Love and War
Die Sonne über Berlin erwägte unverschämterweise wieder eine größere Pause zu machen und überließ den dichten Regenwolken ihr Revier, während sie sich dahinter versteckte.
Es war in der Tat ein recht trüber Tag, aber manche Leute waren durch nichts aus der Fassung zu bringen. So einer war der neue PR-Manager von Kerima Moda - Rokko Kowalski. Er brachte mit seiner allseits guten Laune halb Kerima um den Verstand - und ganz besonders eine Person:
Lisa Plenske.
Diese hatte nun entgültig die Nase voll von seinen Annäherungsversuchen und bat ihn ihr Büro. Wie so oft konnte sich Rokko nicht normal auf einen Stuhl setzen, sondern drehte diesen um und lümmelte sich locker auf den "Hocker".
Lisa sah ihn mehr als missbilligend an. Sie konnte ihn immer noch nicht leiden, zumal er auch immer versuchte, ihr ihren geliebten David Seidel aus dem Kopf zu schlagen. Und so etwas konnte sie nun wirklich nicht dulden.
"Also, was ist jetzt? Du starrst mich so an, als wäre ich David Seidel!"
Rokko zwinkerte sie frech an, was Lisa noch wütender machte. Was bildete sich dieser Flegel nur ein? Hielt er sich für den unwiderstehlichsten Mann auf der Erde? Lisa konnte darüber nur lachen...
"Und jetzt grinst sie auch noch schief! Lisa, komm zur Sache, du wirst mir unheimlich!"
Lisa schlug mit der Faust auf den Tisch, etwas, was sie wirklich sehr selten tat. Rokko erschrak aber nicht, und Lisa wurmte das immer mehr.
"Also gut, wie du willst! Ich möchte, dass du mich in Zukunft mit deinen blöden Anmachen verschonst! Ich will nix von dir!"
Rokko spielte wie immer den Coolen, auch wenn Lisas Worte ihn innerlich sehr trafen. Aber gekonnt überspielte er seine Gefühle und erwiderte knapp:
"Das sagst du JETZT!"
"Nein, das sag ich immer! Du nervst mich einfach!"
Rokko wurde langsam doch zappeliger und wurde wie so oft sehr direkt.
"Ach? Und du meinst, dass du David Seidel mit deinen "Ich-hab-dich-doch-so-lieb-Blicken" nicht nervst?"
Rumms! Das hatte wieder gesessen. Lisa fuhr so schnell von ihrem Stuhl hoch, dass Rokko nun doch ein wenig erschrak. Zornig blickte sie auf Rokko herab, der sich nun auf ihr gewohntes Donnerwetter einstellte.
Aber Lisa beherrschte sich überraschenderweise und hatte für Kowalski nur einen verächtlichen Blick übrig.
"Deine Eifersucht bringt dir gar nichts! Im Gegensatz zu dir ist David ein seriöser Geschäftsmann und kein Hanswurst!"
Darauf hatte der gewitzte Rokko nur gewartet. "Ui ja, er wurstelt ja nur mit Blondinchenwitzen auf den Toiletten rum. Diese Monique konnte mir da was erzählen...oioioi!"
Lisa ballte die Fäuste und fragte sich, was diese Schnepfe Monique Westermann mit diesem Clown zu tun haben könnte.
"Lass diese Zicke aus dem Spiel. Das ist ewig her!"
"Ach, du warst auch dabei... n Dreier?"
Lisa lief nun so knallrot an, dass Rokko sofort daran denken musste, dieses Rot Hugo für seine neueste Kollektion vorzuschlagen.
"Raus hier!!!", schrie sie ihn ungewohnt heftig an.
"Hey, ich wühle tatsächlich deine Gefühle auf! Ich wette, so forsch wirst du bei David nie!"
"Denkste! Den habe ich sogar mal geohrfeigt!"
Instinktiv hielt sich Rokko nun die Wange, auch wenn Lisa NOCH um einiges entfernt war.
Aber zugleich wurde er sofort wieder frech.
"Hat er dir damals etwa was Schmutziges zugeflüstert? Du bist ja schon gegen das Wörtchen Sex allergisch..."
