Geschichten - Storys

Ein Konzert mit Folgen

 Ein Konzert mit Folgen

Ein Konzert mit Folgen


Hallo* Ich kann auch nicht genau sagen, in welcher Zeit das Ganze spielt, angefangen habe ich diese Geschichte 1996, fertig geworden ist sie erst in diesem Jahr. Ich wünsche euch trotzdem viel Spaß beim Lesen!
Ich stehe alleine auf dem großen Konzertplatz. „Wenn wir uns verlieren, bleib da stehen, wo du bist!“, Ja, das hatte meine Freundin Stefanie am Anfang des Konzertes gesagt. Nun stehe ich hier und niemand ist zu sehen, ich kann noch nicht mal zu Hause anrufen, weil ich keinen Pfennig Geld habe und wo Stefanies Tante wohnt, weiß ich auch nicht. Wir sind zwar am Nachmittag von da aus zum Konzert gegangen, aber ich habe mal wieder nicht auf den Weg geachtet. Das Einzige, was ich jetzt noch habe ist mein Rucksack. Hastig versuche ich den Verschluss aufzumachen, aber in der Hektik verknotet sich das Band, das ist wieder so typisch für mich! Nach einiger Zeit bekomme ich den Knoten endlich gelöst und finde meine Taschenlampe, etwas zu essen und zu trinken. Ich suche mir ein ruhiges Plätzchen, lege mir den Rucksack unter den Kopf und lege mich ins Gras, in der Hoffnung, dass mich irgendjemand schon finden wird. Plötzlich höre ich Schritte, ich kann gerade noch meine Taschenlampe ausschalten und liege ganz still da, wer weiß, wer das ist. Zwar kommt mir die Gestalt bekannt vor, aber ich traue mich nicht, mich in irgendeiner Form bemerkbar zu machen. Doch da sie sich jetzt suchend umguckt schleiche ich mich doch etwas näher, vielleicht ist es ja jemand, der nach mir sucht. Erstaunt sehe ich, dass es Barby Kelly ist, in diesem Moment kommt ein junger Mann auf sie zu, umarmt sie und gibt ihr einen Kuss. Damit mich die beiden nicht bemerken, schleiche ich mich schnell zu meinen Sachen zurück. Man, das ist ne´ Geschichte, die muss ich so schnell wie möglich Stefanie erzählen! Da fällt mir wieder ein, was ist los ist und jetzt ist es um mich geschehen, ich fange hemmungslos an zu weinen, ich bin doch erst 15 und habe wirklich keine Lust die Nacht alleine in einer fremden Stadt und dann auch noch unter freiem Himmel zu verbringen! Stop, jetzt nur nicht panisch werden, du bist schon fast erwachsen, also wirst du auch damit fertig werden! Als ich mich wieder einigermaßen beruhigt habe, hole ich meine BRAVO aus dem Rucksack und fange an zu lesen. Fast habe ich vergessen, wo ich bin, doch auf einmal höre ich, dass sich Schritte nähern. Zum Glück geht der- oder diejenige an mir vorbei ohne mich zu bemerken, doch jetzt ist es um mich geschehen, nichts hilft, ich kann die Tränen einfach nicht zurückhalten. Mir stockt der Atem, als sich plötzlich jemand neben mich setzt und mit beruhigender Stimme sagt: „Don`t cry, everything is allright. What’s wrong? “Schnell wische ich mir die Tränen aus den Augen, drehe mich um und kann es kaum glauben, es ist Paddy Kelly, der mich angesprochen hat. „ Hey, what’s the matter? “ Stockend fange ich an zu erzählen und hoffe, dass er aus meinem deutsch-englisch Gestammel schlau wird. Jetzt verfluche ich es, das ich im Englischunterricht nicht besser aufgepasst habe. Doch Paddy scheint das gar nicht zu interessieren, er nickt immer nur, als wäre ihm alles klar und guckt mir dabei in die Augen. Ich bemerke das natürlich und laufe dunkelrot an. Paddy sieht, wie rot ich geworden bin und meint scherzhaft: „Hey, Tomatenzeit fängt grün an!“ Das ist zu viel für mich, verarschen kann ich mich alleine, das sage ich ihm auch in aller Deutlichkeit, schnappe mir meinen Rucksack und haue ab. Verwirrt guckt Paddy mir nach, damit hat er wohl nicht gerechnet.

Keuchend komme ich an einem Platz an, der mir sicher erscheint, doch ich habe mich zu früh gefreut. Kaum habe ich mich auf den Boden fallen lassen steht Paddy schon wieder neben mir und meint mit zerknirschtem Gesichtsausdruck: „ Sorry, das sollte doch nur ein Joke sein, nun sei mal nicht so. Und nun erzähl, warum läufst du zu dieser Zeit hier ganz alleine rum?“ Ich seufze und rolle mit den Augen. „Eigentlich hatte ich dir das eben alles schon mal erzählt, aber nun gut. Ich war mit meiner Freundin auf dem Konzert, dann habe ich sie verloren und nun weiß ich nicht wohin! Das ist die Kurzversion und nun kommst du!“ Langsam beruhige ich mich wieder und warte nun gespannt auf eine Antwort. „Sie kann doch nicht so einfach weg sein, so schnell verschwindet hier niemand! Wir werden sie schon finden und nun komm erst mal mit!“ Aufmunternd klopft er mir auf die Schulter und steht auf. Ich habe jetzt zwei Möglichkeiten, entweder ich bleibe sitzen und hoffe auf ein Wunder oder ich suche zusammen mit dem bestausehendstem Typ der Kellys nach Stefanie. Die Wahl fällt mir relativ leicht und so laufe ich kurz darauf mit Paddy durch die Gegend und suche nach Stefanie. Doch als so einfach gestaltet sich die Suche nicht. Nach einer mir ewig scheinenden Zeit lasse ich mich einfach auf den Boden fallen und streike, schließlich bin ich seit sechs Uhr am Morgen auf den Beinen und mittlerweile ist es halb zwei in der Nacht. Auch Paddy scheint aufzugeben und

lässt sich neben mich fallen. „Tja, das war wohl nichts!“, meine ich achselzuckend und will grade fragen, was als nächstes passieren soll, als Stefanie wie aus dem Nichts auftaucht. Als sie Paddy sieht stutzt sie zwar, sagt aber nichts dazu. „Entschuldigung, ich hatte noch was wichtiges zu erledigen.“, dabei zwinkert sie mir mit dem Auge zu. Ich grübele gerade darüber nach, was wichtiger sein könnte als nach ihrer Freundin zu suchen, als Paddy sich von mir verabschiedet. „Ich denke ich bin hier jetzt überflüssig, aber warte noch mal einen Augenblick, ich bin gleich wieder da!“ Und weg ist er. Kaum ist er weg platzt es aus Stefanie heraus: „Weißt du, wen ich kennen gelernt habe?“ Ich bin einfach nur noch müde und habe keinen Bock mehr auf alberne Ratespiele, zucke mit den Schultern und meine: „So wie ich dich kenne hast du Angelo Kelly getroffen.“ Stefanie nickt, doch das geht mir jetzt zu weit, ich bin jetzt seit knapp 20Stunden auf den Beinen, durchgefroren und will nur noch in mein Bett und sie spielt eines ihrer dummen Spielchen mit mir. Ich zeige ihr einen Vogel und meine: „Stefanie du hast doch nen´ Vogel, aber einen großen, ich will gar nicht wissen, was du in Wirklichkeit getrieben hast, aber bestimmt hast du nicht Angelo getroffen, verarschen kann ich mich alleine!“ Ich sehe, dass sie jetzt wirklich wütend wird, ihr Gesicht läuft knallrot an und sie schnappt nach Luft. „Die Einzige, die hier einen Vogel hat, das bist doch du und zwar nen´ Vogelstrauß! Denkst, nur weil du dich an Paddy rangeworfen hast kannst du dir jetzt alles erlauben, aber nicht mit mir. Wenn du mir nicht glaubst, bitte, dann eben nicht! Jetzt weiß ich wenigstens, woran ich bei dir bin!“ Während Stefanie noch weiter keift kommt Paddy wieder und guckt sie entgeistert an. Nach einigen Sekunden der Verwirrung fasst er sich ziemlich schnell wieder und will sie beruhigen. „ Hey, Stefanie, shut up! Are you crazy?” Das hätte er nicht machen sollen, denn jetzt entlädt sich Stefanies gesammelte Wut auf ihn. „Misch dich nicht in unsere Angelegenheiten ein, das geht dich überhaupt nichts an! Hau ab, verschwinde, kratz die Kurve! Tschüss!“ Verwirrt guckt Paddy sie an, zuckt mit den Schultern und sagt dann: „Ich hab dir noch was zu deinem Rucksack gelegt. Ciao!“ Er dreht sich um und geht. Einen Augenblick sehe ich ihm hinterher, dann löse ich mich aus meiner Erstarrung und fange an zu laufen. „Sie hat das bestimmt nicht so gemeint, sie ist manchmal etwas temperamentvoll.“ Sage ich außer Atem, als ich ihn endlich eingeholt habe. Paddy dreht sich um und meint: „Ich würde ja gerne noch länger bleiben, denn ich finde dich echt nett, aber ich weiß, wann ich unerwünscht bin! Ciao und vergiss mich nicht zu schnell!“ Er dreht sich um und geht, doch ich will ihn nicht einfach so gehen lassen, das ist meine Chance und die lasse ich mir nicht durch Stefanie kaputt machen! Ich laufe ihm hinterher und halte ihn am Arm fest. „Mach es nicht noch schwerer, als es ohnehin schon ist. Bitte lass mich jetzt gehen!“ Wie betäubt stehe ich da und denke: „Wie kannst du so etwas nur machen? Du könntest mit Paddy zusammenkommen, aber du lässt ihn einfach so gehen.“ Laut rufe ich ihm hinterher: „Damit du es weißt, ich mag dich auch!“ Er dreht sich noch mal um, lächelt mir zu und meint: „Vielleicht führt uns das Schicksal ja noch einmal zusammen!“ Bevor ich etwas sagen kann, ist er verschwunden. Ziemlich wütend gehe ich zurück zu Stefanie. „Danke, tausendmal danke! Du bist eine echte Freundin, das war richtig nett von dir! Tschüss, ich gehe!“ Sie scheint sich langsam abzuregen und ruft: „Warte, das war doch nicht so gemeint!“ Aber ich höre nicht auf sie, sondern renne und renne, mit dem Ziel Paddy zu finden. Das ist mein einziger Gedanke, ich habe nur ein Problem, ich weiß nicht, wo ich suchen soll! Plötzlich stolpere ich über jemanden, der mitten auf meinem Weg im Gras liegt und in den Himmel guckt. Mein Herz vollführt einen seiner gelegentlichen Aussetzer, als ich sehe, dass es Paddy ist. Ich schicke ein schnelles Stoßgebet zum Himmel und lege mich neben ihn. Eine halbe Ewigkeit schweigen wir beide, dann folgt der Satz auf den ich gewartet habe. „Sorry wegen eben, aber Stefanie hat ein ganz schön heftiges Temperament und ich möchte nicht zwischen euch stehen. Kannst du das verstehen?“ Ich nicke und setze zu einer Erklärung an, doch Paddy schüttelt mit dem Kopf und nimmt mich einfach in den Arm. Ich kuschele mich an ihn und werde langsam schläfrig. Ich bemerke noch nicht einmal, dass er mich zum Tourbus bringt und in ein Bett legt.

Am nächsten Morgen wache ich auf und weiß erst gar nicht, wo ich bin, doch als Paddy mich mit einem fröhlichen guten Morgen neben mir aufwacht, fällt mir langsam wieder ein, was in der Nacht passiert ist. Doch als ausgesprochener Morgenmuffel interessiert mich das momentan herzlich wenig und ich bin wieder kurz davor einzuschlafen, doch das lässt er nicht zu. Erst versucht er es mit kleinen Knuffen in die Seite, doch ich drehe mich nur murrend um und reagiere gar nicht weiter, dann fängt er an mich zu kitzeln, so das ich schreiend aus dem

Bett springe und nach draußen laufe. Beinahe stolpere ich über zwei Personen, die im Schlafsack vor der Bustür liegen. Als ich genauer hinsehe, erkenne ich verwuschelte, lange blonde Haare und ich kann es kaum fassen Stefanie! Paddy, der hinter mir aus dem Bus kommt ruft ein fröhliches „Good morning!“, in die Runde und springt erschrocken zurück, als er Stefanie erkennt. „Was will die denn hier? Das ist doch diese Furie von heute Nacht. Ich glaube ich spinne!“ Angelo, der grade aufwacht schaut verwirrt von Paddy zu mir und dann zu Stefanie. Drinnen im Bus werden jetzt auch die anderen wach. Als wir reinkommen fragt Kathy als erstes: „Who´s that?“ Während Paddy ihr erklärt, wie ich hierher gekommen bin, kommt Angelo ohne Stefanie rein. Beim Frühstück bricht das große Chaos aus. Angelo und Sean streiten sich um das letzte Brötchen, Angelo, der größer und stärker als Sean ist setzt sich natürlich durch, doch Sean will nicht aufgeben und fängt an zu schreien. Erst als es Kathy zu viel wird und sie laut: „Be quiet Sean!“ ruft beruhigt er sich wieder. Inzwischen ist Angelo still und leise nach draußen verschwunden. Wütend will Sean ihm hinterher, fällt dabei jedoch hin und stößt sich dabei den Kopf an einem Bett, fängt laut an zu weinen und verkriecht sich in seinem Bett.

Paddy und ich gehen raus um nach Angelo und Stefanie zu suchen, die beiden sitzen auf der Wiese und „frühstücken“ oder wie man so etwas nennen kann. Stefanie füttert Angelo mit Brötchen und umgekehrt. „Komm, wir beide gehen ein bisschen spazieren.“, meint Paddy. Unterwegs erzählen wir viel über uns, auf einmal merkt Paddy an, dass er im Moment ziemlich verliebt sei. Mein Herz macht einen Hüpfer. „Das war´s, aus der Traum, es wäre ja auch zu schön gewesen. Wie beiläufig erkundige ich mich, wer denn die Glückliche sei, da gibt er mir einen Kuss und ich weiß, wen er meint. „Nur schade, dass wir morgen schon weiter touren, aber weißt du was, ich nehme dich einfach mit!“ Ungläubig sehe ich ihn an. „Ja, geht denn das so einfach?“ Mir erscheint das alles zu einfach, ich kann doch nicht... Hier unterbricht mich Paddy: „Naja, im Moment habe ich bei Kathy nen´ Stein im Brett und wenn deine Eltern ja sagen dürfte das kein Problem sein, einer mehr oder weniger fällt bei uns sowieso kaum auf!“ Hastig überlege ich was ich machen soll, meine Mutter würde das nie erlauben, aber was sie nicht weiß macht sie nicht heiß! „Ähm, meine Mutter ist bei meinen Großeltern in Schottland, ich bin alleine, das dürfte also kein Problem sein.“ Verständnislos schaut Paddy mich an: „Und dein Vater, hat der nichts zu sagen oder wie läuft das bei euch zu Hause ab?“ Da hat er meinen wunden Punkt getroffen, mein Daddy ist schon vor Jahren mit meiner jüngeren Schwester abgehauen, hat meine Mom und mich einfach im Stich gelassen. Nur ein einziges Mal habe ich von Paula, meiner Schwester Post bekommen, da waren sie in den USA, doch als ich zurückgeschrieben habe, waren sie schon wieder weggezogen. Als ich mit erklären fertig bin, nickt Paddy stumm und nimmt mich in den Arm.

Traurig stehe ich am Straßenrand, vor zehn Minuten ist Paddy abgefahren. Hinter mir liegen fünf herrliche Wochen. Vier Wochen war ich mit Paddy und seinen Geschwistern auf Tour und eine Woche waren wir bei mir zum ausspannen und genießen. Ab morgen hat mich der graue Schulalltag wieder, mir graut jetzt schon davor. Es wird ziemlich schwer werden, keinem von unseren Erlebnissen zu erzählen, aber es ist besser so, auf Hänseleien und Eifersucht habe ich keinen Bock. Wie gerufen kommt Stefanie um die Ecke gerannt, sie lacht, rennt auf mich zu und umarmt mich. Wir haben uns seit fünf Wochen nicht mehr gesehen und uns viel zu erzählen. Sie war mit ihren Eltern vier Wochen im Harz, ich hoffe nur, meine Mutter bekommt das nie mit, denn offiziell war ich in den letzten fünf Wochen bei Stefanie und ihren Eltern einquartiert. „Hey, da bist du ja endlich, es war echt öde in der letzten Woche.“ Ich grinse schief, denn eigentlich bin ich ja schon seit einer Woche wieder hier. Als sie das mitbekommt ist sie erst ein bisschen eingeschnappt, dass ich ihr nicht Bescheid gesagt habe, doch nach meinem Einwand, dass ich sie sowieso nicht reingelassen hätte, weil wir unsere Ruhe haben wollten ist sie wieder gut gelaunt. Langsam gehen wir ins Haus, als wir in mein Zimmer kommen trifft sie fast der Schlag, es sieht aus, als wäre vor kurzem eine Bombe bei mir explodiert.

Überall liegen Bücher, Klamotten, Decken und CD´s, in der Küche und im Wohnzimmer sieht es nicht besser aus. Dreckiges Geschirr stapelt sich in der Spüle, im

Wohnzimmer fliegen Videos und Klamotten rum. In diesem Moment klingelt das Telefon, am anderen Ende ist meine Mutter und sie ist nicht mehr, wie von mir erwartet in Schottland, sondern mittlerweile in Hamburg am Flughafen und in circa zwei Stunden hier. Voller Entsetzen sehe ich auf das Chaos, das sich um mich herum befindet und frage mich, wie ich das in nicht einmal zwei Stunden beseitigen soll. Sie hat schon lange aufgelegt, da halte ich noch immer den Hörer in der Hand. Stefanie, die von dem Gespräch nichts mitbekommen hat fragt, was los sei, als ich erzähle, dass meine Mutter demnächst wieder hier eintrudelt murmelt sie nur: „Oh scheiße!“ und blickt sich genauso hilflos in dem Chaos um wie ich. Durch diesen Kommentar erwache ich aus meiner Erstarrung und beginne einen Plan zu entwickeln. „Ok, ich kümmere mich erst mal um mein Zimmer, du dich um das Wohnzimmer und die Küche nehmen wir uns zusammen vor, irgendwie schaffen wir das schon!“

Zwei Stunden später, ich schließe grade die Tür der Waschmaschine, da geht die Haustür auf und meine Mutter steht im Flur. Stefanie lässt sich auf das Sofa fallen und blättert gelangweilt in einer Zeitschrift. Schnell kicke ich eine Pullover den Paddy vergessen hat in mein Zimmer und schließe die Tür. „Hi Mom, schön das du wieder da bist!“ rufe ich und falle ihr um den Hals. „Na, meine Große, hast du schöne Ferien gehabt?“ Ich darf nicht allzu begeistert wirken, denn eigentlich sind fünf Wochen bei Stefanies Eltern nicht grade ein Erlebnis, also zucke ich nur mit den Schultern und brummele eine Antwort. „Naja, wie dem auch sei, ich habe mir auf dem Rückflug überlegt, dass hier Veränderungen Not tun. Als erstes wird hier renoviert und du bekommst endlich das alte Arbeitszimmer deines Vaters!“ Ich bekomme vor Staunen den Mund nicht mehr zu, die Sachen meines Vaters waren bis jetzt das absolute Heiligtum, das Arbeitszimmer sieht immer noch so aus, wie vor Jahren, als er abgehauen ist. „Was ist mit dir los Mom, bist du ausgetauscht worden, bist du krank, hast du Fieber?“ Sie lächelt und meint: „Nichts von alledem, aber mir hat der Urlaub einfach gut getan und ich bin mir über einiges klar geworden. Hier wird sich viel ändern Schätzchen!“ Ich bin mir nicht sicher, ob das ein Versprechen oder eine Drohung war, schiebe diesen Gedanken aber schnell beiseite und mache mich sofort daran, das Zimmer meines Vaters zu entrümpeln. Das Zimmer ist fast doppelt so groß wie mein Jetziges und ich war sowieso schon immer der Meinung, dass es eine Verschwendung hier ein Museum für meinen Dad einzurichten. Da Stefanie sowieso hier ist hilft sie gleich mit und so sind wir Ruck Zuck mit dem Ausräumen fertig. Einige Möbel wie die Couch und der Schreibtisch bleiben gleich da und die paar Sachen, die in meinem Zimmer stehen stellen keine wahre Herausforderung dar. Als wir das nächste Mal auf die Uhr schauen ist es fast 21°°Uhr. Stefanie macht sich auf den Weg nach Hause, schließlich ist morgen wieder Schule. Ich bringe sie noch zur Tür, da klingelt das Telefon. Ich renne hin und nehme ab. Am anderen Ende ist, wie ich vermutet habe, Paddy, der mir eine gute Nacht wünschen will, denn natürlich hat er keine Ahnung, dass meine Mutter mittlerweile wieder hier ist. Schnell flüstere ich ihm zu, dass sie wieder hier ist und wir uns kurz fassen müssen. Nach 15 Minuten verabschiedet er sich mit einem „Ich liebe dich!“ und legt auf. Sofort ist meine Mom zur Stelle, um zu fragen, mit wem ich denn um diese Uhrzeit noch telefoniert hätte. „Ähm, das war Andrea, sie wollte nur fragen, wann wir morgen in der Schule sein sollen.“ Oh man, langsam werde ich echt gut im lügen, ich kann nur hoffen, dass das Ganze nicht allzu schnell auffliegt, sonst bin ich echt geliefert.

Als am nächsten Morgen um sechs Uhr mein Wecker klingelt komme ich kaum aus dem Bett, mir tun alle Knochen weh und traurig denke ich an die letzten Wochen. Momentan habe ich keine Ahnung, wie es weitergehen soll, denn eins ist klar, meine Mom darf nichts von Paddy erfahren! Seufzend quäle ich mich aus dem Bett und ins Bad. Meine Mutter genießt ihre letzten Urlaubstage und schläft noch und so herrscht himmlische Ruhe. Ich mache mir mein Frühstück für die Schule, hole meinen Rucksack aus seinem Versteck und mache mich auf den Weg zum Bus. Unterwegs treffe ich Stefanie und schärfe ihr noch mal ein, kein Sterbenswörtchen von Paddy und Angelo zu erwähnen.

In der Klasse herrscht schon der allgemeine Trubel, jeder unterhält sich mit jedem über die Sommerferien. Erst als Herr Staritz, unser neuer Klassenlehrer reinkommt legt sich das allgemeine Gemurmel etwas, denn mit ihm ist laut den Aussagen seiner ehemaligen Schüler nicht zu scherzen. In der Stunde schweife ich mit meinen Gedanken immer ab und schaue lieber aus dem Fenster als aufzupassen. Plötzlich zucke ich zusammen, da draußen steht eine Person, die mir ziemlich bekannt vorkommt. Ich weiß nicht, ob ich träume oder ob es wirklich

Paddy ist, der da draußen steht. „Stefanie, kneif mich mal, ich glaube ich träume!“ Stefanie zwickt mich so doll in den Arm, dass ich fast aufschreie und als ich wieder aus dem Fenster schaue ist die Gestalt weg. Endlich klingelt es zur Pause, vor allen anderen stürme ich auf den Schulhof. Kopfschüttelnd gucken mir Carsten, Andrea und Tanja hinterher und wissen nicht, was sie von meinem Verhalten halten sollen. Kaum draußen sehe ich ihn schon, ich fange an zu rennen und falle ihm in die Arme. Erstaunt gucken die anderen, was ich da treibe, doch das ist mir im Moment völlig egal. Als es klingelt schiebt Paddy mich sachte in Richtung Schule und meint er würde hier auf mich warten. Dass wir jetzt Geschichte haben verbessert meine Laune nicht grade, wenn ich ein Fach absolut nicht ausstehen kann, dann ist es Geschichte. Dieses Mal schalte ich vollkommen ab und der Unterricht rauscht komplett an mir vorbei. Irgendwann stößt mich Stefanie an und flüstert: „Hey, Staritz will von dir wissen, wann der 1.Weltkrieg stattfand!“ Ich gucke etwas verwirrt und stammele dann: „Ähm, der 1.Weltkrieg begann 1914 und endete 1918.“ Wie im Nebel höre ich die Stimme von Herrn Staritz: „Ich möchte dich bitte nach der Stunde sprechen, du erscheinst mir etwas unkonzentriert.“ Von einem zum anderen Augenblick bin ich mit meinen Gedanken wieder im Klassenraum und ich höre mich sagen: „Tut mir leid, ich habe in der Pause etwas dringendes zu erledigen.“ Ich sehe, wie Staritz rot anläuft und nicht wirklich weiß, wie er reagieren soll. Scheiße, gleich am ersten Tag bei ihm verschissen, das kann ja in den nächsten Jahren noch heiter werden! Und als könnte es nicht noch schlimmer werden meldet sich von hinten eine Stimme: „Die hat doch gar nichts wichtiges vor, die will doch nur mit ihrem Freund knutschen!“ Herr Staritz schnappt nach Luft: „Das ist ja wohl... Mir fehlen die Worte. Ich denke ich muss ein ernstes Wörtchen mit deiner Mutter sprechen!“ Oh nein, nur das nicht, meine Muter würde ausrasten. Aber für Staritz ist die Sache damit beendet und er setzt seinen Unterricht fort. Verzweifelt blicke ich zu Stefanie, aber auch die scheint keine Ahnung zu haben, was jetzt zu tun ist. Das Einzige, was jetzt noch helfen könnte, wäre die Flucht nach vorne, viel schlimmer kann es ja nicht mehr werden. Endlich klingelt es und alles stürmt nach draußen. Schnell gebe ich Stefanie Bescheid, dass sie Paddy erzählen soll, was passiert ist und das ich etwas später komme, dann atme ich noch einmal tief durch und begebe mich in Richtung Lehrertisch. Zögernd frage ich: „Herr Staritz, hätten sie etwas Zeit für mich, ich glaube, es gibt einiges zu klären.“ Herr Staritz hebt erstaunt eine Augenraue und meint dann spöttisch: „Ach, auf einmal hast du doch Zeit für mich, sehr interessant. Na dann schieß mal los, auf die Ausrede bin ich ja mal gespannt!“ Also beginne ich zu erzähle, von meinem Freund, der in Köln lebt, von meiner Mutter, die mich immer noch an der kurzen Leine hält und total ausrasten würde, wenn sie erfahren würde, dass ich einen Freund habe. Und dann geschieht das unglaubliche, über Herrn Staritz Gesicht huscht ein Lächeln und er meint: „Naja gut, da heute der erste Schultag ist will ich mal nicht so sein. Aber, das mir das nicht noch mal passiert. Ich behalte dich im Auge und bei der nächsten Beschwerde über dich rufe ich sofort deine Mutter an, ist das klar?“ Überglücklich nicke ich rufe noch ein „Dankeschön“ und bin schon auf dem Weg nach draußen. Paddy kommt mir schon entgegen und fragt besorgt was denn nun los sei. Als ich erzähle, dass ich noch mal Glück gehabt habe und Staritz nicht bei meiner Mutter anruft ist auch er erleichtert. Und schon klingelt es wieder und ich muss zurück in die Klasse, jetzt bloß nicht mehr negativ auffallen. Gar nicht so einfach, denn nun haben wir Mathe, nicht grade mein Glanzfach, im letzten Zeugnis bin ich ganz knapp an ner´ fünf vorbeigeschrammt. Aber noch eine Überraschung wartet auf uns. Nicht Frau Kreuder, allseits gehasste Lehrerin, kommt ins Klassenzimmer, sondern eine junge Lehrerin begrüßt uns strahlend: „Hallo, ich bin Frau Meiners ich bin Referendarin und werde euch ab heute in Mathematik unterrichten. Ich hoffe, wir werden viel Spaß miteinander haben.“ Na, das hört sich ja schon mal positiv an. Die Stunde vergeht wie im Flug und ich zwinge mich jedenfalls einigermaßen aufzupassen und endlich haben wir frei! Kaum klingelt es, werfe ich meine Sachen in meine Tasche und stürme aus der Tür. Paddy wartet schon auf mich und zusammen gehen wir in den Schulwald oder besser gesagt, das, was irgendwann mal ein Schulwald werden soll. Unterwegs treffen wir Angelo und Stefanie, die anscheinend die gleiche Idee hatten wie wir. Als Angelo uns bemerkt winkt er uns heran, holt tief Luft und meint: „Da wir jetzt schon mal alle zusammen sind, müssen Paddy und ich euch etwas sagen. Übermorgen gehen wir für ein Vierteljahr auf Tour ins Ausland. Das heißt, wir müssen heute zurück nach Dortmund und dann geht’s erst mal nach Dänemark.“ Das hat gesessen, drei Monate ins Ausland, obwohl, ob Paddy nun in Köln ist und wir uns nicht sehen

können oder er im Ausland ist und wir uns nicht sehen ist ja so ziemlich egal.

Bis 16°° Uhr bleiben wir noch in Böklund, dann heißt es Abschied nehmen. Wir machen es kurz und schmerzlos, die Jungs steigen ins Auto und Stefanie und ich in unseren Bus nach Tolk. Kaum habe ich die Tür aufgeschlossen steht meine wütende Mom vor mir. „Kleines Fräulein, wo bitte bist du denn gewesen? Kannst du dir denn nicht denken, dass ich mir Sorgen gemacht habe? Du solltest schon seit Stunden hier sein, was meinst du, wie ich mich gefühlt habe. Der Bus kam und meine Tochter ist nicht mit. Nur weil ich in den letzen Wochen nicht hier war, heißt das nicht, dass du machen kannst, was du willst. Noch bin ich immer noch deine Mutter und nun keine Widerworte, ab auf dein Zimmer, ich will dich heute nicht mehr sehen!“ „Aber...“ Doch der Gesichtsausdruck meiner Mutter erlaubt keinen Widerspruch. Also bleibt mir erst mal nichts anderes übrig, als wirklich in mein Zimmer zu verschwinden. Total fertig lasse ich mich auf mein Bett fallen. Ich habe es ja geahnt, es gibt nur Stress mit meiner Mom. Aber nicht mit mir, darauf kann ich gerne verzichten, leise schleiche ich mich in den Flur, schnappe mir das Telefon und rufe Tanja an. Tanja hat seit kurzem eine Vespa und muss mir unbedingt helfen. „Hi Tanja, kannst du mir helfen? Ich muss heute Nacht ganz dringend zum Bahnhof, kannst du mich rumfahren?“ Erst sträubt sich Tanja ziemlich, ihre Eltern sind noch schlimmer als meine Mutter, doch als ich ihr erkläre, was los ist willigt sie ein. „Gut, wir treffen uns viertel vor zwölf an der Kreuzung, aber sei pünktlich, ich warte nicht!“ Erleichtert lege ich auf, Schritt eins wäre erledigt, nun muss ich nur noch ein paar Klamotten in meinen Rucksack packen und mich möglichst leise verhalten, um meine Mom nicht noch mehr zu verärgern, nicht, dass sie noch meine Tür abschließt, zuzutrauen ist ihr alles. Kurz vor 19°° Uhr bringt sie mir mein Abendbrot rein und wünscht mir mit säuerlichem Blick eine gute Nacht. Seufzend lege ich mich ins Bett, stelle meinen Wecker. Obwohl ich total müde bin kann ich nicht schlafen, ich drehe mich von einer zur anderen Seite und bekomme kein Auge zu. Kurz nach 23°° Uhr schleiche ich mich noch mal in die Küche um den Kühlschrank zu plündern, wer weiß wann ich wieder was zu essen bekomme. An der Kreuzung wartet Tanja schon auf mich und so bin ich eine knappe halbe Stunde später am Bahnhof. Ich umarme Tanja noch einmal kurz, kaufe meine Fahrkarte und sitze kurz darauf im Zug. Endlich komme ich auch dazu mich ein bisschen auszuruhen und darüber nachzudenken, was Paddy wohl dazu sagen wird, wenn ich plötzlich vor ihm stehe.

Als ich endlich in Dortmund ankomme, muss ich erst mal das Hotel finden und das ist gar nicht mal so einfach. Ich kenne zwar den Namen des Hotels, aber mehr weiß ich nicht, also muss ich mich wohl oder übel durchfragen. Knappe zwei Stunden später stehe ich endlich vor dem Hotel. Kaum bin ich in der großen Eingangshalle und überlege, wie ich jetzt an Paddy rankomme, da steht er plötzlich vor mir. Entgeistert, aber keinesfalls begeistert fragt er: „Was machst du denn hier? Wo kommst du her?“ Ich erzähle, was zu Hause passiert ist und das ich mit ihm mitkomme. Er schaut ziemlich entsetzt und nimmt mich erst mal mit in sein Zimmer. Dort angekommen wird er laut: „Was fällt dir eigentlich ein? Wie bescheuert kann man eigentlich sein? Was hast du dir dabei gedacht? Ich kann dich doch nicht mitnehmen, sonst haben wir innerhalb kürzester Zeit Jugendamt und Polizei am Hals! So, ich gehe jetzt runter zum Mittag und lasse mir eine gute Erklärung für die anderen einfallen. Du kannst erst mal unter die Dusche und dann nachkommen. Bis gleich“ Mir fehlen die Worte, mit allem hatte ich gerechnet, aber nicht mit so einer Begrüßung. Stumm schäle ich mich aus meinen Klamotten und steige unter die Dusche. Was ist nur los, mag mich denn keiner mehr, was mache ich denn falsch? Ich seufze, steige in frische Klamotten und gehe zum Mittag. Unsicher schaue ich mich um, was mag er seiner Family wohl erzählt haben? Ich versuche Paddys Blicken auszuweichen, doch als er wieder zu einer erneuten Strafpredigt ansetzt platzt mir der Kragen: „Meine Güte, ja ich habe einen Fehler gemacht, aber ich dachte, ich könnte mich jedenfalls auf dich verlassen, aber anscheinend ist das ja nicht der Fall. Also gut, nach dem Essen bin ich wieder weg. Auf so jemanden wie dich kann ich liebend gerne verzichten!“ Ruckartig stehe ich auf, dass dabei der Stuhl umfällt bemerke ich gar nicht. „Wow, das war ein bühnenreifer Abgang!“ ist der einzige Kommentar von Joey. Paddy sitzt unschlüssig daneben und überlegt, ob er mir nachlaufen soll, derweilen stürze ich in sein Zimmer und kralle mir meine Klamotten. Dann renne und renne ich und immer wieder geht mir dieser eine Gedanke durch den Kopf: „Er liebt mich nicht mehr! Das war’s!“ Paddy sitzt immer noch am Tisch und wartet, doch als ich nach einer halben Stunde immer noch nicht wieder da bin, steht er auf und geht auf sein

Zimmer, um zu gucken, wo ich bleibe. Zur gleichen Zeit irre ich durch Dortmund, habe mich mittlerweile komplett verlaufen und keine Ahnung, wo ich hin soll. Erschöpft lasse ich mich auf die nächste Parkbank fallen und checke erst mal die Lage. Und dann sehe ich sie, direkt vor mir steht die Westfahlenhalle. Ich mobilisiere meine letzten Kräfte und renne quer über die Strasse zur Halle hin. Das ich dabei fast von einem Auto überfahren werde stört mich gar nicht, mein einziger Gedanke ist: „Hoffentlich müssen sie noch Instrumente abholen!“ Ich könnte zwar wieder zurück ins Hotel, aber erstens traue ich mich nicht und zweitens lass ich Paddy etwas zappeln, selber Schuld.

Ich bin jetzt seit über drei Stunden in Dortmund unterwegs und langsam fängt Paddy an, sich Sorgen zu machen. Zusammen mit Joey, Angelo, Patricia, Maite und einem Stadtplan macht er sich auf die Suche nach mir. Bei mir macht sich der Schlafmangel der letzten Nacht bemerkbar und ich döse immer wieder weg. Auf einmal lässt sich ein älterer Mann neben mich auf die Parkbank fallen und fragt mit fiesem Lächeln: „Na, ganz alleine hier junges Fräulein, wie kommt das denn? Hat dich denn deine Mama nicht davor gewarnt, was alles passieren kann. Ich glaube du brauchst einen Beschützer!“ Oh nein, nicht auch noch das! Heute ist echt nicht mein Tag. Ich tue so unbeteiligt wie möglich und antworte nur: „Nein danke, ich warte hier auf meinen Freund, der müsste eigentlich jeden Moment hier sein.“ „Ja, ja, ist schon klar, dein Freund. Nun zick hier mal nicht rum, dann passiert dir auch nichts. Sei schön ruhig und komm jetzt mit!“ Er zieht mir an den Haaren und zerrt mich zu seinem Auto. Das darf doch alles nicht wahr sein, wieso muss so etwas immer mir passieren? Erst mal bleibt mir nichts anderes übrig, als ihm zu folgen und in sein Auto zu steigen. Ich wehre mich zwar mit Händen und Füssen, aber es nützt mir nichts, der Mann ist einfach stärker. In der Zwischenzeit sind Paddy und Co. auch an der Halle angekommen, Patricia war auf die Idee gekommen, hier zu suchen. Aus dem Augenwinkel heraus sehe ich den VW-Bus der Kellys und mobilisiere meine letzten Kräfte, trete einmal genau dorthin, wo es wehtut, reiße die Autotür auf und renne laut rufend Richtung Westfahlenhalle. Erstaunt drehen sich mehrer Leute um, toll, jetzt reagieren natürlich jede Menge Passanten auf meine Hilferufe, aber vorhin, als ich Hilfe wirklich gebraucht habe, hat sich keiner drum gekümmert. Auch die Kellys reagieren auf meine Schreie und kommen mir zu Hilfe. Paddy nimmt mich in die Arme und drückt ich ganz fest an sich und Joey nimmt sich meinen unheimlichen Entführer vor. „Alles klar meine Kleine, ich bin ja jetzt bei dir. Ganz ruhig, jetzt kann dir nichts mehr passieren, ich lass dich nie wieder los!“ Ich kann schon wieder etwas lachen und meine: „Na, ich will mal sehen, wie lange du das aushalten kannst. Ich kann ganz schön anstrengend werden, vor allem wenn man mich 24 Stunden am Tag um sich hat!“ Patricia erkundigt sich besorgt, ob alles in Ordnung ist und ob mir irgendwas passiert sei. Ich kann sie beruhigen, außer einem blauen Fleck am Oberarm fehlt mir nichts. Erleichtert bringt Paddy mich zum Bullie und wir fahren zurück zum Hotel. Dort angekommen falle ich in Paddys Bett und schlafe wie ein Stein. Erst am nächsten Morgen werde ich wieder wach, als Paddy mich an der Nase kitzelt. „Guten morgen mein Schatz, hast du gut geschlafen? Nun aber raus aus den Federn, wir haben noch was Wichtiges vor!“ Ich grübele, was denn so wichtiges sein könnte und steige schnell unter die Dusche. Als ich zum Frühstück komme wartet Paddy schon auf mich. „So, nun stärk dich erst mal und dann müssen wir wohl oder übel deine Mom anrufen!“ mir bleibt mein Brötchen fast im Hals stecken, das kann doch nicht sein Ernst sein, wenn wir meine Mom anrufen bin ich geliefert, dann war’s das, dann werde ich ihn nie wieder sehen! Entgeistert schüttele ich den Kopf. „Nein, auf keinen Fall rufe ich meine Mom an! Sie darf niemals erfahren, wo ich bin. Die sperrt mich bis an mein Lebensende in mein Zimmer ein! Du kennst sie nicht, du weißt nicht, wie sie sein kann! Das kannst du mir nicht antun, bitte nicht!“ Aber Paddy bleibt unerbittlich und nach dem Frühstück sitzen wir in seinem Zimmer und ich habe das Telefon in der Hand. Als ich gewählt habe zittere ich am ganzen Körper und ich bin kurz davor wieder aufzulegen. „Ja bitte?“ Die Stimme meiner Mutter strahlt genau das aus, was ich mir gedacht habe, Kälte und Abweisung. Ohne ein Wort zu sagen lege ich wieder auf. Doch das hätte ich wohl besser nicht gemacht, denn nun trifft mich Paddys Wut. Er wirft mir Sachen an den Kopf, die alles andere als nett sind. Ich verstehe die Welt nicht mehr, will er mich denn nicht bei sich haben, liebt er mich nicht mehr? In meiner Wut und Verzweiflung merke ich gar nicht, wie kindisch ich mich benehme und wie Recht er hat. Ich sehe immer nur meine wütende Mom vor mir, die mich in mein Zimmer einsperrt und mir jeglichen Kontakt mit Paddy oder irgendeinem anderem männlichen Wesen verbietet. Paddy gibt auf und geht,

doch kurz darauf kommt Kathy mit einem ziemlich ernsten Gesichtsausdruck zu mir und stellt mich vor die Wahl. Entweder ich melde mich selber bei meiner Mom oder sie tut es. Es ist zwar nicht so, dass sie mich nicht hier haben möchte, aber es geht nun mal einfach nicht und das macht sie mir auch in aller Deutlichkeit klar, so dass mir nichts anderes übrig bleibt, als zum Telefon zu greifen und nochmals die Nummer meiner Mom zu wählen. Es ist nicht grade ein angenehmes Gespräch, meine Mom ist wie zu erwarten war stocksauer und fordert mich auf, umgehend zurück zu kommen. Wortlos packe ich meine paar Klamotten die bei Paddy im Zimmer rumfliegen ein, verabschiede mich von allen und will gehen. Doch Joey lässt mich nicht. Er meint, er wolle kein Risiko eingehen, dass ich mich verlaufe oder vielleicht aus Versehen in den falschen Zug steige. Ja sind denn nun alle verrückt, traut mir denn keiner mehr? Stumm nicke ich, steige in den Bullie und lasse mich von Joey zum Bahnhof bringen.
Während der Zugfahrt stimme ich mich mental auf das ein, was mich zu Hause erwartet, nämlich meine Mom. Keine Spur von Erleichterung, dass ich heile wieder angekommen bin, nein, nur eisiges Schweigen währen der ganzen Autofahrt. Zu Hause angekommen bringt sie mich in mein Zimmer und schließt hinter mir ab. Ich lasse mich auf mein Bett fallen, das war´s ja dann wohl mit meiner Freiheit. Gegen Abend bringt sie mir mein Abendbrot rein, aber für den Rest des Tages bin ich alleine.

