Dilla´s & Eva´s grenzwissenschaftl. & polit. Forum - Na 2003 bis 2008

Einmal Ein-Euro-Jobber, immer Ein-Euro-Jobber

Einmal Ein-Euro-Jobber, immer Ein-Euro-Jobber

Einmal Ein-Euro-Jobber, immer Ein-Euro-Jobber

Wo jede Arbeit zumutbar ist und erzwungen werden kann, wird die Gelegenheit zu arbeiten, egal unter welchen Bedingungen, selbst zum Lohn

Ein-Euro-Jobber bei der Arbeit: Einer streicht eine Wand, immer dieselbe: grün, blau, weiß. Ein anderer zieht eine Mauer hoch, um sie später einzureißen und wieder von vorn anzufangen. Wiederum andere zerschneiden Teppichreste. Alltag in der Beschäftigungsgesellschaft Hamburger Arbeit – und Anlaß für einen Sturm der Entrüstung in der Hansestadt. »Arbeit darf nicht dämlich machen«, schimpfte eine örtliche CDU-Arbeitsmarktexpertin. So etwas würde »demoralisieren«, kritisierte der lokale DGB-Chef. Und in großen Lettern empört sich die Bild-Zeitung über den »Ein-Euro-Job-Irrsinn«.

Doch so irrsinnig, wie es scheint, ist es nicht. Mit den Ein-Euro-Jobs sind unterschiedliche Ziele verbunden. Der Irrsinn hat Methode. Noch ist der Einstieg freiwillig. Ab 1. Januar wird die Teilnahme Pflicht. Jeder Langzeitarbeitslose, der dann mehr als 15 Stunden pro Woche auf einer Ein-Euro-Maßnahme sitzt, obwohl er weiterhin ALG II erhält, fällt aus der Arbeitslosenstatistik. Logisch ist das nicht, aber so läßt sich Statistik besser aufhellen. Fünf Millionen offiziell registrierter Arbeitsloser sind für das Frühjahr prognostiziert. Da kommt es gelegen, wenn die Ein-Euro-Maschinerie frühzeitig auf Touren kommt. Was da gemacht wird, ist zunächst egal.


Arbeitsplatz ohne Arbeitslohn

Jedem Bezieher des ALG II soll ab 2005 ein Förderangebot unterbreitet werden. Wer das nicht annimmt oder schuldhaft aus der Maßnahme entlassen wird, bekommt Leistungskürzungen bei der Grundsicherung: Jungerwachsenen kann die Leistung ganz gestrichen werden, nur noch Lebensmittelgutscheine werden dann gewährt. Erwachsene müssen mit einer Kürzung um 30 Prozent rechnen. Der Förderkatalog nach Paragraph 16 Sozialgesetzbuch (SGB) II reicht von Umschulungsmaßnahmen über ABM bis eben hin zu jenen Arbeitsgelegenheiten, den Ein-Euro-Jobs. Tatsächlich geht es in vielen Bundesländern nur noch um diese. Das klassische Mittel zur »Überprüfung der Arbeitswilligkeit«, wie es das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) schon vorsah, soll auf alle Arbeitslosen übertragen werden. Je irrsinniger ein Job, desto größer die Chance, daß Betroffene ihn hinschmeißen. Im Jugendbereich der Hamburger Arbeit machen das schon jetzt 50 Prozent. Mit geringem Einsatz wird ein Einspareffekt erzielt, der erheblich ist. Das zeigen auch Modellprojekte in den Jobcentern Mannheim und Köln.

Diese ordnungspolitische und repressive Funktion der Ein-Euro-Jobs erläuterte Detlef Scheele, Geschäftsführer der Hamburger Arbeit: Die Überprüfung sei deshalb legitim, weil hinter der Zuweisung ein »tatsächlicher Arbeitsplatz« stehe. So einfach wird eine nicht entlohnte, nicht sozialversicherungspflichtige Arbeit zum »Arbeitsplatz«. Und wer das nicht will, ist nicht vermittlungsfähig. Das entlastet den Haushalt. Nach Berechnungen des deutschen Städtetags nimmt schon jetzt jeder Sechste lieber Kürzungen bei der Sozialhilfe als solcherart Arbeit in Kauf.

Um dem nachzuhelfen werden die Grenzen der Zumutbarkeit aufgehoben, und der Staat definiert, ab wann jemand auf Transferleistungen angewiesen ist. Unabhängig davon, wie hoch die Eigenbeiträge in die Arbeitslosenversicherung waren, gibt es nach spätestens eineinhalb Jahren Arbeitslosengeld die steuerfinanzierte Transferleistung, auch Grundsicherung oder ALG II genannt. Diese ist mit dem Zwang zur Arbeit kombiniert. Die Folgen für das Versicherungswesen sind kaum abschätzbar. Plausibel wäre es, wenn gut Verdienende sich zukünftig privat gegen Arbeitslosigkeit versichern, denn wer erst mal ALG II erhält, verliert alle Rechte.

Wer das Existenzminimum als Transferzahlung braucht, der soll und muß eine Gegenleistung erbringen. Für den Berliner PDS-Wirtschaftssenator Harald Wolf ist das klar: »Die Solidargemeinschaft kann für ihre Leistung auch etwas verlangen«, erläuterte er seine Position. Wolf hält es für vollkommen normal, daß demjenigen, der ein Angebot ablehnt, Leistungen gekürzt werden. Nicht selten wird diese Transferleistung ins Verhältnis zu Lohnleistungen gesetzt. Die Zeit beklagt, daß die neuen »Staatsarbeiter neben ihrem Lohn noch ungekürzt ALG II und Geld für Wohnung und Heizung« erhalten. Wer sich hingegen auf normalen Niedriglohnjobs bewege, sei schlechter dran. Unter der Hand wird mit solchen Rechnungen die These bekräftigt, als handele es sich beim Existenzminimum um einen Lohn. Doch Ein-Euro-Jobber haben keinen Lohn, nur eine »Mehraufwandsentschädigung«, keinen Arbeitsvertrag, keine Rechte, nicht einmal das Recht auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.


Experimentierfeld Kommune

Die Integration in den Arbeitsmarkt sei so besser möglich, sagt die Bundesregierung. Was heißt das? Tatsächlich offenbart sich damit ein Programm. Nach der Phase des Irrsinns, Übungsphase genannt, tritt die Integration: im öffentlichen Sektor, bei kirchlichen Trägern, Wohlfahrtsverbänden und in den Kommunen. Kostenlose Arbeit ist hier, angesichts geleerter Kassen, besonders attraktiv. Der Verlust öffentlicher Finanzierung soll durch Ein-Euro-Jobber ersetzt werden. Integration heißt: Einmal Ein-Euro-Jobber, immer Ein-Euro-Jobber!

Nach dem Kriterium der Zusätzlichkeit (§ 261 SGB II) sind Arbeiten nur zulässig, wenn diese ohne Förderung nicht, nicht in diesem Umfang oder erst zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt würden. Doch praktisch schafft jede Einsparung öffentlicher Dienstleistungen zusätzlichen Raum. Die Grenzen zwischen zusätzlicher und regulärer Beschäftigung verschwimmen so. In Hamburg wird schon eine Postfiliale durch Ein-Euro-Jobber betrieben. Erst weggekürzt und dann als zusätzliche Dienstleistung wieder eingeführt. Qualifizierte wird durch unqualifizierte Arbeit ersetzt. Viel schlimmer: Wer arm ist, hat eigentlich nicht die Zeit, sich für 160 Euro Mehraufwandsentschädigung den ganzen Tag um Postvertrieb zu kümmern. Er muß Geld verdienen, wie auch immer.

Um Verdrängungsprozesse aufzuhalten sollen Beiräte aus Vertretern der Wirtschaft und der Gewerkschaften darüber wachen, daß unfaire Billigkonkurrenz unterbleibt. Doch in der Praxis gelten von Ort zu Ort unterschiedliche Regeln. In Hamburg haben sich die Handwerkskammer und die Stadt längst auf ein Abkommen geeinigt, nach dem alle Aufgaben, für die keine Haushaltsmittel mehr vorhanden sind, von Ein-Euro-Arbeitern erledigt werden. So muß der Etat nur eng genug geschnitten werden, um viele der bisherigen Regelaufgaben auf die Billigkräfte zu transferieren. Dafür wird der Kammer garantiert, daß auch sie von den Ein-Euro-Jobbern profitiert. Das ist attraktiv, denn diese kosten nicht nur nichts, sie bringen auch noch Geld: 500 Euro pro Person und Monat zahlt der Staat, mindestens 300 Euro davon kassiert der Träger. Deshalb gibt es auf 10000 Stellen in Hamburg 20000 Angebote. Damit auch der Übergang in Handwerk und Industrie klappt, fordert BDI-Präsident Michael Rogowski eine weitere Absenkung des ALG II. Jede Arbeit, egal zu welchem Preis, soll akzeptiert werden. Interessenvertretungen? Gewerkschaften? Tarifverträge? All das ist hier ein Fremdwort. Ist der Arbeitgeber mit den Leistungen nicht zufrieden, fliegt der Jobber raus: von jetzt auf gleich.