Lisa schmiss ihm ihre Ernie-Puppe entgegen.
"Autsch! Böser Ernie! Da musste jetzt aber schnell den Bert mit den schönen Augenbrauen rufen, um dich jetzt gegen meine Rache zu schützen!"
Lisa verdrehte genervt die Augen. "Werd nicht kindisch!"
"Stimmt, das Atribut steht eindeutig dir zu!" Und wieder blinzelte Rokko sie so frech an, dass Lisa nicht mehr anders konnte, als ihn endlich zurechtzustutzen.
Sie fuhr ihn an, und zwar mit so zornigen Blicken, dass es Rokko nun doch eiskalt über den Rücken fuhr.
"Es reicht mir jetzt! Auch wenn David dich eingestellt hat, ich kann dir jederzeit als Chefin wieder kündigen. Leider brauchen wir dich aber jetzt..."
"Ja ja, fürs Geschäftliche bin ich grade gut genug!", erwiderte Rokko schmollend.
"Das reicht ja auch! Zu mehr bist du wirklich nicht zu gebrauchen! Ich sag es jetzt, wie es ist: Ich kann dich nicht leiden und lieben werde ich dich erst recht nie können! Du bist in meinen Augen nur ein ausgeflippter Hampelmann, der sich immer aufblasen muss. Tut mir leid, aber du machst dir nur lächerlich, wenn du mir noch weiter hinter her läufst!"
Das war jetzt doch für den feinfühligen Rokko zuviel und er stand auf.
Lisa merkte, dass ihm ein gehöriger Kloß im Hals saß und dass er wohl mit den Tränen kämpfte. Fast tat er ihr wieder leid, aber sie musste einfach so streng sein.
"Dann viel Spaß mit deiner nicht lächerlichen Hinterherlauferei bei David!"
Sprachs und verschwand schnell und beleidigt aus Lisas Büro, die ein wenig über seine Worte nachdachte, diese aber schnell wieder aus ihren Gedanken schob. Sie würde bei David schon noch Erfolg haben, dessen war sie sich sicher!
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Rokko indes genehmigte sich eine verfrühte Mittagspause und wollte in die Tiki-Bar. Glücklicherweise oder besser unglücklicherweise traf er aber vorher noch Hugo und seine geliebte Frau Britta, die missmutig wieder zurückkamen, da die Tiki-Bar einem Brandanschlag zum Opfer gefallen war.
Auch Rokko kam sich mehr als ausgebrannt vor, was er wohl
dem "Drachen" Lisa zu verdanken hatte. Eigentlich wollte er nun zu Jürgens Kiosk gehen, aber seine Schritten lenkten ihn unwillkürlich zum Nobellokal "Wolfhardts".
"Ausgerechnet dieser Spießertreff!", murmelte Rokko grimmig, ging aber trotzdem hinein und ahnte nicht, dass von nun an sein Schicksal besiegelt war...
Wenig später drückte Rokko dem überaus pikierten Kellner Georg seinen durchnässten Anorak in die Hand und nach einer kurzen Begutachtung der Szenerie (lauter alte Säcke mit viel zu viel Kies) ließ er sich auf einem Stuhl fallen.
Von weitem sah er eine zierliche, dunkelhaarige Kellnerin und winkte ihr zu. "Huhu!", schrie er mehr als laut, während die anderen Gäste ihn argwöhnisch beäugten. Rokko freute sich aber nur über die zusätzliche Aufmerksamkeit, die ihm zuteil wurde.
Die junge Kellnerin Simone Werth war diese Art von Ruf zwar nicht gewohnt (nur das dumm Schnippen mit den Fingern von Sabrina Hofmann regte sie noch mehr auf), ging aber trotzdem mit freundlichen Gesicht zu dem neuen Gast.
"Guten Tag, der Herr. Darf ich Ihnen die Speisekarte bringen?"
Rokko blickte die junge Frau an und war irritiert über deren Stil.
"Also erstma: Ick bin der Rokko und kein Herr. Und zweitens: Sie sähen wirklich wie eine traumhafte Schönheit aus, ohne diese komische hochgesteckte Frisur."
