Was ist Vegetarismus
Definition
Die vegetarische Ernährungsweise geht auf den griechischen Philosophen Pythagoras (6. Jh. v. Chr.) zurück.
Vegetarische Kostformen bestehen ausschließlich oder vorwiegend aus Lebensmitteln pflanzlichen Ursprungs und beinhalten einen weitestgehenden Verzicht auf tierische Lebensmittel.
Man unterscheidet zwischen verschiedenen Formen des Vegetarismus, die sich nach Anteil erlaubter tierischer Lebensmittel sowie nach Art und Zubereitung der Pflanzenkost abgrenzen lassen. Somit ist auch eine ernährungsphysiologische Bewertung hinsichtlich der verschiedenen Gruppierungen in Bezug auf die Qualität der einzelnen Kostformen möglich.
Einteilung
Gruppe 1 (empfehlenswert)
Diese Gruppe besteht aus Personen, die bestimmte tierische Produkte meiden, andere Produkte dagegen wegen ihrer ernährungsphysiologischen Werte verzehren.
- Teil- und Halb-Vegetarier
Bei dieser Kostform wird lediglich auf Fleisch, Fisch und daraus hergestellte Produkte verzichtet. - Ovo-Lacto-Vegetarier
Neben pflanzlicher Kost werden auch Milch und Milchprodukte sowie Eier verzehrt, jedoch kein Fleisch und Fisch. - Lacto-Vegetarier
Die Ernährung erfolgt wie bei Ovo-Lacto-Vegetariern, jedoch wird hier zusätzlich auf den Genuss von Eiern verzichtet.
Gruppe 2 (wenig bis nicht empfehlenswert)
Diese Gruppe besteht aus strengen Pfanzenköstlern, so dass es bei unzulänglichen Kenntnissen über Ernährung zu Mangelversorgung mit bestimmten Nährstoffen kommen kann.
- Veganer (strenge Vegetarier)
Die Ernährung besteht ausschließlich aus Pflanzenkost. Tierische Produkte, wie Fleisch und Fisch, Milch und Milchprodukte, Eier und sogar Honig werden abgelehnt. Zusätzlich wird auch auf Gebrauchsartikel tierischer Herkunft , z. B. Leder, verzichtet. - Rohköstler (neue Vegetarier)
Auf den Genuss von Fleisch, Fisch, Eier, Milch und Milchprodukte sowie gekochter Nahrung wird verzichtet.
Sondergruppen (abzulehnen)
In der Sondergruppe treten die möglichen Nachteile vegetarischer Kostform in Erscheinung. Hierzu gehört u. a. der sog. "Pudding-Vegetarier". Dieser versucht zwar ausschließlich pflanzliche Kost zu verzehren, nimmt diese jedoch in verarbeiteter, isolierter, gereinigter und gekochter Form zu sich, so dass es leicht zu Mangelerscheinungen kommen kann.
- "Pudding-Vegetarier"
Die Ernährung besteht weitgehend aus verarbeiteten und erhitzten Fertigprodukten. - Fructaner / Frugivoren
Strenge Form der Rohköstler, verzehren ausschließlich Früchte
Gründe und Ziele
Vegetarier zu sein oder zu werden, bedeutet nicht nur eine besondere Ernährung, sondern ist auch Konsequenz einer bestimmten Lebensweise. Die Vegetarier bilden daher keine einheitliche Gruppe von Menschen, da die Gründe und Ziele ihrer Ernährungsweise recht unterschiedlich sind.
Die vegetarische Lebensweise wird aus gesundheitlichen Aspekten als therapeutische Maßnahme bei Zivilisationskrankheiten (z. B. Übergewicht) eingesetzt und kann diese bei rechtzeitiger Umstellung sogar verhindern und damit prophylaktisch wirken.
Aus ernährungsphysiologischer Sicht wird durch eine vegetarische Kostform vor allem die Fett- und Proteinaufnahme verringert, was sich in kosmetischer Hinsicht u. a. in einer Reduktion des Körpergewichts niederschlagen kann und somit auch einen der zahlreichen Beweggründe für die Ernährungsumstellung darstellt. Auch toxikologische Gründe, d. h. z.B. der Wunsch die Schadstoffaufnahme durch gezielte Nahrungsmittelauswahl zu verringern sowie ökologische Gründe, wie die Vermeidung von Veredlungsprodukten und die Schonung natürlicher Ressourcen spielen eine bedeutende Rolle bei dem Entschluss sich vegetarisch zu ernähren.
