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Die wahre Lyrik

Re: Die wahre Lyrik

Heinrich Heine - Lore Ley (Teil 1)

Ich weiß nicht was soll es bedeuten
Daß ich so traurig bin;
Ein Märchen aus alten Zeiten,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.

Die Luft ist kühl und es dunkelt,
Und ruhig fließt der Rhein;
Der Gipfel des Berges funkelt
Im Abendsonnenschein.

Die schönste Jungfrau sitzet
Dort oben wunderbar;
Ihr goldnes Geschmeide blitzet,
Sie kämmt ihr goldenes Haar.

Sie kämmt es mit goldenem Kamme
Und singt ein Lied dabei;
Das hat eine wundersame,
Gewaltige Melodei.

Den Schiffer im kleinen Schiffe
Ergreift es mit wildem Weh;
Er schaut nicht die Felsenriffe,
Er schaut nur hinauf in die Höh'.

Ich glaube, die Wellen verschlingen
Am Ende Schiffer und Kahn;
Und das hat mit ihrem Singen
Die Lore-Ley getan.




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Re: Die wahre Lyrik

Heideröslein

Sah ein Knab' ein Röslein stehn,
Röslein auf der Heiden,
war so jung und morgenschön,
lief er schnell, es nah zu sehn,
sah's mit vielen Freuden.

Röslein, Röslein, Röslein rot, Röslein auf der Heiden.

Knabe sprach: Ich breche dich,
Röslein auf der Heiden!
Röslein sprach: Ich steche dich,
daß du ewig denkst an mich,
und ich will's nicht leiden.

Röslein, Röslein, Röslein rot, Röslein auf der Heiden.

Und der wilde Knabe brach's
Röslein auf der Heiden;
Röslein wehrte sich und stach,
half ihm doch kein Weh und Ach,
mußt' es eben leiden.

Röslein, Röslein, Röslein rot, Röslein auf der Heiden.

Johann Wolfgang von Goethe




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Re: Die wahre Lyrik

Muahahahaha (Goethe) das ist echt geil... -Aus Dem Nachlass-

Wo man mir Guts erzeigt überall,
   's ist eine Flasche Eilfer.
Am Rhein und Main, im Neckartal,
   Man bringt mir lächlend Eilfer.
Und nennt gar manchen braven Mann
   Viel seltner als den Eilfer:
Hat er der Menschheit wohlgetan,
   Ist immer noch kein Eilfer:
Die guten Fürsten nennt man so,
   Beinahe wie den Eilfer;
Uns machen ihre Taten froh,
   Sie leben hoch im Eilfer.
Und manchen Namen nenn' ich leis,
   Still schöppelnd meinen Eilfer:
Sie weiß es, wenn es niemand weiß,
   Da schmeckt mir erst der Eilfer.
Von meinen Liedern sprechen sie
   Fast rühmlich wie vom Eilfer,
Und Blum' und Zweige brechen sie,
   Mich kränzend und den Eilfer.
Das alles wär' ein größres Heil -
   Ich teilte gern den Eilfer -
Nähm' Hafis auch nur seinen Teil
   Und schlurfte mit den Eilfer.
Drum eil' ich in das Paradies,
   Wo leider nie vom Eilfer
Die Gläub'gen trinken. Sei er süß
   Der Himmelswein! Kein Eilfer.
Geschwinde, Hafis, eile hin!
   Da steht ein Römer Eilfer!

Also wer es nicht kapiert hat, Eilfer ist ein Wein. ^^




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Re: Die wahre Lyrik

Süßes Kind, die Perlenreihen,
Wie ich irgend nur vermochte,
Wollte traulich dir verleihen,
Als der Liebe Lampendochte.

   Und nun kommst du, hast ein Zeichen
Dran gehängt, das, unter allen
Den Abraxas seinesgleichen,
Mir am schlecht'sten will gefallen.

   Diese ganz moderne Narrheit
Magst du mir nach Schiras bringen!
Soll ich wohl, in seiner Starrheit,
Hölzchen quer auf Hölzchen singen?

   Abraham, den Herrn der Sterne,
Hat er sich zum Ahn erlesen;
Moses ist, in wüster Ferne,
Durch den Einen groß gewesen.

   David auch, durch viel Gebrechen,
Ja Verbrechen durch gewandelt,
Wusste doch sich loszusprechen:
Einem hab' ich recht gehandelt.

   Jesus fühlte rein und dachte
Nur den Einen Gott im stillen;
Wer ihn selbst zum Gotte machte
Kränkte seinen heil'gen Willen.

   Und so muss das Rechte scheinen,
Was auch Mahomet gelungen;
Nur durch den Begriff des Einen
Hat er alle Welt bezwungen.

   Wenn du aber dennoch Huld'gung
Diesem leid'gen Ding verlangest,
Diene mir es zur Entschuld'gung
Dass du nicht alleine prangest. -

   Doch allein! - Da viele Frauen
Salomonis ihn verkehrten,
Götter betend anzuschauen,
Wie die Närrinnen verehrten.

   Isis' Horn, Anubis' Rachen
Boten sie dem Judenstolze,
Mir willst du zum Gotte machen
Solch ein Jammerbild am Holze!

   Und ich will nicht besser scheinen,
Als es sich mit mir eräugnet,
Salomo verschwur den seinen,
Meinen Gott hab' ich verleugnet.

   Lass die Renegatenbürde
Mich in diesem Kuss verschmerzen:
Denn ein Vitzliputzli würde
Talisman an deinem Herzen.

J.W.G




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Re: Die wahre Lyrik

Ein Gedicht

Ein Gedicht, aus Worten gemacht.
Wo kommen die Worte her?
Aus den Fugen wie Asseln,
Aus dem Maistrauch wie Blüten,
Aus dem Feuer wie Pfiffe,
Was mir zufällt, nehm ich,

Es zu kämmen gegen den Strich,
Es zu paaren widernatürlich,
Es nackt zu scheren,
In Lauge zu waschen
Mein Wort

Meine Taube, mein Fremdling
Von den Lippen zerrissen,
Vom Atem gestoßen,
In den Flugsand geschrieben

Mit seinesgleichen
Mit seinesungleichen

Zeile für Zeile,
Meine eigene Wüste
Zeile für Zeile
Mein Paradies.




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Re: Die wahre Lyrik

Erich Fried - Was es ist

 

Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe




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