Simone räusperte sich dezent. So ein ungewöhnlicher Gast hatte ihnen heute gerade noch gefehlt.
"Ähm, ja, danke. Und was darf ich Ihnen bringen?"
Rokko seufzte, er befürchtete, dass er hier wieder genauso viel Arbeit hatte wie bei Kerima. Aber wenn sich schon Lisa Plenske nicht verändern wollte, dann wollte er das wenigstes bei dieser süßen Bedienung versuchen.
Aber da spielte sein Magen nicht mit und knurrte - auch nicht gerade vornehm. Simone aber konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, was Rokko durchaus gefiel.
"Sorry, aber mein Schweinehund nörgelt schon seit heute morgen. Ich hätt dann mal gern nen Schweinebraten mit gaaanz großen Knödeln und zudem ein Bierchen - bitte in der Flasche!"
Simone wunderte sich nicht schlecht und gerade in dem Moment kam Georg zu ihr hin und flüsterte ihr zu: "Das ist der Typ von neulich, der ohne Benehmen. Ich rate dir..."
"Hey, finden Sie das nicht etwas unhöflich?", protestierte Rokko. Simone schickte Georg sogleich weg, sie traute sich durchaus zu, mit diesem seltsamen Gast selbst fertig zu werden.
"Entschuldigen Sie. Der Schweinebraten geht ja in Ordnung. Aber Bier kann man doch viel besser aus dem Glas trinken." Fast flehendlich blickte sie den jungen Mann an. Rokko aber, der allein durch sein buntes Sakko im ansonsten so dezenten Lokal auffiel, ging nicht darauf ein.
"Schnucki, bring mir bitte ne Flasche Bier! Ansonsten muss ich mich noch beschweren!"
Simone hatte alle Mühe, sich zu beherrschen, denn selten war ihr so ein dreister Gast untergekommen. Aber auf einmal kam ihr eine gewagte Idee.
"In Ordnung. Wenn Sie Bier aus der Flasche haben wollen - gerne!"
Sie ging hinter die Theke und Rokko war überaus zufrieden, seinen Willen durchgesetzt zu haben.
Unterdessen wunderte sich Georg nicht schlecht, dass Simone gerade ein Babyfläschchen mit Bier füllte. "Was machst du da?"
"Ich erfülle nur unserem Riesenbaby seinen größten Wunsch!" Simone zwinkerte Georg frech zu, aber dieser ahnte schon größere Schwierigkeiten auf sich zukommen.
Wenig später war Simone wieder vor Rokkos Tisch und sprach:
"Bitte schön! Eine Flasche Bier! Wohl bekomms!"
Rokko freute sich tierisch und blickte auf... Seine kantige Brille fiel ihm fast von der Nase, als er das Fläschchen sah.
"Wasn dat?"
Simone grinste über das ganze Gesicht. "Na, ne Flasche Bier, wie Sie wollten! Und bitte ganz zart zutzeln, dann kommt der Geschmack besser hervor!"
Simone ging erhobenen Hauptes zu einem anderen Tisch und Rokko starrte ihr hinterher. "Was für ne Frau!", kam es aus ihm bewundernd hervor und musste lachen, als er wieder die Flasche erblickte.
Simone blickte zu ihm und er prostete ihr zu. Er trank tatsächlich aus dem Fläschchen, was für allgemeine Unterhaltung sorgte. Aber nur die wenigsten Gäste waren amüsiert und beschwerten sich bei Georg, der sogleich Simone zu sich rief.
"Bitte schmeiss den Kerl raus! Wir können keinen Ärger gebrauchen."
Aber Simone war nun ganz und gar nicht gewillt, diesen komischen Vogel zu entfernen. Er war einfach zu komisch, ein richtiges Original eben.
Georg stöhnte auf und als Rokko auch noch anfing, "Bäuerchen" zu machen, platzte dem steifen Kellner der Kragen und wenig später sah sich Rokko verblüfft und verärgert auf der Straße wieder. Auch sein Anorak wurde ihm zugeworen und er wollte schon in seiner typischen Papageienart losschimpfen, als er aus einem Fenster Simone entdeckte, die ihm zuzwinkerte.