Billiglohnbereiche gibt es schon jetzt, nicht selten von Tarifpolitik begleitet. Die Ein-Euro-Jobs sozialisieren hier nach. Anspruchsverwöhnte Arbeitnehmer und Erwerbslose sollen begreifen: Es geht noch schlimmer! Deshalb wird die hermetisch enge Grenze zwischen staatlich gefördertem und allgemeinem Arbeitsmarkt aufgelöst. Wo jede Arbeit zumutbar ist und erzwungen werden kann, wird die Gelegenheit zu arbeiten, egal unter welchen Bedingungen, selbst zum Lohn.

Das erste Experimentierfeld sind die Kirchen und die Wohlfahrtsverbände, dann die Kommunen. Gebeutelt durch eine schwere Finanzkrise, wissen sie, daß es unter den Millionen Erwerbslosen viele Qualifizierte gibt: vom Krankenpfleger bis zum Pädagogen. Es erschließt sich ein erhebliches Reservoir. 6,4 Milliarden Euro hat deshalb Finanzminister Eichel als staatliche Zuweisung geparkt, um geplante 600000 bis 850000 weitere Ein-Euro-Jobs allein in diesem Bereich zu schaffen. So können und sollen Kindergärten, Krankenhäuser, Sozialstationen und soziale Dienste betrieben werden. Die Arbeitwohlfahrt sagt: Wer ein Kind großgezogen hat, ist qualifiziert für Kinderbetreuung. Ein-Euro-Jobs werden so gesellschaftsfähig. Die Träger lügen sich selbst in die Tasche: Da man am Gesetz nichts mehr ändern könne, will man es, »im Sinne der Betroffenen«, positiv gestalten.

Mit den Ein-Euro-Jobs findet eine Entwicklung ihren vorläufigen Abschluß, die sich seit längerem abzeichnet. Kontinuierlich sank das Lohnniveau auch schon im zweiten Arbeitsmarkt. Mit staatlich organisierter Leiharbeit (Personalserviceagenturen) und der Förderung von Minijobs (heute 7,1 Millionen) kam ein weiterer Schritt hinzu. Pflichtarbeit sah auch das Bundessozialhilfegesetz schon vor. Stetig sinkt das Einkommensniveau auch bei regulär Vollzeitbeschäftigten. Auch dort arbeiten 2,5 Millionen Menschen schon jetzt für Armutslöhne. Die dauerhafte Verstetigung dieses Niedriglohnbereichs und dessen quantitativer und qualitativer Ausbau ist das Ziel der Reformen. Ein-Euro-Jobs disziplinieren die Menschen, sich darauf einzulassen, zwingen sie zur Arbeit, egal unter welchen Bedingungen.

Diese Strategie zur Senkung der Lohnkosten ist aus der Sicht des Kapitals ein äußerst adäquates Instrument, die Wirtschaftskrise zu überwinden. Deshalb die Agenda 2010: Arbeitszeitverlängerung, Senkung der unmittelbaren Lohnkosten, Privatisierungen, Flexibilisierung, Deregulierung, Reduktion der Staatsquote. Die Ein-Euro-Jobs sind ein zusätzliches Instrument, diesen Prozeß zügig voranzubringen.


Wie sich wehren?

Mit Tarifpolitik ist da nichts zu machen. Auch das Bemühen der Dienstleistungsgewerkschaften, den Begriff der Zusätzlichkeit eng zu halten, wird den dritten Arbeitsmarkt nicht aufhalten. Zu den Ein-Euro-Jobs kommen die Ich-AGs, die Mini-Jobs, die Leiharbeiter hinzu. Das sind Millionen. Auch das Mitbestimmungsrecht der Personalräte ist eng gesetzt. Ohne eine Politisierung des Konflikts ist nicht viel zu machen. Die gesellschaftliche Einkommensstruktur, Verteilungsgerechtigkeit und die Thematisierung der Frage, welche Art der Arbeit zu welchen Konditionen anerkannt werden kann, rücken ins Zentrum. Staatliche Aktivierung exerziert nur vor (in besonders perfider Weise), was gesellschaftlicher Standard in den Arbeitsbeziehungen sein soll. Klarheit in der Frage der Wert- und Preisbildung der Arbeitskraft ist eine Voraussetzung dafür, Möglichkeiten der Gegenwehr auszuschöpfen. Da in der Degradation größerer Teile der arbeitenden Bevölkerung die öffentlichen Güter, die öffentliche Daseinsvorsorge eine große Rolle spielt, muß zukünftig auch untersucht werden, wie sich diese Fragen mit der Lohnfrage verbinden.

Hingegen ist die Diskussion bei den Trägern, ob dieser dritte Arbeitsmarkt nun doch noch irgendwie positiv zu gestalten ist, ob nicht doch noch ein »bißchen Freiwilligkeit« zu implementieren sei, eine Diskussion, die am Kern des Problems vorbeigeht. Wer sich – wie es Kirchen, kirchliche Träger, Beschäftigungsträger, Wohlfahrtsverbände tun – einerseits darin gefällt, sozialpolitische Entwicklungen zu kritisieren, sich andererseits aber als Anbieter von Ein-Euro-Jobs profiliert, der handelt nicht nur unlogisch, sondern wird erleben müssen, daß er in der nächsten Runde haushaltspolitischer Entscheidungen noch weniger Zuschüsse erhält. Auch der Versuch, solche Maßnahmen integrationstheoretisch zu begründen, ist absurd. Das alles sind Verteidigungsgefechte, die zu nichts führen. Natürlich bleibt die Forderung nach einem öffentlich geförderten Beschäftigungssektor wichtig. Angesichts hoher und dauerhafter Massenarbeitslosigkeit, bei gleichzeitiger Nichterledigung sinnvoller Aufgaben, ergibt sich ein breites Spektrum. Aber öffentlich geförderte Beschäftigung kann nicht heißen: Zwang, Rechtlosigkeit und permanente Repression. Beschäftigung, öffentlich gefördert oder nicht, muß sich an gültigen Branchentarifen orientieren. Die Ein-Euro-Jobs bilden da keine Grundlage.

Gegenmacht ist im Alleingang nicht herstellbar. Gegenmacht braucht strategische Allianzen. Ohne diese ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch bei Karstadt oder Aldi »zusätzliche« Dienstleistungen durch Ein-Euro-Jobber verrichtet werden. Die Verpackung ist ja nicht gleichzusetzen mit dem Einkauf. Norbert Blüm findet da eine klare Sprache: Ein-Euro-Jobs würden nach dem Motto vergeben: »Ich schmeiße einen anständig Bezahlten raus und stelle jemand anderen für einen Hungerlohn ein«.

Drei politische Felder ergeben sich. Erstens sind die Personal- und Betriebsräte in den Kommunen und bei den Trägern dazu aufgerufen, die Einrichtung solcher Arbeitsgelegenheiten unter dem Gesichtspunkt der Zusätzlichkeit zu hinterfragen. Werden diese direkt in bestehende Arbeitsstrukturen integriert, greifen die Mitbestimmungsmöglichkeiten des Personalrats. Wo diese als Pool über Kooperationsverträge mit Dritten hineinkommen, muß geprüft werden, ob ein Mitbestimmungsrecht existiert: Ist die Tätigkeit an Weisungen eines Vorgesetzten aus dem aufnehmenden Betrieb gebunden, handelt es sich um Regeltätigkeiten? Dann existiert ein Mitbestimmungsrecht. Ansonsten muß der Verdrängungsprozeß politisch thematisiert werden. In jedem Fall sollten sich Personalräte für zuständig erklären.


Nicht mal unfallversichert

Zweitens müssen neue Formen der Interessenvertretung für Ein-Euro-Jobber gefunden werden. Bis zu einer Million Ein-Euro-Jobber sind keine Kleinigkeit. Sie verändern dieses Land. Die sichtbare Not, die sich darin ausdrückt, daß sich viele auch freiwillig auf solche Jobs bewerben, kann uns nicht egal sein. Die Bildung von Interessenvertretungen zumindest auf kommunaler Ebene muß unser Thema sein. Das grundsätzliche »Nein« zu den Ein-Euro-Jobs verbindet sich hier mit dem harten Kampf um jeden Zentimeter der politischen und ökonomischen Gestaltung. Das Ziel muß darin bestehen, Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Das fängt mit der Forderung nach einem Ticket im öffentlichen Nahverkehr an, reicht über die Forderung nach einer Unfallversicherung (die Ein-Euro-Jobber nicht haben) und mündet schließlich in der Überführung der Ein-Euro-Jobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Wenn uns die Politik wieder in einen Zustand versetzt, der für August Bebel Ansatzpunkt für die Bildung der Sozialdemokratie war, dann müssen wir diesen Kampf wieder aufnehmen. Laut Paragraph 2 Absatz 1 Ziffer 1 SGB VII (Unfallversicherung) sind »Beschäftigte« unfallversichert. Die spannende Frage: Ist ein Mensch in einer Arbeitsgelegenheit »Beschäftigter« im Sinne der Unfallversicherung? Das wäre doch eine Frage, die wir leicht thematisieren können, aber die zugleich für die weitere Debatte nicht unwichtig ist. Die Nicht-Schlechterstellung der Ein-Euro-Jobber gegenüber Personen, die sich im Freiheitsentzug befinden, sollte doch zu thematisieren sein. Schauen wir genauer hin: Strafgefangene auf Freigang haben einen Anspruch auf Lohnfortzahlung, ortsübliche Bezahlung, Urlaubsgeld usw. Wo in Behörden und Trägern Personalräte existieren, sollte sich diese auch für diese Fragen für zuständig erklären, gemeinsam mit den Gewerkschaften, damit die Jobber nicht wie Insassen psychiatrischer Anstalten behandelt werden. Auch bei der Frage der Entlohnung kann verschiedenes diskutiert werden: Die Kombination aus ALG II, Mehraufwandsentschädigung und Leistungen für die Unterkunft sollte mit ortsüblichen Löhnen verglichen werden. Den Rest – das wäre eine konkrete Forderung – soll die Kommune oder der jeweilige Träger bezahlen! Immer wieder sollte auch auf die Verfassungswidrigkeit unfreiwilliger Arbeit aufmerksam gemacht werden, wie sie sich aus Artikel 12, Absatz 2 und 3 des Grundgesetzes ergibt.