Als ich am nächsten Tag aus der Schule komme ist sie schon zu Hause, was ziemlich ungewöhnlich ist, denn normalerweise arbeitet sie um diese Zeit noch. Beim Mittag bricht sie zum ersten Mal ihr Schweigen und fragt: „Was ist eigentlich los mit dir? Ich verstehe dich einfach nicht mehr und eins ist klar, so kann es nicht weitergehen! Ich habe gestern mit deiner Grandma telefoniert und zusammen mit ihr beschlossen, dass du in den Herbstferien zu ihr fährst und mal sehen, vielleicht wäre es ja das Beste, wenn du einige Zeit bei ihr bleibst, ich glaube nämlich, dass deine ganzen Freundinnen keinen guten Einfluss auf dich haben.“ Das ist wieder typisch meine Mom, wenn sie nicht mehr weiter weiß sind erst mal die Anderen Schuld. Ich traue mich aber nicht zu widersprechen, denn ich glaube ich habe für den Augenblick genug Probleme. Und überhaupt, mit Paddy sieht´s ja nicht grade rosig aus und in Schottland hätte ich endlich mal Ruhe vor meiner Mom.







Mittlerweile ist es Dezember, ich hänge immer noch in Deutschland fest, denn meine Ferien in Schottland bei meiner Grandma waren eine einzige Katastrophe. Erstens waren da die sprachlichen Probleme, ich mit meinem Stotter-Englisch und meine Grandma, die kaum Deutsch spricht und dann natürlich der Altersunterschied von mehr als 50 Jahren. Stefanie war während der Herbstferien bei Angelo und wartet jetzt sehnsüchtig auf die Weihnachtsferien. Ab und zu bekomme ich mal einen Brief von Paddy, aber mehr ist dank meiner Mutter nicht mehr gelaufen. Ein Treffen war ja nicht mehr drinnen und das Telefon wird von meiner Mutter besser bewacht als die Kronjuwelen der englischen Queen. Ich habe sowieso die meisten meiner hart erkämpften Privilegien verloren. In der Woche habe ich direkt nach der Schule zu Hause zu sein, einige Ausnahmen wie Musikunterricht und Sportverein sind das Einzige was mir geblieben ist. Während des Nachmittags sind fünf bis sechs Kontrollanrufe meiner Mutter der Regelfall und meine Freundinnen dürfen nur mit Voranmeldung zu mir. Aber noch viel schlimmer sind die Wochenenden. Während meine Klasse in der Disko oder im Kino ist, habe ich zu Hause zu sein. Die einzigen Personen, die über diese „Gefängnisauflagen“ glücklich sind, das sind meine Lehrer, denn da ich nichts Besseres zu tun habe, verbringe ich meine Freizeit vor meinen Schulbüchern.

An einem kalten Dezembermittag sitzen Stefanie und ich im Bus und sind auf dem Weg nach Hause. Stefanie schreibt mal wieder an einem Brief für Angelo und nimmt ihre Umwelt kaum wahr. Also bleibt mir nichts anderes übrig, als mich mit meinen eigenen Gedanken zu beschäftigen. Dann geht alles ganz schnell, plötzlich höre ich ein kleines Mädchen kreischen, der Bus fängt auf der spiegelglatten Strasse an zu schlingern. Ich versuche krampfhaft, mich irgendwo festzuhalten, bekomme aber etwas an den Kopf geschleudert und werde ohnmächtig.

Als ich wieder aufwache ist mein linker Arm in Gips und mein Kopf fest verbunden. Neben mir sitzt meine Mutter und ich frage sie mit heiserer Stimme, was denn passiert sei. Sie erzählt mir, dass der Bus einen Unfall hatte, ich mir den Arm gebrochen und eine Gehirnerschütterung

habe. Als sie sich vergewissert hat, dass es mir soweit wieder ganz gut geht, steht sie auf und verabschiedet sich um zur Arbeit zu gehen. Ich atme erleichtert auf und blicke mich vorsichtig im Raum um. Am Fenster steht noch ein weiteres Bett und ich soll auch sofort mitbekommen, wem es gehört, denn es wird die Tür aufgerissen und eine freudestrahlende Stefanie kommt ins Zimmer gehumpelt. Auch sie hat um ihren Kopf einen Verband, ihr scheint es aber schon wieder etwas besser zu gehen, denn sie ruft fröhlich: „Hallo Schlafmütze, auch schon wach? Rate mal, wer uns gleich besuchen kommt!“ Mir dröhnt so dermaßen der Kopf, dass ich keine Lust auf ihr „Rate-Mal-Wer-Spiel“ habe und zucke nur lustlos mit den Schultern. „Oh man, olle Spielverderberin, das macht doch mit dir keinen Spaß!! Also gut, dann will ich dich mal nicht länger auf die Folter spannen, Angelo müsste jeden Augenblick hier sein und surprise, er bringt Paddy mit! Na, was sagst du nun?“ Ich zucke mit den Schultern, denn das ist mir im Moment ziemlich egal, ich will nur, dass diese nervigen Kopfschmerzen aufhören. Ich drehe mich zur Seite und döse wieder etwas weg und werde erst durch Stefanies „Urschrei“ geweckt, der sogar Tote hätte aufwecken können. Im Zimmer steht, wie könnte es auch anders sein, Angelo. So schnell es ihre Krücken zulassen humpelt sie zu ihm und fällt ihm um den Hals. In diesem Moment klopft es erneut und Paddy kommt rein. Ich stelle mich schlafend, denn ich weiß wirklich nicht, wie ich reagieren soll. Er kommt an mein Bett, setzt sich auf den Stuhl, den meine Mutter hat dort stehen lassen und nimmt meine Hand. Zaghaft öffne ich meine Augen und blicke in sein Gesicht. „Hey, how are you? Was machst du denn für Sachen? Du hast mich ja in Angst und Schrecken versetzt!“ Ich zucke nur mit den Schultern, irgendwie ist mir ein bisschen mulmig in der Magengegend, was wohl als nächstes passiert, macht er jetzt Schluss oder was passiert? Mein Abgang im Sommer war ja nicht grade der Hit, das habe ich mittlerweile auch kapiert. Doch Paddy scheint das alles vergessen zu haben, er ist nur froh, dass mir nicht allzu viel passiert ist. Er nimmt mich in den Arm und gibt mir einen Kuss, in dem Moment höre ich die schrille Stimme meiner Mutter: „Was zum Teufel machen sie bei meiner Tochter? Lassen sie sie sofort los oder ich schreie!“ Sie reißt ihn von mir weg und schubst ihn zur Tür hinaus. Besorgt kommt sie zu mir und fragt: „Alles in Ordnung, hat der Kerl dir was getan?“ Ich drehe mich stumm zur Seite und antworte nicht, sie redet und redet und hält mir einen ellenlangen Vortrag darüber, dass ich angeblich noch zu jung für einen Freund sei und was ich mir überhaupt dabei gedacht hätte, sie zu hintergehen. Nun wird’s mir aber zu bunt, noch nicht mal im Krankenhaus kann man seine Ruhe haben. „Mom, nun halt mal die Luft an! Ich bin 16 Jahre alt und kein kleines Kind mehr. Du hast schon so viele Freunde von mir vergrault, nun lass mir mindestens Paddy, ich denke nämlich gar nicht daran, auf ihn zu verzichten! Du kannst dich entscheiden, entweder du akzeptierst ihn oder ich gehe und zwar endgültig!“ Empört schnappt meine Mutter nach Luft: „Nicht in diesem Ton mein Fräulein, nicht mit mir! Noch bin ich deine Mutter und wenn ich dir verbiete, ihn zu sehen, dann hast du das auch gefälligst zu unterlassen! Abhauen, dass ich nicht lache, wie naiv bist du eigentlich? Wo willst du denn hin? Etwa zu ihm? Das weiß ich aber zu verhindern und wenn ich die Polizei einschalten muss, du kommst schön mit mir nach Hause sobald du gesund bist!“ Mit diesen Worten verschwindet sie. Kaum hat sie die Tür hinter sich geschlossen, fange ich an zu weinen, womit habe ich das verdient, warum sieht meine Mom denn nicht ein, dass ich nicht mehr das kleine Kind bin? Stefanie, die die ganze Szene natürlich mitbekommen hat klettert zu mir und versucht mich zu trösten. Leise geht die Tür auf und ich mache mich schon auf eine neue Schimpfattacke gefasst, doch es ist Paddy der wieder ins Zimmer tritt. Als er mich weinen sieht, kann er sich denken, was abgelaufen ist und nimmt mich vorsichtig in den Arm. „So schlimm?“ Ich kann nur nicken, denn noch habe ich mich nicht beruhigt, fragend sieht er Stefanie an. „Naja, wie du dir denken kannst, war ihre Mutter nicht so wirklich begeistert von dir und als sie dann auch noch vor die Wahl gestellt wurde, entweder sie akzeptiert dich oder sie verliert ihre Tochter, na, da war alles aus! Du kannst dir das ja vorstellen!“ Paddy sagt dazu gar nichts, nimmt mich nur in den Arm und wiegt mich wie ein kleines Kind, bis ich eingeschlafen bin. Angelo guckt derweilen immer wieder auf seine Uhr und wird langsam nervös. Irgendwann sagt er leise: „Sorry Paddy, aber wir müssen los! In zwei Stunden fängt das Konzert an!“ Paddy schüttelt den Kopf. „Nein, ich bleibe hier, ich kann sie doch jetzt nicht alleine lassen!“ Doch Stefanie schiebt ihn schon Richtung Tür. „Das bringt ihr doch auch nichts. Guck mal, momentan schläft sie eh´, in ner´ knappen Stunde ist die Besuchszeit um und ich glaube nicht, dass sie das gewollt hätte, das du wegen ihr eure Fans im Stich lässt!“ Er

überlegt einen Moment, nimmt dann seine Jacke und geht zur Tür. „Ok, du hast ja Recht. Wenn sie wach wird, grüß sie ganz lieb von mir und sag ihr, dass ich morgen wieder komme und dann mit ihrer Mom reden werde!“ Entsetzt schüttelt Stefanie den Kopf: „Glaube mir, das ist keine gute Idee, die ist wirklich sauer und nicht gut auf dich zu sprechen. Das wäre glatter Selbstmord. Gib ihr etwas Zeit, vielleicht beruhigt sie sich ja von selbst wieder.“

Ich wache erst wieder auf, als es an der Tür klopft und eine Schwester den Raum betritt. „Guten Abend ihr zwei, ich bin Schwester Magdalena, ihr dürft aber gerne Magda zu mir sagen. Was möchtet ihr denn heute Abend essen?“ Ich schüttele nur den Kopf, denn Hunger habe ich auf keinen Fall. Sie bemerkt natürlich, dass etwas mit mir nicht stimmt und fragt nach. Ich erzähle ihr, was heute vorgefallen ist und sie meint nachdenklich: „Naja, deine Mutter war zwar heute bei mir und hat mich gebeten darauf zu achten, wer dich besuchen kommt, aber ich denke mal, wir Schwestern haben auch noch etwas anderes zu tun, als dein Zimmer zu bewachen. Da kann es ja schon mal passieren, dass wir nicht mitbekommen, wer in euer Zimmer geht.“ Dabei zwinkert sie mir verschwörerisch zu. Nachdem sie uns das Abendbrot gebracht hat, auch für mich gibt es was, wünscht sie uns noch eine gute Nacht und verabschiedet sich bis zum nächsten Morgen.

Um sieben Uhr werde ich aus meinem tiefen, traumlosen Schlaf gerissen, wir werden zum Temperatur messen und waschen geweckt. Obwohl ich die ganze Nacht geschlafen habe, fühle ich mich wie gerädert und mein Kopf tut immer noch höllisch weh.

Gegen neun Uhr klopft es und Angelo und Paddy kommen uns wie versprochen besuchen. Doch lange bleibt uns nicht, denn kaum hat Paddy sich auf mein Bett gesetzt kommt Schwester Magda rein. „Schnell, deine Mutter ist auf dem Weg zu dir, sieh zu, dass du Paddy verschwinden lässt!“ Er will aus dem Zimmer, doch Schwester Magda hält ihn zurück: „Zu spät, sie ist schon auf dem Weg, komm, rein ins Badezimmer und still!“ Sie schließt gerade die Tür, als meine Mutter ins Zimmer kommt. „Guten Morgen, wie geht es dir?“ In der Hand hält sie einen riesigen Blumenstrauß. „Bitte sehr, von meinen Kollegen und gute Besserung!“ Sie legt den Strauß auf meinem Bett ab, holt eine Vase und will ins Bad, um Wasser ein zufüllen. Im letzten Moment stößt Schwester Magda sie an und die Vase fällt zu Boden. „Oh, Entschuldigung, ich bin gestolpert, ich werde ihnen sofort eine neue Vase besorgen!“ Kaum aus dem Zimmer fängt meine Mom wieder dort an, wo sie gestern aufgehört hat, langsam kann ich es nicht mehr hören, doch ich habe heute einfach nicht die Kraft gegenan zu gehen und lasse sie reden. Doch irgendwann kann ich nicht mehr, müde sage ich zu ihr: „Mom, lässt du mich bitte alleine, ich bin müde und möchte gerne schlafen.“ Erstaunt schaut sie mich an, schüttelt den Kopf und murmelt irgendwas von undankbar, verschwindet aber ohne ein weiteres Wort. Paddy kommt aus seinem Versteck und meint erleichtert: „Da haben wir aber Glück gehabt, wäre die nette Schwester nicht gewesen, wäre ich aufgeflogen!“ Doch kaum sitzt er wieder klopft es erneut an der Tür, er springt auf und rennt zurück ins Bad, doch es ist nicht meine Mom die reinkommt, sondern Andrea, Tanja und Sandra. Erleichtert atme ich auf, grade noch mal gut gegangen. Paddy kommt aus dem Bad und setzt sich wieder zu mir, als die Drei ihn sehen machen sie große Augen, Andrea schüttelt immer wieder den Kopf und Sandra macht gar nichts mehr. Tanja ist die Einzige, die sich einigermaßen schnell wieder gefasst hat und ein zaghaftes „Hi“ in den Raum wirft. Andrea starrt die ganze Zeit Paddy an, als wäre er das achte Weltwunder und zuckt ziemlich zusammen, als sie von Angelo angesprochen wird. Auch Sandra ergeht es nicht besser, als Paddy sie nach ihrem Namen fragt hört man nur ein leises: „S-S-S-Sandra“ und man sieht sie rot werden wie eine Tomate. Nach einer Weile des Schweigens drängt Angelo zum Aufbruch, die beiden müssen heute noch nach Hamburg zum Soundcheck. Als beide aus dem Zimmer sind lässt Sandra sich auf den nächsten Stuhl fallen und meint nur noch: „Oh mein Gott! Da lerne ich Paddy und Angelo kennen und bekomme noch nicht mal meinen Namen raus. Was müssen die zwei bloß von mir denken?“ Da hat auch Andrea endlich ihre Sprache wieder gefunden: „Ja, was soll ich denn sagen, ich habe Paddy angestarrt, als wäre er ein Stück Freiwild, man ist mir das peinlich!“ Stefanie und ich finden die ganze Sache ziemlich lustig, denn Sandra und Andrea sind beide hochrot und schütteln ständig ihre Köpfe. Auch Tanja fällt es sichtlich schwer das Lachen zu unterdrücken, doch um es die beiden nicht noch schwerer zu machen halten wir uns zurück. „Ach nun hört aber auf, das war doch halb so schlimm, den beiden ist das doch bestimmt noch nicht mal aufgefallen. Aber wisst ihr was, wenn es Stefanie und mir wieder besser geht, nehmen wir euch mal mit

aufs Konzert.“ Die drei sind sofort Feuer und Flamme und wir unterhalten uns ewig lange über die Kellys, die Schule und natürlich Jungs und wir bemerken gar nicht wie die Zeit vergeht und irgendwann kommt eine Schwester mit dem Abendessen rein. Draußen ist es schon stockdunkel und sie meint: „Na, was ist denn hier noch los? Ihr habt wohl total die Zeit vergessen oder wie soll ich diese Versammlung deuten?“ Tanja, Andrea und Sandra springen erschrocken auf, denn eigentlich sollten sie schon längst zu Hause sein. Beim Essen ist Stefanie erstaunlich still und kaut lustlos auf ihrem Brot herum, ich mache mir schon richtig Sorgen, denn in den letzten Wochen war sie immer das blühende Leben und nun das. Unvermittelt meint sie: „Meine Eltern kommen morgen, sie wollen Angelo kennen lernen, was ist, wenn sie genauso einen Aufstand machen, wie deine Mom?“ Ich weiß nicht, was ich darauf sagen soll. Ich kann nur anmerken, dass ihre Eltern doch eigentlich sehr tolerant sind und doch bis jetzt auch nichts gegen ihn hatten.

In der Nacht werde ich von Stefanies Schluchzen wach. Leise klettere ich zu ihr ins Bett und versuche sie zu trösten. „Wenn meine Eltern Zoff machen, dann bringe ich mich um! Ohne Angelo kann und will ich nicht mehr leben!“ Ich kann sie zwar gut verstehen, aber sich umbringen, das ist dann doch etwas extrem, aber ich kenne sie so gut, das ich weiß, das sie ohne weiteres Ernst machen würde. Für den Moment bekomme ich sie erst mal beruhigt, aber ich nehme mir vor, morgen sofort mir Angelo zu reden. Über diese ganzen Gedanken schlafe ich ein und werde erst am nächsten Morgen wieder wach, als Schwester Magda reinkommt, um unseren Besuch anzukündigen. Ich sage ihr leise, dass sie Stefanie noch schlafen lassen soll und verschwinde nach draußen, um Paddy und Angelo abzufangen. Ich erzähle Angelo eine Kurzversion dessen, was Stefanie mir erzählt hat. Ziemlich geschockt läuft er in unser Zimmer und ich verkrümele mich mit Paddy in den Aufenthaltsraum. Angelo klopft, doch als er keine Antwort bekommt öffnet er die Tür und betritt leise das Zimmer. Stefanie schläft noch, dreht sich aber unruhig umher und sagt immer wieder: „Nein, nein, Angelo bleib hier!“ Vorsichtig rüttelt er sie wach, Tränen rollen über ihre Wangen und sie klammert sich an ihn. „Hey, was machst du denn für Sachen? Ganz ruhig, ich bin doch hier!“ Er wiegt sie hin und her wie ein kleines Kind und redet ihr gut zu. Leise wird in diesem Augenblick die Tür geöffnet und herein kommt Stefanies Mutter. Als sie die beiden so sieht muss sie lächeln und sagt: „Also, meinen Segen habt ihr!“ Erschrocken fahren die zwei auseinander und Stefanie beginnt von neuem zu heulen, diesmal aber vor Erleichterung. „So, um es ganz offiziell zu machen, ich bin Christina, du kannst mich ruhig duzen. Also ich muss ja sagen, meine Tochter hat einen guten Geschmack!“ Damit ist das Eis gebrochen und die drei unterhalten sich eine ganze Weile. Ich bin derweilen mit Paddy nach draußen in den Garten gegangen um ein bisschen frische Luft zu schnappen. Plötzlich sehen wir meine Mom auf uns zukommen und Paddy kann sich nur mit einem Sprung in den Busch in Sicherheit bringen. Meine Knie zittern wie Espenlaub, als sie bei mir ankommt. „Sag mal, was ist denn bei euch im Zimmer los? Stefanie sitz da mit ihrer Mutter und irgend so einem Typ und strahlt, damit könnte man ganz Deutschland beleuchten und es sieht so aus, als wollten die drei den Rekord im Dauerumarmen aufstellen.“ Ich atme auf, dann scheint ja alles glatt gegangen zu sein. Als ich mit meiner Mom weitergehe drehe ich mich noch kurz zu Paddy um und zucke entschuldigend mit den Schultern. Meine Mom scheint heute etwas besser aufgelegt zu sein, auf jeden Fall hält sie mir weder eine Strafpredigt, noch muss ich mir irgendwelche langweiligen Geschichten anhören. Zum Glück muss sie ziemlich bald wieder los, da heute eine ziemlich wichtige Konferenz stattfindet, die sie unter keinen Umständen verpassen darf. Erleichtert atme ich auf, da habe ich ja noch mal Glück gehabt, ich hatte schon damit gerechnet, dass sie den ganzen Vormittag bleibt. Zurück im Zimmer finde ich ein glückliches Pärchen bestehend aus Angelo und Stefanie vor, die aussehen, als hätten sie gerade zu wissen bekommen, dass sie im Lotto gewonnen haben. Auch Paddy traut sich wieder rein, vorsichtig guckt er um die Ecke, ob meine Mom auch wirklich weg ist. Und um die Runde komplett zu machen klopft es kurz darauf und Andrea, Tanja und Sandra kommen, um uns mit den Hausaufgaben und natürlich dem neusten Tratsch aus der Schule zu versorgen. Angelo kann sich eine fiese Bemerkung nicht verkneifen und meint grinsend: „Ach, da sind unsere Fische ja wieder. Wie geht´s uns denn heute?“ Anni und Sandra laufen dunkelrot an und wollen wieder verschwinden, doch Tanja hält sie fest. Die beiden zappeln jetzt wirklich wie ein Fisch am Haken und wir müssen unweigerlich anfangen zu lachen. Es sieht auch wirklich zu komisch aus, Andreas Brille sitzt mittlerweile ziemlich schief auf der Nase, Sandras Haare

hängen wild im Gesicht rum und zur Krönung des Ganzen geben die beiden komische Quietsch-Laute von sich. Endlich können sie sich losreißen und rennen auf den Flur. Kaum draußen, segelt Andrea der Länge nach hin und bleibt verdutzt liegen. Plötzlich hört sie: „Come on, I will help you!” und sieht eine Hand. Instinktiv ergreift sie die Hand, lässt sich hochziehen und blickt in die blauen Augen von John. „Oh man, was für Augen!“ schießt es ihr durch den Kopf. Jetzt ist es total um sie geschehen, verwirrt läuft sie zurück zu Sandra. Diese gewinnt langsam Oberwasser und fragt amüsiert: „Na, Andrea, hast du nen´ neuen Lover?“ Das ist zu viel, wütend stürmt Andrea aus dem Krankenhaus. John ist mittlerweile bei uns im Zimmer angekommen und findet ein einziges Chaos vor. Wir fünf sitzen auf unseren Betten und lachen Tränen und bei seiner Frage: „Sagt mal, wer ist denn die süße blonde mit der Brille?“ könne wir uns kaum mehr auf den Betten halten. Entgeistert starrt er uns an, tippt sich gegen die Stirn und fragt: „Was zum Teufel ist so lustig daran?“ Langsam beruhigen wir uns wieder, bleiben ihm aber eine Erklärung schuldig, denn nun heißt es Abschied nehmen. Die Tour geht heute weiter Richtung Süden und da müssen Angelo und Paddy natürlich mit. Vor allem Paddy und mir fällt der Abschied schwer, denn wir wissen nicht, wann und wie wir uns wieder sehen werden. Er verspricht zwar zu schreiben, aber das ist nicht das Gleiche, als sich zu sehen oder miteinander zu telefonieren.


Ein paar Tage später dürfen Stefanie und ich wieder nach Hause, zwar ist mein Arm immer noch in Gips und Stefanie humpelt noch mit ihren Krücken durch die Gegend, aber ansonsten sind wir wieder ganz hergestellt. Für mich hat sich zu Hause nichts geändert, meine Mom bewacht mich immer noch und gibt mir keine Chance ungestört zu telefonieren. Paddy schickt seine Briefe an Stefanies Adresse, die sie dann in der Schule an mich weiterreicht und wenn meine Mom mal ganz gut drauf ist und mich Nachmittags zu Stefanie lässt, schaffe ich es sogar mit ihm zu telefonieren. Weihnachten und damit der Besuch von Angelo rückt immer näher und endlich kann Stefanie wieder lachen. Ich dagegen werde immer ruhiger, Weihnachten, das Fest der Liebe und mein Freund sitzt 500 Kilometer weit weg von mir. Da macht Tanja auf einmal einen genialen Vorschlag: „Also, meine Eltern verreisen nach Weihnachten zu meinen Großeltern, wenn Paddy möchte kann er bei uns im Gästezimmer pennen.“ Ich schreie vor Freude auf, das ist ja besser als ich erwartet hab.“ Ich schreie vor Freude auf, das ist ja besser als ich erwartet habe! Und noch etwas bereden wir, Tanja braucht endlich einen Freund! In der nächsten Dänisch Stunde beginnt die „Große Verschwörung“, Sandra und ich machen uns daran, einen Brief zu schreiben, der Tanja beschreibt und aus dem hervorgeht, dass sie einen Freund sucht. Zum Glück ist unsere Dänischlehrerin mit der Klasse so überfordert, dass ihr gar nicht auffällt, wie abgelenkt Sandra und ich sind. Nach der Stunde treffen wir uns wieder mit Stefanie und Andrea, die beide Französisch hatten, beide lesen den Brief, finden ihn gut und dann wird er adressiert. Stefanie hatte die geniale Idee, ihn an Jimmy zu schicken, da sie weiß, dass er momentan auf der Suche nach einer Freundin ist und wir finden, die beiden passen super zusammen. Jetzt haben wir Technik, noch so ein Fach mit dem ich auf Kriegsfuß stehe und ich glaube, auch Herr Brade ist froh, wenn das Halbjahr um ist und ich in die Hauswirtschaftsgruppe wechseln kann. Auf dem Weg dorthin klaut uns auf einmal Jan den Brief und liest ihn aufmerksam durch. Er bekommt große Augen und will sofort zu Tanja rennen um zu petzen, doch nicht mit uns! Stefanie hält ihn fest, Andrea nimmt ihm den Brief ab und ich sage warnend: „Wehe du sagst was, dann bist du dran!“ Anscheinend wirkt es, denn er setzt sich ohne ein weiteres Wort auf seinen Platz. Unsere heutige Aufgabe ist mehr als kniffelig, wir sollen aus ein paar Stücken Draht eine Pyramide löten. Ich sitze davor und habe mal wieder keine Ahnung, immer wenn ich an der eine Seite fertig bin, gehen die anderen Lötstellen wieder auf. Auch den anderen ergeht es nicht besser und nachdem Brade aus dem Raum ist, bricht das Chaos aus. Jan nimmt das Unterteil seiner Pyramide, verbiegt es zu einem „S“ und sabbelt was von „Sculpture“, dann nimmt er einen Zollstock und beginnt Tanjas Arm- und Beinlänge auszumessen. Die Arme steht da und hat keine Ahnung, was mit ihr geschieht. Erklärend meint Jan: „Na, ich muss doch die Maße für dein Hochzeitskleid haben!“ Jetzt versteht Tanja gar nichts mehr, lässt ihn aber weitermachen, schließlich kennt sie Jan und weiß, wie verrückt er manchmal sein kann.

Ein paar Tage später passiert das, was schon lange hätte passieren müssen. Zu Hause erwartet mich eine ziemlich wütende Mom. Kaum habe ich die Haustür hinter mir geschlossen, steht sie mit einem ganzen Stapel Briefe von Paddy vor mir. „Mein liebes Fräulein, könntest du mir das

bitte gnädigerweise erklären! Ich hatte dir doch verboten weiterhin mit diesem Jungen in Kontakt zu treten!“ Das geht mir jetzt eindeutig zu weit, schlimm genug, dass sie mich wie eine Schwerverbrecherin behandelt, aber auch noch in meinen Sachen rumwühlen und meine Briefe lesen, das geht eindeutig zu weit! Ich reiße ihr die Briefe aus der Hand und schreie: „Was gehen dich meine Briefe an? Hast du schon mal was vom Briefgeheimnis gehört?“ Ich renne in mein Zimmer und schließe von innen ab. Schnell werfe ich ein paar Klamotten in den Rucksack, was zu viel ist, ist zu viel! Diesmal hält mich keiner auf und wenn ich ins Heim gehen muss! Ich nehme meinen Rucksack und meine Schultasche und gehe. Doch kaum auf der Strasse bekomme ich Zweifel, wohin soll ich heute Nacht, es ist Dezember und ziemlich kalt draußen. Stefanie ist mit ihren Eltern bei ihren Großeltern zu Besuch, zu ihr kann ich also nicht. Bleibt nur noch Tanja, aber wenn sie mitbekommt, dass wir einen Brief an Jimmy geschrieben haben, setzt sie mich vor die Tür. Aber egal, bis dahin ist Stefanie bestimmt wieder da. Ich gehe zur Telefonzelle und rufe bei Tanja an. Ihre Mutter ist zwar ziemlich überrascht, dass ich mich so kurzfristig übers Wochenende anmelde, hat aber nichts dagegen und so stehe ich kurz darauf bei Tanja auf der Matte. In ihrem Zimmer angekommen will Tanja erst mal wissen, was denn eigentlich los ist, dass ich auf einmal hier auftauche. Ich erzähle ihr, was meine Mom veranstaltet hat. „Hm, das ist ja ein ganz schönes Ding, was sie da gemacht hat. Was sagt Paddy denn dazu?“ Ach je, der weiß ja auch noch nicht Bescheid, das muss ich sofort ändern! „Du sag mal, darf ich mal kurz telefonieren?“ Tanja drückt mir das Telefon in die Hand und geht erst mal in die Küche um etwas zu Essen zu besorgen. Als ich Paddy am Telefon habe erkläre ich, was hier los ist und das ich vorübergehend bei Tanja wohne. Nachdenklich meint er: „Wenn das bei dir zu Hause so ausufert, wäre es vielleicht besser, wenn wir uns wirklich nicht mehr sehen würden!“ „Nein, auf keinen Fall! Ich lasse meine Mom nicht gewinnen! Die macht mir mein Leben nicht kaputt! Schlimm genug, dass sie mich einsperrt und wie eine Schwerverbrecherin behandelt, aber sie wird es nicht schaffen, mir alles kaputt zu machen!“ „Na, wenn du meinst. Aber irgendwas muss passieren, so kann das doch nicht weitergehen, du gehst doch kaputt daran und ich glaube, deine Mom fühlt sich auch nicht wohl in ihrer Haut. Zur Not werde ich wirklich mal mit ihr reden, nein, keine Widerworte, es muss jetzt was passieren!“ Ich muss schlucken, er will mit meiner Mom reden, das kann doch nicht wahr sein, aber Recht hat er, passieren muss was, ich bin ja jetzt schon total fertig und ich kann ja auch nicht ewig bei Tanja pennen.

Nach einem sehr schweigsamen Abendessen gehen Tanja und ich zurück in ihr Zimmer um Musik zu hören. Doch mit der Ruhe von heute Nachmittag ist es vorbei, ihr kleiner Bruder Marco ist mittlerweile wieder aufgetaucht und hat auch noch seinen Freund Jörg mitgebracht. Fünfjährige können echt grausam sein! Alle paar Minuten reißen sie die Tür auf, stecken den Kopf ins Zimmer und fangen an zu lachen. Tanja wird es zu bunt, sie geht ins Wohnzimmer zu ihrer Mutter. Doch diese ist so beschäftigt mit Fernsehgucken, dass sie ihr nur wortlos den Zimmerschlüssel in die Hand drückt. Nachdem Tanja ihre Tür abgeschlossen hat, werden die beiden wütend und hämmern und treten gegen die Tür. Tanja schaltet einfach ihre Anlage lauter, doch als ich Paddys Stimme höre, ist es um mich geschehen, ich fange hemmungslos zu weinen an. Erschrocken blickt sie mich an und versucht mich zu trösten, doch ich schiebe sie zur Seite und will meine Ruhe haben. Tanja macht die Tür auf und Marco und Jörg, die gelauscht haben, purzeln ins Zimmer. Als Marco sieht, dass ich weine, läuft er in sein Zimmer und holt seinen Teddybär um mich zu trösten. „Hier, den musst du in den Arm nehmen und ganz fest drücken und dann geht es dir gleich besser!“ Trotz meiner schlechten Laune muss ich lächeln, es ist auch zu süß, wie er da steht und mich treuherzig anguckt. „Siehst du, ich habe doch gesagt, dass es funktioniert!“ Tanja will die zwei so schnell wie möglich wieder loswerden und schiebt sie aus dem Zimmer, aber trotzdem bekommen wir keine Ruhe, denn schon steht ihre Mutter in der Tür. „Tanja, Telefon, ein gewisser Jimmy. Muss man den kennen?“ Verwirrt schaut Tanja von ihrer Mutter zu mir und wieder zu ihrer Mutter. Ich laufe dunkelrot an, wieso ist die Post bloß immer dann zuverlässig, wenn man es nicht gebrauchen kann? Währen Tanja telefoniert fange ich an, meine Sachen zu packen, denn eins ist sicher, jetzt fliege ich raus! Plötzlich fliegt die Tür auf und Tanja kommt ins Zimmer gestürzt. „Wie konntet ihr nur? Seid ihr denn total verrückt geworden? Wie konntet ihr mich nur so blamieren?“ „Naja, wir dachten, da du immer sagst wie sehr du dir einen Freund wünschst könnten wir da etwas nachhelfen.“ „Super, tolle Idee! Aber sag mal, was machst du da

eigentlich?“ „Na, wonach sieht das denn aus? Ich packe meine Sachen, denn ich glaube nicht, dass du mich nach dieser Aktion noch weiter hier haben willst oder?“ „Für wie grausam hältst du mich eigentlich? Ich setz dich doch bei diesem Wetter nicht vor die Tür, außerdem muss mir doch jemand dabei helfen mein Zimmer auf Hochglanz zu bringen. Guck nicht so dämlich, ich bekomme morgen Besuch! Angelo kommt schon nen Tag früher sozusagen als Weihnachtsüberraschung und er bringt gleich John und man höre und staune auch Jimmy mit! Na, was s

Re: Ein Konzert mit Folgen

Tanja scheint mein Zögern bemerkt zu haben und meint: „Paddy hat leider morgen noch keine Zeit, er kommt aber in zwei Tagen nach.“

Am nächsten Tag machen wir uns daran Tanjas Zimmer zu entrümpeln und auf Vordermann zu bringen. Wie wir feststellen müssen war das auch mal dringend wieder nötig, denn endlich findet Tanja ihre Mathearbeit wieder, nach der sie ziemlich lange gefahndet hatte und auch einige andere verschollen geglaubte Dinge tauchen wieder auf. Nach einigen harten Kämpfen und vier Stunden schweißtreibender Arbeit sitzen wir geschafft aber glücklich in einem blitzsauberen Zimmer. Gegen 15°°Uhr trudeln auch Stefanie und Andrea ein, Stefanie natürlich um ihren Angelo abzuholen und Andrea um John mit zu sich zu nehmen. Die beiden sind in den letzten Wochen gute Freunde geworden und schreiben sich regelmäßig und nun wollen sie sich endlich mal treffen. Stefanie ist gerade dabei von ihrer nervigen Kusine zu erzählen, als sie auf einmal einen spitzen Schrei ausstößt und losrennt. Andrea, die bis jetzt im Halbschlaf zugehört hat, fällt fast vom Sofa und bevor sie überhaupt realisiert hat, was los ist, poltert Stefanie schon die Treppe runter und reißt die Tür auf. Wesentlich langsamer als Stefanie kommen wir anderen die Treppe runter, ich verkrümele mich gleich in die Küche, wo Marco und Jörg gerade versuchen Kekse zu backen. Als ich frage, ob ich helfen darf sind die beiden zwar erst nicht so erbaut, lassen mich dann aber mitmachen. Fünf Minuten später bin ich mit den Nerven am Ende und von oben bis unten mit Mehl voll. Marco will unbedingt ein Keksauto backen, was er ohne Form natürlich nicht hinbekommt. Sein Teig ist vom vielen bemehlen und kneten schon unbrauchbar und er will grade in Tränen ausbrechen, als ich von der Tür her eine sehr vertraute Stimme höre. Ich drehe mich um und sehe Paddy, der in der Tür steht. Ich falle ihm um den Hals und auf einmal muss Marco gar nicht mehr weinen, sondern guckt gespannt zu, wie Paddy mir einen langen Begrüßungskuss gibt. Um den neugierigen Blicken der beiden zu entkommen gehen wir nach oben zu den anderen. Die sechs sind grade am überlegen, wer heute Nacht wo schlafen soll und das ist gar nicht so einfach. Angelo kommt natürlich mit zu Stefanie, und Andrea meint nach einigem Zögern, dass John mit zu ihr kommen könnte. Jimmy will auf jeden Fall bei Tanja bleiben und Paddy möchte mich auf keinen Fall alleine lassen. Der Vorschlag mit dem Zwei-Mann-Zelt ist auch nicht wirklich produktiv und so herrscht Schweigen. Irgendwann ruft Tanja: „Ich hab´s! Wir schicken Marco mit zu Jörg und dann ist hier ein Zimmer frei, in dem Jimmy und Paddy schlafen können.“ Ich gehe mit Paddy wieder runter, um das mit Jörg und Marco abzuklären. Schon auf der Treppe bemerken wir diesen komischen Geruch und als wir die Küchentür aufmachen kommt uns ein beißender Rauch entgegen. Schnell öffnen wir das Fenster und den Backofen und befördern die Kekse oder besser gesagt, das was davon über ist nach draußen. Plötzlich hören wir einen markerschütternden Schrei, Marco hat die traurigen Überreste seines Autos entdeckt. „Mein schönes Auto, was habt ihr gemacht?“ Doch als wir ihm erzählen, dass er heute bei Jörg schlafen darf ist sein Auto schon fast wieder vergessen und er zieht glücklich ab um seine Sachen zu packen.