Beweggründe zu einer vegetarischen Ernährungsform können aber auch auf weltanschaulichen Aspekten beruhen, d. h. religiöser sowie auch ethischer Natur (Töten als Tabu) sein oder weil man aus ästhetischen Gründen, so z.B. den Anblick toter Tiere meiden will und deshalb die bisherige Ernährung umstellt. Nicht zuletzt sind auch philosophische Beweggründe zu nennen, die ihrerseits Einfluss auf die Denk- und Lebensweise und somit auch auf die Ernährungsweise des Menschen haben.
Es ist wichtig, die Beweggründe für die verschiedenen Formen des Vegetarismus zu kennen, damit das notwendige Verständnis für Vegetarier aufgebracht wird.
Nährstoffzusammensetzung
Durch die Ernährungsweise des Vegetariers verschiebt sich das Verhältnis und die Zusammensetzung der aufgenommenen Nährstoffe im Vergleich zu normaler Kost.
Kohlenhydrate
Bei einer vegetarischen Kost ist die Aufnahme von Kohlenhydraten im allgemeinen höher als bei einer normalen Kost.
Dabei steigt vor allem die Zufuhr an höherwertigen Mehrfachzuckern (z. B. Stärke) im Vergleich zu Einfachzuckern (z. B. Haushaltszuckern).
Der vermehrte Verzehr von Getreideprodukten, Früchten und Gemüse führt gleichzeitig zu einer Erhöhung der Ballaststoffzufuhr. Jedoch wird mit gesteigertem Konsum von Gemüse auch die Aufnahme bestimmter Substanzen erhöht, wie z.B. Phytinsäure oder Oxalsäure, die das Aufnahmevermögen von Mineralien verschlechtern können.
Fette
Auch hier ergeben sich ähnliche Unterschiede, da die aufgenommene Fettmenge und die Fettsäurezusammensetzung der vegetarischen Nahrung im Vergleich zur Nahrung von Nichtvegetariern variiert.
Die Zusammensetzung der Fette zeigt bei gleichzeitig reduzierter Gesamtfettaufnahme einen höheren Anteil von mehrfach ungesättigten Fettsäuren und einen verhältnismäßig geringeren Anteil von gesättigten und einfach ungesättigten Fettsäuren auf.
Nicht umsonst wird also empfohlen, dass Fette und Kohlenhydrate in einem Verhältnis, wie es bei Vegetariern der Fall ist, aufgenommen werden sollen.
Eiweiß
Die lebensnotwendigen essentiellen Aminosäuren sind in pflanzlichen Produkten wie Getreide, Hülsenfrüchten, Nüssen und grünen Gemüsesorten anteilsmäßig geringer vorhanden als in Nahrungsmitteln tierischer Herkunft. Diese weisen eine günstigere Aminosäurezusammensetzung und damit eine höhere Biologische Wertigkeit auf, da der Anteil der essentiellen Aminosäuren entsprechend erhöht ist.
Jedoch wird der Bedarf dieser Aminosäuren durch eine vegetarische Kostform in den meisten Fällen gedeckt, z. T. überschritten und ist von daher in der Regel als unproblematisch anzusehen. Vorraussetzung für eine bedarfsgerechte Ernährung ist vor allem eine richtige Zusammenstellung der Kost und damit auch eine entsprechende Versorgung mit essentiellen Aminosäuren.
Cholesterin
Da Cholesterin nur in sehr geringem Maße in Pflanzen und Mikroorganismen synthetisiert wird, handelt es sich dabei um ein typisches Produkt des tierischen Stoffwechsels. Dementsprechend nehmen Ovo-Lacto-Vegetarier weniger Cholesterin und Veganer nahezu kein Cholesterin mit der Nahrung auf.
Vitamine
Vegetarische Kost ist vor allem reich an Folsäure, den Vitaminen B1, C und E sowie dem Provitamin A (Beta-Carotin). Ein Vorteil einer solchen Kostform ist daher die höhere Aufnahme antioxidativer Vitamine.
Die Zufuhr durch die, hauptsächlich in tierischen Nahrungsmitteln enthaltenden, Vitamine D, B2 und B12 ist dagegen deutlich geringer. Hierbei muss insbesondere auf die ausreichende Zufuhr des "Problemvitamins" der Vegetarier, das Vitamin B12, geachtet werden.
Der Bedarf kann z. T. durch fermentierte Produkte wie Sauerkraut und andere milchsaure Produkte gedeckt werden. Um Vitaminmangelzuständen vorzubeugen, ist die zusätzliche Einnahme von Vitamin B12-Präparaten unerlässlich.