Gesetzliche Mindestlöhne

Das dritte, vielleicht zentrale Element einer Gegenstrategie kann in der erwähnten Thematisierung gesamtgesellschaftlicher Einkommensstrukturen liegen. Dabei geht es um Grundsicherung, gesetzlich zu regelnde Mindestlöhne, Einkommenssicherheit und um die Macht über die Einkommensverteilung. Die Diskussion um einen gesetzlichen Mindestlohn ist dabei vordringlich. Franz Müntefering hat auf dem Höhepunkt der Bewegung gegen »Hartz IV« einen gesetzlichen Mindestlohn ins Gespräch gebracht, um damit der Bewegung die Spitze zu nehmen. Die kurze und heftige öffentliche Debatte, die folgte, zeigt, wie empfindlich das Kapital darauf reagiert, selbst wenn Müntefering wohl eher an Bruttolöhne weit unter 1000 Euro dachte. Gesetzliche Mindestlöhne gibt es in neun von 15 der alten EU-Länder. Die europäische Sozialcharta von 1961 besagt, daß 60 Prozent des nationalen Durchschnittslohnes als untere Grenze für den Mindestlohn anzusehen sind. IG Metall und die IG Bergbau-Chemie-Energie lehnen diese Debatte ab, weil sie glauben, besser bezahlte Kernbelegschaften zu vertreten, Mitgliederschwund und einen Bedeutungsverlust für die Tarifautonomie befürchten. Tatsächlich ist aber der Druck der Niedriglohnbereiche schon jetzt erheblich und setzt der Verhandlungsmacht der Gewerkschaften Grenzen. In 130 Tarifverträgen sind Entgelte von weniger als sechs Euro Stundenlohn vorgesehen. Mit der EU-Norm im Rücken läge die Forderung für einen gesetzlichen Mindestlohn bei mindestens 1500 Euro Brutto. Das ist schon jetzt die Forderung der Gewerkschaft NGG (Nahrung-Genuß-Gaststätten). Wenngleich die praktischen, politischen und juristischen Probleme eines gesetzlichen Mindestlohns gewaltig sind, muß um ihre Lösung gerungen werden. So könnten Abwehrkämpfe mit Perspektive verbunden werden.
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Wo jede Arbeit zumutbar ist und erzwungen werden kann, wird die Gelegenheit zu arbeiten, egal unter welchen Bedingungen, selbst zum Lohn

Ein-Euro-Jobber bei der Arbeit: Einer streicht eine Wand, immer dieselbe: grün, blau, weiß. Ein anderer zieht eine Mauer hoch, um sie später einzureißen und wieder von vorn anzufangen. Wiederum andere zerschneiden Teppichreste. Alltag in der Beschäftigungsgesellschaft Hamburger Arbeit – und Anlaß für einen Sturm der Entrüstung in der Hansestadt. »Arbeit darf nicht dämlich machen«, schimpfte eine örtliche CDU-Arbeitsmarktexpertin. So etwas würde »demoralisieren«, kritisierte der lokale DGB-Chef. Und in großen Lettern empört sich die Bild-Zeitung über den »Ein-Euro-Job-Irrsinn«.

Doch so irrsinnig, wie es scheint, ist es nicht. Mit den Ein-Euro-Jobs sind unterschiedliche Ziele verbunden. Der Irrsinn hat Methode. Noch ist der Einstieg freiwillig. Ab 1. Januar wird die Teilnahme Pflicht. Jeder Langzeitarbeitslose, der dann mehr als 15 Stunden pro Woche auf einer Ein-Euro-Maßnahme sitzt, obwohl er weiterhin ALG II erhält, fällt aus der Arbeitslosenstatistik. Logisch ist das nicht, aber so läßt sich Statistik besser aufhellen. Fünf Millionen offiziell registrierter Arbeitsloser sind für das Frühjahr prognostiziert. Da kommt es gelegen, wenn die Ein-Euro-Maschinerie frühzeitig auf Touren kommt. Was da gemacht wird, ist zunächst egal.


Arbeitsplatz ohne Arbeitslohn

Jedem Bezieher des ALG II soll ab 2005 ein Förderangebot unterbreitet werden. Wer das nicht annimmt oder schuldhaft aus der Maßnahme entlassen wird, bekommt Leistungskürzungen bei der Grundsicherung: Jungerwachsenen kann die Leistung ganz gestrichen werden, nur noch Lebensmittelgutscheine werden dann gewährt. Erwachsene müssen mit einer Kürzung um 30 Prozent rechnen. Der Förderkatalog nach Paragraph 16 Sozialgesetzbuch (SGB) II reicht von Umschulungsmaßnahmen über ABM bis eben hin zu jenen Arbeitsgelegenheiten, den Ein-Euro-Jobs. Tatsächlich geht es in vielen Bundesländern nur noch um diese. Das klassische Mittel zur »Überprüfung der Arbeitswilligkeit«, wie es das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) schon vorsah, soll auf alle Arbeitslosen übertragen werden. Je irrsinniger ein Job, desto größer die Chance, daß Betroffene ihn hinschmeißen. Im Jugendbereich der Hamburger Arbeit machen das schon jetzt 50 Prozent. Mit geringem Einsatz wird ein Einspareffekt erzielt, der erheblich ist. Das zeigen auch Modellprojekte in den Jobcentern Mannheim und Köln.

Diese ordnungspolitische und repressive Funktion der Ein-Euro-Jobs erläuterte Detlef Scheele, Geschäftsführer der Hamburger Arbeit: Die Überprüfung sei deshalb legitim, weil hinter der Zuweisung ein »tatsächlicher Arbeitsplatz« stehe. So einfach wird eine nicht entlohnte, nicht sozialversicherungspflichtige Arbeit zum »Arbeitsplatz«. Und wer das nicht will, ist nicht vermittlungsfähig. Das entlastet den Haushalt. Nach Berechnungen des deutschen Städtetags nimmt schon jetzt jeder Sechste lieber Kürzungen bei der Sozialhilfe als solcherart Arbeit in Kauf.

Um dem nachzuhelfen werden die Grenzen der Zumutbarkeit aufgehoben, und der Staat definiert, ab wann jemand auf Transferleistungen angewiesen ist. Unabhängig davon, wie hoch die Eigenbeiträge in die Arbeitslosenversicherung waren, gibt es nach spätestens eineinhalb Jahren Arbeitslosengeld die steuerfinanzierte Transferleistung, auch Grundsicherung oder ALG II genannt. Diese ist mit dem Zwang zur Arbeit kombiniert. Die Folgen für das Versicherungswesen sind kaum abschätzbar. Plausibel wäre es, wenn gut Verdienende sich zukünftig privat gegen Arbeitslosigkeit versichern, denn wer erst mal ALG II erhält, verliert alle Rechte.

Wer das Existenzminimum als Transferzahlung braucht, der soll und muß eine Gegenleistung erbringen. Für den Berliner PDS-Wirtschaftssenator Harald Wolf ist das klar: »Die Solidargemeinschaft kann für ihre Leistung auch etwas verlangen«, erläuterte er seine Position. Wolf hält es für vollkommen normal, daß demjenigen, der ein Angebot ablehnt, Leistungen gekürzt werden. Nicht selten wird diese Transferleistung ins Verhältnis zu Lohnleistungen gesetzt. Die Zeit beklagt, daß die neuen »Staatsarbeiter neben ihrem Lohn noch ungekürzt ALG II und Geld für Wohnung und Heizung« erhalten. Wer sich hingegen auf normalen Niedriglohnjobs bewege, sei schlechter dran. Unter der Hand wird mit solchen Rechnungen die These bekräftigt, als handele es sich beim Existenzminimum um einen Lohn. Doch Ein-Euro-Jobber haben keinen Lohn, nur eine »Mehraufwandsentschädigung«, keinen Arbeitsvertrag, keine Rechte, nicht einmal das Recht auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.


Experimentierfeld Kommune

Die Integration in den Arbeitsmarkt sei so besser möglich, sagt die Bundesregierung. Was heißt das? Tatsächlich offenbart sich damit ein Programm. Nach der Phase des Irrsinns, Übungsphase genannt, tritt die Integration: im öffentlichen Sektor, bei kirchlichen Trägern, Wohlfahrtsverbänden und in den Kommunen. Kostenlose Arbeit ist hier, angesichts geleerter Kassen, besonders attraktiv. Der Verlust öffentlicher Finanzierung soll durch Ein-Euro-Jobber ersetzt werden. Integration heißt: Einmal Ein-Euro-Jobber, immer Ein-Euro-Jobber!