Sofort war er wieder ruhig und bemerkte, wie ein ganzes Rudel Schmetterlinge in seinem Bauch rumflogen. Er schob es dem ungewöhnlichen Bier zu, und ging seines Weges, noch nicht ahnend, dass er soeben wieder sein Herz verloren hatte...
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Inzwischen bei Kerima...
Richard von Brahmberg hatte sich in seinem Büro eingeschlossen. Aber er war nicht alleine, seine intrigante Mutter Sophie hatte es sich auf seinem Sessel bequem gemacht.
"Runter da, Mutter!"
"Nichts da! Erst sagst du mir, was du vorhast! Du hast wieder diesen diabolischen Blick an dir, den ich so sehr liebe!"
Richard musste grinsen, seiner Mutter konnte man ebensowenig wie ihm etwas vormachen. Und er musste noch mehr grinsen, als er an seinen perfiden Plan dachte.
"Diesmal werd ich David entgültig fertigmachen, verlass dich drauf!"
Aber das entlockte seiner Mutter nur ein müdes Gähnen.
"Ja ja, warum kommt mir dieser Satz nur so bekannt vor? Ach ja, du hast ihn bestimmt schon 1000 Mal gesagt, und David sitzt immer noch hier!"
"Aber nicht mehr lange! Zuerst muss ich diesen Werbefuzzi Kowalski entgültig loswerden..."
Seine Mutter wurde nun doch stutzig. Hatte Richard jetzt endlich mal einen brauchbaren Plan?
"Entgültig? So richtig mit "Ruhe in Frieden"?"
Richard lachte laut und überaus teuflisch, was seine Mutter regelrecht befriedigte.
"Du hast es erfasst! Und ich erlaube dir sogar, Asche in sein Grab zu streuen!"
Auch Sophie musste jetzt gehässig mitlachen. "Ich würde ihm lieber diese aufdringliche Plenske ins Grab legen!"
Aber Richard winkte ab. "Die Plenske? Die is harmlos..erst recht ohne David an ihrer Seite. Es ist ja bekannt, dass David den Kowalski nicht leiden kann. Ich muss nur noch dafür sorgen, dass der Streit eskaliert."
Sophie saß jetzt völlig kerzengerade auf dem Sessel und blickte ihren Sohn voller Stolz an. Dabei ergänzte sie seinen Plan.
"Und dann wird Kowalski auf tragische Weise ums Leben kommen. Natürlich wird der Verdacht auf David fallen und er wird verhaftet!"
Richard holte eine Flasche Champagner hervor, machte diese auf, füllte zwei Gläser und stieß mit seiner Mutter an.
"Und dann wird der Plenske nichts anderes mehr übrig bleiben, als mich zum alleinigen Geschäftsführer zu ernennen!"
Beide lachten wieder laut auf und besiegelten ihren teuflischen Plan.
Die Stunden von Rokko Kowalski und David Seidel sollten gezählt sein...
Am nächsten Tag...
Voller Elan und Schwung arbeitete Rokko an seinem neuen Projekt und seine gute Laune machte Lisa ganz wuschig.
Er müsste doch eigentlich todtraurig sein - nach ihrer Ansage gestern. Stattdessen grinste er so, als hätte er gestern noch die Sonne gestohlen.
"Typisch Männer!", entfuhr es Lisa, als Rokko ihr die neuesten Pläne für die groß angekündigten Kerima-Krawatten zeigte.
Rokko verstand ihren Ausbruch nicht ganz und bezog das auf die Krawatten.
"Na, Frauen stehen solche Teile aber auch gut!" Er erinnerte sich an die Kellnerin Simone und musste wieder unwillkürlich lächeln.
"Bei dir hakt es doch! Was hat sich Hugo eigentlich gedacht, Schweinchen mit Flügeln auf ne Krawatte zu pinseln? Das kauft doch kein normaler Mensch!"
Rokko aber grinste sie immer breiter an, woraufhin Lisa ihre liebe Mühe hatte, ihre Hände bei sich zu behalten und ihn nicht mal gründlich durchzuschütteln.