Natrium, Chlorid, Kalium
Die verminderte Zufuhr von Natrium und Chlor (durch weitgehenden Verzicht auf Kochsalz und den geringen Gehalt von Natrium in pflanzlichen Nahrungsmitteln) und die verhältnismäßig höhere Aufnahme von Kalium (in Gemüse) hat in erster Linie einen positiven Einfluss auf Personen mit Bluthochdruck.
Aus der Berliner-Vegetarier-Studie (Rottka, 1988) geht hervor, dass die Blutdruckwerte der Vegetarier niedriger liegen als in der Gruppe der Nichtvegetarier. Dies ist allerdings auch auf ein Zusammenwirken mehrerer Faktoren (u.a. niedrigeres Körpergewicht) zurückzuführen.
Phosphor
Auch die Aufnahme von Phosphor ist bei einer vegetarischen Ernährungsweise geringer als bei einer Normalkost, was sich positiv auf die Calcium-Versorgung auswirkt.
Calcium
Calcium ist vor allem in Nahrungsmitteln wie Milch und Käse in hohen Konzentrationen enthalten und steht bei entsprechender Kostform in ausreichender Menge zur Verfügung. Das Risiko einer Calcium-Unterversorgung besteht vor allem bei Kindern und Jugendlichen, sowie bei Veganern.
Magnesium, Zink
Die Zufuhr von Magnesium und Zink ähnelt der von Gemischtköstlern.
Eisen
Die Deckung des Eisenbedarfs erweist sich als problematisch, da es sich bei den wichtigsten Eisenlieferanten um Produkte tierischen Ursprungs handelt (Kalbs- und Rindfleisch, Leber etc.).
Obwohl einige pflanzliche Lebensmittel z. T. hohe Eisenkonzentrationen aufweisen, ist pflanzliches Eisen (Nicht-Hämeisen) wegen seiner geringen Bioverfügbarkeit nur in unzureichender Menge für den Menschen aufschließbar. Hinzu kommt noch, dass bestimmte Inhaltsstoffe in pflanzlicher Kost (z.B. Phytat) eine hemmende Wirkung auf die Eisenaufnahme ausüben. Die gleichzeitige Gabe von Vitamin C kann die Eisenausnutzung um ein Vielfaches erhöhen!
Jod
Das Risiko eines Jodmangels (z.B. Kropfbildung) wird durch Verzicht auf Fisch und Kuhmilch erhöht.
Mangelerscheinungen
Mangelerscheinungen können durch eine richtige Zusammenstellung der Kost sowie durch zusätzliche Verwendung geeigneter Supplemente, speziell bei kritischen Nährstoffen, vermieden werden.
Sie können in verschiedenster Weise und Ausprägung und mit erhöhter Häufigkeit bei bestimmten Personengruppen auftreten.
Die unzureichende Versorgung kann z. B. folgende Nährstoffe betreffen:
- Eiweiß
- Calcium
- Eisen
- Zink, Jod, Kupfer, Selen
- Vitamin D, B2, B12, Niacin
Beispiele für entsprechende Mangelerscheinungen können sein:
- vermindertes Körpergewicht und körperliche Belastbarkeit
- Calcium- und Vitamin-D-Mangel (durch unzureichenden Milchverzehr und mangelnder Aufenthalt im Freien) und damit ein Risiko für
- Osteoporose und Osteomalazie
- Jodmangel
- Zink- und Eisenmangel
- Mangel an Vitamin B12 (Anämien)
- weniger immunaktive Zellen, Müdigkeit, Appetitlosigkeit
- Mangel an Arachidonsäure im Säuglingsalter
Problemgruppen
Die Gefahr einer unzureichenden Bedarfsdeckung als Folge vegetarischer Kostformen ist besonders für Kinder, S chwangere und Stillende und Veganer von Bedeutung.
Säuglinge
Bei Säuglingen, die vegetarisch oder mit Pflanzenmilch ernährt werden, besteht die Gefahr einer Mangelversorgung mit essentiellen Aminosäuren, Calcium, Eisen und fast allen Vitaminen (insbesondere bei der sog. Mandelmilch).
Präparate aus Sojabohnen decken zwar den Bedarf an essentiellen Nährstoffen weitgehend ab, aber es wird insgesamt davor gewarnt "Kinder alternativ zu ernähren" und darauf hingewiesen, "dass der Gesundheitszustand, die Wiederstandskraft gegen Infektionen und die spätere Leistungsfähigkeit ausschließlich von einer zweckmäßigen Ernährung im Säuglings- und Kindesalter bestimmt wird" (Kasper, 1995).