Nach dem Kriterium der Zusätzlichkeit (§ 261 SGB II) sind Arbeiten nur zulässig, wenn diese ohne Förderung nicht, nicht in diesem Umfang oder erst zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt würden. Doch praktisch schafft jede Einsparung öffentlicher Dienstleistungen zusätzlichen Raum. Die Grenzen zwischen zusätzlicher und regulärer Beschäftigung verschwimmen so. In Hamburg wird schon eine Postfiliale durch Ein-Euro-Jobber betrieben. Erst weggekürzt und dann als zusätzliche Dienstleistung wieder eingeführt. Qualifizierte wird durch unqualifizierte Arbeit ersetzt. Viel schlimmer: Wer arm ist, hat eigentlich nicht die Zeit, sich für 160 Euro Mehraufwandsentschädigung den ganzen Tag um Postvertrieb zu kümmern. Er muß Geld verdienen, wie auch immer.

Um Verdrängungsprozesse aufzuhalten sollen Beiräte aus Vertretern der Wirtschaft und der Gewerkschaften darüber wachen, daß unfaire Billigkonkurrenz unterbleibt. Doch in der Praxis gelten von Ort zu Ort unterschiedliche Regeln. In Hamburg haben sich die Handwerkskammer und die Stadt längst auf ein Abkommen geeinigt, nach dem alle Aufgaben, für die keine Haushaltsmittel mehr vorhanden sind, von Ein-Euro-Arbeitern erledigt werden. So muß der Etat nur eng genug geschnitten werden, um viele der bisherigen Regelaufgaben auf die Billigkräfte zu transferieren. Dafür wird der Kammer garantiert, daß auch sie von den Ein-Euro-Jobbern profitiert. Das ist attraktiv, denn diese kosten nicht nur nichts, sie bringen auch noch Geld: 500 Euro pro Person und Monat zahlt der Staat, mindestens 300 Euro davon kassiert der Träger. Deshalb gibt es auf 10000 Stellen in Hamburg 20000 Angebote. Damit auch der Übergang in Handwerk und Industrie klappt, fordert BDI-Präsident Michael Rogowski eine weitere Absenkung des ALG II. Jede Arbeit, egal zu welchem Preis, soll akzeptiert werden. Interessenvertretungen? Gewerkschaften? Tarifverträge? All das ist hier ein Fremdwort. Ist der Arbeitgeber mit den Leistungen nicht zufrieden, fliegt der Jobber raus: von jetzt auf gleich.

Billiglohnbereiche gibt es schon jetzt, nicht selten von Tarifpolitik begleitet. Die Ein-Euro-Jobs sozialisieren hier nach. Anspruchsverwöhnte Arbeitnehmer und Erwerbslose sollen begreifen: Es geht noch schlimmer! Deshalb wird die hermetisch enge Grenze zwischen staatlich gefördertem und allgemeinem Arbeitsmarkt aufgelöst. Wo jede Arbeit zumutbar ist und erzwungen werden kann, wird die Gelegenheit zu arbeiten, egal unter welchen Bedingungen, selbst zum Lohn.

Das erste Experimentierfeld sind die Kirchen und die Wohlfahrtsverbände, dann die Kommunen. Gebeutelt durch eine schwere Finanzkrise, wissen sie, daß es unter den Millionen Erwerbslosen viele Qualifizierte gibt: vom Krankenpfleger bis zum Pädagogen. Es erschließt sich ein erhebliches Reservoir. 6,4 Milliarden Euro hat deshalb Finanzminister Eichel als staatliche Zuweisung geparkt, um geplante 600000 bis 850000 weitere Ein-Euro-Jobs allein in diesem Bereich zu schaffen. So können und sollen Kindergärten, Krankenhäuser, Sozialstationen und soziale Dienste betrieben werden. Die Arbeitwohlfahrt sagt: Wer ein Kind großgezogen hat, ist qualifiziert für Kinderbetreuung. Ein-Euro-Jobs werden so gesellschaftsfähig. Die Träger lügen sich selbst in die Tasche: Da man am Gesetz nichts mehr ändern könne, will man es, »im Sinne der Betroffenen«, positiv gestalten.

Mit den Ein-Euro-Jobs findet eine Entwicklung ihren vorläufigen Abschluß, die sich seit längerem abzeichnet. Kontinuierlich sank das Lohnniveau auch schon im zweiten Arbeitsmarkt. Mit staatlich organisierter Leiharbeit (Personalserviceagenturen) und der Förderung von Minijobs (heute 7,1 Millionen) kam ein weiterer Schritt hinzu. Pflichtarbeit sah auch das Bundessozialhilfegesetz schon vor. Stetig sinkt das Einkommensniveau auch bei regulär Vollzeitbeschäftigten. Auch dort arbeiten 2,5 Millionen Menschen schon jetzt für Armutslöhne. Die dauerhafte Verstetigung dieses Niedriglohnbereichs und dessen quantitativer und qualitativer Ausbau ist das Ziel der Reformen. Ein-Euro-Jobs disziplinieren die Menschen, sich darauf einzulassen, zwingen sie zur Arbeit, egal unter welchen Bedingungen.

Diese Strategie zur Senkung der Lohnkosten ist aus der Sicht des Kapitals ein äußerst adäquates Instrument, die Wirtschaftskrise zu überwinden. Deshalb die Agenda 2010: Arbeitszeitverlängerung, Senkung der unmittelbaren Lohnkosten, Privatisierungen, Flexibilisierung, Deregulierung, Reduktion der Staatsquote. Die Ein-Euro-Jobs sind ein zusätzliches Instrument, diesen Prozeß zügig voranzubringen.


Wie sich wehren?

Mit Tarifpolitik ist da nichts zu machen. Auch das Bemühen der Dienstleistungsgewerkschaften, den Begriff der Zusätzlichkeit eng zu halten, wird den dritten Arbeitsmarkt nicht aufhalten. Zu den Ein-Euro-Jobs kommen die Ich-AGs, die Mini-Jobs, die Leiharbeiter hinzu. Das sind Millionen. Auch das Mitbestimmungsrecht der Personalräte ist eng gesetzt. Ohne eine Politisierung des Konflikts ist nicht viel zu machen. Die gesellschaftliche Einkommensstruktur, Verteilungsgerechtigkeit und die Thematisierung der Frage, welche Art der Arbeit zu welchen Konditionen anerkannt werden kann, rücken ins Zentrum. Staatliche Aktivierung exerziert nur vor (in besonders perfider Weise), was gesellschaftlicher Standard in den Arbeitsbeziehungen sein soll. Klarheit in der Frage der Wert- und Preisbildung der Arbeitskraft ist eine Voraussetzung dafür, Möglichkeiten der Gegenwehr auszuschöpfen. Da in der Degradation größerer Teile der arbeitenden Bevölkerung die öffentlichen Güter, die öffentliche Daseinsvorsorge eine große Rolle spielt, muß zukünftig auch untersucht werden, wie sich diese Fragen mit der Lohnfrage verbinden.

Hingegen ist die Diskussion bei den Trägern, ob dieser dritte Arbeitsmarkt nun doch noch irgendwie positiv zu gestalten ist, ob nicht doch noch ein »bißchen Freiwilligkeit« zu implementieren sei, eine Diskussion, die am Kern des Problems vorbeigeht. Wer sich – wie es Kirchen, kirchliche Träger, Beschäftigungsträger, Wohlfahrtsverbände tun – einerseits darin gefällt, sozialpolitische Entwicklungen zu kritisieren, sich andererseits aber als Anbieter von Ein-Euro-Jobs profiliert, der handelt nicht nur unlogisch, sondern wird erleben müssen, daß er in der nächsten Runde haushaltspolitischer Entscheidungen noch weniger Zuschüsse erhält. Auch der Versuch, solche Maßnahmen integrationstheoretisch zu begründen, ist absurd. Das alles sind Verteidigungsgefechte, die zu nichts führen. Natürlich bleibt die Forderung nach einem öffentlich geförderten Beschäftigungssektor wichtig. Angesichts hoher und dauerhafter Massenarbeitslosigkeit, bei gleichzeitiger Nichterledigung sinnvoller Aufgaben, ergibt sich ein breites Spektrum. Aber öffentlich geförderte Beschäftigung kann nicht heißen: Zwang, Rechtlosigkeit und permanente Repression. Beschäftigung, öffentlich gefördert oder nicht, muß sich an gültigen Branchentarifen orientieren. Die Ein-Euro-Jobs bilden da keine Grundlage.

Gegenmacht ist im Alleingang nicht herstellbar. Gegenmacht braucht strategische Allianzen. Ohne diese ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch bei Karstadt oder Aldi »zusätzliche« Dienstleistungen durch Ein-Euro-Jobber verrichtet werden. Die Verpackung ist ja nicht gleichzusetzen mit dem Einkauf. Norbert Blüm findet da eine klare Sprache: Ein-Euro-Jobs würden nach dem Motto vergeben: »Ich schmeiße einen anständig Bezahlten raus und stelle jemand anderen für einen Hungerlohn ein«.