Re: Ein Konzert mit Folgen

Am Abend sitzt Paddy noch bei mir und wir bereden, was mit meiner Mom und mir geschehen soll. “Mein größter Weihnachtswunsch ist, dass du dich mit deiner Mom versöhnst. Der ganze Quatsch ist doch Hühnerkram! Geh zurück und rede mit ihr!“ Ich schüttele den Kopf: „Wenn ich zurück ginge, würde ich dich verlieren! Sie sieht einfach nicht ein, dass ich nicht mehr das kleine Mädchen bin, das sie bemuttern kann.“ Er sieht mich flehend an: „Bitte, versuch es jedenfalls! Wenn sie dir wieder doof kommt, kannst du ja immer noch gehen. Wenn es wirklich nicht klappen sollte, dann finden wir eine Lösung, glaube mir. Ich bin auf jeden Fall immer für dich da!“ Mit diesen Worten deckt er mich ordentlich zu, gibt mir einen Gute-Nacht-Kuss und geht in Carstens Zimmer.

Am nächsten Vormittag um kurz nach elf verlasse ich das Haus, steige aber nicht wie

abgesprochen in den Bus nach Tolk sondern in den nach Schleswig. Doch kaum im Bus kommen mir Zweifel. Ich tue schon wieder nichts anderes als meinen Problemen davonzulaufen. Aber jetzt gibt es kein Zurück mehr oder doch? An der nächsten Haltestelle steige ich aus, mir kommt ein eisiger Ostwind entgegen, trotzdem laufe ich in Richtung Wald. „Was mache ich hier eigentlich?“ Mein Schrei geht im Wind unter, aber nun geht es mir schon wesentlich besser und ich mache mich auf den Weg zurück zu Tanja. Während ich laufe grübele ich immer wieder darüber nach, ob es das Richtige ist, was ich tue, doch als Paddy mich im Arm hält weiß ich, das es richtig war. „Kommst du bitte mit? Alleine schaffe ich das nicht!“ Er nickt und kurz darauf stehen wir vor meiner Haustür. Bevor ich auf den Klingelknopf drücke, zögere ich noch einen Augenblick, doch dann gebe ich mir einen Ruck und klingele. Als meine Mom öffnet frage ich schüchtern: „Dürfen wir reinkommen?“ Sie tritt einen Schritt zur Seite und lässt uns rein. Als wir im Wohnzimmer sitzen meint sie: „Also gut, ich habe in den letzten Tagen viel nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, das wir beide Fehler gemacht haben und das wir beide uns ändern müssen. Du bist 16 Jahre alt und ich denke mittlerweile alt genug für einen Freund, solange du dich an gewisse Spielregeln hältst. Wie gesagt du bist 16 und Paddy ist ja wohl etwas älter als du, ich hoffe also, ich kann mich auf euch verlassen!“ Ich kann es kaum glauben, was ist mit meiner Mom los? Aber egal, ich bin erst mal glücklich und falle Paddy um den Hals. Da meine Klamotten noch bei Tanja sind müssen wir noch mal zurück. Draußen vor der Tür gibt mir Paddy einen langen Kuss und meint: „Ein besseres Weihnachtsgeschenk konntest du mir nicht machen!“

Am Abend liege ich im Bett und warte darauf, dass meine Mom ins Bett geht. Endlich höre ich ihre Schlafzimmertür und leise schleiche ich mich auf den Flur, dort treffe ich Paddy, der wohl die gleiche Idee hatte wie ich. „Ich wollte nur fragen, ob bei dir im Bett noch Platz ist, ich fühle mich im Gästebett so alleine!“ „Klar, für dich doch immer!“ Wir gehen zurück in mein Zimmer und kuscheln uns in mein Bett. Am nächsten Morgen kommt meine Mom in mein Zimmer um mich zu wecken, denn schließlich ist heute wieder Schule. Als sie Paddy bei mir im Arm sieht erstarrt sie, doch dann geht sie leise wieder aus dem Zimmer, schließt die Tür und klopft laut. Paddy springt erschrocken aus dem Bett und meint: „Ähm, ich wollte sie nur wecken.“ „Ja, ja, ist ja gut, wach ist sie jetzt ja. Und beeil dich ein bisschen, es ist schon viertel nach sechs!“ Oh Shit, bloß nicht zu spät kommen! Also schnell unter die Dusche, Bücher und Hefte in den Rucksack geworfen, Frühstück muss es eben auf dem Weg zum Bus geben. In der ersten Stunde haben wir Englisch, Buchbesprechung, auch das noch! Englisch gehört zwar zu den angenehmeren Fächern, viel besser bin aber trotzdem nicht. Ich habe echt Angst vor dem nächsten Zeugnis. Paddy und Angelo sind heute mit in die Schule gekommen und Frau Flüh hat nichts dagegen, dass die beiden zugucken. Das macht den Unterricht etwas erträglicher, vor allem da Paddy mir so gut hilft, wie er kann. Als Frau Flüh dann auch noch einen Test für morgen ankündigt, stöhnt die ganze Klasse auf. Ein Test und das auch noch kurz vor den Ferien, selbst das Versprechen von Paddy mit mir zu lernen ändert nichts an meiner Laune. In der nächsten Stunde, Deutsch bei Herrn Staritz, müssen die beiden auf dem Flur warten, das ist wieder so typisch. Dementsprechend demotiviert ist Stefanie, anstatt zuzuhören guckt sie die ganze Zeit zur Tür und ist mit ihren Gedanken ganz woanders. Irgendwann platzt Herrn Staritz der Kragen und er meint: „Stefanie, du meldest dich bitte nach der Stunde, dann kannst du dir eine Extraarbeit abholen!“ „Wie bitte? Nein, das sehe ich nicht ein! Was habe ich denn verbrochen?“ Das ist zu viel, nun reicht es Herrn Staritz wirklich und er setzt Stefanie kurzfristig an die frische Luft. Draußen vor der Tür steht Angelo erstaunt auf, als Stefanie raus kommt. „Der Typ spinnt doch! Ich habe ihn lediglich gefragt, warum ich ne´ Extraarbeit bekommen soll und was macht er? Der schmeißt mich einfach raus!“ Sie zetert noch einen Augenblick rum, wird dann aber ruhiger. In der nächsten Stunde haben wir Sport mit Brade und wir spielen, wie fast immer, Volleyball. Aus Versicherungstechnischen Gründen dürfen Paddy und Angelo nicht mitspielen, sitzen aber am Rand auf der Bank und feuern uns an. Da wir mit Bradys´ 3-Mannschaftssystem spielen sitzt immer eine Gruppe an der Wand und darf sich langweilen. Stefanie, Tanja, Andrea, Stefanie und ich sitzen mal wieder an der Seite, als Stefanie auf einmal meint: „Kommst du bitte mal kurz mit in die Umkleide?“ Ich nicke und sehe erst jetzt, wie blass sie ist. In der Umkleide setzt sie sich auf eine Bank und meint: „Mir ist so schlecht! Kannst du Brade Bescheid sagen, dass ich nach Hause fahre und Angelo holen.“ „Klar, kein Problem. Kann ich dich alleine lassen? Du siehst echt nicht gut aus. Hast

du irgendwas falsches gegessen?“ „Keine Ahnung, mir ist schon seit ein paar Tagen so komisch
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Ich gehe zurück in die Halle, sage Angelo, dass er mal nach Stefanie schauen soll und sage Herrn Brade, dass ich mit ihr ins Krankenzimmer gehe und mit ihr auf ihre Mutter warte. Er ist so in das korrigieren seiner Arbeiten vertieft, dass er kaum reagiert und nur leise vor sich hin brummelnd nickt. Angelo und ich bringen sie rüber ins Krankenzimmer, währen Angelo bei ihr bleibt, telefoniere ich mit ihrer Mutter, die auch verspricht sofort zu kommen. Ich verabschiede mich noch von Stefanie, wünsche ihr noch gute Besserung und renne wieder zur Sporthalle. Draußen hat es angefangen zu schneien, vielleicht gibt es ja endlich mal wieder weiße Weihnachten. In der Halle fängt mich erst mal Herr Brade ab, der wissen will, wo Stefanie und ich waren. Das darf doch nicht wahr sein, sind denn hier alle Lehrer bescheuert? Ich will gerade anfangen zu erklären, als es zur Pause klingelt und alles an mir vorbeistürmt. Auch ich mache mich auf den Weg, um mich umzuziehen, denn Brade hört mir sowieso nicht mehr zu und außerdem kann ich es mir nicht leisten zu spät zu Mathe zu kommen. Auf dem Weg zur Klasse meint Andrea: „Und, wie geht’s mit deiner Mom? Also, meine hat ganz schön komisch geguckt, als ich mit John in der Küche stand!“ „Alles klar mit meiner Mom, sie hat endlich gerafft, dass ich kein kleines Kind mehr bin. Aber sag mal, läuft da was mit dir und John?“ Sie schüttelt den Kopf: „Nein, nein, alles rein platonisch, wir sind gute Freunde, mehr nicht.“ In diesem Moment kommt Frau Meiners rein und kündigt einen ihrer berühmt berüchtigten Kurztests an. Das heißt zehn Matheaufgaben innerhalb kürzester Zeit und das Ergebnis gibt’s gleich hinterher. Unser momentanes Thema lautet Prozentrechnung, noch ist alles ganz easy, aber ich kenne mich, am Anfang eines Themas kapiere ich noch alles, aber sobald es dann ans Eingemachte geht verstehe ich wieder null. Nachdem Frau Meiners ihre Aufgaben diktiert hat, tauschen wir unsere Hefte aus, bekommen die Lösungen und vergleichen. Carstens Heft sieht wie immer chaotisch aus, Ergebnisse durchgestrichen, dann bei mir abgeschrieben und wieder daneben geklemmt, es ist echt schwierig irgendwas zu erkennen! Aber gut, fünf Aufgaben sind immerhin richtig, bei mir sieht es ganz gut aus, habe mich nur einmal verrechnet, das lässt ja hoffen. Vielleicht habe ich das Thema ja dieses Mal gecheckt, das werde ich spätestens bei der nächsten Arbeit merken. Und die soll auch gar nicht lange auf sich warten lassen. Für kurz nach den Ferien hat Frau Meiners die Klausur angesetzt, damit die Note noch mit für das Halbjahreszeugnis zählt. Na bravo, das Zeugnis... In den sprachlichen Fächern steh ich ja noch ganz gut da, Sport ist, da wir nur Volley- oder Völkerball spielen, auch kein Problem, aber in Geschichte und Erdkunde wäre ich ohne Sabrinas tatkräftige Unterstützung bei den Arbeiten ziemlich aufgeschmissen. In Technik versage ich total und da habe ich noch nicht mal die Möglichkeit, irgendwo abzuschreiben! Aber wir werden es ja sehen. Nach Mathe müssen wir uns noch durch eine Stunde Biologie quälen. Der Unterricht mit Herrn Brade ist auch nicht wirklich interessant, er beginnt mit Feuchtbiotopen und endet bei einer Nierenkolik in der Badewanne. Alles realistisch nachgestellt und zwischendurch lernen wir auch noch was über den richtigen Umgang mit der Kettensäge. Und dann wird von uns verlangt, dass wir halbwegs vernünftige Klausuren zustande bringen... Endlich klingelt es und wir sind für heute erlöst. Draußen schneit es mittlerweile immer doller und ich bin froh, als wir heile in Tolk ankommen. Den Nachmittag verbringen wir damit, Englisch zu pauken. Ich scheine Nachhilfe wirklich nötig zu haben, denn Paddy rollt ständig mit den Augen und schüttelt mit dem Kopf. „Oh no! Hast du eigentlich in den letzten Jahren im Unterricht überhaupt nicht aufgepasst? Man merkt es dir wirklich nicht an, dass deine Mom aus Schottland kommt. Zum Glück ist sie nie auf die Idee gekommen wieder zurück zu ihrer Family zu gehen. Du wärst echt aufgeschmissen, you know?“ Ich grinse, denn er erzählt mir nichts neues, das predigen mir Lehrer und meine Mom schon seit Jahren. Sie hat es damals leider versäumt, mich zweisprachig zu erziehen und nun sitze ich hier und quäle mich durch die Vokabeln. Am Abend ruft meine Mom uns zum essen, während wir in der Küche sitzen grinst sie die ganze Zeit, auf einmal fragt sie: „Ich glaube, ihr müsst heute Abend etwas früher ins Bett, ihr seht tierisch müde aus: Habt ihr letzte Nacht nicht gut geschlafen?“ Ich verschlucke mich fast an meinem Tee und meine: „Naja, ging so.“ Meine Mom grinst weiter vor sich hin und fragt irgendwann: „Sagt mal, zu zweit in so einem schmalen Bett, ist das nicht ein bisschen unbequem? Wollt ihr nicht lieber das Gästebett mit in dein Zimmer stellen?“ Ich schaffe es nicht, ihr zu antworten, da ich sie mit offenem Mund anstarre. Was ist mit meiner Mom los? Wurde sie von Außerirdischen entführt und durch einen Alien ersetzt? Jetzt fehlt

eigentlich nur noch, das sie mir Kondome in die Hand drückt und mir viel Spaß wünscht! Zum Glück geschieht nichts dergleichen und so können Paddy und ich uns nach dem Essen ins Zimmer verziehen und noch ein bisschen an meiner englischen Grammatik feilen. Nebenbei läuft das Radio und als die Nachrichten kommen, glaube ich echt zu träumen: „Aufgrund des starken Schneefalls und der extremen Glätte fallen morgen im gesamten Kreis Schleswig-Flensburg die Schulen aus!“ Sofort fliegt mein Englischbuch in die Ecke, wozu sich noch weiter quälen? Morgen wäre eh´ der letzte Schultag gewesen. „Also, was machen wir mit der angefangenen Nacht? Morgen früh klingelt zum Glück nicht um sechs Uhr der Wecker!“ Paddy grinst. „Mmh, ich hätte da ja schon so eine Idee...“ Fies grinsend stürzt er sich auf mich und beginnt mich durchzukitzeln. Erschrocken quieke ich auf und versuche mich laut lachend zu wehren. Fast überhören wir das Klopfen, mit dem sich meine Mom anmeldet. Seit wann klopft sie denn an, wenn sie in mein Zimmer kommt? „Was ist denn hier los? Nun ist aber Schluss, morgen ist schließlich Schule!“ Ich schüttele den Kopf: „Ne, grade kam im Radio die Meldung, dass morgen im Kreisgebiet die Schule ausfällt. Das heißt, ich habe jetzt offiziell Ferien!“ „Na dann... Aber seid trotzdem ein bisschen leiser, denn ich muss morgen noch mal zur Arbeit. Dann mal eine gute Nacht euch zwei!“ Als sie aus dem Zimmer ist, lasse ich mich auf mein Bett fallen und meine: „Das ist doch alles nicht wahr! Was ist bloß mit meiner Mom los? Kannst du mir das erklären?“ „Ne, kann ich nicht, aber genieße es doch einfach. Aber bevor der gemütliche Teil des Abends anfängt muss ich noch was mit dir besprechen. Wenn Angelo und ich wieder weg sind, könntest du dich dann ein bisschen um Stefanie kümmern? Ich glaube, sie hängt ziemlich an Angelo und kommt nicht wirklich damit klar, wenn er so oft weg ist.“

In diesem Augenblick führt auch Angelo ein ernstes Gespräch mit Stefanie. „Stefanie, wenn ich nach den Ferien wieder weg bin, musst du dir immer drei Dinge sagen: 1. es ist nicht für immer, ich komme so oft vorbei wie es geht, 2. wenn du Probleme hast kannst du mich immer anrufen und 3. ich liebe dich so sehr, ich könnte dich nie vergessen!“ Stefanie nickt und gibt ihm einen Kuss.

In Berend sitzt Tanja mit Jimmy bei sich im Zimmer und schnackt mit ihm. Irgendwann gähnt Tanja und meint: „Ich geh noch einen Augenblick an die frische Luft. Willst du mitkommen?“ Arm in Arm gehen die beiden in den Garten, keine Wolke ist am Himmel zu sehen. Tanja zittert vor Kälte und Jimmy zieht sie an sich und gibt ihr einen Kuss. Tanjas einziger Kommentar: „Ist das wahr?“ Jimmy nickt: „Erst war ich mir ja nicht sicher. Ich meine, schließlich ist der Altersunterschied doch ziemlich groß! Aber meine Güte, wieso sollen wir es nicht versuchen?“ Glücklich nickt Tanja und kuschelt sich noch etwas enger an Jimmy. Da es jetzt doch ziemlich kalt wird, gehen die beiden wieder nach oben und nach kurzer Zeit schläft Tanja an Jimmy gelehnt ein.

Ich dagegen verplane gerade meine Sommerferien, da Paddy meint, ich müsste unbedingt mal mit auf die „Santa Barbara“ kommen. Ich weiß ja nicht so recht, ich und segeln, da prallen zwei Welten aufeinander! Ich werde so schnell seekrank und hänge dann die ganze Zeit wie ein Schluck Wasser in der Kurve da. Das würden tolle Ferien werden!“ „We’ll see. Aber nun ist Zeit zum schlafen! Licht aus und gute Nacht!“

Am nächsten Morgen stellt Tanja mit Erschrecken fest, dass sie die ganze Nacht an Jimmy gelehnt geschlafen hat, bevor sie sich richtig recken und strecken kann fliegt die Tür auf und Marco kommt ins Zimmer gestürzt. Als er Tanja und Jimmy so sieht fängt er laut an zu lachen und ruft: „Was macht ihr denn da? Das sag´ ich Mama!“ Tanja feuert ihr Kissen in seine Richtung und ruft: „Raus, ich will schlafen! Lass uns in Ruhe!“ Angelo, der heute Geburtstag hat, bekommt von Stefanie sein Frühstück ans Bett. Vorsichtig kitzelt sie ihn wach und küsst ihn mit der Bemerkung: „Guten Morgen mein Schatz! Hast du gut geschlafen?“ Verschlafen blinzelt er sie an: „Mmh, hab ich, aber das Aufwachen ist doch schöner. Wie geht’s dir?“

Stefanie zuckt mit den Schultern: „Naja, muss ja weiter gehen! Nun lass uns aber frühstücken.“ „Also gut, aber wenn es nicht besser wird, gehst du zum Arzt, Ok?“ Sie nickt und nippt an ihrem Tee. Nach dem Frühstück will Stefanie aufstehen, doch Angelo meint: „Du bleibst heute schön im Bett, damit du morgen wieder fit bist. Ich bring das Geschirr weg und du schläfst noch ein bisschen!“, deckt sie richtig zu, gibt ihr noch einen Kuss und geht nach unten in die Küche. Er stellt das Geschirr in die Spülmaschine und setzt sich seufzend an den Tisch. Kurz bevor er zu Stefanie gefahren war hatte er noch ein eindringliches Gespräch mit Kathy gehabt,




die ihn davor gewarnt hatte, sich zu doll an Stefanie zu klammern, er sei grade erst 16 Jahre alt und hätte noch sein ganzes Leben vor sich. Außerdem solle er seine eigenen Interesse nicht in den Hintergrund stellen und mal wieder zurück auf die Erde kommen. Angelo weiß ja, dass sie Recht hat, in den letzten Monaten war er fast hundert prozentig auf Stefanie fixiert, was ihm aber nie aufgefallen ist und was er auch gar nicht schlimm fand, aber er weiß genau, das langsam das normale Leben wieder einkehren muss. Nur, wie soll er das Stefanie klarmachen? Er kennt sie mittlerweile ziemlich gut und liebt sie viel zu sehr um sich weniger mit ihr zu treffen. Irgendwie muss er seine Musik, seine Familie und Stefanie unter einen Hut bekommen, jedem gerecht werden und keinen vernachlässigen. Er sitzt schon eine ganze Weile so und bemerkt gar nicht, dass Stefanie leise in die Küche gekommen ist. Als sie ihn so nachdenklich da sitzen sieht stutzt sie erst und setzt sich dann neben ihn. „Na, so nachdenklich an deinem Geburtstag? Ist was passiert?“ Er seufzt und fängt an zu erzählen. Stefanie nickt immer wieder und als er geendet hat meint sie: „Ich verstehe das schon und weißt du was, wir verbringen jetzt erst mal die Ferien zusammen und dann fährst du nach Köln und ich gehe wieder zur Schule, wir telefonieren regelmäßig und in den Ferien sehen wir uns wieder. Keine spontanen Kurzreisen mehr, jeder sollte sich wieder mehr um sein eigenes Leben kümmern. Ich mich um die Schule und meine Freunde, du dich um deine Familie und die Musik. Ich denke, das dürfte zu schaffen sein oder was meinst du?“ Erleichtert nickt Angelo, mit so einer Entscheidung von Stefanie hatte er nicht gerechnet.

Paddy und ich sind grade am frühstücken, wir haben den freien Tag genutzt um endlich mal wieder richtig auszuschlafen. Meine Mom ist zur Arbeit und kommt nicht vor 18°° Uhr wieder, so haben wir also das Haus für uns und keiner kann sich über die laute Musik beschweren, die im Hintergrund läuft. Während ich den Tee aufgieße meint Paddy: „Sag mal, sollen wir nachher Angelo besuchen, er hat doch heute Geburtstag.“ Klar habe ich Lust, ich wollte eh´ nachschauen, wie es Stefanie geht, sie sah gestern echt mies aus! Da klingelt es zum ersten Mal, draußen steht Marjella, die ihren freien Vormittag damit verbringt, mich endlich mal wieder zu besuchen. Seit ihr kleiner Bruder auf der Welt ist, habe ich sie echt selten gesehen. Sie geht in Schleswig auf die dänische Schule und kommt daher selten vor 15°° Uhr nach Tolk und da ihre Eltern beide arbeiten, muss sie nachmittags auf ihre vier kleinen Geschwister aufpassen. Aber heute Vormittag ist wie immer ihre Oma da, die auf Christian und Yvonne, die beiden jüngsten, aufpasst. Ganz außer Atem lässt sie sich auf den nächsten Stuhl fallen. „Puh war das schwierig da weg zu kommen. Als Yvonne gemerkt hat, dass ich alleine los will, hat sie einen Aufstand gemacht, als würde ich auswandern. Sag mal Paddy, wie hast du das mit so vielen Geschwistern ausgehalten?“ Paddy grinst. „Naja, ich bin einer der jüngsten, also hatten meine anderen Geschwister den Ärger mit mir. Aber weißt du was, manchmal nerven mich meine Geschwister echt. Auch wenn es immer so aussieht, als gäbe es bei uns nur gute Laune und Friede, Freude, Eierkuchen, aber wir können uns auch gut zoffen. Und ich sage dir, wenn wir uns in den Haaren haben, ist das echt heftig!“ Während die beiden weiter die Vor- und Nachteile von vielen Geschwistern erörtern klingelt es zum zweiten Mal. Stefanie und unser Geburtstagskind Angelo haben spontan beschlossen uns zu besuchen. Stefanie ist zwar noch etwas blass um die Nase, sieht aber ansonsten schon wieder recht fit aus. Schnell lasse ich beide in die Küche, denn es ist wirklich kalt draußen und beide sehen so aus, als könnten sie einen heißen Tee gebrauchen. Und kurz darauf stehen Tanja und Jimmy mit Sandra im Schlepptau vor Tür, als hätten sie gerochen, dass ich sturmfreie Bude habe. Es wird ein richtig gemütlicher Tag mit Unmengen von heißer Schokolade, Tee und einem großen Topf Spaghetti mit Tomatensauce und natürlich jeder Menge Musik. Ich habe meine Gitarre wieder rausgeholt und abwechselnd spielen Jimmy, Angelo und Paddy uns ein Ständchen. Gegen Abend machen sich alle wieder auf den Heimweg und zurück bleibt ein Schlachtfeld und gleich kommt meine Mom von der Arbeit. Wenn sie das Chaos hier sieht, dann flippt sie aus. Also nix wie ran und aufräumen! Abwaschen, wegräumen, alles muss im Blitztempo gehen, aber zum Glück sind wir zu zweit, dann geht’s schneller. Ich verstaue grade den letzen Teller im Schrank, als ich meine Mom höre. Noch mal Glück gehabt, es wird schon schwer genug ihr zu erklären, dass sämtliche Spaghettivorräte aufgebraucht und auch der Kühlschrank ziemlich geplündert ist. Zum Glück nimmt sie es relativ gelassen auf und wieder denke ich: „Das ist nicht meine Mom!“ Auf die Frage nach unseren Plänen für heute Abend murmele ich nur: „Mal schauen, wird sich schon was finden.“ Sie mag sich ja noch so sehr verändert haben, aber auf einen







Re: Ein Konzert mit Folgen

Erstellt: 11.06.05, 19:55  Betreff: Re: Ein Konzert mit Folgen  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat   Beitrag editieren  

Fernsehabend mit meiner Mom und meinem Freund habe ich wirklich keinen Bock. Auch Paddy schaut nicht wirklich begeistert und so verschwinden wir mit der Ausrede noch für Englisch lernen zu müssen in mein Zimmer. Kaum habe ich die Tür hinter mir geschlossen küsst Paddy mich stürmisch und meint: „Endlich Ruhe! Es war ja ganz nett heute, aber viel lieber möchte ich mit dir alleine sein!“ Ich schlucke und denke mir: „Jetzt oder nie!“, hole einmal tief Luft und meine: „Ähm Paddy, ich glaube, wir müssen uns mal unterhalten! Also, na ja, ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll...“ Paddy schaut mir in die Augen: „Face it by name honey, it can’t be so bad! “ Ich schließe die Augen: „Ähm, also gut. Du weißt, ich bin erst 16, du bist 20 und ich glaube, du hast in einigen Dingen etwas mehr Erfahrung als ich und ich weiß nicht, ob ich deine Erwartungen erfüllen kann und ob ich sie überhaupt schon erfüllen will!“ Gespannt warte ich auf eine Reaktion, was wird wohl passieren? Paddy lächelt und sagt dann: „Na, wenn das alles ist. Ich würde dich nie zu etwas zwingen, das weißt du. Wir haben alle Zeit der Welt und sollten nichts überstürzen!“ Erleichtert atme ich auf. „Gut, ich dachte nur, wir sind ja jetzt schon fast ein halbes Jahr zusammen und na ja, ich denke eben schon manchmal darüber nach, wie es wäre, wenn wir miteinander schlafen würden. Einerseits möchte ich es ja auch, aber andererseits bin ich mir wirklich nicht sicher!“ Paddy nimmt mich in den Arm. „Ist schon gut, ich verstehe das, mir ging es damals genauso. Aber wie gesagt, ich lasse dir alle Zeit die du brauchst und wann du soweit bist, bestimmst du. OK? “ Ich nicke, jetzt geht es mir gleich schon besser! “ Wie sieht’s aus, sollen wir da weitermachen, wo ich uns grade unterbrochen habe?“, und ziehe ihn zu mir. Er schlingt seine Arme um mich, ein fataler Fehler, denn ich verliere das Gleichgewicht, kralle mich an ihm fest und zusammen fallen wir aufs Bett. Und gerade als wir uns in dieser ziemlich eindeutigen Situation befinden und er mir noch einen Kuss auf die Nase drückt, kommt meine Mom ins Zimmer geplatzt. „Oh sorry! Ich hab vergessen anzuklopfen. Ich bin schon wieder weg. Aber könntest du bitte noch mal kurt zu mir kommen!“ Ich seufze, denn ich kann mir denken was jetzt kommt. Ich rappele mich auf, bringe meine Haare in Ordnung und mache mich auf den Weg ins Wohnzimmer. “Komm, setz dich. Ich denke mal, du weißt worüber ich mit dir reden möchte. Du weißt, ich habe nichts dagegen, dass du mit Paddy zusammen bist und ich muss sagen, er ist ein höflicher junger Mann. Aber trotzdem mache ich mir Sorgen um dich. Ich weiß, ich kann nicht kontrollieren, was nachts bei dir im Zimmer abläuft und ich will dir da auch gar nicht reinreden, aber ich möchte dir soweit wie ich kann helfen.“ Ich nicke und bin echt erstaunt, wie gelassen meine Mom das alles sieht und dann kommt die Frage, auf die ich schon lange gewartet habe. „Warst du schon beim Arzt und hast dir die Pille verschreiben lassen?“ Ich schüttele den Kopf. „Nein, bis jetzt habe ich noch nicht mit Paddy geschlafen und ich weiß auch nicht, ob ich es schon so bald tun möchte!“ Meine Mom atmet hörbar erleichtert auf. „Trotzdem, ich möchte, das du vorbereitet bist, denn ich kann dir aus Erfahrung sagen, egal was du planst, es kommt fast immer anders. Und wenn es dann soweit ist, hast du jedenfalls die Sorge nicht!“ Sie lächelt mich an und streicht mir übers Haar. „Ok“, sage ich „nach Weihnachten hole ich mir nen Termin.“ „Ach ja, meine Kleine wird langsam erwachsen! Aber damit muss ich wohl leben. Dann mal eine gute Nacht und schlaft schön!“ Als ich wieder in mein Zimmer komme liegt Paddy schon im Bett und liest ein Buch. „Hey, seit wann bist du denn so intellektuell?“ Er grinst und wirft mir sein Kissen an den Kopf. „Was soll das denn bitte heißen? Traust du mir es etwa nicht zu, mal ein Buch zu lesen?“ Ich muss lachen. „Nein, nein, aber es ist halt ein ziemlich ungewohntes Bild dich mit nem´ Buch vor der Nase zu sehen. Sonst hast du doch ständig irgendwelche Zettel mit Songideen und Notenblätter vor dir liegen.“ Ich schäle mich aus meinen Klamotten und krieche zu ihm unter die Bettdecke. „Tja, irgendwann muss ich ja auch mal Ferien machen. Aber sag mal, was wollte denn deine Mom von dir?“ „Ach, das übliche Mutter-Tochter Gespräch halt. Kennst das ja. Ups ach ne, natürlich nicht!“ „Hey, was soll das denn jetzt bedeuten? Das gibt Rache!“ Er feuert sein Buch in die Ecke und fängt an mich durchzukitzeln. Nach Luft ringend japse ich: „Aufhören! Bitte aufhören! Ich hab´s doch nicht so gemeint!“ Endlich lässt er mich zufrieden und meint: „Ok, dann will ich mal nicht so sein. But, dann lass mich jetzt mein Buch lesen.“ Seufzend klettere ich wieder aus dem Bett, wo ist noch mal das Buch das wir für den Deutschunterricht lesen sollen? Ich muss es doch irgendwohin gepfeffert haben. Irgendwo auf meinem Schreibtisch finde ich es endlich. Toll, wer hat schon Lust in den Ferien ein Buch für die Schule zu lesen und dazu auch noch ein

Referat zu schreiben? Ich auf jeden Fall nicht! Aber was sein muss, muss sein! Ich seufze noch ein letztes Mal, aber Paddy ist so in sein Buch vertieft, dass er mein Gejammer gar nicht mitbekommt.

Gegen Mitternacht fange ich herzhaft an zu gähnen und kurz darauf bin ich eingeschlafen. Als Paddy mich so sieht, zusammengerollt und das Buch in der Hand, muss er lächeln. Leise steht er auf, nimmt mir mein Buch aus der Hand und deckt mich ordentlich zu.

Erst am nächsten Mittag werde ich langsam wieder wach. Neben mir liegt Paddy noch selig schnarchend und sieht nicht so aus, als würde er in nächster Zeit aufwachen. Meine Mom ist bei ner´ Nachbarin, die ihren Geburtstag feiert und so ist es noch ganz ruhig im Haus. Ich tapse in die Küche, am Kühlschrank klebt eine Nachricht meiner Mom, sie will gegen Nachmittag zurück sein und wünscht uns einen schönen Tag. Ich setze heißes Wasser auf uns decke stelle Brötchen, Marmelade, Butter und Tassen auf ein Tablett. Zur Feier des Tages wird heute im Bett gefrühstückt. Leise schleiche ich mit dem Frühstück zurück ins Zimmer, stelle das Tablett auf dem Fußboden ab und wecke Paddy mit einem Guten-Morgen-Kuss. Er wird langsam wach, blinzelt und meint: „Guten Morgen mein Schatz, hast du gut geschlafen?“ „Na, du warst doch bei mir, dann kann ich gar nicht schlecht geschlafen haben!“ er grinst und setzt sich auf. „Oh, wie ich sehe hast du Frühstück gemacht, das ist eine super Idee, ich hab nämlich Hunger!“ Nach einem ausgiebigen Frühstück machen wir uns daran, die letzten Weihnachtsgeschenke einzupacken. Immer wieder werfe ich prüfende Blicke auf Paddys Pakete und Päckchen. „Sag mal, welches Geschenk ist denn für mich?“ Er grinst. „Du glaubst doch wohl nicht, dass ich dein Geschenk vor deinen Augen einpacke. Das habe ich schon längst fertig, aber du musst dich noch etwas gedulden!“, dabei zwinkert er mir verschwörerisch zu. Jetzt bin ich doch leicht irritiert, was hat das denn jetzt schon wieder zu bedeuten? Aber gut, dann lass ich mich halt überraschen. „Und mein Geschenk, was ist mit dem?“ „Na, dreimal darfst du raten, das habe ich natürlich gut versteckt. Sehr gut, du brauchst also gar nicht anfangen zu suchen.“ Paddy will sich gerade lachend auf mich stürzen, als es an der Tür klopft. Auf mein Herein kommt meine Mom ins Zimmer. „Hallo ihr zwei, wie geht’s euch? Wollt ihr heute Abend mit in die Kirche?“ „ Klar, ist doch Weihnachten, das wird bestimmt schön!“

Gegen 18°° Uhr machen wir uns auf den Weg nach Schleswig, die Kirche ist, wie immer an Feiertagen, total überfüllt. Ich treffe viele bekannte Gesichter wieder, die ich dank meiner Einzelhaft ziemlich lange nicht mehr gesehen habe. Evi und Sebastian, die Leiter der Jugendgruppe geben mir gleich die Termine für das neue Jahr und Christian und Michie muss ich versprechen auf jeden Fall zu kommen. Nach der Messe gibt es erst einmal Abendbrot, meine Mom hat sich wieder selbst übertroffen. Ich werde immer hibbeliger, was ich wohl von Paddy bekomme? Irgendwo bin ich doch noch ein kleines Kind und als ich den Weihnachtsbaum vor mir sehe, wird mit ganz komisch. Als erstes bekommt meine Mom ihre Geschenke, es ist jedes Jahr ein Krampf etwas für sie zu finden, aber wir scheinen zum Glück ihren Geschmack getroffen zu haben. Dann ist Paddy an der Reihe, von mir bekommt er eine CD die er sich schon lange gewünscht hat und ein schönes Notizbuch für neue Songideen. Und dann bin ich endlich dran. Meine Grandparents aus Schottland haben mir wie jedes Jahr Geld geschickt, das kann ich immer gut gebrauchen und von meiner Mom, ich kann es kaum glauben, bekomme ich einen Computer. „Frohe Weihnachten mein Schatz! Ich hoffe, es ist das richtige, ich hatte mir gedacht, Briefe hin und her zu schicken dauert doch immer so lange und e-mails sind da doch um einiges schneller.“ Ich falle ihr um den Hals. „Vielen Dank Mom, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Das ist das beste Geschenk, das du mir machen konntest!“ Auch Paddy grinst. „Na, dann können wir uns ja endlich mal schreiben, wenn ich auf Tour bin. Jetzt kommt erst mal mein Geschenk an die Reihe, mal sehen, ob ich deine Mom noch toppen kann.“ Geheimnisvoll lächelnd zieht er einen Umschlag aus seiner Tasche. „Was ist denn das?“, frage ich neugierig. „Na, mach es doch auf, dann weißt du es!“ Gespannt reiße ich den Umschlag auf und lese: „Gutschein für zwei Wochen Traumurlaub in Köln“ Lachend falle ich ihm um den Hals. „Ich darf echt für zwei Wochen mit dir mit? Und Mom erlaubt das auch?“ Sie sagt lächelnd: „Erst war ich ja auch skeptisch, aber nachdem ich gehört habe, wie viele Leute mitkommen...“ Ich wirbele herum: „Was, wer kommt denn sonst noch mit?“ „Naja, natürlich Stefanie, die wurde von ihrem Angelo eingeladen, John nimmt Andrea mit, und du wirst es kaum glauben, Jimmy bringt Tanja mit!“ Ich grinse und denke mir, dass das wieder eine gute Idee von uns war. „Das ist ja super und wann wollen wir los?“ „Morgen früh um

9°°Uhr ist hier Abfahrt.“ „Was, morgen schon, dann muss ich ja noch packen. Wann soll ich das noch machen?“ „Hey komm mein Schatz, das schaffst du doch locker. Und zur Not helfe ich dir.“ Dabei zwinkert er mir verschwörerisch zu. Wir sitzen noch etwas mit meiner Mom zusammen, doch gegen 23°° Uhr verschwindet sie ins Bett, denn auch sie will morgen in den Urlaub, zu meinen Grandparents nach Schottland. In meinem Zimmer hole ich meine große Reisetasche aus dem Schrank und fange an Klamotten einzupacken. Noch schnell ins Bad und meinen Kulturbeutel geholt und schon bin ich fertig. Paddy schleicht sich von hinten an und umarmt mich. „Weißt du, wie doll ich mich freue, dass du mit mir mitkommst? Diese zwei Wochen werde ich genießen! Endlich mal Zeit für uns!“ Ich grinse: „Du denkst also, dass wir auf eurem kleinen Hausboot Zeit für uns finden? Da tritt man sich doch höchstens auf die Füße, mehr nicht. Denk mal, es kommen jetzt noch mal vier Leute mehr mit, plus deine Geschwister, plus deinem Dad, plus Sean...“ Hier unterbricht er mich lachend: „Please stop Honey. Das ist meine nächste Überraschung, wir fahren nicht aufs Hausboot, das ist mittlerweile wirklich zu eng geworden. Sean geht ja auch zur Schule, Joey hat ne´ Freundin na ja und bei Maite und Patricia scheint sich auch was zu tun.“ Schlagartig bin ich wieder hellwach. „Ja, wo wollen wir dann hin?“ Paddy schüttelt den Kopf. „Das ist eine Überraschung. Das wirst du schon noch früh genug erfahren. So und nun geht’s ab ins Bett, sonst kommen wir morgen früh nicht aus den Federn!“

Wie Recht er hat, am nächsten Morgen als der Wecker klingelt tue ich mich echt schwer aus dem Bett zu kommen. Sogar Paddy, der eigentliche Langschläfer ist schon unter der Dusche, da liege ich noch immer im Bett. „Hey mein Schatz, nun aber raus aus den Federn! Gleich kommen die anderen, willst du etwa im Schlafanzug los?“ Bin ich wirklich wieder eingeschlafen? Schnell springe ich aus dem Bett und unter die Dusche. Ich habe mir grade meinen Pullover übergeworfen und den Fön angeworfen, als es auch schon das erste Mal an der Tür klingelt. Als Paddy öffnet schallt ihm ein doppeltes: „Fröhliche Weihnachten!“ entgegen. Angelo und Stefanie sind da, wie konnte es auch anders sein. „Merry Christmas euch zweien! Kommt erst mal rein, wir müssen noch auf die anderen warten!“ Angelo hat ganz schön an den Taschen zu schleppen, was Stefanie nur wieder alles mitnimmt? Ich habe das fönen aufgegeben, sonst kommen wir heute nicht mehr los. „Paddy, könntest du mir mal eben helfen und mir nen´ Zopf flechten?“ „Klar, kein Problem, komm her.“ Kurz darauf kommt meine Mom in die Küche um sich zu verabschieden. Sie nimmt mich noch einmal in den Arm und flüstert: „Viel Spaß und denk an das was ich dir gesagt habe!“ ich nicke seufzend, war ja klar, das so was kommen musste. Als meine Mom weg ist fragt Stefanie grinsend: „Na, was wollte deine Mom von dir? Lass mich raten, es ging um dich und Paddy und was ihr nachts so treibt.“ Ich nicke grinsend. „Hast du das auch schon hinter dir?“ „Klar, das war das erste was meine Mutter mit mir besprochen hat. Und dann heute Morgen erst... Es war ein einziger Krampf! Ich dachte erst sie lässt mich gar nicht mehr weg!“ Wir fangen an zu kichern, Eltern können echt nervig sein! Ich drehe mich zu Paddy um: „Sag mal, wo bleiben denn die anderen? Wollten wir nicht um 9°° Uhr los?“ „Keine Ahnung, aber du kennst doch Jimmy, der kommt bestimmt wieder nicht in die Puschen. Und John und Andrea, na wer weiß, was die noch vorhaben.“ Ich schüttele den Kopf, was für eine Familie. Doch ich komme nicht mehr dazu noch etwas zu sagen, denn draußen hupt es laut. „Na endlich! Dann mal los, haben alle ihre Taschen, nichts vergessen?“ Wie wir es schaffen unsere ganzen Klamotten in die beiden Kofferräume zu quetschen ist echt ein Wunder, aber irgendwie gelingt es uns doch und kurz darauf sitzen wir alle in den beiden Autos. Eine schier endlose Autofahrt liegt vor uns, echt ätzend! Ich schließe erst mal die Augen und versuche etwas zu schlafen. Gar nicht so einfach, denn Jimmy hat das Radio aufgedreht und unterhält sich dabei auch noch mit Tanja. Nach etwas mehr als fünf Stunden rückt Köln immer näher. Doch Jimmy fährt nicht ab, sondern an Köln vorbei. Verwirrt blicke ich Paddy an, der grinst. „Na, Jimmy, jetzt können wir es ihnen wohl sagen. Also, wir fahren nicht aufs Hausboot, sondern nach Gymnich bei Brühl, da haben wir uns vor kurzem ein Schloss mit Anwesen gekauft!“ Ich bekomme den Mund vor Staunen gar nicht mehr zu. Ein Schloss? Ich kann es kaum glauben, Urlaub in einem richtigen Schloss! Das ist echt der helle Wahnsinn! „Das ist ja cool, ein ganzes Schloss für uns alleine?“ Paddy grinst. „Jupp, ein Schloss für uns alleine! Dad ist nicht da, der ist im Urlaub. Er verträgt das feuchtkalte Wetter hier in Deutschland nicht mehr und hat sich in den Süden abgesetzt.“ In diesem Augenblick fahren wir durch ein Tor und durch einen riesigen Park auf das Schloss zu.