Kinder
Während der Kindheit, d. h. also einer Lebensphase mit einem hohen Bedarf an essentiellen Nährstoffen, können sich als Folgen einer Mangelernährung Defizite im Bereich des Längenwachstums und Körpergewichts sowie rachitische Veränderungen der Knochen bemerkbar machen.
Grundsätzlich sollte deshalb bei Kindern auf eine ausreichende Zufuhr von Proteinen, Calcium, Eisen, Zink und entsprechenden Vitaminen geachtet werden.
Jugendliche
In neuerer Zeit wird insbesondere von jungen Menschen in den Industrieländern eine "alternative" Ernährungsform praktiziert.
Deshalb sollten sich vegetarisch ernährende Jugendliche und junge Erwachsene auch auf eine entsprechende Versorgung achten, um möglichen Energie- und Nährstoffmängeln vorzubeugen.
Veganer
Veganer sind durch ihre restriktive Ernährungsweise in besonderem Maße von den oben erwähnten Mangelerscheinungen betroffen.
Bewertung
Vorteile
Vegetarische und überwiegend pflanzenbasierte Kostformen bieten bei Berücksichtigung bestimmter Regeln eine R eihe von gesundheitlichen Vorteilen:
- Vegetarische Kost kann dazu beitragen, Übergewicht zu verhindern bzw. das Körpergewicht wieder normalisieren.
- Störungen wie z. B. Bluthochdruck, Diabetes mellitus und Herz- und Kreislauferkrankungen als Folge von Übergewicht treten bei Vegetariern seltener auf, da
- Risikofaktoren wie ein erhöhter Cholesterinspiegel und verminderte HDL- Werte (das sog. "gute Cholesterin"
durch reduzierte Fett- und Cholesterinaufnahme ausgeschaltet oder vermindert werden.
- Verstopfung und die damit verbundenen Risiken einer Folgeerkrankung (z. B. Darmkrebs, Hämorrhoiden) werden durch die ballaststoffreiche Kost vermindert.
- Eine vegetarische Kostform leistet somit einen Beitrag zur Senkung der Sterblichkeitsrate bei Erwachsenen.
Nachteile
- Bei einer vegetarischen Kostform wird ein Großteil der Nahrung naturbelassen verzehrt und stellt somit eine höhere Gefahr für Lebensmittelallergien dar. Besonders gefährdet sind hier Pollenallergiker, die größtenteils zu einer Kreuzallergie neigen. Eine vorherige Hitzebehandlung (z. B. durch Kochen) führt zu einem Verlust bzw. zu einer Verminderung der allergenen Potenz vieler Lebensmittel, die daraufhin meist reaktionslos vertragen werden.
- Vegetarier zeigen eine niedrigere Proteinaufnahme. Um einer Mangelversorgung mit essentiellen Nährstoffen vorzubeugen, ist deshalb auf einen großen Anteil an Leguminosen (insbesondere Sojabohnen, Nüsse, sonstige Samenfrüchte) in der Kost zu achten.
- In Bezug auf die Versorgung mit Mineralstoffen, Spurenelementen und Vitaminen (insb. bei Vitamin B12 und Eisen) ergeben sich bei der vegetarischen Ernährungsweise auch Nachteile. Daher ist auf eine geeignete Lebensmittelauswahl und eine evtl. Supplementation zu achten.
Fazit
Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht ist die ovo-lacto-vegetabile Kost als Dauerkost zu empfehlen und vor allem hinsichtlich der prophylaktischen Wirkung in Bezug auf heutige Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht und Bluthochdruck zu befürworten.
Voraussetzung ist allerdings ein guter Kenntnisstand über den ernährungsphysiologischen Wert der Lebensmittel sowie eine sorgfältige Lebensmittelauswahl und -kombination und evtl. die Verwendung geeigneter Supplemente (z. B. Eisen), um mit einer ovo-lacto-vegetabilen Ernährungsweise den Bedarf an Grundnährstoffen, Vitaminen und Mineralstoffen zu decken.
Die Berücksichtigung bestimmter Problemgruppen ist bei einer vegetarischen Ernährungsweise von besonderer Bedeutung.
Aber:
Ein Verzehr von nicht zu hohen Mengen an Fleisch und Fett und eine gleichzeitige Erhöhung des Obst- und Gemüseverzehrs sowie der Aufnahme an Vollkornprodukten (10 Regeln der DGE), ergänzt durch eine gesunde Lebensweise (Sport, Verzicht bzw. Einschränkung von Alkohol- und Nicotinkonsum) führt im Vergleich zur vegetarischen Ernährungsweise zu besseren oder gleichen Voraussetzungen für die Erhaltung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit sowie für das Erreichen eines hohen Lebensalters.