Drei politische Felder ergeben sich. Erstens sind die Personal- und Betriebsräte in den Kommunen und bei den Trägern dazu aufgerufen, die Einrichtung solcher Arbeitsgelegenheiten unter dem Gesichtspunkt der Zusätzlichkeit zu hinterfragen. Werden diese direkt in bestehende Arbeitsstrukturen integriert, greifen die Mitbestimmungsmöglichkeiten des Personalrats. Wo diese als Pool über Kooperationsverträge mit Dritten hineinkommen, muß geprüft werden, ob ein Mitbestimmungsrecht existiert: Ist die Tätigkeit an Weisungen eines Vorgesetzten aus dem aufnehmenden Betrieb gebunden, handelt es sich um Regeltätigkeiten? Dann existiert ein Mitbestimmungsrecht. Ansonsten muß der Verdrängungsprozeß politisch thematisiert werden. In jedem Fall sollten sich Personalräte für zuständig erklären.


Nicht mal unfallversichert

Zweitens müssen neue Formen der Interessenvertretung für Ein-Euro-Jobber gefunden werden. Bis zu einer Million Ein-Euro-Jobber sind keine Kleinigkeit. Sie verändern dieses Land. Die sichtbare Not, die sich darin ausdrückt, daß sich viele auch freiwillig auf solche Jobs bewerben, kann uns nicht egal sein. Die Bildung von Interessenvertretungen zumindest auf kommunaler Ebene muß unser Thema sein. Das grundsätzliche »Nein« zu den Ein-Euro-Jobs verbindet sich hier mit dem harten Kampf um jeden Zentimeter der politischen und ökonomischen Gestaltung. Das Ziel muß darin bestehen, Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Das fängt mit der Forderung nach einem Ticket im öffentlichen Nahverkehr an, reicht über die Forderung nach einer Unfallversicherung (die Ein-Euro-Jobber nicht haben) und mündet schließlich in der Überführung der Ein-Euro-Jobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Wenn uns die Politik wieder in einen Zustand versetzt, der für August Bebel Ansatzpunkt für die Bildung der Sozialdemokratie war, dann müssen wir diesen Kampf wieder aufnehmen. Laut Paragraph 2 Absatz 1 Ziffer 1 SGB VII (Unfallversicherung) sind »Beschäftigte« unfallversichert. Die spannende Frage: Ist ein Mensch in einer Arbeitsgelegenheit »Beschäftigter« im Sinne der Unfallversicherung? Das wäre doch eine Frage, die wir leicht thematisieren können, aber die zugleich für die weitere Debatte nicht unwichtig ist. Die Nicht-Schlechterstellung der Ein-Euro-Jobber gegenüber Personen, die sich im Freiheitsentzug befinden, sollte doch zu thematisieren sein. Schauen wir genauer hin: Strafgefangene auf Freigang haben einen Anspruch auf Lohnfortzahlung, ortsübliche Bezahlung, Urlaubsgeld usw. Wo in Behörden und Trägern Personalräte existieren, sollte sich diese auch für diese Fragen für zuständig erklären, gemeinsam mit den Gewerkschaften, damit die Jobber nicht wie Insassen psychiatrischer Anstalten behandelt werden. Auch bei der Frage der Entlohnung kann verschiedenes diskutiert werden: Die Kombination aus ALG II, Mehraufwandsentschädigung und Leistungen für die Unterkunft sollte mit ortsüblichen Löhnen verglichen werden. Den Rest – das wäre eine konkrete Forderung – soll die Kommune oder der jeweilige Träger bezahlen! Immer wieder sollte auch auf die Verfassungswidrigkeit unfreiwilliger Arbeit aufmerksam gemacht werden, wie sie sich aus Artikel 12, Absatz 2 und 3 des Grundgesetzes ergibt.


Gesetzliche Mindestlöhne

Das dritte, vielleicht zentrale Element einer Gegenstrategie kann in der erwähnten Thematisierung gesamtgesellschaftlicher Einkommensstrukturen liegen. Dabei geht es um Grundsicherung, gesetzlich zu regelnde Mindestlöhne, Einkommenssicherheit und um die Macht über die Einkommensverteilung. Die Diskussion um einen gesetzlichen Mindestlohn ist dabei vordringlich. Franz Müntefering hat auf dem Höhepunkt der Bewegung gegen »Hartz IV« einen gesetzlichen Mindestlohn ins Gespräch gebracht, um damit der Bewegung die Spitze zu nehmen. Die kurze und heftige öffentliche Debatte, die folgte, zeigt, wie empfindlich das Kapital darauf reagiert, selbst wenn Müntefering wohl eher an Bruttolöhne weit unter 1000 Euro dachte. Gesetzliche Mindestlöhne gibt es in neun von 15 der alten EU-Länder. Die europäische Sozialcharta von 1961 besagt, daß 60 Prozent des nationalen Durchschnittslohnes als untere Grenze für den Mindestlohn anzusehen sind. IG Metall und die IG Bergbau-Chemie-Energie lehnen diese Debatte ab, weil sie glauben, besser bezahlte Kernbelegschaften zu vertreten, Mitgliederschwund und einen Bedeutungsverlust für die Tarifautonomie befürchten. Tatsächlich ist aber der Druck der Niedriglohnbereiche schon jetzt erheblich und setzt der Verhandlungsmacht der Gewerkschaften Grenzen. In 130 Tarifverträgen sind Entgelte von weniger als sechs Euro Stundenlohn vorgesehen. Mit der EU-Norm im Rücken läge die Forderung für einen gesetzlichen Mindestlohn bei mindestens 1500 Euro Brutto. Das ist schon jetzt die Forderung der Gewerkschaft NGG (Nahrung-Genuß-Gaststätten). Wenngleich die praktischen, politischen und juristischen Probleme eines gesetzlichen Mindestlohns gewaltig sind, muß um ihre Lösung gerungen werden. So könnten Abwehrkämpfe mit Perspektive verbunden werden.
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greetz Pegus

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Re: Einmal Ein-Euro-Jobber, immer Ein-Euro-Jobber

PS:
Und genauso war es auch in der Planung!
Natürlich wird ein Teil dießer Arbeitslosenarmee darauf zurückgreifen (was auch haargenau berechnet wurde). Wie kommt man denn besser zu noch mehr Krininalisierung? Ein grausamer Plan, der aufgeht. Schon jetzt, platzen die Gefängnisse und man muß in Zellen Notbetten aufrichten. So ein Notbett, ist ebenso dasselbe, daß man beim Baden - gehn einpackt. Ein Klappbettchen, zumindest mal hier. Wie und weßhalb dieß geschieht, darüber haben wir ja schon im Sommer diskutiert. Ein Teilchen, der Globalisierung- so nah schon?Und wenige merkens?Man schüttelt zwar etwas den Kopf wegen des Euros, und das wars auch schon! Auch ein Teilchen, der Euro, wie freut man sich wenn der sich vertschüßt?Und das wird Er, baldigst, der fälschungsichere Euro. Ständig tauchen Blüten auf vorwiegend 50.z und 100,ter. Wusste man da auch im Vorfeld?Bis dato gabs noch nie eine Währung auf Papier die nicht gefälscht wurde. Vor einiger Zeit laß ich, daß in Italien mehr nachgemachte Lirescheine im Umlauf sind als echte Noten. Gesammtgesehen, mehr unechte als echte, und man schreibt darüber und das wars auch schon.
Salve Pegus

,.:`#.:,,S





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Re: Einmal Ein-Euro-Jobber, immer Ein-Euro-Jobber

Hallo Pegus,

danke für diesen sehr interessanten Beitrag. Dass Ein-Euro-Jobber das Schicksal haben dürften für immer Ein-Euro-Jobber zu bleiben habe ich schon länger vermutet und auch in meinem Politikforum geschrieben.

Für mich ist auch klar, dass es nicht nur um Arbeitslose sondern eben auch um die geht, die noch sozialversicherungspflichtige Arbeit haben - die Löhne sollen einfach gedrückt werden.

Auch die Sache mit der "Kriminalisierung" hat meiner Ansicht nach was für sich. So kann man prima die Rechte der Bürger weiter beschneiden - dient ja nur zur eigenen Sicherheit, nicht wahr? Das Schlimme ist, dass die meisten Menschen dies irgendwie nicht mitzubekommen scheinen oder es ist ihnen egal. Jetzt könnte man noch dagegen angehen wenn alle zusammenhalten würden anstatt weiterhin jeweils "ihr eigenes Süppchen zu kochen", aber bald wird es zu spät sein.

Liebe Grüße,
Eva

"Die Weisheit eines Menschen misst man nicht an seiner Erfahrung, sondern an seiner Fähigkeit, Erfahrungen zu machen" George Bernhard Shaw

Re: Einmal Ein-Euro-Jobber, immer Ein-Euro-Jobber

Hallo @ll,

dass 1-Euro-Jobs eher "Verdrängungsjobs" (immer mehr sozialversicherungspflichtige Jobs können abgebaut werden) sind, wird in diesem Artikel meiner Ansicht nach sehr gut beschrieben.

Liebe Grüße,
Eva

Damit das Mögliche entstehen kann muss immer wieder das Unmögliche versucht werden

Re: Einmal Ein-Euro-Jobber, immer Ein-Euro-Jobber

So funktioniert das moderne KZ. Die Menschen werden am Ende noch winseln darum, daß man sie doch endlich totschlagen möge.