Tanja und ich sind vor Staunen fast wie gelähmt, das ist echt eine Überraschung! Jimmy hält, steigt aus und meint mit einer einladenden Handbewegung: „Welcome to Gymnich castle!“ Wir steigen aus und blicken uns mit großen Augen um, auch Andrea, die grade angekommen ist kann das alles kaum fassen. Die Jungs können sich ein breites Grinsen kaum verkneifen und meinen: „Möchtet ihr euren Urlaub hier draußen verbringen oder wollt ihr mit rein kommen? Als kleiner Tipp, da drinnen ist es wesentlich wärmer als hier draußen!“ Lachend gehen wir hinter Angelo, John, Jimmy und Paddy hinterher. Schon die Eingangshalle ist echt riesig und jeder Schritt von uns hallt durch das Schloss. „Hello, we’re here! Is anybody here?” Patricia, ein Handtuch um den Kopf geschlungen und Barby kommen uns entgegen gelaufen. „Hi, merry Christmas! Nice to meet you!” Sie nimmt uns in den Arm und drückt uns an sich. Nach diesem mehr als herzlichen Empfang fühlen wir uns gleich wie zu Hause. Paddy meint ganz aufgeregt: „Darf ich euch die Zimmer zeigen? Kommt am besten mal mit!“ Gehorsam trotten wir ihr hinterher. Das erste Zimmer gehört Jimmy, gleich daneben wird Tanja einquartiert. Angelo zieht Stefanie gleich mit zu sich und Andrea bekommt das Zimmer gegenüber von ihm. Jetzt sind nur noch Paddy und ich übrig, gespannt warte ich darauf, sein Zimmer zu sehen. Es ist wirklich super, total riesig, mit einem schönen großen Bett und einem fantastischen Blick auf den Park. „Na, wie gefällt es dir hier mein Schatz? Alles klar?“ Ich nicke und meine: „Das werden bestimmt zwei wunderschöne Wochen!“ Er umarmt mich und gibt mir einen langen Kuss. In diesem Moment klopft es und Patricia steht in der Tür. „Oh, I’m sorry, but... Ähm, I think I´ll try it later again!” “Hey Tricia, it´s Ok, come in.” “Are you sure? I can come later, it´s no Problem!”, dabei grinst sie, als wüsste sie mehr als wir. Dann lässt sie sich aufs Sofa fallen und meint: „How was your Christmas Eve?“ Paddy lächelt. „It was really great! I got some nice presents and it was a very pleasant evening wasn’t it honey?” Verwirrt blicke ich von Paddy zu Patricia und wieder zu Paddy, meine Lehrerin hatte doch recht, sobald es darum geht mich auf Englisch zu verständigen bin ich hoffnungslos verloren! Nun fangen Paddy und Patricia an zu lachen. „Hey, dieser Blick, der ist fantastisch! Ok, dann reden wir also ab jetzt auf Deutsch, ich glaube, das ist besser!“ Erleichtert nicke ich, zwei Wochen nur Englisch, das wäre mein sicherer Untergang gewesen! „Hey, ich glaube wir beide müssen noch mal ordentlich Englisch pauken, so kann das ja nicht weitergehen. Du wirst dich daran gewöhnen müssen, dass hier viel Englisch geredet wird, schließlich ist das irgendwo immer noch unsere Muttersprache und wir beherrschen sie einfach am besten. Es sprechen zwar alle zumindest ein bisschen Deutsch, aber zum Beispiel mit Barby unterhalte ich mich hauptsächlich auf Französisch.“ Ich grinse verlegen. „Ist ja schon gut, ich hab’s ja kapiert, wenn ihr nur etwas langsamer reden könntet, jedenfalls am Anfang.“ „I think that’s Ok. Let’s start our `English for beginners` learn program. After these two weeks you’ll speak English very well!” “Na, wer…” Hier werde ich von Paddy unterbrochen: “Stop, please speak English!“ „Stockend meine ich: „Ok, I´ll try it. I think this is a very stupid idea! Ich hab schließlich Ferien!!!“ Die beiden lachen sich schon wieder schlapp. Ok, ich hab’s ja kapiert, die beiden sind echt schlimm, was kann man denen überhaupt glauben? „Hey, bist du sauer Honey?“
Denen werd ich’s zeigen, so leicht kriegen die mich nicht. Ich mache einen auf beleidigt und reagiere einfach nicht. Paddy stößt mich leicht in die Seite. „Hey Schatz, das war doch nicht so gemeint, wir wollten dich doch nur ärgern, komm sei nicht böse.“, dabei guckt er mich mit seinem treuesten Dackelblick an, so das ich gar nicht anders kann als anzufangen zu lachen. Von unten hören wir ein lautes: „Essen ist fertig!“, und schon stürmt Paddy an mir vorbei. Männer! Wenn es ums essen geht sind sie nicht mehr zu halten! Patricia grinst mich an und meint: „Ja ja, so sind sie die Männer! Da kommen die Urtriebe wieder raus. Nun komm mal mit, ich zeig dir, wo es Essen gibt.“ Zusammen gehen wir in die große Küche, Angelo und Paddy sitzen schon total ausgehungert am Tisch und klappern mit ihrem Besteck. „Sag mal, wie lange habt ihr nichts zu essen bekommen? Habt ihr die letzten Wochen gehungert? Seit mal ganz ruhig, die Pizza ist gleich fertig!“ Oh, toll, Maites Pizza, die ist immer lecker! Langsam bemerke ich, dass ich auch Hunger habe, schließlich habe ich heute kein Frühstück gegessen und bin schon ziemlich lange auf den Beinen. Das Essen ist ziemlich chaotisch, es schließlich ziemlich schwer 14 Leute an einem Tisch ruhig zu behalten. Dabei fehlt der größte „Radaubruder“ in unserer Runde, Kathy isst mit Sean im Gästehaus, wo die zwei auch wohnen. Nach dem Essen holen Paddy und Angelo ihre Gitarren und wir setzen uns in das große, gemütliche Wohnzimmer. Patricia und John machen Feuer im Kamin und so ist es nach kurzer

Zeit schon kuschelig warm. Patricia singt „Oh holy night” und mir läuft es kalt den Rücken runter. Dieses Lied ist auch einfach zu schön und ihre Stimme tut das Übrige. Bei „White Christmas“ hauen die Jungs ordentlich in die Saiten und Patricia und Maite tanzen wild durchs Zimmer. Irgendwann flüstert Paddy mir zu: „Komm mal kurz mit hoch, ich habe noch was für dich!“ Überrascht blicke ich ihn an, was hat er nun schon wieder vor? Gespannt folge ich ihm nach oben, im Zimmer befielt er mir: „So, jetzt mach mal die Augen zu.“ Brav schließe ich meine Augen und warte auf das was passiert. Ich höre ein leises Rascheln und Knistern und dann meint Paddy: „So, nun darfst du deine Augen wieder aufmachen. Langsam öffne ich meine Augen und sehe ein kleines längliches Päckchen in seiner Hand. „Für mich?“ Er nickt: „Hast du etwa gemeint, der Urlaub hier wäre mein einzigstes Geschenk an dich?“ Gespannt wickele ich das Geschenkpapier ab, zum Vorschein kommt eine kleine Schatulle. Langsam öffne ich sie und halte dabei die Luft an. Zum Vorschein kommt eine silberne Kette mit einem kleinen herzförmigen Medaillon. Ich falle Paddy um den Hals, damit habe ich nun gar nicht gerechnet. Er lächelt und fragt: „Und, gefällt sie dir? Ich hoffe, ich habe deinen Geschmack getroffen. Ich wusste echt nicht, was ich dir kaufen sollte.“ Meine Antwort ist ein langer Kuss und eine stürmische Umarmung. „Du bist ein Schatz, weißt du das? Ich liebe dich!“ Arm in Arm gehen wir wieder nach unten, die anderen gucken zwar etwas komisch, denn natürlich ist unser Verschwinden nicht unbemerkt geblieben, aber was soll’s. Jetzt fangen auch die anderen Kellys an ihre Geschenke zu verteilen. Auch ich habe noch einige kleine Dinge besorgt, die ich jetzt verteile. Danach macht sich allgemeine Müdigkeit breit und nach und nach verschwinden alle ins Bett. Auch Paddy und ich verschwinden nach oben und kaum das ich liege fallen mir auch schon die Augen zu.

Am nächsten Morgen werde ich durch lautes Gekreische wach. Verwirrt gucke ich mich um und weiß im ersten Moment gar nicht, wo ich bin. Langsam erinnere ich mich wieder wo ich bin, doch das lästige Gekreische kann ich nicht einordnen. Neben mir wird Paddy langsam wach und nuschelt ein verschlafenes: „Good morning!“ „Hi, sag mal, was ist das denn für ein Krach da draußen?“ Verschlafen setzt er sich auf, doch als er das laute Kreischen hört, ist er sofort wach. „Oh, shit, ich glaube, ich weiß wer das ist!“ Verständnislos gucke ich ihn an und verstehe nur Bahnhof. „Ja und, wer ist das?“ Paddy seufzt. „Ich denke mal, das sind die Fans! Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn sie uns mal nicht gefunden hätten!“ Ich schüttele den Kopf, das darf doch nicht wahr sein, sind die den verrückt? Auch Paddy schüttelt nur mit dem und steht seufzend auf. „Aber dieses Mal hatten wir fast vier Wochen Ruhe, aber irgendwann finden sie uns immer. Das ist echt schlimm, nirgendwo findet man seine Ruhe!“ Auch beim Frühstück gibt es nur ein Thema, die Fans, die das große Tor belagern. Joey, der heute Morgen angekommen ist erzählt, dass schon um kurz vor sieben mehr als 50 Fans da waren. Kathy, die heute zum Frühstück rüber gekommen ist schüttelt nur ungläubig den Kopf. „Was geht denn bloß in deren Köpfen vor? Das ist doch schon krank oder wie nennt ihr das?“ Alle nicken und ich kann mir gar nicht vorstellen, dass Fans so hartnäckig sein können ewig lange vor dem Haus der Kellys rumzulungern. Doch von Jimmy werde ich eines besseren belehrt. Er berichtet mir, wie es in Köln am Hausboot war, damals mussten sie sogar eine Mauer ziehen um jedenfalls ein bisschen Ruhe zu bekommen. Mir ist das richtig peinlich, denn schließlich war ich ja auch mal ein richtig hartnäckiger Fan, aber so was hätte ich mich echt nicht getraut. Auch Stefanie guckt ziemlich ungläubig, sie war ja immer ein extrem Fan, aber das was sich draußen abspielt kann auch sie nicht verstehen. Nach dem Frühstück verkrümeln sich alle und Paddy und ich verschwinden nach oben. Er holt seine Gitarre raus und fängt an vor sich hin zu klimpern. Auf einmal springt er auf, holt sich Papier und Stift und fängt an zu schreiben. Ich kenne das mittlerweile schon, dann hat er wieder irgendeine Songidee. Ich mache es mir auf seinem Sofa bequem und gucke ihm zu. Das mache ich zu gerne, es sieht auch wirklich süß aus, wie er da sitzt, hektisch etwas aufschreibt, wieder durchstreicht und sich immer wieder durch die Harre streicht. Irgendwann bemerkt er, dass ich ihn beobachte und er meint: „Hey, was soll das?“ Ich stehe auf, gehe zu ihm und lege meine Arme um seine Taille. „Weißt du, dass du echt süß aussiehst, wenn du schreibst? Ich gucke dir so gerne dabei zu. Darf man schon lesen, was du da schreibst?“ Er schüttelt energisch den Kopf und meint: „Nein, tut mir leid, aber das geht niemanden etwas an, solange ich noch nicht fertig bin. Noch sind das meine ganz geheimen Gedanken und alles ist noch ziemlich chaotisch. Aber ich verspreche dir, du bist die Erste, die das lesen darf wenn ich fertig bin.“ Ich nicke, ich hatte mir schon fast so was gedacht

und verstehe ihn auch vollkommen. „Na, dann schreib mal schön weiter, ich werde mal gucken, was Stefanie so treibt.“ Doch das hört er schon gar nicht mehr, da er schon wieder ganz vertieft ins schreiben ist. Auf dem Flur treffe ich Tanja. „Na, was schleichst du so alleine rum? Hat Paddy dich rausgeschmissen?“ „Haha, sehr witzig! Ne, Paddy schreibt grade an nem neuen Song und da lass ich ihn lieber in Ruhe. Und selbst, gar nicht bei Jimmy?“ „Nö, ich wollte mich ein bisschen im Schloss umgucken und hab gedacht, das schaff ich auch alleine. Aber sag mal, die Fans draußen sind doch wohl echt ein bisschen meschugge! Oder was denkst du?“ „Da bekommt man fast Angst. Also, denen möchte ich nicht im Dunkeln begegnen!“ Mittlerweile haben wir auch Stefanie und Angelo gefunden, die zwei hatten sich in die Küche verkrochen. „Hi Stefanie, na alles klar?“ „Hallo ihr zwei! So alleine, was ist denn los? Wo habt ihr denn Jimmy und Paddy gelassen?“ Genervt rolle ich mit den Augen, kann ich denn nicht auch mal was ohne Paddy machen? „Sag mal, glaubst du eigentlich, dass es Patrick und mich nur im Doppelpack gibt? Ich kann doch auch mal was ohne ihn machen oder etwa nicht?“ „Ist ja gut, ist ja gut! Ich dachte ja nur, weil in letzter Zeit hat man euch ja nur im Doppelpack bekommen!“ Ich zucke mit den Schultern und setze mich mit an den Tisch. „Sagt mal, habt ihr heute Nachmittag schon was vor? Ich wollte ein bisschen spazieren gehen und mir die Gegend angucken.“ Angelo guckt mich an und meint: „Man bist du mutig. Du willst dich echt da raus trauen?“ Verständnislos gucke ich ihn an. „Ja, soll ich die nächsten zwei Wochen hier eingesperrt verbringen? Nein danke, dazu habe ich nun wirklich keinen Bock. Irgendwie werden wir hier doch rauskommen oder?“ Angelo überlegt einen Moment und meint dann: „Naja, hinten durch den Park findet sich bestimmt ein Weg. Aber ich weiß wirklich nicht ob das so eine gute Idee ist.“ Ich winke ab und sage energisch: „Also, ich denke mal, das ich das immer noch alleine entscheiden kann! Und ich sehe es wirklich nicht ein, die nächsten zwei Wochen hier drinnen zu hocken. Guck doch mal raus, die Sonne scheint, es liegt Schnee und ich werde heute Nachmittag rausgehen. Wer kommt mit?“ Stefanie druckt erst etwas herum, meint dann aber: „Ich komme mit, hast ja Recht.“ Auch Tanja nickt und so stapfen wir drei kurz nach dem Mittag durch den verschneiten Park zum angrenzenden Wald. Es ist echt schön draußen, zwar ziemlich kalt, aber die Sonne scheint und der Schnee ist bis auf ein paar Tierspuren noch völlig unberührt. Doch auf einmal stehen zwei ca. 14Jährige Mädels vor uns. „Hey sag mal, bist du nicht die dumme Schlampe, die uns unseren Angelo weggeschnappt hat? Lass bloß die Finger von ihm, sonst wird dir das noch leid tun!!!“ Stefanie zuckt zusammen, fasst sich aber schnell und tippt sich nur gegen die Stirn. „Das wird dir noch leid tun!“, zischt die eine und die zwei stürzen sich auf Stefanie. Bevor wir noch irgendwas unternehmen können, hat die andere ein Taschenmesser gezückt und sticht wie wild auf Stefanie ein. Nach einigen Schocksekunden gelingt es Tanja und mir endlich die beiden von Stefanie wegzuzerren und sie laufen in Richtung Wald. Ich werde total panisch und schreie immer nur: „Wir brauchen Hilfe, Tanja, was sollen wir tun? Stefanie!“ Tanja zögert nicht länger sondern rennt zurück zum Schloss. Dort angekommen schreit sie einmal laut um Hilfe und sofort kommen Joey, Jimmy und Patricia angelaufen. Als sie die total aufgelöste Tanja in der Eingangshalle stehen sehen, wissen sie sofort, dass etwas passiert ist. „Tanja, was ist los, was ist passiert? Wo sind die anderen?“ Stockend erzählt Tanja und sofort rennen Jimmy und Joey los um zu helfen und Patricia alarmiert den Notarzt. Ich sitze immer noch vollkommen verstört neben Stefanie und murmele immer wieder: „Es tut mir leid! Ich hätte nicht auf diese blöde Idee kommen sollen!“ So finden mich die vier vor und Patricia beschließt, mich so schnell wie möglich zum Schloss zurück zu bringen. Dort angekommen schreit sie einmal laut nach Paddy, der auch sofort angelaufen kommt. Als er mein verheultes Gesicht und die völlig aufgelöste Patricia sieht fragt er nicht viel nach, sondern nimmt mich einfach nur in den Arm. Nun kann ich nicht mehr, ich sacke in mich zusammen und Paddy hat Mühe mich festzuhalten. Patricia gibt ihm ein Zeichen mich nach oben zu bringen und rennt wieder los. Irgendwie bekommt Paddy mich nach oben und ins Bett. Es dauert eine Weile, dann habe ich mich wieder einigermaßen beruhigt und Paddy fragt vorsichtig, was den passiert sei. Stockend fange ich an zu erzählen und Paddy hört mit wachsendem Entsetzen zu. „Oh shit, war Angelo auch dabei?“ Stumm schüttele ich den Kopf, rolle mich zusammen und falle in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Kurz darauf kommen Joey und Jimmy leise ins Zimmer um zu gucken, wie es mir geht. Paddy gibt ein Zeichen, dass er sich draußen mit den beiden unterhalten will und geht vor die Tür. „Was ist denn nun genau los? Ich habe ja nur ungenaue Wortfetzen mitbekommen. Wie geht es

Stefanie, ist sie in Lebensgefahr?“ Jimmy erklärt noch mal genau was vorgefallen ist und meint am Schluss: „Lebensbedrohlich ist es nicht, aber sie ist mit in die Klinik genommen worden und bleibt auf jeden Fall heute Nacht und morgen den Tag da um innere Verletzungen auszuschließen. Alles in allen hatte sie noch mal Glück, es sah schlimmer aus als es in Wirklichkeit ist. Aber sag mal, was noch viel schwieriger wird, kannst du mit Angelo reden, der Arme weiß noch gar nichts!“ Paddy schluckt, meint dann aber: „Geht klar, hast du ne´ Ahnung, wo er ist?“ Jimmy schüttelt den Kopf und so muss Paddy sich alleine auf die Suche nach Angelo machen. Im Keller bei seinem Schlagzeug findet er ihn dann. „Hi Angelo, ich muss mal dringend mit dir reden!“ Ganz vorsichtig versucht er zu erklären, was vorgefallen ist und Angelo guckt ihn mit immer größer werdenden Augen an und schüttelt nur ungläubig den Kopf. „No, no, sag das das nicht wahr ist! Das kann doch nicht sein. Oh my god, Paddy! “ Laut schluchzend fällt er ihm um den Hals. Vorsichtig streichelt Paddy ihm über den Rücken und spricht leise auf ihn ein. „Ich will zu ihr, kann mich jemand fahren?“ Die zwei gehen nach oben und machen sich auf die Suche nach jemandem, der Angelo in die Klinik fährt. Joey erklärt sich bereit und so sitzt Angelo kurz darauf im Auto. Paddy macht sich wieder auf den Weg in sein Zimmer um zu schauen, wie es mir geht. Als er vorsichtig die Tür aufmacht, werde ich langsam wach und sofort fällt mir ein, was passiert ist. „Was ist mit Stefanie los? Hast du schon was gehört? Paddy sag doch was!“ Schnell ist er bei mir, nimmt mich in den Arm und meint: „Es ist alles halb so schlimm. Sie muss zwar noch etwas in der Klinik bleiben, um beobachtet zu werden, aber es sah schlimmer aus als es ist.“ Ich seufze und kralle mich an ihm fest. „Bitte lass mich nicht alleine! Das ist alles meine Schuld ich hätte Stefanie nicht dazu überreden sollen mit auf den Spaziergang zu kommen. Hätte ich diese blöde Idee nicht gehabt, wäre das alles nicht passiert, dann...“, hier werde ich von Paddy unterbrochen: „Ganz ruhig, dich trifft keine Schuld, das hätte doch keiner ahnen können! Mach dir bloß keine Vorwürfe, keiner gibt dir in irgendeiner Form die Schuld daran!“ Ich nicke und setze mich vorsichtig auf. „Ist Tanja schon wieder da?“ „Ich habe sie noch nicht gesehen, aber das soll nichts heißen, geh doch nachgucken.“ Ich gehe zu Tanjas Zimmer und habe Glück, sie ist wieder da. Leise sage ich: „Hallo Tanja, alles klar bei dir?“ Sie nickt und meint: „Geht schon wieder. Aber irgendwie ein komisches Gefühl. Ich hab jetzt echt Angst und so schnell bekommt mich keiner mehr raus!“ In diesem Moment klopft es und auf unser „Herein“ betritt Angelo das Zimmer. Ich schlucke, denn ich weiß nicht, wie er auf mich reagiert. Als er mich sieht kommt er auf mich zu und ich mache instinktiv einen Schritt nach hinten, wer weiß, was er vorhat. Doch er umarmt mich einfach und meint nur: „Schöne Grüße von Stefanie und ich soll dir sagen, dass alles wieder gut wird und du dir keine Sorgen machen sollst. Ich kann sie morgen wieder mit nach Hause nehmen. Dich trifft keine Schuld, das hätte jederzeit und überall passieren können, es war ein blöder Zufall, dass das genau jetzt passieren musste.“ Erleichtert nicke ich und umarme ihn noch mal. „So, ich werde jetzt mal Stefanies Eltern anrufen und ihnen erklären was los ist. Ich hoffe, sie darf trotzdem noch hier bleiben!“

Das Abendbrot verläuft heute ungewohnt ruhig. Keiner macht einen Witz, niemand unterhält sich, allen sitzt der Schock noch in den Gliedern. Die beiden Täterinnen konnten leider nicht mehr gefasst werden und die Polizei hat uns auch keine großen Hoffnungen gemacht, dass die beiden gefunden werden. Dafür laufen hier einfach zu viele Fans aus den unterschiedlichsten Teilen Deutschlands rum. Zwar wurden die anderen Fans genau befragt und ihnen wurde ein Phantombild gezeigt, aber angeblich hat niemand die beiden je zuvor gesehen. Und so beschließen die Kellys, dass Tanja, Andrea, Stefanie und ich das Schloss nicht mehr ohne Bodyguard verlassen. Diesmal protestiere ich nicht, denn nun habe auch ich Angst und traue den Fans alles zu. Nach dem Abendbrot treffen wir uns alle ohne uns abgesprochen zu haben im großen Wohnzimmer wieder. Anscheinend will heute keiner alleine sein. Doch die gemütliche, lockere Stimmung von gestern will nicht wieder aufkommen. Ich verschanze mich hinter meinem Buch und auch alle anderen sind mit eigenen Dingen beschäftigt. Als Jimmy als erster aufsteht um ins Bett zu gehen hält Tanja ihn zurück und fragt leise: „Kann ich heute Nacht bei dir schlafen? Ich glaube, ich kriege sonst kein Auge zu!“ Jimmy nickt und so verschwinden die beiden nach oben. Normalerweise würde jetzt irgendein dummer Spruch von jemandem folgen, aber heute passiert gar nichts. Auch als Andrea mit John nach oben geht scheint das keinen zu interessieren. Gegen 23°°Uhr klappe ich mein Buch zu, stehe auf und mache mich auf den Weg ins Bett. Auch Paddy kommt nach oben und kurz darauf liegen wir

im Bett. Während Paddy schnell eingeschlafen ist, liege ich noch lange wach. Und kaum bin ich eingeschlafen, werde ich unsanft wieder geweckt. Paddy schlägt im Schlaf wild um sich und ruft immer wieder laut: „Lasst sie zufrieden! Ihr sollt sie zufrieden lassen! Bitte, ich kann nicht mehr! Warum tut ihr mir das an?“ Dann fängt er an zu weinen und dreht sich unruhig von einer zur anderen Seite. Immer wieder ruft er laut und schlägt wild um sich. Vorsichtig rüttele ich ihn wach, nehme ihn in den Arm und frage leise: „Hey, Paddy, was ist denn, los? Es ist alles klar, ich bin bei dir, ganz ruhig!“ Verwirrt guckt er mich und meint: „Ich hatte solche Angst um dich, ich ertrage das alles einfach nicht mehr! Ich weiß, ohne unsere Fans wären wir nichts, aber manchmal denke ich einfach, dass es vielleicht besser wäre, wenn wir nicht so bekannt wären. Ich möchte mich einfach mal wieder ganz normal in der Öffentlichkeit bewegen können, ohne Angst zu haben fast zerrissen zu werden! Aber am meisten habe ich momentan um dich Angst, ich weiß nicht, was ich machen würde, wenn dir jemand etwas antun würde! Ich glaube, ich würde mich vergessen!“ Ich kenne Paddys Temperament und kann mir denken, dass er seine Drohung wahrmachen würde, also nicke ich nur und meine: „Ich pass schon auf mich auf. Und außerdem, mich kennt doch niemand und die Leute, die wissen, dass wir zusammen sind, die halten garantiert dicht!“ „Ich weiß, ich weiß, aber guck mal, Stefanie kannte eigentlich auch keiner, es war bloß ein dummer Zufall und du hast ja gesehen, wie es geendet ist. Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn dir was zustoßen würde...“ „Ist schon Ok, ich werde in Zukunft einfach besser auf mich aufpassen und noch vorsichtiger sein!“ Langsam werde ich müde und kuschele mich an ihn, Paddy legt seinen Arm um mich, kann aber lange Zeit nicht einschlafen.

Am nächsten Morgen beim Frühstück sehen alle ziemlich verknittert und verschlafen aus, nur Tanja fehlt. Ich mache mir Sorgen, denn gestern Abend war sie wirklich ziemlich fertig. In ihrem Zimmer finde ich sie dann endlich, sie sieht wirklich ziemlich fertig aus und ist grade dabei ihre Tasche zu packen. „Hey, Tanja, was ist los, wieso packst du?“ Mit verheulten Augen guckt sie mich an und meint: „Frag doch Jimmy diesen Idioten! Der hat alles kaputt gemacht! Hat mich Knall auf Fall sitzen gelassen!“ Verständnislos gucke ich sie an. „Wie bitte, wieso hat er dich sitzen gelassen?“ Sie zuckt mit den Schultern und meint: „Ich glaube, das weiß er selbst nicht so genau. Er meinte nur, dass er nicht so ein Risiko eingehen will wie Angelo und Stefanie und sich deshalb von mit trennt. Angeblich will er nur mein bestes, weil er mich liebt. Aber wenn er mich wirklich lieben würde, dann wäre er gestern Abend für mich dagewesen, hätte mich in den Arm genommen und hätte nicht mit mir Schluss gemacht! Und ich dachte, ich hätte endlich mal jemanden gefunden, der mich liebt. Aber nein, wieder nur so ein Typ, der mich verarscht! Aber dieses Mal nicht mit mir. Ich gehe! Ich wünsche dir noch schöne Ferien und bis in der Schule dann!“ Mit diesen Worten nimmt sie ihre Reisetasche und geht. Ziemlich Perplex stehe ich in ihrem Zimmer und komme noch nicht mal dazu mich von ihr zu verabschieden. Aber das ist so typisch Tanja, impulsiv bis zum geht nicht mehr und wenn sie sich mal etwas in den Kopf gesetzt hat, zieht sie das auch durch! Beim Mittag wundern sich alle, wo denn Tanja ist, als ich erzähle, dass sie nach Hause gefahren ist, sehe ich zwar aus dem Augenwinkel heraus, dass Jimmy zusammenzuckt, aber er sagt kein Wort dazu. Erst nach dem Essen kommt er zu mir und fragt, ob ich ihm nicht eventuelle etwas ausrichten soll. „Sorry Jimmy, aber Tanja ist ohne Kommentar abgerauscht. Sie hat mir nur erzählt, was vorgefallen ist, hat dann ihre Tasche genommen und war weg. Und wenn ich ehrlich bin, ich verstehe sie. Das du Schluss gemacht hast ist wirklich etwas heftig! Hast du vielleicht schon mal drüber nachgedacht, dass Tanja dich wirklich liebt und sich jetzt ziemlich verarscht vorkommt?“ Er zuckt nur mit den Schultern und brummelt was in seinen nicht vorhandenen Bart, dreht sich um und geht. Ok, ich habe mein bestes getan, ich bin ja schließlich nicht deren Kindermädchen. Die zwei sind alt genug und ich hoffe, sie raufen sich noch mal zusammen. Der nächste Gedanke, der mich durchzuckt: Wenn Jimmy schon auf so eine Idee gekommen ist, was ist dann wenn Paddy das Gleich macht? Hektisch renne ich nach oben, nein, nein, auf diese dumme Idee darf er gar nicht erst kommen. Paddy ist mal wieder am schreiben und so habe ich keine Gelegenheit mich mit ihm zu unterhalten. Nervös setze ich mich an den Schreibtisch und schreibe an meinem Referat weiter. Doch heute will mir gar nichts gelingen, immer wieder streiche ich durch, reiße ganze Seiten aus meinem Collegeblock heraus und fange wieder von vorne an. Nach einiger Zeit dreht Paddy sich um und fragt: „Hey, was ist los? Irgendwas stimmt doch nicht mit dir. Hat das was mit Tanjas plötzlichem Aufbruch zu tun?“ Ich nicke.

„Jimmy hat mit ihr Schluss gemacht, weil er kein Risiko eingehen will und da...“ „...da hast du gedacht ich würde vielleicht auch auf so eine dumme Idee kommen? Keine Angst Liebes, diese Maßnahme ist mir dann doch zu drastisch, ich lasse mir doch von den Fans nicht mein Leben vorschreiben! Das wäre ja noch schöner. Geht’s dir jetzt besser?“ Ich nicke und er nimmt mich in den Arm. „Nächstes Mal wenn was ist kommst du gleich zu mir, du sollst nicht immer alles in dich reinfressen. Hast du gehört?“



Zur gleichen Zeit sitzt Tanja im Zug und versucht einen Brief an Jimmy zu schreiben. Doch sehr weit ist sie bis jetzt noch nicht gekommen. Immer wieder fängt sie von vorne an und packt irgendwann seufzend Stift und Block zurück in ihre Tasche. Dann holt sie ihr Handy aus der Tasche uns tippt eine SMS ein: Hallo Jimmy, ich brauche Ruhe zum nachdenken. Vielleicht können wir irgendwann mal gute Freunde werden, doch jetzt brauche ich Abstand. Ich liebe dich, Gruß Tanja! Nachdem sie die Nachricht abgeschickt hat bereut sie es schon wieder, aber nun ist es zu spät.

In Schleswig angekommen versucht sie bei ihren Eltern anzurufen, doch niemand geht ans Telefon. Da fällt es ihr wieder ein, ihre Eltern und ihr Bruder sind in München bei ihren Großeltern. Weinend lässt sie sich auf den nächstbesten Stuhl fallen, was soll sie jetzt machen? Ihren Haustürschlüssel hat sie natürlich nicht mitgenommen, kommt also nicht zu Hause rein. Andrea, Stefanie und ich sind in Gymnich, was bleibt ihr also anderes übrig, als wieder in den Zug zu steigen? Man gut, das Sonntag ist, sonst wäre sie mittlerweile wohl schon pleite. Und so kommt es, dass am Abend das Telefon klingelt und Tanja fragt, ob sie jemand vom Bahnhof abholen kann. Joey ist zwar etwas erstaunt, fährt aber sofort los. Jimmy hat von der ganzen Aktion noch nichts mitbekommen und sitzt noch ahnungslos in seinem Zimmer. Als Tanja wieder im Schloss ankommt ist es mittlerweile fast 23°°Uhr und sie ist todmüde. Kurz überlegt sie, noch bei Jimmy vorbeizugucken, doch dann geht sie direkt in ihr Zimmer. Alles ist noch genauso wie am Morgen, als sie es verlassen hat und so stellt sie einfach nur ihre Tasche in die Ecke, schält sich aus den Klamotten und fällt schon fast im Halbschlaf ins Bett. In der Nacht öffnet sich langsam die Tür eine Gestalt schiebt sich leise ins Zimmer und geht zum Sofa. Es ist Jimmy, der nicht schlafen konnte und in Tanjas Zimmer etwas nachdenken will. Er setzt sich und kurz darauf fallen ihm die Augen zu. Am nächsten Morgen wird er von der Sonne geweckt, die ihn an der Nase kitzelt. Er muss niesen und vom, Bett her kommt ein genuscheltes „Gesundheit!“. Sofort ist Jimmy hellwach, springt vom Sofa und steht am Bett. Unter der Bettdecke gucken nur ein paar von Tanjas blonden Lockern hervor. Vorsichtig zieht er die Decke ein Stück nach unten und streicht ihre Haare aus dem Gesicht. Dann beugt er sich nach unten und flüstert: „Tanja, ich liebe dich, es tut mir leid was ich getan habe! Kannst du mir noch einmal verzeihen?“ Langsam wird sie wach und guckt verschlafen in Jimmys Augen. „Jimmy, ich...“, mehr bekommt sie nicht heraus, denn Jimmy gibt ihr einen langen Kuss.

Beim Frühstück bleiben zwei Plätze leer. „Wo sind denn Jimmy und Tanja?“, fragt Maite, die am Tisch sitzt und anfangen möchte. Joey grinst und meint: „Jimmys Zimmer war leer, das Bett noch gemacht und bei Tanja war abgeschlossen. Ich denke mal, da hat heute die große Versöhnung stattgefunden!“ Wir beschließen also anzufangen, denn keiner hat Lust auf die Beiden zu warten, wer weiß, wie lange das noch dauern kann. Am Vormittag fahren Paddy und Angelo in die Stadt, um Stefanie abzuholen. Andrea und ich beschließen mitzufahren um ein bisschen zu bummeln. Wir suchen uns ein gemütliches Cafe und trinken erst einmal eine heiße Schokolade. Es ist draußen echt kalt, nicht grade das beste Wetter zum shoppen. Als wir sitzen kann ich meine Neugier nicht mehr zurückhalten. „Sag mal, was läuft eigentlich zwischen John und dir? Du kannst doch wohl nicht weiter behaupten, dass eure Beziehung rein platonisch ist!“ Andrea guckt mich aus ihren wasserblauen Augen an und meint ohne mit der Wimper zu zucken: „Da muss ich dich leider enttäuschen, es ist wirklich rein platonisch! Wir sind nur gute Freunde. Meine Güte, er ist 13 Jahre älter als ich und außerdem, man muss ja nicht gleich mit jedem Mann mit dem man sich gut versteht etwas anfangen. Genauso gut könnte ich dich fragen, ob du was mit Carsten hast.“ „Naja, ich dachte ja nur, du bist vorletzte Nacht mit zu ihm ins Zimmer und...“ „Du weißt genau, welchen Grund das hatte! Ich hatte einfach nur Angst, die Nacht alleine zu verbringen und da hat John mir angeboten mit zu ihm zu kommen. Und falls du es wissen möchtest, er hat auf dem Sofa gepennt und ich in seinem Bett. Es ist wirklich nichts zwischen uns gelaufen und ich hoffe, dass das Thema damit ein für alle Mal gegessen ist!“ „Ist ja schon gut, ich dachte ja nur... Aber nun gut, sollen wir mal los? Ich hab

da noch ein bisschen Weihnachtsgeld das gerne ausgegeben werden möchte!“ Und so machen wir uns auf den Weg durch die Geschäfte. Es ist lustig wie immer und für kurze Zeit können wir den ganzen Stress mit den Fans und Stefanie vergessen. Ich glaube, wir arbeiten uns durch nahezu jedes Klamottengeschäft, aber am Ende des Nachmittages bin ich um einen dicken, bunten Wollpulli, eine Jeans und zwei Paar dicke Socken reicher. Zurück im Schloss führt unser erster Weg zu Stefanie. Sie soll sich noch ein bisschen ausruhen und liegt nun auf dem großen Sofa im Wohnzimmer. Neben ihr sitzt Angelo und beide sind heftig am schnattern. „Na, dir scheint es ja schon wieder ziemlich gut zu gehen oder wie sollen wir das hier deuten?“ Stefanie grinst und meint: „Eigentlich ist das alles ja auch nur halb so schlimm, aber Angelo tut so, als todkrank.“ „Du hast genau gehört, was der Arzt gesagt hat, schonen, schonen, schonen und ich werde dafür sorgen, dass du dich nicht überanstrengst!“ „Na, das sind ja spannende Aussichten. Und, was habt ihr beide heute Nachmittag getrieben?“ Wir fangen an zu erzählen und zeigen stolz unsere neuesten Errungenschaften vor. Angelo, der sichtlich gelangweilt von dem Thema ist verschwindet in die Küche. Kurz vor dem Abendessen kommt Paddy auf einmal freudestrahlend ins Wohnzimmer. „Hi mein Schatz, na hast du schön eingekauft?“ Ich nicke und will gerade zu einer erneuten Erklärung ansetzen, da meint er: „Ich habe dir auch was mitgebracht, sozusagen als verspätetes Weihnachtsgeschenk. Ich habe mir* gedacht, das könnte in nächster Zeit sinnvoll sein. Und ich würde mich etwas besser fühlen, wenn du unterwegs bist.“ Mit diesen Worten reicht er mir ein kleines Päckchen. Gespannt reiße ich das Papier auf und zum Vorschein kommt ein Handy. „Ja sag mal, bist du denn verrückt? Du sollst doch nicht soviel Geld für mich ausgeben!“ „Doch und es ist schließlich etwas Sinnvolles. So kannst du mich jederzeit erreichen, wenn etwas sein sollte. Und ich habe dadurch etwas mehr Sicherheit und brauche mir nicht allzu viele Sorgen zu machen. Guck, ich habe auch eins.“, damit hält er mir ein kleines, silbernes Handy unter die Nase. „Na, wenn du meinst...“ Irgendwie bin ich immer noch etwas skeptisch, Technik ist nicht so mein Fachgebiet und dieses kleine, silberne Ding sieht mir ganz danach aus! „Guck doch mal, was du damit alles machen kannst!“ Zum Glück werden wir hier von Patricia unterbrochen, die uns zum Abendbrot ruft. Nach dem Essen setzen Paddy und ich uns ins Wohnzimmer und er erklärt mir ganz genau, wie dieses Handy nun funktioniert. Eigentlich ist das ja mal gar nicht so schlecht. Und Paddy hat ja Recht, so kann ich ihn immer erreichen, wenn was sein sollte oder ich mal später komme. Nach dieser kleinen Technikstunde muss ich ganz dringen noch an meinem Referat arbeiten. Mittlerweile bin ich echt unter Zeitdruck, noch ne knappe Woche Zeit und noch nicht mal richtig angefangen. Und eins weiß ich ganz genau, Staritz kennt keine Gnade, der will das Referat am ersten Schultag in seinem Fach liegen haben. Auch Andrea, Tanja und Stefanie sitzen vor ihren Büchern und versuchen verzweifelt etwas Brauchbares zu Papier zu bringen. Nach einer ganzen Weile fragt Joey grinsend: „Sagt mal, was soll das eigentlich werden? Ihr hockt nun schon ewig vor diesen Büchern und nichts kommt bei raus. Was macht ihr denn da?“ „Hausaufgaben!“, kommt es von uns allen gleichzeitig. „Wir sollen ein Referat über ein Buch schreiben, aber irgendwie kommen wir nicht weiter!“ „Na, zeigt mal, welche Bücher habt ihr denn da, vielleicht kann ich euch irgendwie helfen?“ Wir nennen ihnen die Titel der Bücher und er verschwindet ins Arbeitszimmer. Kurz darauf ruft er: „Kommt mal bitte her, ich möchte euch etwas zeigen!“ Gespannt gehen wir ins Arbeitszimmer. Joey sitzt am Computer und ist im Internet. In eine der zahlreichen Suchmaschinen gibt er den Titel eines Buches und das Stichwort Referat ein und kurz darauf erscheinen mehrere Links mit fertigen Referaten. Zufrieden lehnt Joey sich zurück und meint: „So, sucht euch aus, was ihr davon gebrauchen könnt, druckt es aus und dann müsst ihr das nur noch bearbeiten.“ Wir kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus: „Das ist ja klasse, das hätten wir mal früher wissen sollen. Das erspart ja jede Menge Arbeit!“ „Stop, stop, nicht so hastig. Ab und zu erleichtert das echt die Arbeit, aber für alle Hausaufgaben ist das wirklich nicht geeignet. Vor allem solltet ihr drauf achten, dass ihr das Ganze noch mal überarbeitet und eventuelle auch noch umschreibt. Mache Lehrer haben die schlechte Angewohnheit, sich genau diese Seiten vorher anzugucken, um zu überprüfen, ob ihre Schüler selbst schreiben oder nur abschreiben!“ „Na gut, aber es erleichtert uns das Ganze ungemein. Dann lasst uns mal, das wir irgendwann auch mal fertig werden.“ Dank Joeys tatkräftiger Unterstützung und einer Nachtschicht sind wir nach diesem Abend endlich mit unseren Referaten fertig und ziemlich stolz auf uns. Dafür wird aber auch am nächsten Tag ausgepennt. Paddy, der ja eigentlich der Langschläfer ist, freut sich, auch mal

wieder ausschlafen zu können. Erst gegen Mittag werde ich so langsam wach. Verschlafen blinzele ich ins Licht und sehe Paddy, der zusammengerollt wie ein Baby noch tief und fest schläft. Ich muss lächeln, es sieht auch zu süß aus, wie er da liegt und schläft. Endlich scheint er mal wieder eine ruhige Nacht hinter sich zu haben, er lächelt sogar etwas im Schlaf. Ich überlege grade, ob ich wecken soll, da blinzelt er mich verschlafen aus einem Auge an. „Guten Morgen mein Schatz, hast du gut geschlafen?“ Er reckt und streckt sich und nuschelt dann verschlafen: „Ich habe super geschlafen. Und du?“ „Sehr gut, wie ein Stein.“ Von unten hören wir ein lautes: „Mittagessen ist fertig!“ und das Gepolter im Flur geht los. Paddy guckt mich an, doch ich schüttele den Kopf. Hunger hab ich eh nicht und vermissen wird uns auch keiner. „Und was machen wir jetzt mit unserer freien Zeit?“, fragt Paddy und nimmt mich in den Arm. „Also, ich wüsste da ja schon was...“ Überrascht schaut er mich und ich nicke vorsichtig...

