihnen beibringen, und dass man keine große Klappe haben muss, und sich auf die wesentlichen Dinge konzentrieren sollte.
Haben Sie eine Idee, wo Sie später einmal leben wollen?
Darüber habe ich mit meiner Frau auch schon öfters gesprochen, aber ..., hm, keine Ahnung. Hier in Bremen war's am Anfang von der Mentalität her etwas schwieriger. Ich mache ja gern mal ein paar Späße, aber die Leute hier reagieren, wenn sie einen noch nicht so kennen, etwas reservierter. Das habe ich schnell gemerkt. Aber inzwischen haben wir uns super eingelebt. Wir brauchen mittlerweile nicht mal mehr das Navigationssystem, um uns zurechtzufinden...
Wo sind Sie denn am glücklichsten?
Momentan hier in Bremen. Aber auch in Polen fühle ich mich sehr, sehr wohl. Am glücklichsten bin ich dort, wo meine Frau und meine Kinder sind, egal, ob in Polen oder in Bremen.
Interview: Iris Hellmuth, Stern-WM-Extra
Herr Klose, Sie sind in Polen geboren und spielen bei der WM gegen Ihr Heimatland. Das muss ein komisches Gefühl sein, oder?
Überhaupt nicht. Ich fühle mich als Deutscher durch und durch.
Aber mit Ihrem Sturmpartner Lukas Podolski sprechen Sie doch ab und zu Polnisch.
Ab und zu? Fast immer! Wissen Sie, Polnisch ist so eine schöne Sprache, ich bin froh, dass ich sie beherrsche. Es gibt Dinge, die sag ich lieber in meiner Muttersprache.
Sprechen Sie mit Lukas oft über Erinnerungen an Ihre Heimat?
Meistens sprechen wir übers Kochen.
Wie bitte? Übers Kochen?
Die polnische Küche ist fantastisch. Sie hat zwar viele Gerichte, aber meistens kocht man dasselbe. Da unterhalten wir uns gerne drüber. Pirogi zum Beispiel, das sind gefüllte Maultaschen, oder Koromki, das ist Reis mit Hackfleisch und Kräutern in einem Weißkohlblatt.
Sie sind schon als Kind viel umgezogen - in Polen geboren, fünf Jahre in Frankreich gelebt, mit achteinhalb in die Pfalz gekommen.
Es war schon schwierig. Wir mussten uns alles selbst erarbeiten, von der Sprache bis zur Waschmaschine. Ein paar Monate nachdem wir angekommen waren, fing schon die Schule an. Ich hätte normalerweise in die 4. Klasse kommen müssen, aber ich konnte die Sprache nicht, also bin ich lieber in die 2. Klasse gegangen. Im Nachhinein hat mir das geholfen, so habe ich die Sprache von Grund auf gelernt. Ich habe schnell Deutsch gelernt, ich bin ja immer nach der Schule mit den Jungs auf den Bolzplatz gegangen. Gott sei Dank konnte ich durch meine fußballerischen Qualitäten überzeugen. Jeder wollte mich in seiner Mannschaft haben.
Sie kamen mit Ihren Eltern und Ihrer Schwester über das Spätaussiedlerlager Friedland nach Deutschland. Ist Ihnen das noch präsent?
Ich weiß noch, wir sind da durch so eine Schranke reingegangen. Wir waren mit mehreren Familien in einem Zimmer, und alle haben auf die Pässe gewartet. Das hat eine Woche gedauert oder ein paar Tage. Es war brutal. Ständig hat jemand geweint, Kinder wurden krank, es war laut, hektisch, immer gab es überall Geschrei, irgendeine Mutter hat immer nach ihrem Kind gerufen. Meine Schwester und ich sollten uns nicht vom Fleck bewegen, meine Eltern haben alles erledigt. Mit der Schranke, die nach oben ging, fing unser neues Leben an.
Haben Sie damals alles verstanden, was in diesem Lager vor sich ging?
Nicht richtig. Erst jetzt, wo man älter ist und drüber spricht, begreift man das alles. Als Kind hat man vieles nicht so wahrgenommen. Es gab zum Beispiel nur eine Toilette, da ist jeder drauf gegangen. Und dann gab es 25 Bidets, und die Leute haben mit dem Kopf auf den Knopf gedrückt und sich die Füße darin gewaschen. Wusste ja damals keiner, was ein Bidet ist.
Helfen Ihnen diese Erfahrungen, Ihren Wohlstand heute richtig einzuschätzen?
Absolut. Friedland hat mich geprägt. Man darf nie vergessen, wo man herkommt.
Besuchen Sie denn Ihre Heimat noch regelmäßig?
Ich versuche, es einmal im Jahr zu schaffen. ich habe noch Onkel und Tanten dort, und bei denen quartieren wir uns dann ein. Meine Frau ist auch aus Polen. Wir sprechen zu Hause Polnisch und Deutsch, auch mit den Kindern. Die sind jetzt 15 Monate alt und sollen zweisprachig aufwachsen.
Ist Polen eine Art Zufluchtsort für Sie?
Es ist wie eine Kur. Die Leute sind ganz anders als hier. Ruhiger, mit so wenig zufrieden. Das beeindruckt mich. Die müssen nicht immer haben, haben, haben. Die haben selber wenig und wollen noch geben.
Sind das die Werte, die Sie Ihren Kindern vermitteln wollen?
Absolut. Ich will ihnen klarmachen, dass man nicht alles haben muss, um glücklich zu sein, dass man sich auch mit weniger zufrieden geben kann. Dieses Ruhige in unserem Wesen will ich ihnen beibringen, und dass man keine große Klappe haben muss, und sich auf die wesentlichen Dinge konzentrieren sollte.
Haben Sie eine Idee, wo Sie später einmal leben wollen?
Darüber habe ich mit meiner Frau auch schon öfters gesprochen, aber ..., hm, keine Ahnung. Hier in Bremen war's am Anfang von der Mentalität her etwas schwieriger. Ich mache ja gern mal ein paar Späße, aber die Leute hier reagieren, wenn sie einen noch nicht so kennen, etwas reservierter. Das habe ich schnell gemerkt. Aber inzwischen haben wir uns super eingelebt. Wir brauchen mittlerweile nicht mal mehr das Navigationssystem, um uns zurechtzufinden...
Wo sind Sie denn am glücklichsten?
Momentan hier in Bremen. Aber auch in Polen fühle ich mich sehr, sehr wohl. Am glücklichsten bin ich dort, wo meine Frau und meine Kinder sind, egal, ob in Polen oder in Bremen.
Interview: Iris Hellmuth, Stern-WM-Extra
~ Dann der famose Miro Klose immer gut für ein schnelles Tor;
Wirbelt auf wie die Windhose;
So was wie du kommt zu selten vor!! ~
~~> Miroslaw Marian Kloze <~~
Danke, Miro!! ->11<-
100 % Werder Bremen