Warum bilden sich keine Gruppen, die sagen: "Wir brauchen weder Arbeit, noch Politik und Wirtschaft, noch dies und das und jenes". Unter den vielen Millionen Arbeitslosen gibt es Menschen aller Berufe, warum bilden sie nicht eine Gesellschaft, die sich ohne Geld gegenseitig unterstützt? Eine Gesellschaft ohne materiellen Besitz? Eine Gesellschaft, die allenfalls von Mundraub lebte? Warum lässt man Politik und Wirtschaft nicht links liegen? Eines Tages muss man es sowieso tun, denn es wird noch viel, viel mehr Arbeitslose geben. Die kann man dann noch nicht einmal mehr mit ein Euro Jobs alimentieren. Und wenn es ganz arg hergeht, dann wird das Heer der Arbeitslosen den Reichen gewaltsam wegnehmen müssen, was ihnen vorenthalten wird. Und so wird der Hass unter den Klassen ewig hin- und herwogen, mal sind die einen "oben", man die anderen.

Also lasst das Lamentieren. Zeigt es nicht, daß man soo gerne an diesem Materialismus, der Wenige unermesslich reich macht und Viele arm, klammert und festhält, weil er gewissse "unverzichtbare" (geizig) geile Lustgefühle macht?

Re: Einmal Ein-Euro-Jobber, immer Ein-Euro-Jobber

Hallo Wanderer, scheinst ja viel auf Details zu achten, finde ich allemal gut sowie Lebenswichtig .. viel Weitsicht bedarf es m.E. nicht mehr um zu erkennen, daß sich auch die Gegenseite (Politik, alles was Geld bezw. Machtansprüche stellt) in einer Sackgasse befindet ... Das man es voll auskostet ersieht man ja schon seit vielen Jahrzehnten, deshalb auch die Riessenschritte in Richtung Weltliche Allmacht . Die Masse ist nicht schwer zu blenden.. was uns leider andauernd vor Augen geführt wird.. so wird man sich auch nicht scheuen, alle Erdenbürger unter einem Dach unterzu bringen..Der Plan vom Glasbürger ist ja keine neuer Gedanke, nur zur Umsetzung bedarf es halt immer einer gewissen Zeitspanne, die leider erreicht wurde . Somit wird sich alldas wiederholen, ja sogar in noch schlimmeren Varianten ausarten. Die allergrösste Waffe, die wir gegen diesses System (das zweifellos ein Verbrecherisches ist) einsetzen sollten.. ist dem Angstfrei entgegenzuschreiten, diesse Meinung teile ich voll und ganz mit Dir ! Was bliebe uns ansonst ?
Man beachte wie schnell man sich als Sklavenarbeiter, abstempeln lässt. Gewohnheit, ist eine effiziente Waffe, für die Mehrzahl leider als solche nicht gleich erkennbar...
Beste Grüsse...





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Re: Einmal Ein-Euro-Jobber, immer Ein-Euro-Jobber

Hallo Wanderer,

Weil das erstens in unserer Zeit nicht machbar ist. Wir leben nicht mehr vor 2000 Jahren, wo man noch in die Wüste (oder in unberührte Landstriche) gehen, als Einsiedler (oder auch als einsiedelnde Gruppe) leben konnte. Heutzutage würde dies einfach Obdachlosigkeit bedeuten und zwischendrin immer wieder Knast, weil man wegen Diebstahl (und sei es "nur" Mundraub) verhaftet und verurteilt wird. Ein Leben in dreckigen Städten, unsicheren Parks und unter Brücken. Und wenn es einem ganz dumm erwischt, wird man von irgendwelchen Neo-Nazis oder Punks zu Tode geprügelt. Wirklich aussteigen können sich nämlich auch nur die leisten, die (viel) Geld haben, nicht aber die Mehrheit der Arbeitslosen.

Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass die meisten Menschen so ein Leben erstrebenswert finden. Ich selbst finde es, ehrlich gesagt, auch nicht erstrebenswert. Mein Problem ist, dass ich nicht verstehe, warum in Deutschland die Leute nicht von ihrem Sofa runter zu holen sind und in Massen auf die Straße gehen wie z. B. in Frankreich oder Italien. In Frankreich hat man sich auf diese Weise gewehrt und gewonnen - Gesetz gekippt. So einfach kann das sein, wenn man nur etwas Interesse an Politik hat und die Fähigkeit, sich solidarisch zu verhalten.

Oder nehmt Nepal - die Menschen dort waren viel gefährdeter an Leib und Leben bei ihrem Protest gegen die Diktatur des Königs als es Demonstranten gegen Hartz IV je sein würden - sie haben es geschafft und das ganz ohne Königsmord oder einem "Holocaust" wie ihn China einst am Platz des Himmlischen Friedens (der Name ist hierbei fast schon zynisch) veranstaltet hat. Diese Menschen haben Mut und den Willen, etwas zu verändern - in Deutschland leider nicht möglich.

Hier findet man dagegen überwiegend drei "Varianten" - diejenigen, die sagen (ohne es überhaupt versucht zu haben): "Ich kann doch sowieso nichts dagegen tun.." und sich in alles brav und untertänig fügen bzw. alles schlucken, was ihnen die Herrschenden vorsetzen; diejenigen, die sich selbst darin versuchen, mehr Geld zu raffen (und sei es nur als Kleinaktionär oder auch aus krankhaftem Geiz heraus), die hinter jedem vermeintlichen Schnäppchen herrennen und denen nichts billig genug sein kann (was dann wieder Arbeitsplätze kostet) und schließlich als Drittes die vermeintlichen Totalverweigerer, die sich ins Privatleben und/ oder ins "geistige Leben" oder die (Welt-)Religion zurückziehen. Aber alle Drei erreichen damit absolut nichts. Wie man es machen muss - siehe Frankreich, Italien, Nepal u. a..

So düster sehe ich das nicht, so aussichtslos, eine Änderung herbeizuführen, ebenfalls nicht. Die meisten Menschen der breiten Masse sind einfach irregeleitet - kein Wunder, es wird alles ja schon ganz kleinen Kindern eingetrichtert. So braucht es schon einmal viel Arbeit an sich selbst und vor allem Mut, sich dem Mainstream entgegenzustellen. Schade dass wir Deutsche nicht so mutig sind wie Franzosen oder Nepalesen.

Gerade die "Verweigerer" unterstützen in ganz besonderer Weise die "Herrschenden", wie man bei den Landtagswahlen vor einigen Wochen gesehen hat. Die geringe Wahlbeteiligung wurde als Erfolg für die Regierenden verbucht. Tja - eine pfiffige Aktion, wie Stimmzettel mit guten Sprüchen (nichts Ordinäres) ungültig zu machen oder eine Mini-Partei, (natürlich nichts Radikales) wie z. B. die "Familienpartei" auf z.B. 25 % zu hieven, das hätte für Schlagzeilen gesorgt und man hätte seitens der Regierungen nciht mehr sagen können, dass die Leute nur deshalb nicht zur Wahl gehen, weil sie mit der Regierung so zufrieden sind.

Lieber Wanderer, ich lamentiere nicht, ich bin auch keine Betroffene, aber ein Mensch, dem das Schicksal seiner Mitmenschen am Herzen liegt. Wenn Du mich so einschätzt, wie Du in Deinem letzten Satz schreibst, muss ich leider feststellen, dass Du absolut nicht verstanden hast, um was es mir geht. Ich strebe nicht nach Reichtum, ich möchte aber auch nicht auf der Straße und von "der Hand im Mund" leben müssen, wie so viele Menschen auf unserem Planeten. Wußtest Du, dass inzwischen auch in den Niederlanden und in Deutschland Menschen hungern? Vermutlich nicht - sonst würdest Du so etwas wie Deinen Schlusssatz überhaupt nicht schreiben.

Und weil ich so, wie vor beschrieben, nicht leben möchte, gestehe ich auch meinen Mitmenschen ein menschenwürdiges Dasein, in dem man ein Dach über dem Kopf, vollwertiges und regelmäßiges Essen hat und best mögliche medizinische Versorgung in Anspruch nehmen kann, zu.

Ich steige auch nicht in ein "geistiges Nirwana" aus und lasse diese Welt und ihre Menschen links liegen, was ich persönlich für ziemlich egoistisch und genauso schlimm wie die Profitgeier halte und ich habe mich eines Tages entschieden, aktiv und im Rahmen meiner Möglichkeiten etwas gegen diese menschenverachtenden Entwicklung in unserem Land - und nicht nur da, soweit möglich - zu tun. Es gab durchaus Momente, wo ich alles hinwerfen wollte, weil ich irgendwann nicht mehr die Standardsätze "ich kann doch sowieso nichts dagegen machen" oder "die sind doch nur zu faul zum Arbeiten" hören konnte - ich habe es nicht getan und bin sehr froh darüber. So kann ich mir wenigstens selbst in die Augen sehen und sagen "du hast es zumindest versucht". Wenn das für Dich egoistisch ist, kein Problem, dann bin ich eben egoistisch. Schließlich ist ein "gesunder" Egoismus Bestandteil der Natur und sichert das Überleben.