Viel zu schnell gehen diese Zwei Wochen um, aber irgendwann ruft auch die Schule für uns und der Tourneeplan der Kellys. Das Leben kann so grausam sein. Zum Abschied gibt es noch eine lange Umarmung und das Versprechen, sich alsbald zu melden. Doch kaum zu Hause holt mich die Wirklichkeit schneller ein, als es mir lieb ist. Meine Mom ist überraschender Weise schon da und wartet mit ihrem „Es-gibt-etwas-dringendes-zu-bereden-Gesicht“ auf mich. Schnell überdenke ich meine Sünden der letzten Wochen, es fällt mir aber nichts ein, was dieses Gesicht rechtfertigt. „Setz dich bitte, ich muss dringend mit dir reden. Es gibt eine große Änderung in unserem Leben!“ Mein erster Gedanke: Sie hat nen neuen Freund! „Du hast dich sicherlich schon gewundert, warum ich in letzter Zeit so oft bei deiner Grandma war.“ Ich nicke und meine Befürchtung scheint sich zu bestätigen. „Also gut, es muss ja eh raus. Also, ich habe das Angebot bekommen in Edinburg eine Firma zu übernehmen. Und da ich weiß, dass du dich hier in Deutschland sehr wohl fühlst und ich es dir nicht zumuten möchte anderthalb Jahre vor der Prüfung noch das Schulsystem und das Land zu wechseln, denke ich, es ist das Beste, wenn du auf ein Internat gehst!“ Ich schnappe nach Luft, das ist wirklich die Höhe, will mich mit 16 Jahren noch auf ein Internat abschieben. Ungläubig schüttele ich den Kopf. „Nein Mom, nein, das tust du mir bitte nicht an. Kann ich nicht alleine hier wohnen? Ich bin doch schon 16, da wohnen andere Jugendliche auch schon alleine. Bitte, du kannst mich doch nicht einfach von meinen Freunden wegholen!“ „ Nein, tut mir Leid, das kann ich nicht verantworten. Ich kann doch einen Teenager nicht alleine hier wohnen lassen. Ich kann doch aus Schottland nicht beobachten, was hier abläuft. Mein Entschluss steht fest. Ich habe ganz hier in der Nähe eine kleine Privatschule gefunden, die sich bereiterklärt hat, dich zum neuen Halbjahr aufzunehmen. Mit der Schule ist alles geregelt und ich bringe dich noch heute für eine „Schnupperwoche“ hin. Also packe bitte eine Tasche mit Klamotten und nimm auch deine Schulsachen mit, damit die Lehrer wissen, auf welchem Leistungsstand du stehst.“ Ihr Gesicht und ihre Stimme verraten mir, dass Widerstand zwecklos ist und alles nur noch schlimmer machen würde. Langsam gehe ich in mein Zimmer und beginne meine Tasche aus- und wieder einzupacken. Viel brauche ich ja nicht für diese eine Woche. Ein paar Klamotten, Nachtzeug, Kulturtasche, ein Buch und ganz wichtig, mein alter Stoffhase. Ohne den gehe ich nirgendwohin. Der war schon überall mit bei. Na gut, fast, in einer Situation habe ich ihn unters Bett verbannt...“ Als letztes fällt mir mein Handy in die Hände. Jetzt wäre doch die Gelegenheit, es auszuprobieren. Schnell tippe ich eine kurze SMS an Paddy ein: Meine Mom ist völlig durchgedreht, schickt mich ins Internat. Soll heute schon hin. Bitte hilf mir! Abschicken und fertig. Ich hoffe er kann mir helfen. Doch Pustekuchen. Es dauert keine zwei Minuten, da bekomme ich seine Antwort: Ist ja echt hart. Aber ich kann dir leider nicht helfen. Du musst doch zur Schule und wir sind auf Tour. Wenn ich etwas machen könnte, ich würde es tun. :-x! Ich seufze, er hat ja Recht, aber es ist trotzdem eine verdammt verzwickte Situation. Aber gut, noch ist ja nichts entschieden, vielleicht geschieht ja noch ein






 Re: Ein Konzert mit Folgen

Wunder.

Aber erstmal geschieht natürlich kein Wunder und so sitze ich kurz darauf neben meiner Mom im Auto. Einen letzten Versuch starte ich noch: „Mom, aber wenn es mir nun wirklich nicht gefällt...“ „Dir wird es gefallen, glaube mir. Ich habe bis jetzt nur gutes gehört. Die haben ein ziemlich gutes Musikprogramm. Du hast die Möglichkeit Musikunterricht zu nehmen, es gibt jede Menge Sportangebote und auch sonst hörte sich das alles ziemlich gut an.“ „Na gut, aber wenn es irgendwelche Probleme gibt, kann ich dann wieder nach Hause?“ Meine Mom seufzt. „Also gut, ich wüsste zwar nicht, welche Probleme auftreten sollten, aber wenn du dann glücklich bist und Ruhe gibst.“ Naja, das ist ja jedenfalls etwas. Nach knapp zwei Stunden

kommen wir endlich an. Das Gebäude sieht ja gar nicht schlecht aus. Ruhig gelegen, mit viel Grün drum herum. Kaum sind wir ausgestiegen kommt auch schon eine junge Frau auf uns zu. „Guten Tag, ich bin Frau Neumann, die Direktorin. Schön sie zu sehen.“ Ich nicke stumm und fühle mich auf einmal ganz klein. Frau Neumann scheint dies zu bemerken und meint aufmunternd: „So, ich bringe dich erstmal zu deinem Zimmer. Deine beiden Kolleginnen warten schon auf dich. Willst du dich noch von deiner Mutter verabschieden?“ Ich drehe mich zu meiner Mom um und meine: „Ciao, wir sehen uns dann am Freitag, grüß mir die anderen von mir! Und bitte denk an dein Versprechen!“ Sie nickt, nimmt mich noch einmal in den Arm und wünscht mir alles Gute. Ehe ich mich versehe, bin ich mitten im größten Trubel, jede Menge Jugendliche stürmen in Richtung Haustür. „Es gibt bald Abendbrot, dann ist hier immer der Teufel los. Die tun grade so, als würden sie nie etwas zu essen bekommen. So, da sind wir, mal schauen ob jemand da ist.“ Auf ihr Klopfen hin ertönt ein fröhliches „Herein“, das fast vom Radio übertönt wird. „Was ist denn hier los? Seit ihr beiden taub oder veranstaltet ihr hier eine Privatdisco?“ Erschrocken fahren die zwei Mädchen zusammen und stellen die Anlage leiser. „Na, das ist schon besser. Ich bringe euch hier eure neue Mitbewohnerin, ich hoffe, ihr vertragt euch.“ Die beiden springen vom Bett und reichen mir die Hand. „Willkommen in unserer Chaosbude. Ich bin Caroline, sag am besten Caro und das ist Bernadette. Und mit wem haben wir das Vergnügen?“ Naja, das hört sich ja eigentlich ganz freundlich an. Ich gebe mir einen Ruck, setze mein Sonntagslächeln auf und stelle mich dieser Herausforderung. Nachdem diese „Formalität“ geklärt ist kann ich mir erstmal ein Bett aussuchen und meine Klamotten einräumen. Während ich einräume quetschen mich Bernadette und Caro aus. „Alter, Klasse, Hobbies, Lieblingsbuch, Lieblingsmusik?“ „16 Jahre, 9.Klasse, Volleyball, Gitarre spielen, lesen, hab ich nicht, Kelly Family!“ Wow und das alles in einem Atemzug. Caro verdreht die Augen und meint: „Och nö, doch nicht etwa noch so ein Paddy Kreischweib! Hey Bernadette, endlich hast du Verstärkung bekommen!“ Entrüstet drehe ich mich um, mich einfach als Paddy Kreischweib zu bezeichnen. „Nenn mich bitte nie wieder so! Ich bin vieles, aber kein Kreischweib, ich kann diese Girlies nicht ausstehen!“ „Ist ja gut. War nicht so gemeint! Aber wir haben hier wirklich so ein Kreischweib. Anne, knappe 14Jahre alt und sie kennt nur dieses eine Thema. Aber du wirst sie ja noch früh genug kennen lernen, es gibt nämlich gleich Abendbrot.“ Im Speisesaal herrscht schon Jubel, Trubel, Heiterkeit. Es ist ein unglaubliches Stimmengewirr, das mir entgegen schallt und ich bin ganz froh, dass ich noch einen Platz bei Bernadette und Caro bekomme. Das alles ist mir doch ein bisschen zu viel, die vielen Stimmen, die vielen Leute... Ich bin richtig erleichtert, als wir wieder im Zimmer sind. Mein erster Blick fällt auf mein Handy, juchhu, eine Nachricht von Paddy, jedenfalls etwas. Hi mein schatz, ich hoffe es geht dir gut. Ich denk an dich, halt die Ohren steif! Wir sehen uns! Gruß Paddy. Ich muss lächeln, doch irgendwo bin ich auch traurig. In diesem Moment fragt Bernadette: „Sag mal, was sagst du eigentlich dazu, dass Paddy eine Freundin hat?“ Blitzschnell drehe ich mich um und frage atemlos: „Wie kommst du auf diese Idee?“ Bernadette grinst. „Also doch Kreischweib! Aber mal im Ernst, liest du keine BRAVO? Da ist ein großer Artikel über Paddy und seine neue Flamme drin und wenn ich ehrlich bin, sie sieht dir verdammt ähnlich!“ Ich werde kreidebleich und schnappe mir die BRAVO, die sie mir hinhält. Mit zitternden Fingern blättere ich zum Artikel und erblicke Paddy und mich eng umschlugen im Park. „So ein Mist verdammter, ich hab’s doch gewusst, dass sie uns erwischt haben!“ Ungläubig gucken mich Bernadette und Caro an. „Was bitte hast du eben gesagt?“ Mist verdammter, jetzt hab ich mich verraten. Ich laufe dunkelrot an und murmele: „Ach, ist schon Ok!“ Caro schüttelt den Kopf. „Das nehmen wir dir jetzt aber nicht ab! Also ich habe auf jeden Fall verstanden, dass sie euch erwischt haben. Und wenn ich mir das Bild ganz genau angucke, bin ich mir eigentlich ziemlich sicher, dass du das bist. Nun mal raus mit der Sprache!“ Ich seufze, es hat ja doch keinen Zweck sie haben mich ja eh erkannt. „Ihr gebt ja sonst keine Ruhe, ja das Mädchen auf dem Foto bin ich! Seit ihr jetzt zufrieden?“ Caro und Bernadette bleibt vor Staunen der Mund offen stehe, beide wissen wirklich nicht, was sie sagen sollen. Dieses peinliche Schweigen wird erst von einem laut schimpfenden Mädchen durchbrochen. Es ist Anne, soviel weiß ich noch. Sie macht sich noch nicht mal die Mühe anzuklopfen, sondern stürmt einfach so ins Zimmer. „Bernadette, hast du schon die neue BRAVO gelesen? Das ist ja wohl die Höhe, wenn ich diese Schlampe in die Finger bekomme... Die kann was erleben, das ist mein Paddy! Was fällt der Ziege eigentlich ein???“ Als sie mich

sieht unterbricht sie für ein paar Sekunden ihren Redeschwall und starrt mich erschrocken an. Doch diese Erstarrung hält leider nur ein paar Sekunden. Mit einem lauten: „Du olle Schlampe!“, kommt sie auf mich zugesprungen und wird grade noch von Bernadette daran gehindert mir eine zu scheuern. Erschrocken weiche ich zurück und Caro zischt nur: „Lauf, wir kümmern uns um sie!“ Ich laufe auf den Flur und von da aus nach draußen. Irgendwann lasse ich mich ganz außer Atem auf eine Bank fallen und überlege, was ich tun kann. Auf keinen Fall bleibe ich noch länger hier, das ist klar. Und das wird selbst meine Mom einsehen! Ich hole mein Handy aus der Tasche und wähle unsere Nummer. Ich erkläre erstmal nur die Situation und warte dann auf eine Reaktion von ihr. Sie meint seufzend: „Also gut, in diesem Fall wollen wir das Schicksal nicht herausfordern und wir haben ja bei Stefanie gesehen, wo das enden kann. Ich lass mir was einfallen und hole dich morgen erstmal wieder nach Hause. Ich werde mich jetzt erstmal bei Frau Neumann melden und das klären. Ich hoffe, es geht bis dahin gut. Schlaf schön mein Schatz und bis morgen, ich bin im Laufe des Vormittages da.“ Meine Mom muss echt Angst um mich haben, ansonsten wäre sie doch total ausgeflippt, ihr schöner Plan einfach zunichte gemacht. Plötzlich bekomme ich ein schlechtes Gewissen. Wenn meine Mom nun wegen mir ihren Job absagen muss... Nicht auszudenken. Sie hat sich so gefreut, endlich wäre sie ihr eigener Chef. Wieder einmal verfluche ich es, dass Paddy nicht einfach ein ganz normaler Mensch sein kann, dass selbst ich darunter leide, das ein völlig normales Leben einfach nicht mehr möglich ist. Plötzlich steht Caro hinter mir und legt mir die Hand auf die Schulter. Erschrocken zucke ich zusammen, im ersten Moment denke ich, das das die verrückte Anne mich gefunden hat. „Ganz ruhig, ich bin’s nur. Du kannst wieder rein kommen, Anne ist in ihrem Zimmer. Alles Ok mit dir?“ Ich nicke und gehe schweigend zurück ins Haus. Zurück im Zimmer beginne ich langsam meine Sachen einzupacken. Als ich damit fertig bin setze ich mich auf mein Bett und verkrieche mich in eine Ecke. Bernadette und Caro, die mir die ganze Zeit schweigend zugeguckt haben setzen sich zu mir und fragen: „Alles klar bei dir? Du bist auf einmal so still und wieso hast du gepackt?“ Ich erkläre, dass meine Mom mich am nächsten Vormittag wieder abholt und auch was mit Stefanie passiert ist und das ich eine scheiß Angst habe. „Ja, dann ist es wohl echt das sinnvollste, wenn du wieder nach Hause fährst. Auch wenn es echt schade ist, ich glaube, wir wären ein richtig gutes Team geworden.“ In diesem Moment klopft es und Frau Neumann betritt das Zimmer. „Ich wollte nur mal schauen, wie es dir geht. Aber wie ich sehe, kümmern sich Bernadette und Carolin um dich. Es tut mir echt leid, was mit Anne passiert ist. Das habe ich echt nicht geahnt. Deine Mutter hatte zwar schon angedeutet, dass eventuelle ein paar Probleme geben könnte, aber dass das so ausartet, hat wirklich keiner geahnt. Anne wird übrigens noch heute Abend von ihren Eltern abgeholt, für die nächste Zeit ist sie vom Unterricht suspendiert.“ Erleichtert atme ich auf, jedenfalls muss ich sie morgen beim Frühstück nicht mehr ertragen. Nachdem Frau Neumann wieder gegangen ist, quetschen mich Caro und Bernadette über meine Beziehung zu Paddy aus. Und ausnahmsweise macht es mir wirklich nichts aus die Geschichte zu erzählen, da ich bei den beiden keine Angst haben muss, dass sie eifersüchtig werden. Als ich endlich geendet habe ist es mittlerweile nach Mitternacht und wir können uns das Gähnen kaum noch verkneifen. „Ok, ich glaube, wir sollten jetzt schlafen, bald klingelt schon wieder der Wecker. Also, Licht aus und gute Nacht!“

Am nächsten Morgen sind wir, wie zu erwarten war, ziemlich übernächtigt und Caro sieht nicht so aus, als würde sie in nächster Zeit aufwachen wollen. Bernadette versucht es ein paar Mal, sie im Guten zu wecken, doch irgendwann verliert sie die Geduld und kippt ihr einfach ein Glas Wasser über den Kopf. Prustend und hustend wacht Caro auf und schreit: „Hey, was sollte das? Wollt ihr mich ertränken oder was?“ Bernadette kriegt sich gar nicht wieder ein vor lachen und noch beim Frühstück fängt sie immer wieder an zu kichern. „Ist jetzt mal gut? Du hattest deinen Spaß, aber soll das jetzt den ganzen Tag so weiter gehen?“ Bernadette schüttelt den Kopf und versucht krampfhaft sich ein weiteres Lachen zu verkneifen. Nach dem Frühstück wird sie aber schnell wieder ernst. Meine Mom ist mittlerweile schon aufgetaucht und spricht gerade noch mit Frau Neumann. Bernadette und Caro kommen noch mit aufs Zimmer um sich in Ruhe zu verabschieden. Unschlüssig stehen wir im Zimmer und wissen nicht so recht, wie wir anfangen sollen. „Tja, ich glaube, ich sollte mal meine Taschen nach draußen bringen, meine Mom wartet bestimmt schon auf mich. Also, ihr beiden, macht es gut und lasst euch nicht unterkriegen. Ist echt schade, dass ich nicht bleiben kann, ich glaub, ich

hätte mich hier wohl gefühlt. Aber gut, es hat nicht sollen sein.“ „Tja, ich glaub auch, wir wären ein gutes Team gewesen, aber so ist es halt einfach besser. Also, mach es gut und ganz viel Glück mit Paddy. Ich wünsche euch alles Gute!“ Ich umarme Caro und Bernadette noch einmal, nehme meine Tasche und gehe nach draußen. Ich hätte echt nicht gedacht, dass der Abschied mir so schwer fällt, ich seufze, aber gut, bald bin ich wieder zu Hause bei meinen Freunden. Meine Mom wartet schon am Auto auf mich, gespannt warte ich auf eine Reaktion von ihr, ist sie wohl sehr sauer? Und außerdem, was passiert jetzt mit ihrer Stelle in Edinburgh? Sehr glücklich sieht sie wirklich nicht aus, eher übernächtigt, trotzdem nimmt sie mich in den Arm und meint: „Ich bin so froh, dass dir nichts passiert ist!“ Als wir im Auto sitzen frage ich vorsichtig, was jetzt mit Schottland ist. „Nun ja, erst hatte ich mich schon entschlossen, dich mitzunehmen, schließlich kennt dort niemand die Kellys und du wärst sicher. Aber keine Angst, ich habe eine bessere Lösung gefunden. Deine Cousine Nadine wird bei uns einziehen und ein Auge auf dich haben.“ Oh nein, bitte nicht Nadine! Wir beide können uns nicht ausstehen, sie ist vier Jahre älter als ich und eine olle Schnepfe. Vor ein paar Jahren haben wir uns das letzte Mal gesehen und es war die absolute Katastrophe, wir haben uns nur angegiftet und konnten uns wirklich nicht ausstehen. Aber was bleibt mir anderes übrig, mit nach Schottland will ich auch nicht, also muss ich wohl in den sauren Apfel beißen und das durchstehen. Und meine Güte in anderthalb Jahren bin ich volljährig und kann machen, was ich will! „Sie ist übrigens schon da, denn ich habe beschlossen, dass ich schon heute Abend fliegen werde. Mit dir ist ja nun alles geregelt und so habe ich noch ein bisschen Zeit mich wieder an Schottland zu gewöhnen und die ganzen Formalitäten zu regeln. Ich meine natürlich, nur wenn es dir nichts ausmacht.“ Ich schüttele den Kopf. „Ist schon in Ordnung, flieg ruhig. Was sollte schon sein. Ob du nun heute fliegst oder erst nächste Woche.“ Ein bisschen enttäuscht bin ich schon, dass sie so Hals über Kopf abhaut, aber sie hat ja Recht und so zieht sich der ganze Abschied nicht so in die Länge. Lieber kurz und schmerzlos, dann hab ich es hinter mir. Zu HajhkjhkHHahhhohuk

Hause angekommen wartet Nadine schon auf uns. Sie eigentlich ganz freundlich und begrüßt mich mit den Worten: „Schön dich zu sehen, ich hoffe, wir kommen die nächste Zeit gut miteinander aus!“ Das sind ja ganz neue Töne von ihr, die bin ich gar nicht aus ihrem Mund gewohnt. Und so schaffe ich es auch nur stumm zu nicken und verziehe mich dann erstmal auf mein Zimmer. Hier herrscht noch das absolute Chaos, meine dreckigen Klamotten vom Urlaub liegen immer noch dekorativ auf dem gesamten Fußboden verteilt und auch ansonsten lässt die Sauberkeit hier zu wünschen übrig. Auf meinem Schreibtisch stapeln sich so ungefähr alle Bücher die ich besitze und das sind nicht wenige und auf den Regalbrettern kann man ohne Probleme „Sau“ in den Staub schreiben. Sonst habe ich das ja echt nicht so mit der Ordnung, aber heute nervt mich das echt. Und so kommt es, dass meine Mom mich eine knappe Stunde später mitten in einer großen Putzaktion antrifft. „Ja, was ist denn hier los, bist du etwa krank?“ Ich schüttele den Kopf und murmele was von: „Konnt´ die Unordnung nicht mehr ertragen.“, und putze dabei fleißig weiter. Meine Mom lässt sich auf mein frisch bezogenes Bett nieder und beginnt eines dieser mir verhassten Mutter-Tochter-Gespräche. „Also gut, auch wenn ich jetzt nicht mehr hier bin, ich möchte trotzdem, dass du dich an einige Spielregeln hältst. Nadine ist der Chef und wenn sie dir etwas sagt, möchte ich, dass du dich daran hältst. Ich habe ihr schon die Zeiten gegeben, wann du abends zu Hause zu sein hast. Ich denke mal, du bist jetzt 16 Jahre alt, in der Woche können wir ruhig 21°°Uhr sagen, am Wochenende ist spätestens Mitternacht Zapfenstreich. Ausnahmen könnt ihr dann immer noch mit mir absprechen. Aber alles mit der Voraussetzung, dass die Schule nicht darunter leidet. Klar?“ Ich nicke, das ist ja besser als ich gedacht hatte. Sonst war in der Woche um 19°°Uhr Schluss und am Wochenende durfte ich selten länger als bis 22°°Uhr wegbleiben. „Über Paddy weiß Nadine Bescheid, auch das er immer zu Besuch kommen kann und die offiziellem Erlaubnis hat, bei dir zu schlafen, wenn du ihn irgendwo besuchen fahren willst möchte ich dich bitten, das vorher mit mir abzusprechen. Nur das ich den Überblick habe, wo du dich grade aufhältst. Und, wie sieht’s aus, hast du dir mittlerweile die Pille besorgt?“ Ich schüttele den Kopf. „Nein, noch nicht, aber ich gehe so schnell wie möglich los.“ Meine Mom scheint meinen Gesichtsausdruck richtig zu deuten und fragt: „Und, hattest du einen schönen Urlaub?“ Ich muss grinsen, sie ist doch schlauer, als ich gedacht hatte! Die nächste Stunde verbringen wir mit einem wirklich tollen Gespräch, meine Mom ist echt viel cooler als ich

gedacht hätte. Was sie alles weiß, echt erstaunlich!

Nach dem Mittag ist es dann soweit, meine Mom beginnt, ihre Koffer und Taschen in den Kofferraum zu packen. Irgendwo ist es doch in komisches Gefühl zu wissen, dass ich meine Mom jetzt eine halbe Ewigkeit nicht mehr sehen werde. Wir haben uns zwar nicht immer blenden verstanden, aber in letzter Zeit hat es doch relativ gut mit uns beiden geklappt. Aber wie sagt Carsten aus meiner Klasse doch immer so schön: „Über der Veränderung liegt stets ein Hauch von Unbegreiflichkeit!“, wie recht er doch hat. Zum Flughafen komme ich dann aber doch nicht mehr mit, das möchte ich mir und meiner Mom gerne ersparen, außerdem muss Nadine nicht gleich den Eindruck bekommen, ich sei eine Heulsuse. Und so umarme ich meine Mom noch einmal ganz fest, drücke ihr einen letzten Kuss auf die Wange und meine: „Machs gut Mom und komm mich ganz schnell besuchen.“ „Ciao meine Grosse, halt die Ohren steif. Ich komm dich bald besuchen. Grüß mir Paddy und die anderen. Alles Gute und das mir keine Klagen kommen, verstanden!“ Ich nicke und als das Auto um die Ecke fährt kann ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Jetzt bin ich doch froh, dass Nadine heute Abend wieder da ist und ich nicht wirklich alleine bin. Immer noch schniefend gehe ich wieder rein und wähle erstmal Paddys Nummer. „Hi, ich bin's!“ Melde ich mich und schlucke dabei die letzten Tränen hinunter. „Hey Schnecke, was ist los? Immer noch Stress im Internat?“ Einen Moment stutze ich, wieso Internat? Dann fällt mir ein, dass Paddy ja noch gar nicht weiß, was vorgefallen ist. Ich erzähle ihm eine Kurzversion um ihn nicht unnötig aufzuregen, aber er ist natürlich trotzdem auf 180 und schimpft ziemlich derbe über die Fans. „Hey Paddy, es ist Ok. Nicht alle sind so und es ist ja noch mal alles gut gegangen. Ich bin wieder zu Hause und habe somit dank Anne erreicht, was ich wollte.“ „Dankbar? Du bist dieser bitch auch noch dankbar? Ich fasse es ja nicht! Was wäre denn, wenn dir wirklich etwas passiert wäre? Wärst du ihr dann auch noch dankbar? My godness, die ticken doch nicht mehr richtig! Nicht genug, dass sie uns das Leben zur Hölle machen, nein, auch unsere Freundinnen sind dran. Das ist doch krank! Wir sind doch nicht deren Eigentum! Was denken die sich eigentlich?“ Er hat ja Recht, einige Fans sind wirklich krank, aber eben nur einige, das kann man doch nicht verallgemeinern. In meine kurze Pause hinein fragt Paddy: „Und, wie geht’s nun weiter? Bleibt deine Mom zu Hause oder fliegst du mit nach Schotland?“ Ich muss lachen. „Um Gotteswillen, ich in Schottland, wie stellst du dir das denn vor? Wie soll ich da denn bitte die Schule überstehen? Nein, nein, meine Mom ist grade zum Flughafen abgefahren und in der Zeit, wo sie weg ist, wohnt meine Cousine Nadine hier.“ „Aha, die kenn ich noch nicht, oder?“ „Nö, ich hab sie auch schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen gehabt. Aber sie arbeitet hier in der Nähe und bevor sie sich irgendwo hier ne´ Wohnung nehmen muss, hat meine Mom gedacht, sie könne ja hier wohnen. Naja und da ich im Internat nicht bleiben kann, hat sie sich bereit erklärt, ein Auge auf mich zu haben.“ „Aha, na dann... Sag mal, hat Nadine was dagegen, wenn ich morgen noch mal vorbei komme?“ „Das ist kein Problem. Wieso das denn so plötzlich? Ist irgendwas los?“ „Nee, einfach nur so, um noch mal vor der Tour vorbeizugucken. Du ich muss Schluss machen. Wir sehen uns dann. Ciao! “ Bevor ich noch was sagen kann hat er schon aufgelegt. Verdutzt halte ich den Hörer in der Hand und weiß gar nicht, was ich davon halten soll. Ich weiß zwar, dass Paddy manchmal seine ganz eigenen Macken hat, aber so was hab ich selbst bei ihm noch nicht erlebt. Vielleicht hat Stefanie eine Ahnung oder hat was durch Angelo mitbekommen. Also wähle ich Stefanies Nummer um mich bei ihr zu melden. „Hi Stefanie, ich bin's, ich wollte nur sagen, dass ich wieder zu Hause bin und sich die ganze Sache mit dem Internat erledigt hat. Ab morgen müsst ihr mich wieder ertragen!“ „Hey, das ist ja klasse. Da werden sich einige Leute freuen. Du hättest mal Carsten erleben müssen, als Staritz verkündet hat, dass du nicht mehr wieder kommst. Der ist fast im Dreieck gesprungen, so hab ich den noch nie erlebt.“ Nach einigem allgemeinen Geplänkel fasse ich mir endlich ein Herz und frage: „Sag mal Stefanie, hast du eine Idee, was mir Paddy los sein könnte? Der hat mich vorhin am Telefon einfach abgewürgt. Momentan ist er echt komisch, richtig launisch und ich versteh ihn einfach nicht mehr!“ Stefanie überlegt einige Sekunden und meint dann: „Nö, so direkt weiß ich nicht was los ist. Vielleicht liegts am Tourstress? Momentan sind die doch heftig am üben na ja und die ganze Sache mit mir und dieser komischen Zicke die mich angegriffen hat ist ihm wohl auch ziemlich nahe gegangen. Aber weißt du was, ich wollte gleich eh mit Angelo telefonieren und ich frag ihn mal, ob er was weiß. Ich meine, wenn Paddy jemandem außer dir was erzählt hat, dann wohl ihm.“ Das ist logisch und etwas beruhigter lege ich wieder auf. Einen kurzen Augenblick lang überlege ich, mich noch bei Carsten zu melden,






 Re: Ein Konzert mit Folgen

denke mir dann aber, dass es auch noch früh genug ist, wenn er mich morgen in der Schule sieht. Außerdem muss ich erst noch mal mein altes Zimmer von meinen restlichen Klamotten befreien, denn da soll ja schließlich Nadine die nächste Zeit drinnen wohnen. Viel ist allerdings nicht mehr da. Ein paar alte Schulsachen, ein paar Bücher und oh mein Gott, mein altes Tagebuch. Ewigkeiten hab ich das Ding nicht mehr in der Hand gehabt und da es noch ewig dauern kann, bis Nadine zurückkommt, mache ich es mir mit meinem Tagebuch auf dem Sofa bequem. Ach du meine Güte, was hatte ich doch bloß für Probleme. Hilfe, mein erster Liebeskummer. Mein Gott, wie war ich doch damals verschossen. Aber leider wollte Fabian mein Angebeteter nichts von mir wissen. Oh man habe ich damals gelitten. Obwohl, „damals“, so lange ist das noch gar nicht her. Ich war dreizehn, als das Drama anfing und das Ganze zog sich über fast anderthalb Jahre. Peinlich, peinlich, zum Glück weiß Paddy davon nichts! Obwohl, dass Ende war nicht grade rühmlich. Wir haben uns total gezofft und seitdem herrscht Eiszeit zwischen uns. Aber gut, das war einmal. Bevor ich weiter lesen kann, klingelt das Telefon, es Stefanie, die grade mit Angelo telefoniert hat. Doch leider kann sie mir auch nichts Neues erzählen, Angelo weiß angeblich auch nicht, was mit Paddy los ist. Ich seufze, dann muss ich wohl selbst nachforschen. Auf einmal durchzuckt mich ein schrecklicher Gedanke: „Was ist, wenn er sich neu verliebt hat?“ Ich steigere mich immer weiter in diese Idee rein und bin, als Nadine nach Hause kommt schon richtig verzweifelt. Als sie wissen will, was ich auf dem Herzen habe, frage ich, ob sie etwas dagegen hätte, wenn Paddy für ein paar Tage kommen würde. Sie schüttelt den Kopf, meint dann aber: „Aber da ist doch noch etwas. Du siehst aus, wie zehn Tage Regenwetter und sag jetzt nicht, dass es daran liegt, das deine Mutter weg ist.“ Zögerlich nicke ich und murmele dann was von Stress mit Paddy. „Komm schon, spucks aus, vielleicht kann ich dir ja helfen.“ Stockend beginne ich zu erzählen. Als ich geendet habe meint sie lachend: „Wie und das ist alles? Meine Güte, mach dir man keinen Kopp. Der ist momentan bestimmt nur im Stress. Wenn er morgen kommt, dann setzt ihr euch zusammen und klärt das Ganze. Was hältst du davon?“ Ich nicke, aus ihrem Mund hört sich das auch schon viel sinnvoller an, obwohl, so ein kleines, mulmiges Gefühl ist doch geblieben. Und so verziehe ich mich auch recht bald in mein Zimmer. Langsam beginne ich meinen Rucksack für morgen zu packen und dabei schießt mir immer dieser eine Gedanke durch den Kopf: „Paddy hat ne´ neue und macht jetzt Schluss. Aus, das war’s!“ Mit diesen Gedanken immer im Hinterkopf schlafe ich irgendwann ein und so ist es nicht verwunderlich, dass ich ziemlich wirres Zeug träume. Am nächsten Morgen wache ich auf und mein Schädel brummt, als hätte ich mindestens die letzten drei Nächte durchzecht. Verschlafen und mit verwuschelten Haaren schlurfe ich in die Küche. Jetzt brauch ich erstmal was zum wach werden und mein Kakao, den ich normalerweise immer trinke, der ist eindeutig zu schwach. Ich durchforste den Küchenschrank auf der Suche nach etwas härterem. Irgendwo muss meine Mom doch ihren Cappuccino haben. Ah, endlich finde ich die Dose und oh Wunder, es ist sogar noch etwas drinnen. Ich stelle den Wasserkocher an und gehe mich erstmal anziehen. Lustlos greife ich in meinen Kleiderschrank und ziehe wahllos irgendwelche Klamotten raus. Zurück in der Küche setze ich mich erstmal und trinke einen großen Schluck. Boah, das Zeug schmeckt ja echt widerlich, aber gut, solange ich davon wach werde, soll’s mir egal sein. Ich schnappe mir noch einen Joghurt und werfe einen Apfel in meinen Rucksack und als ich das nächste Mal auf die Uhr schaue, ist es schon zehn vor sieben. Meine Güte, gleich kommt der Bus, also schnell ins Bad und Zähne putzen und einmal schnell mit der Bürste durch die Haare, Zopf und fertig, ab zum Bus. Ich komme grade noch rechtzeitig und Tanja staunt nicht schlecht, als ich mich keuchend neben sie fallen lasse. „Hey, guten Morgen! Du hier, wie kommt das? Ich dachte, du hättest uns verlassen.“ Ich schüttele den Kopf und als ich endlich wieder Luft bekomme, erzähle ich ihr die ganze Geschichte. In der Schule heißt es erstmal hoch in den vierten Stock, das ist echt anstrengend und kaum habe ich die Klasse betreten, werde ich fast von Carsten umgeschmissen, der mich stürmisch begrüßt. „Schön dass du wieder da bist. Ich hab dich echt vermisst!“ „Hey Carsten, was ist denn los, ich war doch nur einen Tag weg. Meine Güte noch mal“ „Was sollte ich denn ohne dich machen? Mit wem sollte ich im Unterricht schnacken oder Briefe schreiben?“ Gegen meinen Willen muss ich lächeln, er ist doch ein oller Spinner. Kaum hat es geklingelt rauscht auch schon Herr Staritz in die Klasse. Ich stöhne auf, den hatte ich ja ganz vergessen. Er knallt seine Tasche auf den Tisch und donnert gleich los. Verwundert schaue ich Tanja an, leise meint sie: „Er wollte gestern die Referate einsammeln und fast die