"Na, zum Glück sind ja nicht alle so übernormal wie Lisa Plenske. Und zweitens ist das meine eigene Kreation!"
Lisa schlug sich an die Stirn, eigentlich hätte sie sich das ja schon denken können.
"Hast du Drogen genommen?", fragte Lisa spitz.
"Nee, dabei war ich völlig clean. Aber wenn ich ma wieder so richtig high bin, fällt mir noch viel mehr ein!"
Lisa wusste, dass das nur ein Scherz war - lachen konnte sie trotzdem nicht. Und ausgerechnet jetzt kam David vorbei, eh schon in schlecher Laune, da er heute so nebenbei die Nachricht erhalten hatte, dass seine Ex Mariella gestern ihren Lars van der Lohe auf einer Ranch geheiratet hatte.
Das ewige dumme Grinsen von Rokko ging Lisa jetzt so sehr auf die Nerven, dass sie David einfach die Pläne von ihm vorhielt.
"So sehen die neuesten Kerima-Krawatten aus. Guten Flug kann man da nur wünschen!"
Zu Lisas Entrüstung klopfte ihr Rokko fest auf den Rücken.
"Ey, endlich ma ein Anflug von Humor bei unserer Lady ohne Grinsen. Na, ob wir das noch hinkriegen, dass se lustich wird? Vielleicht in 99 Jahren oder..."
David riss die Pläne an sich und blaffte Rokko an: "Das ist wohl ein schlechter Scherz! Kerima stellt keine Scherzartikel her sondern seriöse Mode!"
"Ja ja, seriöse Mode für seriöse junge Herren, die sich schon so alt vorkommen, da sie gerade von ihrer Liebsten verlassen worden sind..."
Lisa wurde bleich um die Nase, aber Rokko liebte einfach die Provokationen. Und hatte sogleich auch "Erfolg" damit, denn David ließ die Pläne fallen und packte Rokko fest am Jacket und zog ihn hoch.
"Sag das noch mal, du Schuft! Du machst dich wohl lustig über mich?"
Lisa wollte in ihrer Panik schon den Krankenwagen rufen - oder doch besser gleich den Leichenwagen? Denn wenn David mal so richtig wütend war. Auch Rokko kam jetzt ins Schwitzen und zu seinem "Glück" kam jetzt Richard dazu, der sofort die beiden Streithähne trennte.
"David? Spinnst du? Du kannst doch nicht unsere Superkraft umbringen!"
Rokko und Lisa trauten ihren Ohren nicht mehr. Rokko war für Richard eine Superkraft? Während Lisa an Richards Absichten berechtigterweise zweifelte, musste Rokko nun noch leicht voller Stolz die Brust erheben.
"Halt du dich da raus! Oder willst du Krawatten mit fliegenden Schweinen anziehen?"
"Durchaus eine nette Idee! Lass ihn doch seine Pläne verwirklichen. Für einen Augenblick dachte ich schon, dass du ihn umbringst!"
David schnaufte immer noch wutentbrannt und sagte jetzt etwas, was er noch zutiefst bereuen würde.
"Umbringen wäre gar keine so schlechte Idee. Diese Witzfigur würde eh keiner vermissen!"
"David!!!", mahnte Lisa entsetzt. Aber dieser winkte nur ab, hob den Plan auf und warf ihn Richard entgegen. "Schweine passen ja hervorragend zu dir!", blaffte er seinen verhassten Halbbruder an und verschwand in sein Büro. Tief besorgt lief Lisa ihm hinterher, während Richard ein gehässiges Grinsen aufsetzte. David war schneller in seine Falle gerannt, als er geahnt hatte. Das würde seine Pläne wesentlich verkürzen und er warf nun einen eiskalten Blick auf Rokko.
Dieser aber nahm den Blick gar nicht erst war, zu sehr war er noch mit dem unerwarteten Lob von dem Brahmzwerg beschäftigt.
"Ick mach dann ma Mittag!", rief Rokko ihm schließlich zu und verschwand hüpfend in den Aufzug.