Leider hat in unserer Welt der Egoismus ziemlich krankhafte Formen angenommen. Es wäre genug für alle da, würde man alles gerecht verteilen. Würde man auch endlich akzeptieren, dass es aufgrund der gestiegenen Produktivität und des technischen Fortschritts keine erwerbsmäßige Vollbeschäftigung mehr geben wird/ kann und "Arbeit" endlich anders definieren - nämlich, dass z. B. Kindererziehung, Pflege von Angehörigen, Sportverein, Freiwillige Feuerwehr u. v. m. auch "Arbeit" ist und ein bedingungsloses Grundeinkommen von mindestens 1000,-- Euro für jeden erwachsenen Bürger (für Kinder die Hälfte) einführen, welches alle bisherigen Sozialleistungen ersetzt, im Unterschied dazu aber jeder erhält, könnte man nicht nur in der Verwaltung eine Menge Geld sparen und Menschen ein würdiges Dasein ermöglichen sondern auch dringende, nur bis jetzt unbezahlbare Tätigkeiten, im sozialen/ gesellschaflichen Bereich schaffen.

Warum man das nicht macht, hat meiner Ansicht nach den einfachen Grund, dass die Wirtschaft den (potenziellen) Mitarbeitern wieder etwas bieten müsste, denn die Zeiten des Erpressens/ der Nötigung von ArbeitnehmerInnen, des Lohndumpings, der Schaffung eines neuen, willigen Sklavenheers und der überdimensionalen Profite wäre nämlich damit endgültig vorbei.

Liebe Grüße,
Eva

Damit das Mögliche entstehen kann muss immer wieder das Unmögliche versucht werden

Re: Einmal Ein-Euro-Jobber, immer Ein-Euro-Jobber

Was glaubt Ihr, Leute?
Daß man in 3 Jahren 6 Millionen oder 7, 8, 9 10, oder mehr mit Harz verkleistern kann? Woher bitte soll das Geld dafür kommen? Wer bezahlt das? Der verarmte Arbeitsplatzbesitzer? Und woher soll das viele Geld kommen für das berüchhtigte "Grundbürgergehalt" oder wie auch immer man das nennt?

Andre Franquin, bekannt als Erfinder von diesem Marsupilami, hat mal ein wirklich bitterböses Comic gemacht von einem fiktiven Staat Palumbien in Lateinamerika. Die Palumbianer haben in - natürlich manipulierten - wahnsinnigen Kaufanfällen für Unmengen von nutzloser Seife und Zahnpasta ihr letztes Geld ausgegeben, mussten daher diese Seife und Zahnpasta fressen. Reich wurden zwei Schurken. Natürlich in ein kindliches Comic verpackt, nichts desto trotz treffend.

So läuft das heute. Die Menschen finanzieren ihren eigenen Untergang und einige Gauner in feinem Tuch knebeln die Untertanen mit Gesetzen, die sie, die Gauner, stets besser schützen müssen.

Die beste Chance sehe ich in einem Verzicht auf jeglichen Besitz, denn die menschlichen Bedürfnisse zeigen es ja: Es darf nichts in verkäuflichen Besitz kommen, verknappt werden, um zu Reichtum zu gelangen und daraus folgend zu Macht und Einfluß über seine Mitmenschen.

Ich weiß schon, das sieht im Moment völlig anders aus und man ist mit einer solchen Forderung fast schon ein Verfassungsfeind. Aber es wird mal anders kommen, weil die Menschen sonst keine Chance mehr haben werden. Überdeutliche Anzeichen dafür brauche ich doch nicht wirklich extra zu nennen, oder?

Wacht auf, Leute, macht Euer Herz und Hirn frei vom klebrigen Hartz.

Re: Einmal Ein-Euro-Jobber, immer Ein-Euro-Jobber

Hallo Wanderer,

was das sog. "Grundeinkommen" von Hartz IV betrifft, stimme ich Dir voll und ganz zu, dass das irgendwann nicht mehr finanzierbar sein wird. Was soll dann Deiner Ansicht nach mit den Menschen geschehen - sie verhungern lassen oder gleich jeden Erwerbslosen wie ein Tier einschläfern lassen?

Wie ich im letzten Posting schon schrieb - wir brauchen eine andere Definition von Arbeit. Wie ein wirklich existenzsicherndes, bedingungsloses Grundeinkommen, dass alle Sozialleistungen wie ALG I, ALG II, BAFÖG, Kindergeld, Konkursausfallgeld, Kurzarbeitergeld, Rente, Wohngeld usw. finanziert werden könnte, hat Jeremy Rifkin beschrieben (hier im Forum unter "Ende der (erwerbsmäßigen) Arbeit"? nachzulesen). Allein in der Verwaltung könnten so riesige Summen eingespart werden.

Absolute Besitzlosigkeit mag ja ein edler Gedanke sein, nur lässt sich dieser in der heutigen Zeit nicht umsetzen, jedenfalls nicht in unseren Breiten. Es sollte auch nicht darum gehen, unseren technischen Fortschritt zu verteufeln, sondern um eine bessere Verteilung der Güter, um mehr Verhältnismäßigkeit, mehr Solidarität und mehr Nachhaltigkeit und einem sorgsameren Umgang mit unseren Ressourcen und der Natur selbst. Langfristig müsste so eine Gesellschaftsform den Kapitalismus, der inzwischen die "eigenen Kinder frißt" ablösen.

Man arbeitet dann nicht mehr, um (viel) Geld zu verdienen (oder läßt das Geld für sich "arbeiten"), sondern weil man es kann. In so einer Gesellschaft sollte dann z. B. eine Krankenschwester oder Altenpflegerin mehr Anerkennung erhalten, als jemand, der nur gut an der Börse spekulieren kann. Geld müsste endlich wieder das werden, was es einmal vor langer Zeit war - ein Hilfsmittel für den Tauschhandel, nicht mehr und nicht weniger. Dass so eine Gesellschaft noch eine ziemliche Utopie ist, weiß ich, aber ich halte sie nicht für unmöglich, wenn es auch zwei, drei Generationen mindestens brauchen würde, um die "Utopie" in die Praxis umzusetzen.

Liebe Grüße,
Eva

Alle sagten "das geht nicht", dann kam einer, der wusste das nicht und machte es.

Re: Einmal Ein-Euro-Jobber, immer Ein-Euro-Jobber

Hallo Eva, hallo an Alle ...
Wir hatten weltweit schon eine Menge Gesellschaftsmodelle durchprobiert. Vielleicht eigneten sich Etliche zum friedlichen Zusammenleben, vielleicht auch gar keines.
Dass es im Grunde genommen keinen wirklichen Unterschied gibt in dem, was Menschen in Machtstellung verschiedenster Systeme tun und treiben, mag dieser Beitrag aus der Monde Diplomatique verdeutlichen:
https://www.monde-diplomatique.de/pm/1995/12/15/a0262.archivtext.id,1

Worauf also käme es wirklich an? Auf Arbeit? Auf Geld?
Auf eine Zusammenlegung verschiedenster Finanzierung von Bürgern: "Wie ein wirklich existenzsicherndes, bedingungsloses Grundeinkommen, dass alle Sozialleistungen wie ALG I, ALG II, BAFÖG, Kindergeld, Konkursausfallgeld, Kurzarbeitergeld, Rente, Wohngeld usw. finanziert werden könnte, hat Jeremy Rifkin beschrieben"?
Ja bitte, dann aber müsste man auch erklären, was all die vielen Verwalter und Beamten dann tun sollen, die jetzt noch eine Beschäftigung haben. Legt man alle diese Gelder zusammen zu einem Grundeinkommen, dann haben wir logischerweise weniger Verwaltung und somit weniger Beschäftigte. Es ist ja gleich, ob einer Malocher ist oder Verwalter. Auf das Tun kommt es doch an.

Wenn aber kein Tun mehr übrig bleibt?

Dieses rationale, pragmatische Denken, dieses mathematische Denken des Auskürzens von Formeln zu einem Einfachsten hin, es macht Menschen, Hände tätigkeitslos.
Sicher, es gibt einen gewissen Anteil in Bevölkerungen, die selber in der Lage sind, zu handeln, aber zu welchem Zweck? Kreatives Tun kann zur anödenden, langweilenden Massenware verkommen, wie Pop"kultur" oder die neuerdings eingetretene Krise Hollywoods zeigen. Irgendwann kennen die Menschen die seichten Sümpfe des Belanglosen Jeder-wie-er-denkt und verhalten sich wie der Monarch, den keine Gaukeleien mehr entzücken können.
Also führt die kreative Schiene ebenso ins Abseitige wie die reine Maloche, die reine Verwaltung etc. ...
Das stellt man sich ja so irgendwie vor, daß die Grundeinkommensempfänger kreativ sein würden. Aber steht dahinter nicht eine große Gemeinheit? Die nämlich, daß in einer von Kapital dominierten Welt jeder gegen jeden kreativ in dem Sinne sein müsste, um gegen den Mitmenschen überleben zu können? Ob ein Mensch sich für einen Euro verschachert oder für ein Grundeinkommen - wo ist der Unterschied? Dieser Mensch, ist der denn wirklich frei? Müsste der denn letztlich nicht irgendwann sogar um dieses Grundeinkommen fürchten? Denn er selber hat es ja kaum in der Hand, sondern es wird fern seiner Entscheidungssphäre festgelegt.
Müssen wir darüber nachdenken, ob alle Menschen gleich behandelt werden können oder ob alle Menschen frei sein wollen?
Wann sind Menschen gleich? Wann frei?
Welche Folgen hat Gleichheit? Diktatur?
Ich weiß, diese Diskussionspole Freiheit und Gleichheit werden von gewissen Kräften äusserst geschickt verwendet, um die Menschen zu verwirren und noch weiter ausbeuten zu können.
Aber es kommt halt drauf an Freiheit (wieder) verstehen zu lernen und auch erkennen, wem sie geschuldet ist.