Hälfte hatte sie nicht fertig. Du hättest ihn mal erleben müssen, der ist im Dreieck gesprungen wie Rumpelstilzchen.“ Na, das erklärt natürlich seine beschissene Laune. Zum Glück habe ich mein Referat mitgenommen, nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn ich es vergessen hätte. Kurz nachdem Staritz mit seinem Unterricht angefangen ist, kommt auf einmal ein Zettel auf meinen Tisch geflogen. Ich falte ihn auf und lese: Sag mal, was ist denn los mit dir, du ziehst ein Gesicht, als wenn du nicht wirklich froh wärst, wieder hier zu sein. Das ist wieder so typisch Carsten. Schnell kritzele ich ihm eine Nachricht, dass ich ein bisschen Stress mit Paddy habe und werfe den Zettel zurück zu Carsten. Doch heute ist wirklich nicht mein Tag. Bevor ich seine Antwort auffangen kann ist Herr Staritz in die Wurfbahn gehechtet und hat sich den Zettel gekrallt. Er guckt Carsten und mich wütend an und poltert dann richtig los. „Was fällt euch beiden eigentlich ein, in meinem Unterricht solche Kinkerlitzchen zu veranstalten? Sind wir hier im Kindergarten? Und gerade ihr zwei hättet es eigentlich ziemlich nötig, im Unterricht aufzupassen, denn wenn ich euch daran erinnern darf, euer letzter Erdkundetest war bei beiden nicht wirklich der Hit. Wenn ihr also die Klasse schaffen wollt, dann passt gefälligst auf. Ist das klar? Wenn ich euch noch einmal dabei erwische, dass ihr euch irgendwelche Zettel zuschmeißt, dann könnt ihr euch auf was gefasst machen!“ Unter Tränen nicke ich, das ist mir heute alles zu viel. Kaum geschlafen und im Hinterkopf immer diese quälende Gedanke. Aber irgendwie überstehe ich auch diesen Schultag und als es um zwölf endlich zum letzten Mal klingelt bin ich die Erste die zum Bus sprintet. Andrea, Tanja und Stefanie gucken mir nur Kopfschüttelnd hinterher und wissen nicht, was sie von meinem Verhalten halten sollen. Endlich zu Hause wartet schon Nadine mit dem Essen auf mich. Erschrocken guckt sie mich an, ich muss wohl wirklich elend aussehen. Und so schickt sie mich auch direkt nach dem Essen ins Bett. Erst versuche ich zu protestieren, doch Nadine lässt nicht mit sich reden und so liege ich kurz darauf in meinem Bett und bin kurz darauf einzuschlafen. Erst als es leise an der Tür klopft werde ich wieder wach. Auf mein verschlafenes „Herein“ geht langsam die Tür auf und Paddy tritt ins Zimmer. „Hey Schnecke, was muss ich hören, du bist krank?“ Ich schaue zur Seite und versuche krampfhaft meine Tränen zu unterdrücken, doch es gelingt mir natürlich nicht. „Ich weiß, warum du hier bist, du willst Schluss machen, stimmt´s? Keine Ausreden, ich will die Wahrheit wissen!“ Erschrocken schaut er mich an und meint: „Ja was ist denn in dich gefahren? Das ist doch Unsinn! Wieso denkst du, dass ich Schluss mit dir machen würde?“ Ich werde kleinlaut, mittlerweile komme ich mir reichlich dumm vor. „Naja, ich weiß auch nicht, du warst so komisch in letzter Zeit, und irgendwo ist dann ne´ Sicherung bei mir durchgeknallt.“ „Wir haben im Moment ein bisschen Stress, aber das ist doch kein Grund, warum ich mit dir Schluss mache!“ „Stress? Was für Stress?“ „Naja, die Fans veranstalten momentan eine Art Hetzjagd auf uns. Nie Haben wir unsere Ruhe, ständig sind irgendwelche kreischende Fans um uns rum und das zerrt ganz schön an den Nerven! Deswegen muss ich auch mit dir reden. Du hast ja schon erlebt, zu was die Fans fähig sind und wenn du jetzt sagst, dass du das nicht aushältst, dann kann ich das verstehen.“ Ungläubig schaue ich ihn an. „Wieso sollte ich das tun? Ich denke schon, dass ich stark genug bin, das durchzuhalten, wenn du nur da bist! Mit dir stehe ich alles durch!“ Erleichtert fällt er mir um den Hals. „Ich bin ja so froh. Und keine Angst, ich bleibe bei dir, ich brauche dich doch auch!“ „Na, dann ist ja alles geklärt!“ Nadine denkt, sie guckt nicht richtig, noch vor einer Stunde bin ich blass und traurig aus der Schule gekommen und nun kann ich schon wieder lachen und sehe auch entschieden besser aus. Während wir Mittag essen klingelt das Telefon, am anderen Ende ist eine total aufgelöste Marjella. „Du musst mir unbedingt helfen! Hier herrscht das absolute Chaos, meine Eltern sind weg und ich wollte nen´ Kuchen backen. Aber während ich Christian gewickelt habe, hat Yvonne das totale Chaos in der Küche veranstaltet. Die Küche sieht aus wie ein Schlachtfeld, Christian schreit weil er Hunger hat und Yvonne heult, weil sie sich am heißen Kuchen verbrannt hat. Kannst du kurz rüber kommen und mir helfen?“ „Klar, aber ich bringe Patrick mit.“ Das ist natürlich kein Problem und so sind wir keine fünf Minuten drüben bei Marjella. Und sie hat wirklich nicht übertrieben, die Küche sieht echt schlimm aus! Da hat Yvonne mal wieder ganze Arbeit geleistet! „Ok, mein Schlachtplan, Marjella kümmert sich um die Küche, ich füttere Christian und Paddy, du kümmerst dich um Yvonne!“ Es dauert fast eine Stunde bis die Küche wieder begehbar ist und einen Kuchen hat Marjella trotzdem nicht zustande bekommen. „Ich geh schnell zum Bäcker, wer weiß wie die Küche sonst wieder aussieht. Habt ihr Lust mitzukommen?“ Klar haben Paddy und ich Lust und so machen wir uns

kurz darauf auf den Weg. Christian ist nach wenigen Metern selig in seinem Kinderwagen eingeschlafen und auch Yvonne scheint die frische Luft gut zu tun, denn sie wird merklich ruhiger. Beim Bäcker angekommen trifft mich fast der Schlag, es gibt einen neuen Verkäufer und zwar einen, den ich ziemlich gut kenne. Fabian und ich hatten vor einiger Zeit eine ziemlich heftige Auseinandersetzung, besser gesagt, er meinte sich an mich ranmachen zu müssen. Ich habe ihm recht deutlich klargemacht, dass ich nicht interessiert bin, aber das schien ihn nicht zu interessieren. Abwechselnd werde ich blass und rot und klammere mich an Paddys Hand. Auch Fabian hat mich mittlerweile gesehen und grinst mich breit an. Doch dann sieht er Paddy und im selben Moment auch den Kinderwagen den ich vor mir herschiebe. „Hi! Ist das euer Kind?“ Bevor ich die Chance habe etwas zu antworten meint Marjella: „Klar. Das ist Christian. Willst du ihn mal halten?“ „Ähm, ne lass mal! Was sollt ihr haben?“ Während Marjella Kuchen aussucht, versucht Paddy Yvonne davon abzuhalten das Süßigkeitenregal zu plündern. Ich bin echt froh, als wir wieder vor der Tür stehen, doch das nächste Problem wartet schon. „Marjella sag mal, was war denn das für ne´ Aktion? Wieso hast du diesem Kerl erzählt, dass Christian unser Kind sei?“ „Ähm Paddy, ich glaube ich muss dir da mal was erklären. Dieser Kerl hat sich mal ziemlich mies an mich rangemacht und hat sich durch nichts abschrecken lassen. Selbst als ich ihm ziemlich deutlich klargemacht hatte, dass ich nichts von ihm will ist er mir hinterher geschlichen. Naja und vielleicht gibt er jetzt auf wenn er sieht, dass ich ne „Familie“ habe.“ Verständnislos nickt Paddy mit dem Kopf. Er kann das ja auch gar nicht verstehen, er hat das ganze Drama ja nicht mitbekommen. Wieder bei Marjella ist es auch schon Zeit nach Hause zu gehen, nicht das Nadine mit dem Essen warten muss, wir wollen sie nicht gleich am ersten Tag verärgern. Zu Hause müssen wir feststellen, dass Nadine uns überhaupt nicht vermisst hat. Sie steht vor dem Spiegel und probiert ihre neuesten Klamotten aus. „Hey ihr zwei, schon wieder da? Sag mal, wie findet ihr das hier?“ Sie dreht sich vor uns und ich muss sagen, sie hat ziemlich wenig an. „Ähm, klasse, aber sag mal, was hast du vor?“ „Ich hab mich mit ner Bekannten verabredet, wir wollen in die Disco. Ich kann euch doch alleine lassen?“ Paddy und ich schauen uns an und denken wohl beide dasselbe. Das ist ja besser als wir gedacht hatten, Nadine verschwindet gleich am zweiten Abend und lässt uns alleine. Bevor sie unser Grinsen und die eingetretene Stille falsch deuten kann meine ich: „Klar kannst du uns alleine lassen, mach dir ruhig nen schönen Abend. Wir kommen schon klar.“ „Super, dann bin ich auch gleich weg. Geld liegt in der Küche, dann könnt ihr euch ne Pizza oder so bestellen.“ Das wird ja immer besser! Sturmfreie und leckere Pizza, das könnte ein langer Abend werden. Kaum ist Nadine zur Tür raus vollführen Paddy und ich einen wahren Freudentanz. Wir können es noch immer nicht fassen und machen es uns erstmal im Wohnzimmer gemütlich. „So und was machen wir jetzt mit dem angebrochene Abend?“ „Was hältst du von Video gucken?“, frage ich und bin schon dabei den Videoschrank zu durchsuchen. „Titanic?“ „Schnulze!“ „Dirty Dancing?“ „Noch größere Schnulze!“ „Romeo und Julia?“ „Sag mal, hast du nichts Besseres da? Lass mich mal gucken!“ Nach langem Hin und Her können wir uns endlich entscheiden und gucken „Sophies Welt“. Getreu unserem Grundsatz: Wenn die Katze aus dem Haus ist tanzen die Mäuse auf dem Tisch ist es relativ spät als wir ins Bett kommen. Am nächsten Morgen werden wir um 10°°Uhr aus dem Bett geklingelt. Total verschlafen schlurfe ich zur Haustür und mache auf. Draußen steht Andrea und grinst mich an. „Guten Morgen! Hab ich euch etwa geweckt?“ Nicht wesentlich. Aber sag mal, was machst du so früh hier?“ „Eigentlich wollte ich Marjella besuchen, aber die schläft noch und da habe ich gedacht, komme ich doch mal zu euch rüber!“ Na klasse, Marjella pennt und Paddy und ich dürfen das ausbaden! „Komm rein, du kannst dich erstmal in die Küche setzen. Ich hüpfe schnell unter die Dusche und komme gleich zu dir.“ Mittlerweile ist auch Paddy wach und leistet Andrea solange Gesellschaft. Nach einem Ausgiebigen Frühstück gehen wir zu dritt rüber zu Marjella, die jetzt endlich ausgeschlafen hat. Es wird ein richtig lustiger Vormittag, Marjellas Eltern haben beide frei und so haben wir ausnahmsweise einmal Ruhe vor Christian und Yvonne. Doch keine Ruhe dauert unendlich und gegen Mittag kommt Marjellas Mutter mit der Bitte zum Bäcker zu gehen und einzukaufen. Ich sträube mich erst, denn ich habe wirklich keinen Bock heute auf Fabian zu treffen, aber die anderen lassen keine Ruhe. Und so kommt es dass wir kurz darauf auf dem Weg zum Bäcker sind. Marjella hat Yvonne an der Hand und ich schiebe Christian im Kinderwagen vor mir her. Andrea möchte natürlich alles über dem ach so grausamen Fabian wissen und so erzählen wir ihr das ganze

Drama. Doch als sie ihn dann in Natura vor sich sieht bekommt sie vor lauter Staunen den Mund kaum wieder zu. „Sag mal, wie konntest du den denn von der Bettkante stoßen, der sieht doch echt schnuckelig aus!“, flüstert sie. Erstaunt blicke ich sie an und meine leise: „Von mir aus kannst du ihn gerne geschenkt haben. Ich habe wirklich kein Interesse!“ Während wir schon wieder draußen sind, unterhält sich Andrea angeregt mit Fabian. „Ich raff es nicht, die wirft sich diesem miesen Typen auch noch an den Hals. Das ist doch so typisch Andrea, kaum sieht sie ein männliches Wesen, hat sie ihre Hormone nicht mehr unter Kontrolle!“

Während wir uns über Andrea aufregen ist bei Angelo und Stefanie Krisenstimmung angesagt. „Sag mal Angelo, was ist eigentlich mit dir los? Du bist in letzter Zeit so komisch.“ „Komisch? Wie meinst du das?“ „Ich weiß auch nicht? Irgendwie bist du anders als sonst. Du lachst nicht mehr so viel, bist irgendwie viel verschlossener. Ich mache mir wirklich Sorgen. Bitte Angelo sag mir was los ist!“ Angelo seufzt. „Es ist wirklich alles in Ordnung Stefanie. Es ist momentan alles nur ein bisschen stressig und ich bin ein bisschen müde. Das wird schon wieder. Wenn wir die nächste Zeit im Ausland sind haben wir wieder etwas mehr Ruhe vor den hysterischen Fans, dann werde ich mich wieder etwas erholen. Bist du jetzt beruhigt?“ Zögernd nickt Stefanie und meint dann: „Ok, dann lass uns mal den letzten Abend genießen, wer weiß wann wir wieder die Zeit dazu haben.“

Paddy und ich sind mittlerweile wieder zu Hause und auch Nadine ist wieder unter den Lebenden. „Hallo ihr zwei, na hattet ihr einen schönen Abend? Übrigens schöne Grüße von deiner Mom. Sie ist gut angekommen und ihr geht es gut. Und was habt ihr beiden heute Abend vor? Wenn ich mich recht erinnere muss Paddy morgen wieder los.“ Erschrocken blicke ich auf, daran habe ich ja gar nicht mehr gedacht. “Ich habe mir gedacht, dass ich ja heute Abend ins Kino gehen könnte und vielleicht danach noch was essen mit Freunden. Es könnte also später werden.“ „Danke Nadine, ist echt super. Wie sieht's denn im Kühlschrank aus?“






Re: Ein Konzert mit Folgen

Auf einen mehr als gemütlichen Abend folgt leider der nächste Morgen. Wie zu erwarten war gibt es reichlich Tränen. Tanja und Jimmy nehmen das Ganze ja noch relativ cool und auch Paddy und ich reißen uns zusammen, aber bei Angelo und Stefanie fließen reichlich Tränen. Immer wieder klammert sie sich an ihn und will ihn nicht gehen lassen. Während Patricia behutsam auf sie einredet nimmt mich Paddy zur Seite und meint leise: „Kümmerst du dich in der nächsten Zeit ein bisschen um Stefanie? Wenn irgendwas ist, dann ruf mich bitte sofort an. Ich mach mir echt Sorgen!“ Ich nicke und gebe ihm noch einen langen Kuss. „Machs gut und arbeite nicht so viel!“ Er nimmt mich noch einmal in den Arm und dann ist er weg. Einen Moment schaue ich dem Auto noch traurig hinterher. „Hey Stefanie ihr seht euch doch wieder. Was ist denn los?“ Sie zuckt mit den Schultern und geht. Ich drehe mich verdutzt zu Tanja um. „Sag mal, weißt du was mit Stefanie los ist? Die macht doch sonst nicht so ein Theater.“ Auch Tanja hat keine Ahnung und meint nur: „Wer weiß, vielleicht hat sie ihre Tage. Wir werden es ja morgen in der Schule sehen.“ Doch am nächsten Morgen ist Stefanie weder im Bus noch wartet sie in der Klasse auf uns. „Stefanie hat doch wohl keinen Unsinn gemacht?“, fragt Andrea und schaut besorgt Richtung Tür. „Ach Quatsch, Stefanie ist zwar manchmal etwas hysterisch und überempfindlich, aber so doof ist sie doch nicht!“ Ganz sicher bin ich mir dabei zwar nicht, aber in diesem Augenblick kommt Stefanie ins Klassenzimmer. Ich bin wirklich erschrocken, als ich sie sehe, sie sieht wirklich schlimm aus. Leichenblass und verheulte und mit verquollene Augen. Ohne auf die anderen zu achten kommt sie auf mich zu und fragt: „Können wir kurz reden? Es ist dringend!“ Erstaunt nicke ich und gehe mit ihr nach draußen. „Schieß los, was ist?“ Sie holt einmal tief Luft und meint dann leise: „Ich bin schwanger!“ „Du willst mich auf den Arm nehmen!“ Ich kann gar nicht glauben, was sie mir da erzählt. Ungläubig blicke ich auf ihren Bauch und will es gar nicht fassen. Energisch schüttelt Stefanie den Kopf. „Nein, ich will dich nicht auf den Arm nehmen, ich bin schwanger! Im vierten Monat!“ „Aber wieso? Ich versteh das nicht!“ Traurig blickt sie mich an. „Ich glaube wieso ich schwanger bin brauche ich dir nicht zu erklären. Verstehen tue ich das auch nicht, genauso wenig wie meine Eltern. Die sind total ausgerastet!“ „Ja und was sagt Angelo? Steht er zu dir?“ Kleinlaut sagt Stefanie: „Der weiß noch gar nichts, ich habe mich nicht getraut. Und nun ist sowieso alles zu spät! Meine Eltern schicken mich in wenn es soweit ist in ein Heim für ledige Mütter und ich denke, das ist auch das Beste so. Angelo kann mir nicht helfen, was meinst du, was die Fans sagen würden, wenn sie erführen, dass er mit 17 Jahren Vater werden würde.“

Wieder schüttele ich ungläubig den Kopf. „Stefanie, das ist doch Wahnsinn! Du kannst ihm doch nicht verschweigen, dass er Vater wird! Er hat ein Recht darauf es zu erfahren und vielleicht findet ihr gemeinsam einen Weg. Es muss da doch einen Ausweg geben!“ Traurig dreht Stefanie sich weg. „Ich glaube wir müssen mal zum Unterricht, sonst tickt Staritz aus!“ „Aber...“, weiter komme ich nicht, sie hat mich einfach stehengelassen. In der Deutschstunde bin ich unkonzentriert und mache beim Übungsdiktat Fehler wie ein Erstklässler. Carsten der mein Geschreibsel danach korrigieren muss ist entsetzt. In einem unbeobachteten Moment fragt er leise: „Sag mal, was los mit dir? Hast du Stress?“ Stumm schüttele ich den Kopf. Bevor wir in die Klasse gegangen sind musste ich ihr versprechen niemanden ein Sterbenswörtchen zu verraten. Er zuckt mit den Schultern und widmet sich wieder meinem Heft. Die nächsten Stunden rauschen nur so an mir vorbei ich bekomme weder den Prager Fenstersturz noch das Experiment im Chemieunterricht mit. Letzteres ist fatal, da es zum ersten Mal schief geht. Würde Carsten mich nicht hinter sich herziehen, ich würde glatt ersticken. Damit ist der Unterricht für uns und den Rest der Schule für den heutigen Tag beendet. Die Schule wird von der Feuerwehr geräumt und wir Schüler nach Hause geschickt. Das alles erlebe ich wie im Trance und scheine erst zu Hause wieder daraus zu erwachen. Während der Busfahrt ist in mir ein Entschluss herangereift, auch wenn ich es mir damit mit Stefanie verscherze, Angelo muss Bescheid wissen. Hektisch suche ich die Nummer von Gymnich, finde aber nur Paddys Handynummer. Seufzend wähle ich die Nummer und habe ihn kurz darauf am Telefon. Er ist natürlich überrascht mich um diese Uhrzeit am Telefon zu haben, doch bevor er mich in ein Gespräch verwickeln kann frage ich ihn nach Angelo. Sofort fragt er: „Ist irgendwas mit Stefanie?“
Ich druckse herum und möchte lieber erstmal mit Angelo reden. Kurz darauf habe ich ihn am Hörer und rede dann nicht lange um den heißen Brei herum. „Stefanie ist schwanger!“ Schweigen am anderen Ende. „Angelo? Bist du noch dran?“ „Ja, ich bin nur grade sprachlos. Bist du dir ganz sicher? Ich meine, hat sie dir das gesagt?“ „Ja, sie hat heute mit mir gesprochen, sie ist im vierten Monat. Aber eigentlich hatte ich ihr versprechen müssen niemandem etwas zu sagen. Aber ich habe mir gedacht, dass du das gerne wissen würdest.“ Wieder Schweigen, dann ein ziemlich kleinlauter Angelo der sich von mir verabschiedet. Kaum hat er aufgelegt wählt er Stefanies Nummer. Paddys lautes: „Hey, das ist mein Handy, nimm gefälligst dein eigenes!“, überhört er schlichtweg. „Stefanie, hier ist Angelo. Wir müssen dringend reden. Ich weiß alles!“ „Aber woher? Hat sie etwa geredet? Ich habe ihr doch gesagt, dass sie den Mund halten soll!“ „Hat sie aber nicht und das ist auch gut so. Hast du wirklich gedacht, dass du mir deine Schwangerschaft verheimlichen kannst?“ Hier wird Paddy hellhörig. Hat er da eben richtig gehört? Sollte Stefanie wirklich schwanger sein? „Stefanie, ich komme sofort zu dir. Wir kriegen das geregelt. Irgendwie bekommen wir das hin!“ Traurig meint Stefanie: „Angelo bitte nein. Meine Eltern sind nicht wirklich gut auf dich zu sprechen. Auf mich auch nicht, aber das halte ich aus. Ich darf dich nicht mehr sehen! In ein paar Monaten werde ich in ein Heim für ledige junge Mütter gehen und dann sehe ich weiter. Glaube mir es ist das Beste so. Was würden deine Fans sagen, wenn...“ „Lass die Fans aus dem Spiel, von denen werde ich mir mein Leben nicht vorschreiben lassen. Es ist mir egal was die sagen, ich stehe zu dir, egal was passiert!“ Er hört ein leises Schluchzen von Stefanie und wünscht sich nichts sehnlicher als sie in den Arm nehmen doch sie nimmt ihm das feste Versprechen ab, dass er nicht zu ihr kommt. Kaum hat er aufgelegt wird er von Paddy mit tausend Fragen bestürmt. Kann es sein dass... und habe ich eben richtig gehört, dass... Angelo nickt nur. Auch Kathy die jetzt vorbei kommt horcht auf und fragt nach. Kleinlaut gibt Angelo zu, dass Stefanie schwanger ist und er der Vater ist. Kathy bekommt vor Staunen den Mund nicht mehr zu, Nesthäkchen Angelo wird Papa. Ähm, ich glaube, wir beide müssen uns mal unterhalten!“ Kleinlaut trottet er hinter Kathy her. „Setz dich!“ Innerlich hat Angelo sich schon auf ein gewaltiges Donnerwetter eingestellt, doch Kathy fragt lediglich: „Hältst du zu Stefanie?“ Er nickt. „Ich versuche es, aber ihre Eltern verbieten ihr mich weiterhin zu sehen.“ „Nun ja, ihr wart so reif es auf eine Schwangerschaft drauf ankommen zu lassen und nun müsst ihr auch so reif sein um die Verantwortung dafür zu übernehmen. Es wird nicht einfach, das kannst du mir glauben, aber ich traue Stefanie und dir zu, dass ihr das schafft!“



Die nächste Zeit ist wirklich hart! Angelo hat wirklich daran zu knabbern, dass er Stefanie nicht sehen darf und auch Stefanie kann ihre Schwangerschaft kaum genießen. Drei Monate

lang macht sie gute Miene zu bösem Spiel, doch eines Nachmittags klingelt das Telefon und eine ziemlich hektische Tanja ist am Apparat. „Hi, hier ist Tanja, sag mal, hast du die Handynummer von Angelo? Ich hab grade nen Anruf bekommen, Stefanie liegt im Krankenhaus! Sie hat versucht sich umzubringen.“ „Nein!!! Das ist nicht wahr!“ „Doch und deswegen brauche ich dringend die Nummer von Angelo.“ Hektisch suche ich die Nummer in meinem Adressbuch. „Soll ich anrufen oder übernimmst du das?“, frage ich nachdem ich ihr die Nummer gegeben habe. „Ne lass mal, ich mach das schon. Wenn ich was Neues höre, rufe ich dich wieder an.“ Noch immer fassungslos stehe ich im Wohnzimmer und halte den Hörer in der Hand. Tanja wählt mit zitternden Fingern Angelos Nummer und holt noch einmal tief Luft. „Angelo? Hier ist Tanja, ich muss dringend mit dir reden!“ Sofort wird seine Stimme panisch. „Was ist los? Ist was mit Stefanie passiert? Nun red schon!“ „Angelo, ich... Stefanie liegt im Krankenhaus!“ „Wieso? Was ist passiert? Was ist mit dem Baby? Hat sie Wehen?“ „Nein, sie hat versucht sich umzubringen! Sie hat jede Menge Schlaftabletten geschluckt und...“ Am anderen Ende hört sie nur ein leises „Oh Gott, ich komme sofort!“, und dann hat er schon aufgelegt. Total verstört rennt er durchs Hotel, Paddy ist der erste auf den er trifft. „Na kleiner, welches Huhn hast du verschluckt?“ Er bekommt keine richtige Antwort sondern nur undeutliches Gemurmel. Jetzt macht Paddy sich doch Sorgen, sein Bruder hat zwar manchmal einige Macken, aber so aufgelöst hat er ihn noch nie gesehen. „Angelo, was ist los?“ „Stefanie, Krankenhaus, Tabletten, muss hin!“, mehr sagt er nicht. Erschrocken fährt Paddy zusammen. „Angelo, was ist los? Nun rede doch!“ Erst nachdem er ihn unsanft an den Schultern rüttelt blickt Angelo auf und meint: „Stefanie ist im Krankenhaus, sie hat versucht sich umzubringen! Ich muss sofort zu ihr!“ „Ja klar, warte ich frag Patricia ob sie uns fährt. Pack schnell ein paar Sachen zusammen. Dann können wir gleich los.“ Ein paar Stunden später, ich renne noch immer total verwirrt durchs Haus, weder Tanja noch Angelo haben sich gemeldet und langsam werde ich nervös. Und in diesem Moment klingelt es an der Tür. Sofort sprinte ich hin, mit dem Gedanken es könnte jemand sein, der Neuigkeiten über Stefanie hat. Als ich Carsten erkenne der vor der Tür steht fällt die ganze Last der letzten Stunden von mir ab. Ich beginne hemmungslos zu weinen und falle ihm um den Hals. „Ganz ruhig! Ganz ruhig! Das wird schon wieder!“, mehr sagt er nicht und streichelt mir über den Rücken. Währenddessen hastet Angelo mit Patricia durch das Krankenhaus, auf der Suche nach der Intensivstation. Nach langem Suchen werden sie endlich fündig und stoßen als erstes auf Stefanies Eltern. „Angelo, was machst du denn hier? Haben wir dir nicht zu verstehen gegeben, dass wir dich nicht mehr in Stefanies Nähe wünschen?“, doch von dieser mehr als eisigen Begrüßung lässt Angelo sich nicht beeindrucken. „Das ist mir egal. Ich will zu meiner Freundin und zwar sofort!“ Scharf meint Christina: „Das werde ich nicht zulassen! Du hast das Leben meiner Tochter zerstört. Weißt du eigentlich was du ihr angetan hast?“ „Ich habe ihr gar nichts angetan, ihr seid es doch, die ihr Leben zerstören. Ihr macht sie zur allein erziehenden Mutter, ihr wollt sie von der Schule nehmen, ihr verbietet ihr mich zu sehen. Seht doch wie weit ihr sie gebracht habt!“ Bevor die Situation eskalieren kann kommt eine Schwester und fragt Stefanies Eltern: „Haben sie mittlerweile den Freund ihrer Tochter verständigt? Sie war eben kurz wach und hat nach ihm gefragt.“ Bevor Kim oder Christina noch etwas sagen können, hat sich Angelo schon nach vorne geschoben. „Hier bin ich. Kann ich zu ihr?“ „Kommen sie mit. Sie müssen erst einen Kittel überziehen, dann können sie zu ihr. Aber bitte nur kurz und keine Aufregung!“ Als er sie blass und angeschlossen an Kabel und Monitore da liegen sieht muss, er schlucken um nicht gleich wieder zu weinen anzufangen. Leise tritt er an ihr Bett und flüstert: „Stefanie, ich bin hier. Ganz ruhig, jetzt wird alles wieder gut. Ich lass dich nicht mehr alleine!“ Vorsichtig öffnet sie die Augen und ein Lächeln huscht über ihr Gesicht. „Angelo, ich liebe dich! Ich habe dich so vermisst, ich ...“ „Pscht. Schlaf jetzt ein bisschen, du brauchst Ruhe. Ich bin hier, du bist nicht mehr alleine!“ Stefanies Atem wird ruhiger und sie schließt die Augen. Eine Schwester kommt und meint leise: „Herr Kelly, ihre Freundin braucht jetzt Ruhe. Sie können später wiederkommen.“ „Aber ich habe ihr versprochen bei ihr zu bleiben.“ „Sie hat ein Beruhigungsmittel bekommen und schläft jetzt. Und das sollten sie auch machen. Sie werden noch viel Kraft brauchen.“ Jetzt fällt Angelo ein, was er vorhin schon hat fragen wollen. „Was ist mit dem Baby? Ist alles in Ordnung?“ Wieder lächelt die Schwester. „Die Frage darf ich ihnen leider nicht beantworten. Aber ich bringe sie zum behandelndem Arzt, der wird ihnen alle Fragen beantworten.“ Kurz darauf sitzt Angelo vor einem jungen Arzt und stellt die Frage

vor der er am meisten Angst hatte: „Was ist mit unserem Baby? Lebt es noch? Ist alles in Ordnung?“ „Ganz ruhig Herr Kelly. Zuerst haben wir uns Sorgen gemacht, dass die Tabletten dem Kind geschadet hätten, aber es scheint, als hätten wir noch einmal Glück gehabt. Es sieht so aus, als würden keine Spätfolgen auftreten, aber wir werden das in der nächsten Zeit noch weiter überwachen. Stichtag ist der 17.Juli, bis dahin sind also noch knappe drei Monate Zeit. Zeit genug, sich auf die Geburt vorzubereiten und den ganzen seelischen Stress zu verarbeiten. Wir werden ihre Freundin in nächster Zeit beobachten und es wird sich auch ein Psychologe mit ihr unterhalten und wenn wir denken, dass sie seelisch und gesundheitlich wieder stabil ist, kann sie wieder nach Hause. Haben sie sonst noch Fragen?“ Stumm schüttelt Angelo den Kopf. Für heute hat er genug gehört, er will jetzt erst einmal nur schlafen. Bei mir in Tolk herrscht derweilen dicke Luft! Paddy ist genau in dem Moment aufgetaucht in dem ich Carsten hemmungslos weinend um den Hals gefallen bin. „Ich kann ja verstehen, wenn du dich einsam fühlst, ich hatte in den letzten Wochen wirklich wenig Zeit. Aber wieso musst du gleich mit dem Nächstbesten rummachen?“ Jetzt werde ich auch wütend, er weiß ganz genau, dass Carsten mein bester Freund ist und dass wir eine ganz besondere Beziehung haben, die ich mir von niemandem nehmen lasse. „Sag mal, spinnst du jetzt komplett? Du weißt ganz genau, dass ich dich nie betrügen würde und schon gar nicht mit Carsten. Er ist der beste Freund den ich habe, wir kennen uns ewig!“ „Ach ja und wieso hast du mir erst letztens erzählt, dass du mal in ihn verliebt warst?“ Ich schließe die Augen, wieso habe ich ihm das bloß erzählt? Paddy deutet mein Schweigen als Zustimmung und sagt wütend: „Du weißt das ich dich über alles liebe und ich weiß auch, dass es eine große Belastung für unsere Liebe ist, dass wir uns so selten sehen, aber ich verstehe das nicht. Ich meine, die Situation war doch eindeutig, du in den Armen von Carsten!“ „Jetzt halt mal die Luft an! Ich habe dir oft genug gesagt, dass ich nur dich liebe! Mehr kann ich doch auch nicht machen! Die Situation war einfach blöd! Ich bin total fertig und Carsten war einfach hier und hat mich getröstet! Mein Gott, was ist schon dabei, wenn er mich in den Arm nimmt?“ „Was dabei ist? Ich bin derjenige, der dich trösten sollte und nicht Carsten. Ich sollte für dich da sein, aber ich habe nie Zeit für dich. Es tut mir so leid, ich...“, hier bricht er ab und ich sehe, dass er weint. Nun wird mir einiges klar, er ist nicht auf Carsten und mich sauer, er ist auf sich sauer. „Hey Pad, es ist alles Ok. Ich komme klar und wenn es mal wirklich geht, habe ich eben Leute wie Carsten die mich trösten. Es wäre mir zwar manchmal lieber, wenn du da sein könntest, aber du bist es halt nicht, aber damit kann ich leben. Ich weiß, dass du so oft es geht hierher kommst und das reicht um nicht durchzudrehen. Ich liebe nur dich und auch wenn ich mal jemand anderen umarme, heißt das nicht, dass ich diesen Menschen automatisch liebe.“ „Ich glaube ich muss hier raus!“, mehr sagt er nicht und stürmt an mir vorbei und zur Tür hinaus. „Paddy warte doch! Was ist denn los?“ Doch er hört nicht und das Letzte was ich höre ist die knallende Haustür. Als es kurz darauf an der Tür klingelt renne ich hin, öffne und meine ganz außer Atem: „ Paddy, was machst du für Sachen?“ Doch es ist nicht Paddy der vor der Tür steht, sondern Patricia und Angelo. „Oh, hi ihr zwei. Ihr habt nicht zufällig Paddy gesehen?“ Verständnislos schaut Patricia mich an. „Nein. Ist er noch nicht hier?“ Da Angelo aussieht, als würde er jeden Augenblick einschlafen, stecken wir ihn erstmal ins Bett. „So und nun möchte ich gerne wissen, was heute Nachmittag zwischen Paddy und dir vorgefallen ist. Wo ist er? Hattet ihr Stress?“ Ich nicke. „Ja, ich denke so kann man das nennen. Er kam grade, als Carsten mich umarmt hat und hat erst rumgemeckert, als wäre er super eifersüchtig. Naja und als ich wirklich nicht mehr wusste, was ich noch sagen sollte, ist er in Tränen ausgebrochen und hat sich schwere Vorwürfe gemacht, dass er nie für mich da wäre. Und als ich meinte, es wäre doch nicht schlimm, da ist er einfach rausgerannt.“ „Nun ja, in letzter Zeit ist wirklich viel passiert und ich habe mich oft mit Paddy unterhalten. Er macht sich wirklich Vorwürfe, dass er so wenig Zeit für dich hat und wenn es nach ihm gehen würde, wäre er in jeder freien Minute bei dir.“ Erschrocken schaue ich Patricia an. „Aber wieso hat er nie ein Wort gesagt? Meine Güte, es war mir doch vom Anfang unserer Beziehung an klar, dass er nicht 24Stunden am Tag um mich sein kann. Und wenn ich ehrlich bin, bin ich ganz froh darüber. Ich meine, wir können uns nicht auf die Nerven gehen weil wir ständig aufeinander hocken und es ist jedes Mal etwas Besonderes wenn wir uns sehen. Ich liebe ihn und auch die Tatsache das er ständig unterwegs ist kann daran nichts ändern.“ Patricia lächelt. „So was Ähnliches habe ich ihm auch gesagt, aber er hat sich so auf diese Idee

versteift, dass er nichts anderes mehr hören will. So und jetzt gehst du auch ins Bett. Ich werde auf Paddy warten und noch mal mit ihm reden.“ Ergeben nicke ich, mittlerweile bin ich echt müde und morgen früh klingelt um kurz nach sechs der Wecker. Doch an Schlaf ist nicht zu denken. Unruhig wälze ich mich von einer zur anderen Seite und lausche, ob ich die Haustür höre. Erst gegen drei Uhr höre ich die Tür klappen und kann endlich schlafen. Doch als ich morgens wach werde, liegt kein Paddy neben mir. Verschlafen blicke ich mich um, kein Zeichen, dass er hier gewesen ist, keine Klamotten, keine Tasche, nichts! Beunruhigt stehe ich auf, mein Kopf dröhnt, als hätte ich die letzte Nacht durchgesoffen, aber das ist ja auch kein Wunder bei drei Stunden Schlaf. Aber hier scheint er zu sein, im Bad liegt seine Zahnbürste und seine Jacke hängt an der Garderobe. Ohne genau hinzuschauen werfe ich mich in irgendwelche Klamotten, so sieht es dann auch aus. Rote Hose, orangener Pullover, rosa Socken. Doch das ist mir im Moment ziemlich egal. Ich mache mich erste einmal auf die Suche nach Paddy. Im Gästezimmer schläft Angelo, im Schlafzimmer meiner Mom hat Patricia sich hingelegt. Im Wohnzimmer finde ich ihn dann endlich. Eingerollt wie ein Baby liegt er auf dem Sofa. „Ach Paddy, was machst du bloß für Sachen?“ Er murmelt etwas Unverständliches und dreht sich auf die andere Seite. Ich schnappe mir Zettel und Stift und schreibe ihm eine kurze Nachricht:

Hi Paddy,

muss leider heute zur Schule, bin aber um halb eins wieder da. Müssen dringend reden!

Ich hab dich lieb, Gruß und Kuss!