Als sich die Lifttür geschlossen hatte, grinste Richard wieder teuflisch und zischte leise. "Dann mal viel Spaß bei deiner Henkersmahlzeit!" Er lachte und mit einem weiteren tiefen Genuß lauschte er dem Streitgespräch zwischen David und Lisa.
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Rokko indes stand pfeiffend an der Bushaltestelle und wollte sich heute mal was ganz Besonderes gönnen - ne echte Berliner Currywurst!
Zuerst merkte er nicht, wie die junge Dame daneben ihn amüsiert ansah. Dann blickte er doch zu ihr rüber und brauchte schon zwei Blicke, um sie zu erkennen. Denn die junge Frau war so ganz und gar nicht so steif gekleidet und frisiert, wie er sie in Erinnerung hatte.
Simone war lässig in Shirt und löchrigen Jeans gekleidet und ihre schönen dunklen Löckchen wedelten wild im Wind.
Rokko war ganz verzaubert von dem Anblick und konnte sie nur mit offenem Mund anstarren.
Simone lachte ihn mit ihrem schönsten Lachen mehr an als aus.
"Nun machen Sie schon den Mund zu, Berlins Fliegen denken sicher, dass ihre Zunge der rote Teppich für die Berlinale wäre!"
Nun musste auch Rokko endlich lachen.
"Sie sind ja schnuffig! Sie haben nicht zufällig Hunger und wollen mit mir die nächste Currywurstbude überfallen?"
Zu Rokkos Gefallen nickte Simone freude und wenig später erklärte sie ihm, dass sie heute einen freien Tag hatte.
"Und wann müssen Sie wieder in Kerima sein?"
Rokko zuckte nur lässig die Schulter.
"Och, als Superkraft kann ich mir durchaus ne längere Pause gönnen!"
Sprachs und zwickte Simone frech in ihren knackigen Hintern. Simone war nur eine Sekunde überrascht, dann kam ihre Reaktion. Nein, sie gab ihm keine Ohrfeige, im Gegenteil - sie kniff ihm einfach keck in seinen eigenen Hintern.
Erst war Rokko mehr als verblüfft, aber dann musste er noch lauter lachen. Er liebte Frauen mit Humor und glücklicherweise war Simone so eine.
Selig hakte sich Simone bei Rokko ein und wenig später stiegen sie in den Bus.
Die Wolken zogen sich unterdessen zu und bald würde es ein Gewitter geben. Beide ahnten aber nicht, dass ihnen bald eine viel größere Gefahr drohte, eine dunkle Gefahr, die beide für immer entzweien wollte...
Einige Tage später...
Sowohl Lisa als auch David wären Rokko am Liebsten an die Gurgel gesprungen -seine übertriebene Fröhlichkeit war kaum auszuhalten. Aber im Grunde genommen waren die beiden einfach neidisch auf ihn. David hatte ja selbst Kummer wegen Mariella - und Lisa wegen David.
Lisa verbrachte ihre Mittagspause wieder bei Jürgen und kaute lange an ihrem Schokoriegel.
Interessiert sah Jürgen seine beste Freundin an.
"Du kaust den Riegel so "genüsslich" als hättest du n Kondom zwischen den Zähnen!"
Mit entsetzten Blicken spuckte Lisa das Stück Schokolade aus ihrem Mund, wobei sich Jürgen nur noch mehr amüsierte.
"Danke, dass du mir auch noch den Appetit verderben musst!" , zischte Lisa ihn giftig an.
"Immer stets zu Diensten", erwiderte Jürgen mit einem schelmischen Grinsen, so dass auch Lisa lachen musste. Man konnte dem frechen jungen Mann einfach nicht lange böse sein.
Da kam auch schon eine Kundin in den Kiosk. Lisa erkannte diese erst auf dem 2. Blick.
"Simone? Sie hier?"
Die junge Frau warf ihre dunklen Löckchen nach hinten. Wenn Jürgen nicht auf Blondinen stehen würde, hätte er sie sofort angemacht...
Simone lächelte beide an und antwortete Lisa.
"Ja, ich dachte mir, dass ich den Kiosk auch mal besuchen muss, von dem Rokko immer so schwärmt!"