Kehren wir zur Besitzlosigkeit zurück: Besitzt kein Mensch Grund und Boden, hat er schon mal das Thema Vererben vom Hals. Oder den Verkauf oder das Spekulieren. Oder, oder, es bleibt der Phantasie eines jeden überlassen, welche Auswirkungen dies hat. Nehmen wir noch die grausligen Erfahrungen der 68er mit ihren fruchtlosen Endlosdiskussionen, wer wann wie etwas zu tun hat oder nicht will, weil, sind wir jedoch wieder zurück in diktatorischen Strukturen, in denen ja jeder recht haben will und es besser weiß. Übergibt man aber gewisse Dinge der Verantwortung Einzelner, ist sicher, daß sich schon bald feudale Strukturen und daher erneut diktatorisches am Ende herauskommt.

Es scheint so, als ob Menschen eine Instanz brauchen, die sich einerseits nicht um den Finger wickeln lässt, andererseits jedoch Freiheit belässt.

Re: Einmal Ein-Euro-Jobber, immer Ein-Euro-Jobber

Hallo Wanderer, hallo @ll!

Nach Durchlesen des von Dir verlinkten Artikels würde ich sagen, dass das Problem der Welt eben der Kapitalismus ist. Die dort genannten Länder hatten ja auch nie einen wirklichen Kommunismus, sondern einfach eine Ein-Parteien-Diktatur. Wirklicher Kommunismus würde meiner Ansicht nach die ideale Gesellschaft bilden.

Im wirklichen Kommunismus wäre z. B. auch die von Dir propagierte Besitzlosigkeit enthalten, da alles ja allen gehört. Jeder arbeitet dann zum Wohl aller, was dann auch sein Wohl ist. Kennst Du die Science-Fiction-Serie "Star Trek - Deep Space Nine"? Die (irdische) Gesellschaft, die dort dargestellt wird, stellt für mich die Idealform des menschlichen Zusammenlebens dar. Es gibt zwar noch Geld, aber einfach nur zur Vereinfachung des Tauschhandels. Man strebt nicht mehr nach Besitz, sondern nach Wissen. Die Armut wurde vollständig eleminiert, weil die Versorgung der Menschen, einschließlich der medizinischen, zentral gesteuert ist und jede/r die best mögliche Versorgung erhält. Dadurch wurde auch die Kriminalität weitgehend eleminiert. Schwerpunkt ist zwar Wissenschaft und Forschung und es gibt auch noch eine Armee, die Sternenflotte, aber auf der Erde gibt es keine Kriege unter Menschen mehr. Man arbeitet zusammen, um das Wohl aller Menschen immer weiter zu verbessern.

Was nun das Grundeinkommen betrifft, es wäre meiner Ansicht nach der erste Schritt in die richtige Richtung. Was nicht nur von Politikern, sondern von allen Menschen weitgehend ausgeblendet wird, ist der technologische Fortschritt und die immer weiter steigende Produktivität. Immer mehr wird automatisiert und das wäre auch nicht weiter schlimm, wenn der Reichtum gerecht verteilt werden würde. Es ist ja nicht so, dass Deutschland ein armes Land ist, nur die Verhätnismäßigkeit passt nicht mehr. Immer mehr Großunternehmen fahren satte Gewinne ein, aber diejenigen, nämlich die einfachen MitarbeiterInnen, die diese Gewinne mit erwirtschaftet haben, gehen leer aus und müssen schon seit mehreren Jahren zumindest faktische Lohnkürzungen hinnehmen, während Vorstände und Manager und Aktionäre immer höhere Einkommen/ Dividenden, also sich immer größere Teile des erwirtschafteten Gewinns, einverleiben. Das müsste geändert werden. So müsste man zum Grundeinkommen auf jeden Fall einen Mindestlohn, der für eine Vollzeitbeschäftigung nicht unter 1500,-- Euro liegen dürfte und einen Maximallohn einführen.

Wir müssen einfach weg vom Profitdenken hin wieder zu einem Gemeinschaftsdenken. Dass dies kein einfacher Weg wird, ist schon klar.

Deine Befürchtungen über "Abstumpfung" teile ich nicht. Denn die "neuen Jobs", die dann entstehen, wären in erster Linie im sozialen Bereich und dem heutigen "Ehrenamt" zu suchen.

Zum Beispiel kommt jetzt langsam wieder der Beruf der Gesellschafterin auf. Durch Kleinfamilie und Singledasein vereinsamen immer mehr ältere Menschen. Hauptberufliche, selbständig arbeitende Gesellschafterinnen kümmern sich um diese Menschen, vorausgesetzt, die können das bezahlen. Ich habe von einer Gesellschafterin gelesen, dass sie 17,-- Euro die Stunde verlangt. Ein alter Mensch mit einer kleinen Rente kann sich das nicht leisten. Gibt es aber ein Grundeinkommen von mindestens 1.000,-- Euro, könnte die Gesellschafterin im sog. Non-Profit-Sektor arbeiten und der/die RenterIn müsste dafür nichts bezahlen.

Im Jugendsport z. B. fehlen massenweise Betreuer - auch das wäre so ein Bereich und für Jüngere oder auch körperlich topfite "über-40-Jährige" bietet sich z.B. die Freiwillige Feuerwehr an, die ebenfalls vielerorts händeringend Mitglieder sucht.

Durch die Kürzungen in den Haushalten wurden viele soziale Projekte eingestellt oder "auf Eis gelegt", was so ziemlich das Gleiche bedeutet. Hier gebe es eine Menge zu tun und für die durch die Zusammenlegung aller Sozialleistungen frei gewordenen Beamten und Angestellten bliebe auch noch genug übrig. Es gibt so viel zu tun in der Kinder- und Jugendarbeit, in Projekten für Senioren, im Umweltschutz usw. Solche Tätigkeiten würden sich meiner Ansicht nach wohltuend auf das menschliche Zusammenleben auswirken.

Anfangen könnte man bei den Menschen, die die Wirtschaft ohnehin nicht mehr haben will - nämlich bei den Arbeitssuchenden ab 40. Wer 40 Jahre alt ist, hat meist mindestens 20 Jahre gearbeitet (Frauen oft nicht, dafür leisten/ leisteten die meisten von ihnen Erziehungs- und Familienarbeit, was endlich auch einmal anerkannt werden sollte.) Nach 12 Monaten Arbeitslosigkeit heißt es für diese Menschen fast alles "versilbern", was man sich erarbeitet hat, um überhaupt dieses "verhartzte Verelendungsgeld" zu bekommen, was ihnen keinerlei Teilhabe an der Gesellschaft mehr ermöglicht, sich von BA-Mitarbeitern schikanieren lassen zu müssen und oft stumpfsinnige 1-Euro-Jobs annehmen müssen (wie das hier im Forum angesprochene immer wieder streichen einer extra aufgestellten Wand) und dürfen oft genug noch in den Plattenbau (zwangs-)umziehen.

Diese Menschen können nie mehr ein selbstbestimmtes Leben führen, weil sie nach einiger Zeit nicht einmal mehr den "äußeren Anforderungen" entsprechen können. Der Zahnarztbesuch ist gestrichen, neue Kleidung nicht mehr drin und auch nicht der Frisör. Wer z. B. einst als Sekretärin oder Ingenieur gearbeitet hat und das gerne wieder möchte, muss entsprechend "gepflegt" erscheinen, das kann er aber nicht, weil das Geld dafür nicht da ist und (erarbeitetes) "Vermögen" hat er ja nicht mehr. Auch die Möglichkeit, sich (beruflich) fortzubilden ist mit ALG II nicht mehr drin (bei uns kostet z. B. ein Sprachkurs bei der VHS um die 200,-- Euro, ein Computerkurs zwischen 250,-- und 1.000,-- Euro - kein ALG-II-Empfänger kann sich das leisten) - Ende der Fahnenstange!

Würde man aber diesen Menschen ein entsprechendes Grundeinkommen (zur Zeit mindestens 1.000,-- Euro) zahlen und ihnen die Möglichkeit geben, einer selbstgewählten sozialen Tätigkeit im "Non-Profit-Sektor" nachzugehen hätten diese Menschen endlich wieder eine Aufgabe und wieder Teilhabe an der Gesellschaft. Der Abstieg ins gesellschaftliche/ soziale "Nirwana" wäre aufgehalten und könnte sogar rückgängig gemacht werden.

Deinem Schlusssatz betreffend "Instanz" stimme ich voll und ganz zu. Leider trifft er meiner Ansicht nach auf keine politische Führung zu, die sich alle im Gegenteil immer mehr als "Sprachrohr" der Wirtschaftslobby heraus kristallisieren.

Liebe Grüße,
Eva

Alle sagten "das geht nicht", dann kam einer, der wusste das nicht und machte es.