Re: Ein Konzert mit Folgen

Jetzt muss ich mich aber wirklich beeilen, damit ich den Bus noch bekomme. Tanja wartet schon auf mich. „Hi, hast du was Neues von Stefanie gehört?“ Ich nicke und lasse mich neben sie fallen. „Angelo und Patricia sind gestern Abend noch zu mir gekommen. Stefanie war wohl kurz wach, ist aber gleich wieder eingeschlafen. Angelo hat sich wohl noch ziemlich mit Kim und Christina angelegt, du kennst sie ja.“ „Mmh, die zwei haben sich echt verändert. Und was ist mit dem Baby? Ist da alles klar?“ „Die Ärzte gehen davon aus, aber genaues können sie noch nicht sagen. Hoffen wir mal das Beste!“ In der ganzen Klasse herrscht heute eine ziemlich gedrückte Stimmung. Auf seltsame Weise hat sich die Nachricht von Stefanie bei allen rumgesprochen. Als erstes kommt Carsten auf mich zugerannt. „Hat Paddy sich wieder abgeregt?“ Er stutzt, mustert mich von oben bis unten und fragt dann grinsend: „Sag mal, bist du heute Morgen in nen Farbtopf gefallen oder ist diese Kombi beabsichtigt!“ Erstaunt schaue ich mir an, was ich anhabe. Ups, das ist ja echt peinlich, aber egal! Bevor ich Carsten einen detaillierten Bericht geben kann kommt Herr Staritz in die Klasse. Carsten deutet mir an ihm zu schreiben, doch ich schüttele den Kopf, das ist mir dann doch zu gefährlich, wir sind in letzter Zeit schon zu oft erwischt worden. Staritz geht nicht weiter auf Stefanie ein, was aber niemanden wundert, denn er war von Anfang an schlecht auf Stefanie und ihre Schwangerschaft zu sprechen. Mal wieder rauscht der Unterricht komplett an mir vorbei, obwohl ich eigentlich aufpassen müsste. Ich musste schon einmal wiederholen und nächstes Jahr bin ich in der Abschlussklasse. Das Halbjahreszeugnis war echt nicht der Hit und meine Mom hat ziemlich rumgemuckt. Verständlich, ich war ja selbst nicht zufrieden. Nach der Stunde ist Carsten sofort wieder bei mir. „So und nun möchte ich wissen, was mit dir und Paddy los ist. Du schaust aus wie drei Tage Regenwetter.“ Ich zucke mit den Schultern. „Das ist schwierig zu erklären. Wir haben nicht wirklich Streit, nur ein bisschen Stress. Paddy macht sich wieder einmal unnötig Sorgen um mich und unsere Beziehung. Als wenn ich nicht alleine auf mich aufpassen könnte. Manchmal nervt das echt!“ „Hey, ich kann ihn verstehen. Er sieht doch immer, was bei Stefanie abgeht und möchte natürlich nicht, dass es dir genauso geht.“ „Meine Güte, ich bin nicht Stefanie! Ich kann damit umgehen, dass er nicht so oft da ist. Das es Stefanie beschissen geht weil Angelo nicht da ist, ist klar. Aber wenn ich ehrlich bin, ich genieße meine Freiheit auch ein Stück weit. Wenn ich am Wochenende weg will muss ich nicht darauf achten ob mein Freund schon was vor hat oder was er darüber denkt. Es ist zwar schön, dass er sich solche Sorgen macht, aber momentan bringt es uns nur Probleme und das habe ich ihm gestern auch gesagt.“ Carsten überlegt und blickt mich ernst an. „Wenn man dich so reden hört, könnte man fast denken, dass Paddy dir eigentlich ziemlich lästig ist.“ Erschrocken blicke ich ihn an, dann werde ich laut: „Sag mal spinnst du? Was fällt dir ein? Du kannst doch nicht einfach so einen Schwachsinn erzählen! Ich liebe Paddy und da wird sich auch nichts daran ändern. Er ist mir weder egal noch lästig, ich habe lediglich ausdrücken

wollen, dass es auch schön sein kann, sich nicht ständig auf der Pelle zu hocken.“ „Ist ja schon gut, ich hab's ja kapiert. Aber hat er das denn auch so verstanden?“ Ich schlucke, was ist, wenn er es wirklich falsch verstanden hat? Ist er deswegen weggerannt, weil er gedacht hat ich bräuchte ihn nicht mehr? Jetzt ist an Konzentration überhaupt nicht mehr zu denken. Im Dänischunterricht behaupte ich zur Freude aller Anwesenden, ich wäre 32Jahre alt, verheiratet und hätte 7Kinder. Im Sportunterricht kollidiere ich beim Volleyball spielen mit der Netzstange, nur um dann mit meiner Harrspange im Netz hängen zu bleiben. Das gibt mir den Rest! Ich setze mich an den Rand und weigere mich noch einmal das Spielfeld zu betreten. Herr Brade springt zwar im Dreieck wie Rumpelstilzchen, aber das stört mich momentan überhaupt nicht, ich will nur noch nach Hause und alles klären. Tanja lässt sich total erschöpft neben mich fallen. „Hey, was ist heute los mit dir? Du bist doch sonst unser Volleyball-Ass und heute so was.“ Ich murmele was von schlechter Laune und zu wenig Schlaf und hoffe, dass die Stunde bald zu Ende ist. In Tolk sitzen Paddy und Patricia in der Küche und reden über die letzte Nacht. Patricia hat grade ihre Erklärung beendet und Paddy schaut sie nun nachdenklich an. „Wieso redet sie denn nicht mit mir? Wieso muss ich so etwas immer von anderen erfahren?“ „Ich glaube, sie hat es gestern Abend versucht, aber du bist ja einfach weggerannt. So wird das doch nichts. Du musst ihr auch schon zuhören, wenn sie mit dir reden möchte.“ Als ich mittags die Haustür aufschließe kommt er sofort angerannt. Einen Moment stehen wir uns schweigend gegenüber, dann meint er leise: „Let´s talk!“ Ich muss lächeln, immer wenn er aufgeregt ist spricht er englisch. „Lass uns in mein Zimmer gehen, da haben wir unsere Ruhe.“ Ich setze mich auf mein Bett und schaue Paddy erwartungsvoll an. Gleichzeitig sagen wir: „Es tut mir leid.“ Damit ist die größte Spannung gelöst und endlich schaffen wir es uns auszusprechen. Es dauert eine ganze Weile und Nadine und Patricia sind so nett uns die ganze Zeit über in Ruhe zu lassen. Am Nachmittag kommen wir beide Arm in Arm aus meinem Zimmer und ich sehe Patricia nur erleichtert ausatmen. Ich grinse und meine leise: „Guck mal, wie glücklich die zwei sind. Die sehen ja happier aus als wir.“; und zu Patricia: „Hast du schon was Neues von Stefanie gehört?“ Sie schüttelt den Kopf, Angelo ist noch nicht wieder zurück. Der sitzt bei Stefanie. Mittlerweile ist sie wieder so stabil, dass sie auf der normalen Station liegt. Momentan ist sie bei einer erneuten Ultraschalluntersuchung und er wartet jetzt gespannt auf das Ergebnis. Als die Schwester sie im Rollstuhl reinbringt springt er sofort auf und will wissen ob alles in Ordnung ist. Stefanie sieht total verstört aus und schüttelt nur immer wieder den Kopf. „Was ist los Stefanie? Ist was mit dem Baby? Nun sag doch was!“ „Zwillinge!“, mehr sagt sie nicht. Verständnislos schaut er sie an. „Wie meinst du das?“ „Ich bekomme Zwillinge! Angelo, ich weiß doch schon nicht, wie ich das mit einem Kind schaffen soll, wie soll das denn erst mit zweien werden?“ Angelo springt auf und nimmt sie in den Arm. „Hey Süße, wir schaffen das schon.“ „Aber wie? Angelo sag mir wie! Nach Hause kann ich mit den Kindern nicht und meine Eltern haben mir klipp und klar gesagt, dass sie dafür sorgen werden, dass ich auf keinen Fall das Sorgerecht behalte. Durch meinen Selbstmordversuch gelte ich als psychisch labil und glaube mir, sie würden auch die ungeheuerlichsten Geschichten auftischen nur damit die Kinder wegkommen.“ „Hey Stefanie, weißt du was, sobald du wieder ganz auf den Beinen bist, gehen wir zum Jugendamt und werden denen unsere Geschichte erzählen. Ich habe mich in den letzten Monaten informiert, ganz so ohne weiteres dürfen dir deine Eltern die Kinder nicht wegnehmen. Vormund, bis du 18 bist, ist das Jugendamt und wenn du mit deinen Eltern wirklich nicht mehr klar kommst, kannst du selbst einen neuen Vormund bekommen. Hast du Verwandte, die dich aufnehmen würden?“ Stefanie überlegt einen Augenblick, tausend Gedanken schwirren durch ihren Kopf. Drei Tage später ist es soweit, Angelo und Stefanie sitzen einer netten Dame vom Jugendamt gegenüber und erzählen ihre Geschichte. Nachdenklich schaut sie sich noch einmal alle Fakten an und meint dann: „Gut Frau Kerkow, wir werden ihren Fall bearbeiten. Versprechen kann ich ihnen zwar nichts, denn wie sich sicherlich denken können macht sich der Suizidversuch nicht wirklich gut in ihrem Lebenslauf. Aber ich denke, wenn sie uns ein psychologisches Gutachten einreichen, aus dem hervorgeht, dass keine Gefahr für ihr Leben und das Leben ihrer Kinder besteht, wird das kein Problem sein. Wir werden uns mit ihrer Großmutter in Verbindung setzen und klären ob sie bereit wäre, sie und ihre Kinder bei sich aufzunehmen.“ Etwas erleichtert gehen die

beiden danach zurück ins Krankenhaus. Stefanie muss noch eine Weile zur Beobachtung dort bleiben, wird aber in ein paar Tagen entlassen. Die letzten Monate bis zur Geburt wird sie in Havetoft im Heim bleiben, danach muss weiter gesehen werden. Die ganze Situation ist für Stefanie ziemlich belastend, in der Schule hat sie keinen leichten Stand, viele Schüler und Lehrer sind gegen sie, Angelo kann auch nicht die ganze Zeit bei ihr sein und die Ungewissheit über die Zukunft bringt ihr übriges mit sich. Sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin setzen bei ihr die Wehen ein. Um vier Uhr in der Frühe klingelt bei mir das Telefon. Total verschlafen tapse ich ins Wohnzimmer und melde mich mit einem genuschelten: „Ja? Wer ist dort bitte?“ „Guten Tag, hier ist Schwester Gabi von der Wöchnerinnen Station des Martin Luther Krankenhauses. Ich hätte gerne Herrn Kelly gesprochen, es geht um Frau Kerkow!“ Der Schreck fährt mir durch alle Glieder und schlagartig bin ich hellwach. Ich renne ins Gästezimmer und wecke Angelo. Der springt so schnell er kann zum Telefon, rast danach zu Patricia und das nächste was ich höre ist ein wegfahrendes Auto. An Schlaf ist jetzt nicht mehr zu denken, was ist bloß los? Unruhig wandere ich durch die Wohnung und wecke damit Paddy auf. Der ist momentan sowieso ziemlich gereizt und schnauzt mich erstmal an, warum ich hier mitten in der Nacht durch die Wohnung tigere. „Sorry, aber eben kam ein Anruf aus dem Krankenhaus und Angelo und Patricia sind kurz darauf losgerast. Ich mache mir einfach Sorgen, dass was passiert ist.“ „Sorry, ich wollte dich nicht so anpflaumen. Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist. Ich glaube ich brauche einfach mal wieder Urlaub. Komm, lass uns trotzdem noch versuchen etwas zu schlafen.“ Er hat wirklich keine Probleme damit und schnarcht wenige Minuten später schon wieder. Ich dagegen kann nicht mehr schlafen. In letzter Zeit ist wirklich der Wurm drin. Ständig zoffen wir uns und auch wenn er es nicht zugeben will, im Grunde ist Paddy immer noch eifersüchtig auf die Vertrautheit, die zwischen Carsten und mir herrscht. Ich muss nur den Namen Carsten erwähnen und schon macht er dicht oder er geht an die Decke, je nach Stimmungslage. Ich seufze, was ist nur mit Paddy los? So kenne ich ihn nicht. Er war mal ein ausgeglichener junger Mann, den nichts aus der Bahn werfen konnte, der sich durch nichts erschüttern ließ. Und auf einmal ist er super nervös und ständig besorgt um mich. Erst vor kurzem hatten wir uns heftig in der Wolle und das nur weil ich mich abends etwas verspätet hatte und er mich anrufen wollte. Mein Handy hatte ich leider auch nicht mit und so ist er ziemlich im Dreieck gesprungen und hat sogar Nadine damit angesteckt. Mittlerweile schaut sie ganz genau auf die Uhr, ob ich auch pünktlich bin. Es ist mittlerweile kurz vor sechs und ich beschließe schon mal aufzustehen um ganz in Ruhe zu duschen und zu frühstücken. Während ich in der Küche sitze und Zeitung lese, kommt Patricia wieder. Schnell springe ich auf und frage, was los ist. Sie sieht ziemlich übermüdet aus und gießt sich erstmal eine Tasse Kaffee ein. „Bei Stefanie haben in der Nacht die Wehen eingesetzt. Sie ist erstmal in den Kreissaal verlegt worden und nun müssen wir weitersehen. Es kann aber noch Stunden dauern, bis es endlich soweit ist. Angelo ruft an, wenn sich was tut.“ Nachdenklich nicke ich. Nun ist es also soweit, Stefanie und Angelo werden Eltern. Es ist irgendwo eine komische Vorstellung, meine Freundin Stefanie bekommt zwei Kinder. Erst jetzt wird mir richtig bewusst, was für eine Verantwortung auf ihr lastet. Was würde meine Mom wohl sagen, wenn ich schwanger wäre? Ich schüttele den Kopf, nein, an so etwas darf ich gar nicht denken. In der Klasse ist mal wieder der Teufel los, manchmal hab ich das Gefühl nicht in der Schule sondern im Irrenhaus zu sein. Carsten und Hella tanzen Walzer, Simon fährt Inliner und Jan singt das Lied von Bibi Blocksberg. Mittendrin sitzt Andrea auf dem Fußboden und bekommt kaum Luft vor Lachen. „Hey Andrea, hol mal Luft, ich muss dir was erzählen!“ Es dauert einige Sekunden, bis sie wirklich gecheckt hat, was ich ihr da über Stefanie erzähle. In der Stunde fällt es uns allen dann ziemlich schwer uns zu konzentrieren. In der Stunde kommt mal wieder einer von Carstens obligatorischen Zettelchen angeflattert. ´Hast du Lust heute nach der Schule mit zu mir zu kommen? ´ Ich überlege einen Moment, eigentlich wollte ich ja mit Paddy reden, aber so ungenießbar wie er in der Nacht war, nein danke! `Klar, komme gerne mit! ` Dann wird unsere Unterhaltung leider durch Herrn Henningsen unseren WiPo Lehrer unterbrochen, der nicht wirklich erbaut von unseren Briefchen ist.

Der Nachmittag in Havetoft ist echt lustig und seit langem habe ich mal wieder richtig Spaß. Um 17°° Uhr muss ich dann aber los, um den letzten Bus zu bekommen. In Tolk herrscht dicke Luft als ich ankomme. Nadine und Paddy warten schon auf mich und kaum habe ich die Haustür hinter mir zugezogen geht das große Donnerwetter los. „Sag mal, wo kommst du jetzt

her? Kannst du dir nicht denken, dass wir uns Sorgen gemacht haben?“ Erstaunt schaue ich die beiden an. Was geht denn nun ab? „Ich war heute Nachmittag bei Carsten. Das war doch sonst auch nie ein Problem. Wieso auf einmal dieses Theater?“ Jetzt schaltet sich Paddy ein: „Kannst du dir nicht denken, dass wir uns Sorgen gemacht haben? Du kannst doch nicht einfach nicht aus der Schule nach Hause kommen ohne uns Bescheid zu sagen!“ Giftig schaue ich ihn an. „Wer bist du? Mein Vater oder mein Freund?“ Jetzt wird auch er sauer: „ Momentan habe ich das Gefühl, ich bin nichts von beidem! Ich bin dir doch anscheinend eh nur lästig. Du hältst es anscheinend nicht für nötig mir auch nur die kleinste Information über dich zukommen zu lassen. Manchmal frage ich mich, warum du überhaupt noch mit mir zusammen bist.“ „Das frage ich mich auch!“, zische ich und verschwinde in mein Zimmer. Knallend schmeiße ich die Tür hinter mir zu. Schluchzend lasse ich mich aufs Bett fallen, was habe ich nur getan? Manchmal verstehe ich mich selbst nicht mehr! Irgendwann muss ich wohl eingeschlafen sein, denn als ich das nächste Mal wach werde klingelt mein Wecker und es ist 6°°Uhr. Seufzend stehe ich auf, Paddy hat mal wieder im Wohnzimmer genächtigt, das kommt in letzter Zeit öfter vor. In der Küche liegt eine Notiz von Patricia: Stefanie hat heute Nacht um 1°°Uhr zwei gesunde Kinder zur Welt gebracht. Johanne-Mailin und Philipp-Sheehan sind wohlauf. Stefanie ist zwar noch etwas erschöpft, aber auch ihr geht es gut. Na, das sind ja mal gute Nachrichten. Jedenfalls etwas fröhlicher mache ich mich auf den Weg zur Schule, dort macht die Neuigkeit über Stefanie natürlich sofort die Runde. Bevor die erste Stunde beginnt wird erstmal heftig diskutiert. „Was sind das denn für komische Namen, die sich Angelo und Stefanie da ausgedacht haben? Die hab ich ja noch nie gehört.“ Wir werden mal wieder von Herrn Staritz unterbrochen, der heute ausgesprochen schlechte Laune hat. In der Grundschule hat irgendjemand mehrere Klassenräume unter Wasser gesetzt und damit einen riesen Schaden verursacht. Keine guten Vorraussetzungen um ein Gespräch über Stefanie zu beginnen, also lassen wir es und verschieben es auf die Pause. In der Mathestunde traue ich mich dann wieder, mit Carsten Briefe zu schreiben. Frau Kreuder bekommt eh nichts mit und so habe ich kurz nach Stundenbeginn den ersten Zettel auf meinem Tisch liegen. `Sag mal, was ist eigentlich los mit dir? Du siehst so traurig aus. ` `Habe mich gestern ziemlich mit Paddy gezofft und ich glaube ich habe es etwas übertrieben. ` Erstaunt liest Carsten was ich geschrieben habe und ich bekomme sofort eine Antwort: `Was ist denn passiert? So schlimm kann es doch nicht sein. ` Wenn er wüsste! Langsam habe ich die Hoffnung verloren, dass wir das noch mal wieder in den Griff bekommen. `In letzter Zeit zoffen wir uns fast nur noch. Ständig will er mich bevormunden und mir in mein Leben reinreden und das kann ich einfach nicht ausstehen. ` `Lass uns in der Pause reden. Ich glaube, da muss mal was geklärt werden! ` Na bravo, will Carsten mir jetzt auch noch gute Ratschläge geben? Das kann ja heiter werden! Kaum hat es geklingelt stürmt er auf mich zu. „Sag mal, was ist denn los mit euch beiden? Du willst doch nicht alles aufgeben, das kannst du doch nicht machen!“ „Von wollen kann wirklich keine Rede sein, aber so geht es auf keinen Fall weiter. Ich bin genervt, er ist genervt und dadurch wird alles immer nur noch schlimmer. Ich weiß wirklich nicht mehr, was ich noch machen soll. Ich bin am Ende meiner Kräfte. Das ist doch nicht der Sinn einer Beziehung, dass sich beide fertig machen und total unglücklich sind oder etwa doch?“ Carsten schaut mich einen Moment an und fragt dann: „Bist du wirklich so unglücklich oder redest du dir das jetzt nur ein?“ Was soll das denn jetzt heißen? Wieso sollte ich mir das einreden? „Hör mir mal zu. Ich liebe Paddy. Ich liebe ihn mehr als jeden anderen, aber ich kann einfach nicht mehr! Vielleicht brauchen wir auch einfach nur mal ne Pause, wir haben uns in den letzten Wochen echt oft gesehen, vielleicht zu oft.“ Carsten schüttelt wieder den Kopf. „Handele nicht voreilig. Du sagst selber, dass du ihn liebst, mach also nichts unnötig kaputt. Reißt euch zusammen, ihr schafft das! Ich kenne dich ja nun auch schon etwas länger und ich habe dich noch nie so glücklich gesehen wie im letzten Jahr. Klar hast du dich auch verändert, du bist erwachsener geworden, reifer, aber ich denke, das liegt auch ein ganzes Stück an Paddy und daher dürfte das kein Problem sein. Verstehst du was ich meine?“ Jetzt bin ich doch nachdenklich geworden, vielleicht hat Carsten ja doch Recht. Ich sollte heute noch mal mit ihm reden. Auch wenn ich sonst der Überzeugung bin, dass man auch vieles zerreden kann.

Doch zu einem klärenden Gespräch soll es nicht mehr kommen. Als ich zu Hause ankomme ist Paddy mitsamt seinen ganzen Klamotten verschwunden. Obwohl ich heute Morgen noch der

festen Überzeugung war, dass es besser wäre Schluss zu machen, bin ich jetzt doch geschockt. Ich lasse mich auf mein Bett fallen und schaue auf die leeren Stellen in meinen Regalen und auf den geöffneten Kleiderschrank der auch nur noch zur Hälfte gefüllt ist. Alles sieht so endgültig aus, ich bin richtig geschockt. Schon jetzt merke ich, wie sehr er mir fehlt. Das Mittag lasse ich heute mal ausfallen. Erstens habe ich sowieso keinen Hunger und zweitens keinen Bock auf Nadine oder Patricia zu treffen. Ruhelos tigere ich durch mein Zimmer, das mir auf einmal viel größer als vorher vorkommt. Als ich mein Tagebuch nehmen will, finde ich darauf einen Brie für mich. Gespannt beginne ich zu lesen:

Es tut mir leid, dass es anscheinend so enden muss. Ich weiß wirklich nicht mehr was ich noch machen soll, um an dich ranzukommen. Momentan habe ich einfach das Gefühl, dass du dich von mir entfernst. Ich kenne den Grund nicht, ob es an mir liegt oder ob du mich einfach nicht mehr liebst. In letzter Zeit sind wir ständig am zoffen und vergessen dabei anscheinend was wichtig ist. Ich habe keine Ahnung, was wir verändern müssen, damit es wieder klappt und bin der Meinung, dass wir uns vielleicht eine zeitlang nicht sehen sollten. Nächste Woche geben wir in Kiel ein Konzert. Ich bitte dich inständig zu kommen, damit wir noch einmal in Ruhe und unter vier Augen miteinander reden können.

In Liebe

Paddy





 Re: Ein Konzert mit Folgen

Im ersten Moment weiß ich nicht, wie ich reagieren soll, doch dann beginne ich hemmungslos zu weinen. Das Klopfen an meiner Tür überhöre ich dadurch und zucke erschrocken zusammen als Patricia den Arm um mich legt. „Weine ruhig, das hilft.“ „Patricia, ich hab's kaputt gemacht! Wenn ich nicht so unausstehlich gewesen wäre, vielleicht wäre er dann noch hier?“ „Wäre, wäre. Es ist nun aber mal so. Es lohnt sich jetzt nicht sich Gedanken darüber zu machen, was wäre wenn. Schau nach vorne, überlege dir, was du willst und nutze deine letzte Chance.“ Harte Worte, aber wahre Worte. In den nächsten Tagen igele ich mich total ein, rede mit niemandem und lasse keinen an mich ran. Nachts kann ich nicht schlafen und tagsüber darf ich nicht schlafen und so kommt es, dass ich am Ende der Woche aussehe, wie Frankenstein auf Urlaub. Dicke Ringe unter den Augen und leichenblass. Selbst Stefanie und ihre zwei Kleinen können mich nicht aufheitern. Obwohl Johanne und Phillip echt niedlich sind. Noch müssen die zwei zwar noch auf der Intensivstation liegen, es geht ihnen aber von Tag zu Tag besser. Sie nehmen ordentlich zu und können bald nach Hause. Stefanie wohnt mittlerweile bei ihrer Oma und hat mit Hilfe von Angelo, Tanja, Andrea und mir das Dachgeschoss ausgebaut. Nach den Sommerferien wird sie wieder zur Schule gehen, damit sie ihren Abschluss schafft, vormittags wird ihre Oma auf die beiden aufpassen. Die fünf Tage bis zum Wochenende ziehen sich wie Kaugummi, aber endlich ist der Sonntag gekommen. Zusammen mit Tanja und Stefanie fahre ich nach Kiel, doch vom eigentlichen Konzert bekomme ich reichlich wenig mit. Immer wieder muss ich an das denken, was mir noch bevorsteht. Ich will Paddy auf keinen Fall verlieren, weiß aber nicht, wie ich mein Verhalten der letzten Wochen wieder gutmachen kann. Ich habe mir schon viele gute Erklärungen zu Recht gelegt, doch als er vor mir steht ist alles wie weggeblasen. Er schaut mich an und fragt leise: „Können wir reden?“ Ich nicke und wir suchen uns ein ruhiges Plätzchen. Stumm sitzen wir uns gegenüber, Paddy spielt nervös an seinen Händen und ich schaue mich im Raum um. „Was ist nur los mit uns?“ Erschrocken zucke ich zusammen. „Was meinst du?“ „Es ist in letzter Zeit so komisch zwischen uns. Ich kann es mir selber nicht erklären. Ich möchte so gerne bei dir sein und wenn ich dann bei dir bin, habe ich das Gefühl wieder wegzumüssen. Ich liebe dich, das musst du wissen, aber ich bin mir nicht mehr sicher, ob du mich noch liebst. Nein, lass mich bitte ausreden! Wir müssen dringen was ändern, so kann das nicht weitergehen! Vielleicht sollten wir uns in nächster Zeit nicht sehen und wenn doch, sind wir gute Freunde. Dann werden wir sehen was uns noch aneinander liegt.“ „Paddy nein! Bitte lass mich doch erklären. Ich weiß selber nicht, was in letzter Zeit mit mir los war, aber ich verspreche dir, dass ich mich ändern werde. Ich will dich nicht verlieren!“ Traurig schüttelt er den Kopf. „ Nein! Du sollst dich nicht ändern, das bringt nichts, außer das du mir später vielleicht Vorwürfe machst. Du darfst auch nicht die Schuld alleine bei dir suchen, wir haben beide Schuld. Es wird sich in den nächsten Wochen zeigen, wie wichtig wir uns sind. Einverstanden?“ Schwach nicke ich, alle guten Vorsätze

sind vergessen, immer wieder hämmert dieser eine Satz durch meinen Kopf: „Es ist aus! Es ist aus!“ Er steht auf, streicht mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und murmelt: „Pass auf dich auf! Ich hab dich lieb!“, und geht. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, die ich noch dort sitze und erst durch Tanja werde ich aus meinem Trance gerissen. „Hey, was ziehst du für ein Gesicht? Ist jemand gestorben?“ Ich muss wirklich schlimm aussehen, denn in der letzten halben Stunde habe ich nichts anderes gemacht als zu heulen. „Komm schon, was ist los?“ „Es ist aus!“, mehr sage ich nicht. Sofort nimmt Tanja mich in den Arm und tröstet mich. Am nächsten Tag ist wieder Schule. Als der Wecker klingelt muss ich mich regelrecht aus dem Bett quälen, am liebsten würde ich einfach liegen bleiben. Aber es geht nicht, mal ganz davon abgesehen dass wir heute ne Englischarbeit schreiben würde mich Nadine nie in der Schule entschuldigen. Ich bin zwar sonst auch ein ausgesprochener Morgenmuffel, aber heute das übertrifft alles. Selbst Nadine schaut mich beim Frühstück kritisch an und fragt ob ich schlecht geschlafen hätte. Ich nuschele irgendwas in meine Teetasse und sehe zu, dass ich aus dem Haus komme. Aber auch im Bus ist es nicht besser. Tanja guckt mich immer wieder mitleidig an, Christin nervt alle mit ihren blöden Fragen über irgendwelche Englische Vokabeln und Hella sabbelt mal wieder nur Blödsinn. In der Klasse kommt sofort Carsten auf mich zu. „Und wie war's?“ Er wartet erst gar nicht meine Antwort ab, sondern scheint sofort zu kapieren was passiert ist. Er nimmt mich in den Arm und fragt nur leise: „So schlimm?“ Ich nicke nur stumm und kann mir schwer die Tränen verkneifen. „Hey, das wird schon wieder! Du bist doch meine kleine starke.“ „Nichts wird! Ich hab alles kaputt gemacht, wenn ich nicht so egoistisch gewesen wäre, dann...“ „Dann wäre es früher oder später auch so geendet. Was ist denn nun genau passiert?“ Stockend beginne ich zu erzählen. „Na, das hört sich doch nicht nach einem endgültigen Ende an. Ich denke sogar, diese vorläufige Lösung ist sinnvoll. Schau mal, so kannst du endlich wieder zur Ruhe kommen und dir überlegen was du willst.“ „Ich weiß was ich will! Ich will Paddy und sonst niemanden! Ich kann mir ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen!“ „Du schaffst das, glaube mir. Und so wie ich euch kenne, seid ihr in Nullkommanichts wieder zusammen. Er liebt dich doch auch, wieso sollte er dich dann von dir trennen?“ „Aber er hat es doch getan! Er hat doch Schluss gemacht! Ich versteh das nicht. Ich will das nicht verstehen!“ „Hey, hey, ganz ruhig. Werd mal wieder ruhiger. Du sollst gleich deine Englischarbeit schreiben und du weißt ganz genau, dass das deine letzte Chance ist. Atme tief durch und versuch mal den ganzen Stress zu vergessen.“ Leichter gesagt als getan. Als Frau Früh die Zettel verteilt, habe ich das Gefühl den Boden unter den Füßen zu verlieren. Ich lese mir die Aufgaben durch und habe keine Ahnung von Present Perfect und Past Tense. Teilweise kann ich noch nicht einmal verstehen was sie von mir will. Nach zehn Minuten gebe ich auf und einen leeren Zettel ab. „Ist dir nicht gut? Du siehst so blass aus!“, besorgt schaut mich Frau Flüh an und ich schaffe nur noch ein leichtes Kopfnicken, bevor sich alles vor meinen Augen dreht und ich umkippe. Sofort bricht eine riesen Unruhe aus, die von einigen natürlich genutzt wird ihre Arbeiten zu vergleichen. Ziemlich schnell komme ich wieder zu mir und weiß im ersten Moment gar nicht wo ich bin. Carsten hilft mir in die Krankenstation und verständigt auch Nadine, dass ich abgeholt werde. Als ich langsam begreife, was da eben passiert ist, fragt er: „Sag mal, wann hast du das letzte Mal was gegessen?“ Wenn ich ehrlich bin, ich weiß es nicht mehr. Es muss aber schon länger her sein. „Hab ich es mir doch gedacht. Hier, nimm meine Banane. Schön aufessen!“ Widerwillig stopfe ich die Banane in mich hinein. Carsten gibt vorher eh keine Ruhe. Kurz darauf kommt eine ziemlich panische Nadine in die Schule gestürmt, nur um mich zum Nächstbesten Arzt zu schleppen. Der diagnostiziert Unterzuckerung und verordnet mir erst einmal Bettruhe, ausreichend Schlaf und gesundes Essen. Kaum zu Hause falle ich todmüde ins Bett und schlafe. Erst am nächsten Morgen werde ich wieder wach. Verschlafen tapse ich über den Flur und in Richtung Badezimmer. Erstaunt bleibe ich stehen, ist das etwa Paddys Stimme, die ich da aus der Küche höre? Ich schüttele den Kopf, das kann nicht sein. Ich gehe erstmal duschen um richtig wach zu werden. Als ich in die Küche komme bleibe ich wie erstarrt stehen. Ich habe mich nicht geirrt, in der Küche sitzt Paddy und unterhält sich mit Nadine. Einen Moment bleibe ich wie erstarrt stehen und blicke total entsetzt von Paddy zu Nadine. Erst will ich fragen, was denn hier los ist, aber ich bekomme kein Wort heraus. Also drehe ich mich wortlos um und renne zurück in mein Zimmer. Weinend lasse ich mich auf mein Bett fallen, das ist alles zu viel für mich! Wieso tut er mir das an? Wieso taucht er jetzt hier auf? Oder hatte etwa Nadine ihre Finger im Spiel? Sie hat ja noch gar keine Ahnung, dass Schluss ist. Plötzlich höre ich ein zaghaftes Klopfen. „Darf ich reinkommen?“ Es ist Paddy! Ich weiß wirklich nicht, was ich machen soll. Soll ich ihn reinlassen? Aber was will er noch von mir?“ „Darf ich bitte reinkommen. Ich muss dir was erklären.“ Ich seufze, dann soll er eben reinkommen. Ich wische mir noch mal über die Augen, er muss ja nicht gleich bemerken, dass ich geheult habe. Er kommt rein und setzt sich an meinen Schreibtisch. „Wie geht's?“ Was für eine beschissene Frage! „Wie soll's mir gehen? Super geht's! Du machst Schluss, ich verhau meine letzte Chance auf eine Versetzung und klappe vor den Augen meiner ganzen Klasse zusammen. Klar geht's mir dabei bestens! Was denkst du eigentlich?“ „Ich weiß es nicht! Vielleicht das wir noch einmal vernünftig miteinander reden können. Ich wollte dir nicht wehtun! Ich...“ Hier falle ich ihm ins Wort: „Du wolltest mir nicht wehtun? Wieso hast du es dann getan? Wieso hast du mir nicht zugehört? Wieso ?“ „Was hättest du denn gesagt? Du hättest versucht mich umzustimmen, dass wir so weitermachen. Aber glaube mir, mir tut das auch weh, ich liebe dich auch, aber es bringt doch so wirklich nichts! Oder kannst du behaupten, dass du in den letzten Wochen glücklich in unserer Beziehung gewesen bist?“ Nein, natürlich nicht, trotzdem verstehe ich das alles immer noch nicht. „Aber wenn du sagst, das du mich liebst, wieso machst du dann Schluss? Wieso können wir nicht noch mal drüber reden?“ Er seufzt. „Weil reden nichts mehr bringt. Wir haben uns den Mund fusselig geredet. Wie viele Nächte haben wir schon mit Diskutieren verbracht? Klar können wir noch Wochen damit verbringen zu reden und zu reden, aber was bringt das? Wir sind beide gefrustet und dann ist vielleicht endgültig Schluss. Ich wollte damit ja nicht Schluss machen, ich habe nur gemeint, dass wir eine kleine Pause einlegen sollten. Schau mal, du bist 16Jahre alt. Du solltest dein Leben eigentlich genießen. Du solltest einen Freund haben, der immer für dich da ist, der dir immer zuhören kann und dafür bin ich einfach nicht der Richtige. Du brauchst einen Freund wie Carsten, der nicht 500Km weit weg wohnt und die meiste Zeit des Jahres durch die Weltgeschichte reist. Du bist jung, du musst dein Leben genießen und ich denke, dass ich momentan darin einfach keinen Platz habe.“ Entsetzt blicke ich ihn an. „Du verlangst von mir, dass ich mir einen neuen Freund suche? Sag mal, spinnst du jetzt vollkommen? Ich will niemand anderen und schon gar nicht Carsten! Kapierst du das denn nicht? Ich habe von Anfang an gewusst, auf was ich mich mit unserer Beziehung einlasse. Und weißt du was? Ich habe es nie bereut! Keine Sekunde lang habe ich an unserer Beziehung gezweifelt und ich werde es auch jetzt nicht tun.“ „Mach es mir doch bitte nicht noch schwerer als es ohnehin schon ist! Ich werde jetzt gehen. Gib uns einfach etwas Zeit, lass dich drauf ein. Und wenn das Schicksal es will, werden wir wieder zusammenfinden. Glaube mir!“ Er steht auf und geht. Ich sitze und gucke und gucke und kann kaum fassen, was da eben passiert ist. Kurz darauf klopft es und Nadine kommt rein. „Alles klar? Ich dachte, ich schau mal nach dir. Paddy ist eben ohne was zu sagen abgerauscht. Magst du erzählen, was passiert ist?“ Ich nicke und beginne stockend zu erzählen. Es dauert eine ganze Weile, bis ich fertig bin, aber Nadine hört geduldig zu. Als ich geendet habe guckt sie mich einen kurzen Augenblick nachdenklich an und meint dann: „Naja, das Ende ist etwas seltsam, aber wenn ich da so drüber nachdenke hat er ja irgendwo Recht. Schau doch mal, du bist jetzt seit einem Jahr mit ihm zusammen, andere Mädchen in deinem Alter haben oftmals jede Woche einen neuen Freund. Und weißt du was er macht, wenn er auf Tour ist? Ich meine, er ist auch nur ein Mann und wer weiß, wie viele eindeutige Angebote er bekommt.“ Entgeistert blicke ich sie an. „Was soll das denn jetzt heißen? Du willst ihm doch nicht unterstellen, dass er fremdgehen würde. Sag mal spinnst du? Er liebt mich und er würde nie auf die Idee kommen mit einer anderen ins Bett zu gehen. Und jetzt fahre ich Stefanie besuchen, bei der werde ich wahrscheinlich eher gebraucht.“ Gesagt getan. Eine halbe Stunde später stehe ich vor ihrer Haustür. Erstaunt macht sie mir auf. „Hi, wie geht's? Ich hab schon gehört, was gestern in der Schule passiert ist. Komm rein.“ Es tut gut mal mit jemandem zu reden, der einem einfach nur zuhört. Stefanies einziger Kommentar lautet: „Du musst wissen was du willst und was du dir zutraust. Vertrau auf deine Gefühle, du wirst das Richtige machen.“ Ich nicke, endlich mal ein produktiver Vorschlag. „Wie geht's Johanne und Phillip? Wie machen sich die beiden?“ Ein glückliches Lächeln macht sich auf ihrem Gesicht breit. „Momentan bin ich einfach nur glücklich, dass die zwei endlich zu Hause sind. Ich habe so lange darauf gewartet und nun sind sie endlich hier.“ „Darf ich mal schauen?“ Leise gehen wir hoch ins Kinderzimmer. Die beiden schlummern selig in ihrem Bettchen und ich kann mich gar nicht satt sehen. „Die sind ja ganz schön gewachsen. Es ist doch noch gar nicht so lange her, dass ich sie das letzte Mal gesehen habe.“ „Ja, die beiden hauen echt rein. Aber das ist auch gut, es fehlen nur noch schlappe 100 Gramm, dann haben sie das normale Durchschnittsgewicht eines Neugeborenen.“ Wir unterhalten uns noch eine ganze Weile, dann ist es Zeit nach Hause zu fahren. Obwohl, eigentlich habe ich gar keine Lust. Wer weiß, was Nadine jetzt schon wieder für komische Anwandlungen bekommt. Die Aussage, Paddy könnte fremdgehen nehme ich ihr echt übel. Und so kommt es, dass ich ohne sie weiter zu beachten an ihr vorbeigehe, mir mein Abendbrot mit ins Zimmer nehme und mich auch den Rest des Abends nicht mehr blicken lasse. Am nächsten Morgen gehe ich ganz normal zur Schule. Zwar bin ich eigentlich noch krankgeschrieben, aber lieber zur Schule, als bei Nadine zu bleiben! Im Bus werde ich von allen Seiten bestürmt, was denn los war. Ich murmele was von Kreislaufproblemen und lasse mich auf den Sitz neben Tanja fallen. „Hi, was machst du denn hier? Nadine hat gesagt, du würdest noch den Rest der Woche fehlen.“ „Ach, es gab ein bisschen Stress mit ihr und da hab ich entschieden, dass es besser wäre, zur Schule zu gehen.“ Doch schon in der ersten Stunde bereue ich meinen Entschluss. Herr Staritz hält uns einen ellenlangen Vortrag über ungewollte Schwangerschaften bei Minderjährigen. Bla, bla, bla! Zum Glück ist Stefanie nicht hier, die würde glatt vor Wut im Dreieck springen.