"Rokko?" Lisa musste sich räuspern und blickte verwundert und fast eifersüchtig auf Simone, so dass Jürgen noch mehr grinsen musste.
"Sie kennen Rokko?"
Simone grinste nur vielsagend. "Sagen wir mal so, wir sind gerade dabei, uns noch näher kennenzulernen."
Und ohne rot zu werden, bat sie Jürgen: "Bitte ne Packung Kondome!"
Jürgen musste höllisch aufpassen, dass er nicht gleich loslachte, denn Lisa hatte so einen entsetzten Gesichtsausdruck - den hätte er am Liebsten fotografiert.
"Familienpackung?", fragte er mit einem frechen Zwinckern, das Simone auch noch erwidern musste.
"Warum nicht... Man bzw. Frau muss ja vorsorgen!"
"Sehr löblich!", sprach Jürgen mit Hinweis auf den "Red-Nose-Day", wobei sich sein Kiosk für aidskranke Kinder einsetzte.
Simone verstand, kaufte noch zwei Nase für sich und Rokko und steckte ihre Ware in die Handtasche.
Besorgt warf sie noch einen Blick auf Lisa, die ganz bleich war und sich auf der Theke stützen musste.
"Geht es Ihnen nicht gut? Vielleicht müssten Sie mehr essen? Im "Wolfhardts" gibt es ja..."
Lisa ließ sie aber nicht ausreden und blaffte die verdutzte Simone an:
"Lassen Sie mich in Ruhe! Verschwinden Sie lieber zu Ihrem Rokko und... ich wills mir gar nicht vorstellen, was Sie machen!"
Da musste sich auch schon wieder Jürgen einmischen. "Die beiden machen nur einen auf Biene Maja!"
Während Simone immer noch verwundert schnellstens den Kiosk verließ, warf Lisa ihrem Freund vernichtende Blicke zu.
"Biste eifersüchtig, wa?", fragte Jürgen unverblümt.
"Ich und eifersüchtig? Auf dieses Sodom und Gomorrah? Nee, danke!"
Jürgen musste so herzhaft lachen, dass Lisa voller Wut noch mindestens vier Schokoriegel verdrücken musste. Sie musste auch zugeben, wenn auch nur innerlich für sich selbst, dass sie wirklich eifersüchtig war. Aber nicht unbedingt wegen Rokko. Sie war nur neidisch, dass andere mehr Liebesglück hatten als sie selbst. Sollte sie etwa bei David auch so direkt werden. Lisa starrte die Kondome an und fragte sich, ob es das ist, was Männer wollen...
Jürgen bemerkte, worauf Lisa ihre Blicke richtete und sprach leise:
"Lisa, du machst mir Angst!"
"Ich mir selbst auch!", entgegnete sie, während sie den letzten Riegel verdrückte.
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Simone war indes einige Straßen weiter und schon kurz vor ihrer Wohnung, als ein schwarzer Wagen neben ihr hielt. Der Fahrer kam ihr bekannt vor, aber er hatte eine schwarze Sonnenbrille auf.
Der Rest ging blitzschnell, so dass sie keine Zeit für eine Reaktion hatte, zu geschockt war sie... Richard von Brahmberg riss die Tür auf und zog die zierliche junge Frau in den Wagen, nicht ohne sie vorher mit Chloroform zu betäuben. Der Wagen düste durch die Stadt und der Fahrer, es war ausgerechnet Simones Kollege Georg, fragte Richard:
"Und wohin jetzt?"
Richard lachte, als er die bewusstlose Simone neben sich sah.
"Nicht allzu weit weg. Ein Waldstück hier in der Nähe. Unser lieber Kowalski wird sicher alles tun, um seine Liebste zu befreien. Und dafür würde er sicher auch sterben!"
Richard lachte jetzt so diabolisch, dass es Georg selbst angst und bange wurde. Aber er musste das gemeine Verbrechen mitmachen, er hatte hohe Wettschulden und von Brahmberg war der Einzige, der ihm helfen konnte.
Und so war das Schicksal von Rokko und Simone besiegelt...
Am Tag darauf in Kerima...