Die nächsten Wochen verbringe ich wie im Trance. Ich stehe auf, gehe zur Schule, mache Hausaufgaben, gehe ins Bett. Die Sommerferien rücken immer näher und ich komme nicht aus meinem Schneckenhaus heraus. Frau Flüh hat sich erweichen lassen, dass ich die verpatzte Englischarbeit wiederholen durfte und so habe ich meine Versetzung wohl doch noch geschafft, aber auch das lässt mich kalt. Nadine macht sich ziemliche Sorgen um mich und einen Tag als ich aus der Schule komme fängt sie mich ab. „Ich muss dringend mit dir reden, so kann das mit dir nicht weitergehen. Du musst mal wieder unter Leute. Auch deine Mom macht sich Sorgen, sie wollte sogar wieder zurückkommen, das konnte ich ihr aber ausreden. Wie gesagt, es muss mal was passieren und als erstes wirst du dieses Wochenende wegfahren.“ „Wie wegfahren? Wohin? Mit wem?“ „Das Jugendbüro bietet ein Wochenendseminar zum Thema Entspannung an und da habe ich dich angemeldet. Tanja, Andrea und Marjella fahren auch mit. Hör mal, alle machen sich Sorgen um dich...“ „Na und? Hab ich euch darum gebeten? Lasst mich doch alle zufrieden! Ich brauche euer scheiß Mitleid nicht!“ Mit diesem Satz renne ich in mein Zimmer und knalle lautstark die Tür hinter mir zu. Seufzend lässt Nadine sich auf einen Küchenstuhl fallen. Sie ist am Ende ihres Lateins angekommen und weiß wirklich nicht mehr, was sie noch machen soll. Sie hat schon mit den verschiedensten Leuten geredet, unter anderem auch mit Paddy. Aber auch von ihm kam keine Lösung. Da kommt ihr Patricia in den Sinn, mit ihr hat sie sich in letzter Zeit ganz gut verstanden und sie schien ihr auch immer sehr vernünftig. Also greift sie zum Telefon um sie anzurufen. „Hallo Patricia, hier ist Nadine. Hast du einen Augenblick Zeit?“ Sie erklärt ihr, was mit mir los ist und mein Verhalten. Einen Augenblick ist es ruhig am anderen Ende, dann meint Patricia: „Das erklärt natürlich einiges. Paddy verhält sich in letzter Zeit auch so komisch, aber ich habe den Grund nicht aus ihm heraus bekommen. Nun wird mir einiges klar. Gut, ich lass mir was einfallen. Was feststeht, die beiden müssen wieder zusammenkommen. Sie brauchen einander und so wie ich Paddy kenne hat er das zwar längst eingesehen, sich aber total in diese fixe Idee verrannt.“

Alle meine Bemühungen nicht mit auf dieses bescheuerte Seminar zu müssen schlagen leider fehl und so sitze ich eineinhalb Wochen später mit einigen anderen Leuten in dem kleinen gelben Bullie der Kirchengemeinde und bin auf dem Weg nach Witzwort. Alleine dieser Name verspricht ja schon das pure Leben. Und so sieht es dann auch aus. Ein kleines, altes Bauernhaus kurz vorm Deich an der Nordsee, ringsherum nur Schafe, Schafe, Schafe. Das kann ja heiter werden. Erstmal geht es ans Zimmer beziehen, Tanja, Marjella, Andrea und ich beziehen die Dachkammer und es sieht eigentlich ganz gemütlich aus. Aber ich habe mir fest vorgenommen, an diesem Wochenende keinen Spaß zu haben! Und als wir beim Abendbrot

sitzen, kommt der nächste Schock. Die Haustür fliegt auf und Fabian steht in der Tür. Mir entweicht ein: „Oh mein Gott, was will der denn hier?“, und wünsche mir ein Mauseloch in dem ich mich verkriechen kann. Gut gelaunt schaut er in die Runde und meint grinsend: „Guten Abend. Hier bin ich. Verspätet, aber immerhin!“ Unsicher schaue ich von Marjella zu Andrea und will eigentlich nur noch nach Hause. Jetzt hat auch Fabian uns entdeckt und sagt: „Aber hallo! Bekannte Gesichter, das ist ja schön! Und ganz ohne Kind. Interessant!“ Ich laufe puterrot an und stammele: „Ähm, du ich glaube ich muss dir da was erklären, also...“ Er winkt ab. „Lass stecken. Du glaubst doch wohl nicht wirklich, dass ich dir das abgenommen habe, dass du ein Kind mit deinem Freund hast? So blöde bin nun auch wieder nicht.“ Hier unterbricht uns Yvonne. „So, nach dem Abendessen treffen wir uns um 19°°Uhr im Kaminzimmer, dort werden wir das Abendprogramm starten. Fabian, dir zeige ich gleich noch, wo du schlafen kannst.“ Während wir abräumen hängt sich Andrea an Christian ran und hat schon wieder ihren „Sternchenblick“ drauf. Das kann nur eines bedeuten: Unser Männermordender Vamp hat ein neues Opfer gefunden! Hoffen wir mal, dass Christian nicht drauf reinfällt. Aber anscheinend ist es nicht an dem, denn als Yvonne etwas später das Abendprogramm vorstellt und es heißt jeder solle sich einen Partner suchen, sitzt sie schneller bei ihm als das ich bis drei zählen kann. Tanja und Marjella schauen sich an und beschließen ein Paar zu bilden und auch alle anderen haben jemanden gefunden. Nur ich sitze noch mit verschränkten Armen da und habe auf diesen Zirkus keinen Bock. Doch wenn ich gedacht habe, dass ich mich drücken könnte, dann habe ich mich geirrt. Fabian setzt sich ungefragt neben mich und meint: „Damit wären wir beide dann wohl das Paar des Abends.“ Was denkt der Kerl sich eigentlich, als wenn ich irgendwas mit ihm zusammen machen würde. Doch meine Meinung scheint hier niemanden zu interessieren und Yvonne macht einfach weiter in ihrem Programm. „Da es an diesem Wochenende ja hauptsächlich um Entspannung und Wohlfühlen gehen soll, habe ich mir gedacht, dass wir heute Abend einfach mal mit ein paar Entspannungsübungen an. Als erstes geht es um eine Partnermassage mit Tennisbällen. Immer einer von euch legt sich auf den Bauch und der andere massiert ihn vorsichtig mit dem Ball.“ Ich schnappe nach Luft. Der Kerl soll mich auch noch anfassen, nie im Leben! Lieber massiere ich ihn. Aber wenn ich gedacht habe, ich würde so um meine Massage drum rumkommen, dann habe ich mich geirrt. Nach einiger Zeit heißt es Positionswechsel! Und so liege ich total verkrampft auf dem Bauch und versuche mir vorzustellen es sei nicht Fabian sondern jemand anderes. Das klappt leider so gut wie gar nicht und ich bin wirklich froh, als diese ganze Massagengeschichte vorbei ist. Als letztes gibt es dann noch eine Traumreise, etwas ganz neues für mich. Und ich muss sagen, es gefällt mir wirklich. Der Raum wird nur von ein paar vereinzelten Teelichtern beleuchtet, wir liegen kreuz und quer auf dem Boden und Yvonne liest mit ruhiger Stimme eine Entspannungsgeschichte vor. Auf den Text achte ich gar nicht, sondern sinke einfach in meine Traumwelt. Ich könnte ewig so liegen und einfach nur der Musik zuhören, doch nach und nach werden die anderen unruhig und laufen durch den Raum. Seufzend setze ich mich auf, das erste Mal seit Wochen fühle ich mich wirklich ausgeglichen. Für einige Momente habe ich alles vergessen. Während die anderen noch zusammensitzen beschließe ich noch etwas nach draußen zu gehen, der Trubel ist mir doch zu groß. Doch ich kann mich nur ein paar Schritte vom Haus entfernen und schon habe ich Fabian wieder an der Hacke. „Was willst du?“ „Gucken wie es dir geht, aber wenn du mich nicht sehen willst, geh ich halt wieder rein. Ich dachte nur, es sei vielleicht keine so gute Idee, wenn du hier in der Dunkelheit allein rumstrolchst.“ „Keine Angst, ich werde schon nicht verschleppt! Ich kann gut auf mich alleine aufpassen, ich bin alt genug!“ Abwehrend hebt er die Hände. „Ist ja schon gut. Du musst ja nicht gleich in die Luft gehen. Ich wollte bloß behilflich sein.“ „Ach steck dir deine dämliche Hilfsbereitschaft doch sonst wo hin!“ Erschrocken schauen wir uns einige Sekunden an und ich kann selbst kaum glauben, was ich da gesagt habe. „Sorry! War nicht so gemeint. Ich bin momentan ein bisschen mies drauf.“ Er zuckt mit den Schultern und geht. Scheiße, ich bin echt ein Trampel. Wieso schaffe ich es bloß immer wieder die Leute zu vergraulen? Kein Wunder das Paddy ne Auszeit braucht. Ich hätte nie gedacht, dass mir ein Mensch so sehr fehlen kann, ich würde alles dafür geben, ihn wieder zu sehen. Schon wieder kommen mir die Tränen, doch dieses Mal erlaube ich mir nicht zu weinen, irgendwann muss doch mal Schluss sein! Mit diesem Vorsatz gehe ich ins Bett und erlaube mir in nächster Zeit keine Gedanken mehr an Paddy. Ich stehe morgens auf, gehe in die Schule, versuche so

aufmerksam wie möglich zu sein, ich mache meine Hausaufgaben, helfe im Haushalt, bin so perfekt wie es von mir verlangt wird. Nur Carsten scheint mich durchschaut zu haben, denn immer wieder guckt er mich besorgt an. „Wieso lachst du in letzter Zeit nicht mehr? Du warst mal so fröhlich, aber in letzter Zeit... Hat das was mit Paddy zu tun?“ Ich zucke zusammen als ich seinen Namen höre, ich habe so lange nicht mehr an ihn gedacht und habe schon fast das Gefühl vergessen, das sein Name in mir auslöst. Sofort reagiere ich wieder gereizt und drehe mich von ihm weg. Seufzend lässt er mich gehen, äußerlich scheine ich mich ja wieder gefangen zu haben, doch ich bin nicht mehr die Alte. Ich verkrieche mich immer mehr und lasse niemanden mehr an mich ran. Endlich beginnen die lang erwarteten Ferien, endlich sechs Wochen Ruhe und keine Schule! Das Zeugnis fällt aus wie erwartet, ich habe grade so noch die Kurve bekommen und bin mit viel Hängen und Würgen und der Überredungskunst meiner Mom versetzt worden. Als ich nach Hause komme ist niemand da. Nadine ist arbeiten und nur ein einsamer Zettel liegt in der Küche.

Wünsche dir einen schönen Ferienanfang. Ich bin heute Abend zurück, Essen steht im Kühlschrank. Mach dir einen schönen Nachmittag, gegen 15°°Uhr kommt Patricia vorbei, sie bleibt ein paar Tage bei uns.

Gruß Nadine


Na, seit wann sind denn Patricia und Nadine so dicke miteinander? Dass Angelo herkommen würde hatte ich gewusst, er will verständlicherweise soviel Zeit wie möglich mit ihr und den Kindern verbringen. Außerdem braucht sie dringend Unterstützung. Zwei Kleinkinder sind wirklich anstrengend, in keiner Nacht bekommt sie mehr als fünf Stunden Schlaf und auch am Tag findet sie keine Ruhe. Ihre Oma versucht ihr zwar zu helfen, wo es möglich ist, aber sie ist leider auch nicht mehr die Jüngste. Und so findet Angelo eine ziemlich verzweifelte und in Tränen aufgelöste Stefanie vor. „Hey mein Schatz, was ist los? Kann ich dir helfen?“ Der Schlafmangel der letzten Wochen fordert seinen Tribut und so kommt es, dass sie ihm ziemlich gereizt antwortet. „Klar könntest du mir helfen! Du könntest vielleicht mal für mich und die Kinder da sein. Du könntest auch mal in der Nacht aufstehen, die zwei füttern und wickeln. Sei doch einfach mal der Vater der du immer sein wolltest! Ich kann nicht mehr! Ich bin fertig, ich bin am Ende! Ich wollte nach den Ferien wieder zur Schule, das kann ich mir abschminken, ich würde doch ständig im Unterricht einschlafen. Wann habe ich das letzte Mal etwas mit meinen Freunden unternommen? Das war noch bevor ich wusste, dass ich schwanger bin. Und du fragst was los ist!“ Behutsam nimmt er sie in den Arm. „Hey Kleines komm, wein dich aus! Ich bin jetzt da und wir bekommen das geregelt. Es gibt bestimmt eine Möglichkeit das alles zu regeln. Wir finden einen Weg.“ Eng an ihn gekuschelt schläft sie ein und als sich Phillip meldet steht Angelo vorsichtig auf und kümmert sich um ihn. Er hat nie gewusst, dass es Stefanie so schlecht geht und macht sich wirklich Sorgen um sie. Irgendwie muss sich doch eine Lösung finden lassen.

Währenddessen kommt Patricia grade in Tolk an. „Hi! Na, wie geht´s? Bist du schon in Ferienlaune?“ Ich zucke mit den Schultern, Ferienlaune kann man das nicht wirklich nennen. „Naja, ich freu mich endlich mal wieder ausschlafen zu können, aber ansonsten hab ich nichts vor. Alle anderen scheinen in den Urlaub zu fahren, nur ich sitze hier fest.“ Patricia grinst vor sich ihn. Was führen sie und Nadine schon wieder im Schilde? Das soll ich ziemlich schnell mitbekommen. Nachdem Patricia ihre Sachen ausgepackt hat, kommt sie zu mir. „Ich hab dir übrigens was mitgebracht. Betrachte es mal als vorgezogenes Geburtstagsgeschenk.“ Neugierig nehme ich das weiche Päckchen in die Hand und packe es aus. Zum Vorschein kommt ein dicker selbst gestrickter Wollpulli mit irischem Muster. „Oh klasse! Da wird mir im Winter bestimmt nicht kalt werden.“ Patricia hat schon wieder ihr unergründliches Lächeln aufgesetzt und meint: „Eigentlich dachte ich, du könntest den Pulli in den Sommerferien tragen?“ Ja spinnt sie denn jetzt vollkommen? Draußen hat es fast dreißig Grad im Schatten und ich soll im dicken Wollpulli durch die Gegend rennen? Aber wie sag ich ihr das jetzt ohne sie zu verletzen? „Ähm, ja. Mal schauen. Denkst du nicht, dass es etwas warm dafür ist.“ Wieder dieses Lächeln. „Naja, hier ist es bestimmt zu warm, aber da wo du Urlaub machen wirst, wird der Pulli grade richtig sein.“ Entgeistert blicke ich sie an. „Ich? Urlaub? Wann? Wo? Mit wem?“ „Ganz ruhig! Setz dich erstmal, dann erklär ich dir alles.“ Wir setzen uns nach draußen in den Garten. „Wir, das heißt meine Geschwister und ich, wir haben uns gedacht, dass wir in den Sommerferien mal wieder mit der Santa Barbara raus fahren könnten und da könntet ihr ja






 Re: Ein Konzert mit Folgen

theoretisch mitkommen.“ „Wer ist wir? Sind noch mehr eingeladen?“ „Ja. Tanja, Marjella, Andrea und Stefanie nebst Familie. Die wissen das aber schon länger.“ Oh, diese fiesen Tanten! Mir erzählen, sie würden sonst wohin in den Urlaub fliegen und mich in dem Glauben lassen, ich müsste die Ferien alleine hier verbringen. „Wann geht's los? Oh man, ich bin schon ganz heiß Ich hab echt gedacht, ich müsste die nächsten sechs Wochen hier versauern.“ „Ok, los geht's am Montag und mal schauen, wie lange wir unterwegs sind. Aber mit zwei Wochen solltest du schon rechnen.“ „Cool! Dann kann ich ja auf´m Schiff Geburtstag feiern. Das ist ja klasse, erspart mir die große Party hier.“ Und von jetzt an stecke ich mitten in den Urlaubsvorbereitungen. Was muss ich mitnehmen? Was kann ich mitnehmen und was muss noch gekauft werden? Wie im Flug vergeht das Wochenende und Montag geht's für Ferienverhältnisse mitten in der Nacht los. Patricia nimmt Stefanie, Angelo, Johanne und Phillip mit und Andrea, Marjella und ich fahren bei Tanja und Jimmy mit. Zum Glück müssen wir nur bis Kiel, denn das Auto ist voller als voll. Zwar gibt es auf dem Schiff ne Waschmaschine, aber trotzdem brauchen wir Klamotten für jede Wetterlage und der ganze Kleinkram erst. In Kiel wird schon kräftig eingeladen. Lebensmittel und die Klamotten der Geschwister. Noch sieht alles nach Totalchaos aus. Gut gelaunt springen wir mitten in das Chaos und lassen den Trubel einfach erstmal auf uns wirken. Da werden Witze gerissen und die ersten Lieder angestimmt. Endlich kann ich auch wieder lachen, doch das bleibt mir buchstäblich im Hals stecken, als ich Paddy entdecke. An ihn hatte ich gar nicht mehr gedacht, ich weiß auch nicht wieso ich gedacht habe, dass er nicht mitkommen würde. Einen Augenblick stehen wir uns wortlos gegenüber, dann nickt er mir zu und dreht sich weg. Na bravo, das können ja geruhsame Ferien werden! Weg ist meine Urlaubsstimmung und am liebsten würde ich wieder nach Hause fahren. Doch dazu bekomme ich keine Chance, denn sofort habe ich Andrea und Tanja neben mir. „Warst du schon unter Deck? Das sieht echt klasse aus. Wir drei teilen uns mit Marjella eine Kajüte. Die ist zwar echt winzig, aber sie ist ja eh nur zum schlafen da.“ Ich lasse mich mit unter Deck ziehen und bestaune unsere winzige Kajüte. Mehr als schlafen können wir hier wirklich nicht. Zwei Hochbetten, ein kleines Regal und das war's. Nach und nach lichtet sich das Chaos und alle beziehen ihre Kajüten. Um 14°°Uhr legen wir endlich ab. Als das Ufer immer weiter in die Ferne rückt, werde ich doch etwas wehmütig. Hoffentlich geht alles gut, wenn ich daran denke, dass Paddy und ich die nächsten Wochen auf engstem Raum verbringen sollen, wird mir ganz mulmig. Auch ihm scheint die ganze Sache nicht ganz geheuer, denn er versucht mir aus dem Weg zu gehen. Gar nicht mal so einfach, vor allem, was wir nicht wissen, Patricia hat sich in den Kopf gesetzt uns wieder zusammen zu bekommen. Und so kommt es, dass wir zusammen für ein Segel zuständig sind und gleich am Abend zusammen Küchendienst haben. Mit zusammengebissenen Zähnen arbeiten wir daran, das Segel zu setzen und gehen danach ohne ein weiteres Wort in verschiedene Richtungen. Patricia schaut uns Kopfschüttelnd hinterher, nimmt sich aber fest vor, so schnell nicht aufzugeben. Auch unser Küchendienst verläuft nicht viel anders. Wir arbeiten nebeneinander, aber nicht miteinander. Dementsprechend lange dauert es, bis wir fertig sind. Hungrig stürzen sich alle aufs Essen und ein allgemeines Gemurmel macht sich breit. Nur Paddy und ich kauen ruhig vor uns hin. Ab und zu werfe ich einen kurzen Blick zu ihm herüber, aber jedes Mal, wenn er es bemerkt, schaue ich schnell in eine andere Richtung. Ich bin so damit beschäftigt unauffällig zu sein, dass ich das Gespräch zwischen Patricia und Tanja nicht mitbekomme. „Hey Tanja, hast du eine Idee, was wir mit unserem Pseudo-Liebespaar anstellen können?“ „Ne, ich hab es mittlerweile aufgegeben. Was sollen wir denn da noch machen? Wenn die zwei nicht wollen, dann eben nicht. Ich habe keine zündenden Ideen mehr!“ „Nach dem Abendbrot bei mir in der Kajüte!“ Mittlerweile habe ich mitbekommen, dass Tanja und Patricia die ganze Zeit tuscheln. „Sag mal, was ist denn so spannend?“ „Ach, nichts. War bloß n´ joke.“ Dabei beginnt sie noch mehr zu kichern. Sie wird mir mittlerweile richtig unheimlich, was hat sie bloß vor? Nach dem Abendessen geht es ans Abwaschen. Paddy und ich stehen uns mal wieder selber im Weg und es ist echt erstaunlich, dass nichts zu Bruch geht. Während wir beide in der Küche kämpfen, sitzen Tanja, Andrea und Patricia zusammen und suchen eine Lösung für das Beziehungsproblem. Seufzend meint Andrea: „Also, ich bin am Ende meines Lateins. Und wenn ich ehrlich bin weiß ich wirklich nicht, ob es so eine gute Idee wäre, wenn die beiden wieder zusammen kämen.“ Verständnislos

guckt Patricia sie an. „Wie meinst du das jetzt?“ „Naja, die letzten Wochen der Beziehung haben was in ihr kaputt gemacht. Sie ist nicht mehr die Alte. Sie lacht kaum noch, ist nur noch ernst, nimmt ihre Umwelt kaum noch wahr.“ „Ja, aber liegt das nicht daran, dass sie Paddy nachtrauert?“ „Ach ich weiß auch nicht. Die letzten Wochen ihrer Beziehung waren wirklich nicht klasse. Ich meine, das ist doch kein Zustand! Ihr geht es beschissen, ihm geht es beschissen und keiner ist glücklich.“ „Aber nun ist doch auch keiner glücklich. Paddy lebt nur noch vor sich hin, schreibt lauter sentimentale Liebeslieder und lebt eigentlich in seiner eigenen Welt. Und sie lacht auch nicht mehr und wenn ich ehrlich bin, wirklich glücklich sieht sie nicht aus. Zumindestens ordentlich aussprechen müssen sie sich. Sonst werden sie nie glücklich. Das ist doch kein Zustand!“ „Lassen wir den beiden einfach etwas Zeit. Vielleicht raufen sie sich ja noch zusammen. Ich meine wir sind hier auf einem Schiff, sie können sich nicht drei Wochen aus dem Weg gehen. Das ist unmöglich. Irgendwann müssen sie ja mal miteinander reden und wenn nicht, dann haben sie eben Pech gehabt. Sie sind beide erwachsen und ich denke, da sollten wir uns nicht mehr ein mischen.“ Tanjas Vorschlag wird mit einem Nicken von Andrea kommentiert und auch Patricia nickt, wenn auch widerwillig. Sie wird trotzdem nicht aufgeben, denn sie kennt zumindest ihren Bruder und seinen Sturkopf ziemlich gut. „Wie sieht's aus, es ist ja jetzt schon so warm hier unten, wollen wir heute Nacht an Deck schlafen?“ „Klar!“ Der Vorschlag wird von Andrea und Tanja begeistert aufgenommen und sofort an alle weitergegeben. Nur Stefanie und Angelo wollen unter Deck bleiben. Johanne und Phillip schlafen noch nicht durch und fordern auch in der Nacht die Aufmerksamkeit ihrer Eltern. Und so werden Schlafsäcke, Kissen und Isomatten an Deck geschleppt, Gitarren geholt und alles für eine gemütliche Nacht hergerichtet. Patricia nimmt die „Schlafverteilung“ in die Hand und so kommt es, dass zufälligerweise Paddy und ich nebeneinander liegen. Andrea und Tanja werfen ihr tadelnde Blicke zu, doch das ignoriert sie. Langsam dämmert mir auch, dass Patricia irgendwas im Schilde führt, denn es ist echt auffällig. Auch Paddy schaut seine Schwester skeptisch an irgendwas muss da doch im Busch sein. Seufzend lässt er sich auf seinen Schlafsack fallen und blickt in den Himmel. Wieso weicht sie ihm nur immer aus? Wieso weigert sie sich mit ihm zu reden. Es tut so weh sie zu sehen und nicht an sie ranzukommen. Er möchte sie so gerne in den Arm nehmen, aber sie sieht so zart und zerbrechlich aus, dass er sich nicht traut. Ich habe mir derweilen ein ruhiges Plätzchen gesucht und habe fast dieselben Gedanken. Ich möchte Paddy so gerne wieder in den Arm, nehmen, ihn spüren, seine Geruch in der Nase haben. Ich vermisse ihn so sehr, traue mich aber nicht, ihn anzusprechen, er scheint sich immer weiter von mir zurückzuziehen und ich kann nichts dagegen machen. Mittlerweile hat Paddy ein Gespräch mit Tanja angefangen und versucht nun herauszubekommen, ob da was zwischen mir und Carsten läuft. Jetzt wird es Tanja doch zu viel und sie handelt gegen ihre Einstellung sich nicht in andere Leute Beziehungen einzumischen. „So Paddy, nun hör mir mal gut zu! Hör endlich auf zwischen den zweien eine Beziehung zu wittern. Carsten ist ein Freund, ein sehr guter Freund und bis du in ihr Leben getreten bist, war er der wichtigste Mensch für sie. Das kann man nicht so einfach vergessen und sie vertraut ihm einfach. Das soll jetzt aber nicht heißen, dass du nicht wichtig für sie bist. Aber du kannst doch nicht verlangen, dass sie nur noch mit dir über ihre Sorgen und Probleme redet. Du bist die wichtigste Person in ihrem Leben gewesen und mit dieser erzwungenen Pause hast du ihr diesen Menschen genommen. Du hast ihr mehr wehgetan als jeder andere Mensch bisher und das hat sie irgendwo nicht ganz verarbeitet. Schau sie dir doch an! Ist das die Frau, die du kennst?“ Verstört blickt er Tanja an, erst jetzt wird ihm so richtig klar, was er getan hat. „Nein, es ist nicht mehr die Frau, die ich mal gekannt habe, aber es ist die Frau, die ich geliebt habe und die ich immer noch liebe!“ „Dann geh hin und sag es ihr! Tu euch den Gefallen!“ Wortlos dreht er sich um und geht. Er muss nachdenken. Nachdenken über das was er gehört und gesehen hat, nachdenken über das was jetzt auf ihn zukommt. Er blickt zum Himmel. „Vater hilf mir! Ich habe alles falsch gemacht. Ich brauche deine Hilfe. Gib mir die Kraft meine Fehler wieder gut zu machen!“ In den letzten Wochen hat er wirklich viel Zeit in der Kirche verbracht, Maite hat ihn schon damit aufgezogen, dass er wohl der neue Papst werden will. Doch das hat ihn ausnahmsweise kalt gelassen. Er braucht seinen Glauben, damit er etwas hat, an dem er sich festhalten kann. Etwas Beständiges in einem Leben das sich fast täglich ändert. Er wandert weiter über das Schiff und stolpert irgendwann über mich. Stumm sitze ich da und blicke auf das Meer. Ich bin so in meine Gedanken vertieft, dass ich Paddy gar

nicht kommen höre. Er steht einige Zeit neben mir, ohne das ich ihn bemerke. Irgendwann niest er und ich fahre erschrocken zusammen. „Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken!“ Der erste Satz, den er heute zu mir sagt. Ich murmele: „Ist schon gut.“, und drehe mich wieder weg und schweige weiter. Paddy seufzt, es ist schwerer als er gedacht hatte. „Ich...“, er bricht ab. Wie soll es weitergehen? Was soll er sagen? Wie soll er es sagen? „Ist dir kalt?“ Schulterzucken. „Du zitterst ja. Hier ist mein Pulli.“ Er legt mir seinen Pulli um die Schultern und gleich hab ich den typischen Paddy-Geruch in der Nase. Ein wohliger Schauer kriecht mir über den Rücken und ich kann nicht verhindern, dass ich mich in den Pulli einkuschele und selig lächele. Am liebsten würde ich schreien: „Nimm mich sofort in den Arm! Bitte, sonst sterbe ich.“, aber ich bekomme kein Wort über die Lippen. Paddy steht immer noch unschlüssig neben mir und weiß nicht was er machen soll. Patricia, die das Ganze aus einiger Entfernung beobachtet, schüttelt nur ungläubig den Kopf. Wie können zwei Menschen nur so hilflos voreinander stehen? Aber mehr kann sie nicht mehr tun, von jetzt an sind die beiden auf sich allein gestellt. Sie dreht sich um und überlässt sie ihrem Schicksal. Diese paar Sekunden kommen mir wie Stunden vor. Stunden in denen ich mich nach seinen Berührungen sehne, Stunden voller Ungewissheit. Er steht und starrt immer noch aufs Wasser und weiß nicht, wie er beginnen soll. Am liebsten würde er sie einfach in den Arm nehmen, ihr durchs Haar streicheln und ihr sagen wie sehr er sie liebt und wie sehr er sie vermisst hat. Doch irgendetwas in ihm hält ihn ab davon. Ist es die Ungewissheit vor dem was kommt? Die Angst abgewiesen zu werden? Ihre Blicke treffen sich, ein Blitz durchzuckt beide, ihre Blicke bleiben aneinander hängen, keiner sagt etwas. Auf einmal weiß er was er zu tun hat. Er macht einen Schritt nach vorne und nimmt sie einfach in den Arm. Sie lässt sich fallen, schmiegt sich an ihn, fühlt sich einfach nur geborgen. Immer noch schweigen beide, keiner will diesen besonderen Moment durch Worte zerstören. Sie sitzen nur da, genießen die Stille und die Nähe des Anderen. „Paddy, ich...“ „Pscht. Es ist gut.“ Er drückt mich an sich und jetzt kann ich meinen Tränen endlich freien Lauf lassen. Wie gut das tut. Lange habe ich nicht mehr geweint, habe es mir selbst nicht erlaubt, wollte immer stark sein. Langsam werde ich schläfrig, lange habe ich nicht mehr durchgeschlafen. Vorsichtig rüttelt er mich wieder wach. „Komm, lass uns schlafen gehen.“ Hand in Hand gehen wir zu den anderen, die auch schon in ihren Schlafsäcken liegen und schlafen. Jedenfalls sieht es so aus, aber Patricia ist noch wach. Erst als sie uns zusammen kommen sieht, dreht sie sich um und schläft ein. Ich sinke erschöpft in meinen Schlafsack und kuschele mich ganz eng an Paddy. Während meine Atemzüge immer ruhiger werden, fragt Paddy sich zum x-ten Mal, wie er es so lange ohne sie ausgehalten hat. Er zieht sie noch enger an sich und schläft glücklich lächelnd ein. Am nächsten Morgen werde ich durch das laute Getuschel der anderen geweckt. Natürlich haben sie längst bemerkt, dass Paddy und ich eng umschlungen daliegen. „Da ist doch was gelaufen. Das sieht man doch.“ „Quatsch! Bevor die beiden sich wieder vertragen muss noch viel passieren. Seid ruhig, ich glaube sie werden wach!“ Herzhaft gähne ich und blicke verschlafen um mich. Ich blicke in acht grinsend-fragende Gesichter. Alle scheinen mich zu fragen, was in der letzten Nacht passiert ist, doch ich schweige, packe meine Sachen zusammen und verschwinde unter Deck. Dumme Fragen kann ich jetzt gar nicht gebrauchen, ich muss erst einmal das verarbeiten, was gestern Nacht passiert ist. Auch zum Frühstück erscheine ich nicht. Paddy schaut immer wieder auf meinen leeren Platz und macht sich Sorgen. Was ist, wenn sie es doch bereut? Wenn sie ihn doch nicht mehr will? Er braucht Gewissheit und steht abrupt auf. Ich liege in meiner Koje und habe Angst vor dem was kommt. Was ist, wenn Paddy es schon wieder bereut? Was wenn jetzt alles wieder von vorne beginnt? Das leise Klopfen an der Tür höre ich nicht. Als Paddy auf einmal im Zimmer steht, zucke ich erschrocken zusammen. „Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken. Ich habe dich beim Frühstück vermisst, hattest du keinen Hunger?“ Ich schüttele den Kopf, der Appetit war mir gründlich vergangen. Er zögert. „Ich glaube, wir müssen uns noch einmal unterhalten.“ Ich schlucke. Dieser Satz ist das Zeichen für mich, dass er die letzte Nacht als Fehler betrachtet. In diesem Moment kommt Tanja ins Zimmer gestürzt. „Oh, tschuldigung, ich wollte nicht stören, bin schon wieder weg.“ Paddy schüttelt den Kopf. „Nee, lass mal, wir gehen in mein Zimmer, da haben wir unsere Ruhe.“ Wir gehen rüber in sein Zimmer, unschlüssig lasse ich mich auf eine unbenutzte Koje fallen und schaue ihn erwartungsvoll an. Als er die Tür hinter sich geschlossen hat fragt er: „Was ist los mit dir? Tut dir die letzte Nacht leid?“ Ich schüttele den Kopf. „Nein, mir tut gar nichts leid, aber vielleicht dir?“ Er seufzt. „So,

jetzt wird Klartext geredet. Das ist doch kein Zustand. Keiner weiß was los ist. Ich kann dir sagen, mir tut es wahnsinnig leid, was in den letzten Wochen geschehen ist und ich wünsche, ich könnte es rückgängig machen. Ich liebe dich und ich verspreche dir, dass ich dir nie wieder so wehtue!“ „Ich hab dich so vermisst! Es hat so verdammt wehgetan, das glaubst du gar nicht. Du Schuft! Warum hast du mir das angetan? Glaubst du, dass es jetzt einfach so weitergehen kann?“ Nachdenklich wandert er durch den Raum und schweigt einige Sekunden. Dann meint er zögernd: „Ich hoffe, dass du mir verzeihen kannst. Ich weiß, ich verlange viel von dir, aber vielleicht kannst du es ja.“ Ich gehe einen Schritt auf ihn zu. „Ich möchte es so gerne können. Ich werde es versuchen. Ich kann nicht ohne dich, ich liebe dich, ich werde alles versuchen, um dich nicht zu verlieren.“ Vorsichtig gebe ich ihm den ersten Kuss nach langer, langer Zeit. Schnell werden wir immer leidenschaftlicher und ich will nur noch ihn. Vorsichtig macht er sich los und schließt die Tür ab. „Sicher ist sicher. Ich kenne doch meine Geschwister.“

Später liege ich in seinem Arm und meine: „Ich habe dich so vermisst, das kannst du dir gar nicht vorstellen.“ Er lächelt. „Doch, das kann ich. Ich habe dich auch vermisst, so wie ich noch nie jemanden vermisst habe. Die letzten Wochen waren so schwer und es tut mir alles so leid! Ich weiß nicht, wie ich das je wieder gutmachen kann. Ich...“ An dieser Stelle lege ich ihm meinen Finger auf den Mund. „Pscht! Es ist gut jetzt. Lass uns nach vorne schauen. Ich will endlich wieder in die Zukunft blicken können ohne in ein schwarzes Loch zu blicken.“ Er gibt mir einen langen Kuss. „Von jetzt an bin ich wieder bei dir. Und du bist bei mir. Weißt du dass du mich zum glücklichsten Menschen auf der Welt machst?“ Jetzt muss ich doch kichern. „So, jetzt ist aber Schluss. Dieses sentimentale Gequatsche kann ja keiner lange mit anhören.“ „Ok, aber eins noch. Möchtest du von jetzt an hier pennen? Es ist bestimmt bequemer als zu viert in eurer kleinen Kajüte.“ Freudig nicke ich. „Aber erstmal gehen wir was essen. Ich habe Hunger.“ Er springt aus dem Bett und wirft sich seine Klamotten über. Seufzend stehe ich auf, viel lieber wäre ich noch liegen geblieben, aber langsam bekomme auch ich Hunger. Als wir Hand in Hand an Deck kommen werden wir von allen neugierig beobachtet. „Hey, sieht man euch auch mal wieder? Wir hatten schon Angst, ihr wärt über Bord gegangen.“ Allgemeines Gelächter. Patricia nimmt mich zur Seite und fragt leise: „Und ist alles wieder in Ordnung?“ Strahlend nicke ich. „Alles wieder im grünen bereich!“ „Schön dich wieder lachen zu sehen, das hab ich in letzter Zeit wirklich vermisst. Ich hab echt gedacht, das wird nichts mehr mit euch beiden.“ Am späten Nachmittag gehen wir zum ersten Mal an Land. Wir sind in Marstall angekommen und nun heißt es erstmal shoppen. Tanja, Andrea und Marjella verkrümeln sich schnell, um ein Geburtstagsgeschenk für mich zu suchen. Paddy schleppt mich erstmal in den nächsten Musikladen. „Sag mal, hast du nicht schon genug Instrumente?“, meine ich lachend. „Man kann nie genug Instrumente haben. Außerdem bin ich noch auf der Suche nach was Bestimmten.“ Während er sich mit dem Verkäufer unterhält stöbere ich ein bisschen im Laden und entdecke dabei eine Querflöte. Vorsichtig nehme ich sie in die Hand und betrachte sie. „Would you like to try it? “ Erschrocken zucke ich zusammen, ich habe gar nicht bemerkt, dass ich beobachtet werde. „Ähm, I can´t play.“ „Try it!“ Unschlüssig setze ich die Flöte an und blase einmal vorsichtig. Ein warmer, dunkler Ton erklingt, es hört sich richtig schön an. Der Verkäufer lächelt. „That was very nice. Don`t tell me you can´t play.” Ich bin selbst überrascht von mir, ich habe noch nie eine Querflöte in der Hand gehabt. „Would you like to buy it? I think it´s the right one for you. “„Oh, I think it´s too expensive.” Sehnsüchtig schaue ich die Flöte in meiner Hand an, aber 600€ ist doch zu viel Geld für mich. Schnell lege ich sie zurück in den Kasten und schaue, wo Paddy geblieben ist. Er ist grade dabei zu bezahlen und so gehe ich schon wieder raus. Im Laden nebenan besorge ich mir ein paar Postkarten und mache mich daran die obligatorische Ferienpost zu verschicken. Nadine, meine Mom und natürlich an Carsten. Nachdem alle Karten geschrieben und in den Postkasten geworfen sind blicke ich mich suchend nach Paddy um, doch der ist nirgends zu sehen. Auf einmal klingelt mein Handy. Es ist Paddy, der meint, er bräuchte noch länger und ich solle doch schon mal zurück zum Schiff gehen, er würde nachkommen. Na klasse, ich soll mich hier alleine zu Recht finden, aber gut, irgendwie werd ich schon zurück zum Hafen finden. Auf dem Schiff tobt schon wieder das Leben. Maite wirbelt durch die Küche und bewacht den Fisch den Joey und Jimmy heute Nachmittag gefangen haben und Angelo liegt mit Stefanie und den Kiddies an Deck in der Sonne. Ich setze mich zu den Vieren und beobachte sie eine Weile. Diese kleineFrau Flüh noch mal beide Augen zugedrückt und mir ne´ schwache drei gegeben, damit ich nen Ausgleich habe. Geschichte, Erdkunde, Sport auch drei, Biologie ne kippelige vier und Chemie, Physik und Mathe ne fünf. Macht nen Durchschnitt von 3,5.“ „Mmh, da muss noch was getan werden. Also in Englisch werde ich dir weiter helfen und in den anderen Fächern finden wir auch schon ne Lösung. Und dann musst du auf dem Fachgymnasium ja nicht unbedingt den naturwissenschaftlichen Zweig wählen. Das bekommen wir schon hin. Aber was wird deine Mom dazu sagen?“ Ich zucke mit den Schultern, darüber habe ich mir ehrlich gesagt noch keine Gedanken gemacht. Und selbst wenn sie was dagegen hätte, im August würde ich 18 Jahre alt werden und dann kann ich eh machen was ich will. „Das wird sich schon finden, das ist glaube ich mein kleinstes Problem. Und spätestens wenn Mom hört, dass ich mein Abi nachholen will, wird sie nichts mehr dagegen haben. Und du bist doch sowieso ihr absoluter Liebling. Kaum zu glauben, dass sie dich mal abgrundtief gehasst hat.“ Wir müssen beide lachen, ja das waren noch Zeiten kaum zu glauben, dass das erst knappe neun Monate her sein soll. „Hey ihr zwei Turteltäubchen, ich störe euch zwar ungern, aber wollt ihr zum Essen reinkommen. Ich meine, nur von Luft und Liebe kann man auch nicht leben.“ Wir haben gar nicht bemerkt, dass es schon so spät ist. Schnell sammeln wir unsere Sachen zusammen und gehen rein. Es riecht wirklich lecker und erst jetzt bemerke ich meinen knurrenden Magen. „Deckt ihr schon mal den Tisch, ich komme auch gleich.“ Beim Essen fragt Nadine: „Und, schon Pläne für heute Abend?“ Wir schütteln den Kopf, mal schauen, irgendwas wird sich schon finden. Nachdem der Abwasch erledigt ist, setze ich mich erst einmal an meine Computer um meiner Mom die allabendliche e-Mail zu schicken. Auch Paddy gibt noch seinen Senf dazu und nachdem auch ihre Antwort angekommen und gelesen ist,

surfen wir noch ein bisschen im Netz. „Mal schauen, was auf den ganzen Fan-Seiten über euch geredet wird.“, meine ich grinsend und klicke mich schon in den ersten Chat. Puh, hier ist grade eine ziemlich heftige Diskussion über die Ferien der Kellys im Gange. Irgendjemand behauptet grade, Paddy würde irgendwo in Frankreich hocken um neue Lieder zu schreiben, der nächste hat ihn angeblich heute Nachmittag in Köln beim Bummeln gesehen. Entrüstet schaue ich Paddy an. „Wieso hast du mir nicht gesagt, dass du in Köln warst? Vielleicht hätte ich ja gerne mitgewollt.“ Wir müssen beide lachen und jetzt wird Paddy richtig neugierig, was man sonst noch so alles auf diesen Homepages sehen und lesen kann. Als erstes sind da natürlich die Geschichten und Gedichte über die Family. Ich bin wirklich erstaunt, was es da für gute Sachen zu lesen gibt, natürlich gibt es auch Geschichten, bei denen man sich echt fragen muss, ob der Schreiber noch Phantasie und Wirklichkeit auseinander halten kann. Als nächstes kommen die Fotos dran, ich bin wirklich erstaunt darüber, wie viele Fotos im Netz kursieren. Unter anderem entdecke ich auch eines von Angelo und Stefanie und nach einigem Suchen auch eines auf dem ich zu sehen bin. Dazu gibt es dann gleich die passende Diskussion, ob dies nun Paddys Freundin sei oder nicht. Es scheinen sich zwei Fronten gebildet zu haben, pro und contra. Während die einen Stimmung gegen mich zu machen, versuchen die anderen Paddy und mich in Schutz zu nehmen. Einige Minuten schaue ich mir die Kommentare wortlos an, aber bei dem Satz: „Also erstens würde Paddy uns das nie antun sich eine Freundin zu suchen und wenn, dann hat er bestimmt einen besseren Geschmack!“, kann ich mich dann doch nicht mehr zurückhalten. Ich logge mich ein und tippe so schnell ich kann:

Smiley: Sag mal, spinnst du eigentlich? Paddy ist doch nicht dein Eigentum! Wie kannst du

von ihm verlangen solo zu bleiben? Und was heißt hier schlechter Geschmack? Die

inneren Werte zählen. Alles andere ist doch egal!

Honeygirl:   Recht so Smiley! Endlich mal einer der dieser angeblichen „Paddylove“       zeigt wo

es lang geht. Die nervt schon den ganzen Abend!

Paddylove:    Ach ihr zwei Zicken seid doch bloß neidisch! Als wenn ihr ihn kennen würdet, ihr

habt doch keine Ahnung von ihm!

Smiley:    Ach ja, aber du kennst ihn wohl? Darf ich mal fragen woher?

Paddylove:  Ja klar, wir beide waren schließlich mal zusammen! Und eines weiß ich, er liebt

mich immer noch!



Ich kann mir das Lachen kaum noch verkneifen