Leicht übermüdet kam Lisa aus dem Aufzug und gähnte herzhaft. Wiedermal hatten ihre Gedanken an David sie um den Schlaf gebracht und sie beschloss, dass es so nicht weiter gehen konnte. Sie musste einfach für Klartext sorgen, auch wenn es ihr vielleicht weh tun würde. Aber sie musste jetzt einfach wissen, was David für sie empfand. Dummerweise dachte Lisa diesmal nicht an den Augenblick...
Sie betrat Davids Büro, der soeben Mariellas Bild in die Schublade gestellt hatte. Er konnte das Bild nicht vernichten, zuviele Erinnerungen hingen daran. Und vor allem - er hing selbst noch sehr an ihr. Auch wenn sie ihn zutiefst verletzt hatte, wollte er sich nicht eingestehen, dass nun wirklich alles aus war. Sollte er ihr hinterher reisen? Vielleicht wollte Mariella genau das... David lächelte in sich hinein und war sich nun sicher, dass er jetzt telefonisch ein Ticket für einen USA-Flug buchen würde.
Ausgerechnet in dem Moment kam Lisa hinein und warf die Tür zu.
"Lisa! Kannst du nicht anklopfen?"
David war mehr als ungehalten, immerhin hatte er jetzt etwas Wichtiges vor.
Aber Lisa ließ sich nicht beirren.
"David, sag mir sofort, was ich für dich bin?"
"Im Moment eine Nervensäge!", sagte er mit Zähnenknirschen.
"Nein, ich meinte, ob du was für mich empfindest!"
David verstand Lisas Aufregung nicht und konnte nur den Kopf schütteln.
"Ich empfinde für dich sehr viel, wenn du mich in Ruhe lässt. Ich muss jetzt einen wichtigen Anruf tätigen!"
Lisa kam näher an seinem Schreibtisch ran und wie immer blickte David nicht auf ihr Gesicht und die Augen, die mit Tränen gefüllt waren. Er blickte nur stur auf eine Nummer und sein Telefon. Lisa las nun die kurzen Stichworte, die er auf einen Zettel notiert hatte.
"Reisebüro...USA...Flugbestätigung...Mariella.... David, du liebst sie noch immer???" Lisa starrte den jungen Mann entsetzt an.
David musste nur einmal kurz nachdenken, dann wandte er sein Gesicht endlich Lisa zu und sprach mit fest entschlossener Stimme:
"Ja, ich liebe sie und ich werde sie zurückholen!"
Das reichte Lisa nun als Antwort völlig und sie hatte jede Mühe, ihre Tränen zu unterdrücken.
Leise flüsterte sie dem Ex-Mann ihrer Träume zu: "Jürgen hat doch Recht: Du bist ...du bist nur ein Sackgesicht!"
Mit diesen Worten ließ sie David allein und rannte aus seinem Büro.
David indes blieb die Spucke weg angesichts Lisas Beleidigung. Was war nur in seine beste Freundin gefahren? Warum benahm sie sich so ...so rüpelhaft wie Sabrina? Er verstand die Welt nicht mehr und vergaß sogar Mariella für eine Weile.
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Lisa blickte um sich und bemerkte Rokko, der verzweifelt auf sein Handy einsprach. "Nun geh schon ran!"
Lisa dachte sich in dem Augenblick, dass das wohl ihre letzte Chance war und griff Rokkos Arm.
"Rokko, bitte nimm mich ganz fest in die Arme!"
Dieser aber hatte gerade andere Sorgen als Lisa Plenske.
"Könntest du dir grad nen anderen Kuschelrocker suchen? Ich versuch grad Simone zu erreichen."
Lisa war verletzt über die erneute Zurückweisung und konterte nun scharf:
"Hat sie etwa den einmaligen Rokko Kowalski versetzt? Wie unverschämt!"
Das reichte nun auch dem sanftmütigsten Rokko. Er steckte das Handy in seine Jackentasche und fuhr Lisa unsanft an:
"Wenn du Kummer hast, müssen alle für dich springen, Frau Plenske! Aber wenn wir in Sorge sind, ist das Pipifax und wir sollen uns gefälligst dir zuwenden! So geht das nicht, meine Liebe!"
Sprachs und verschwand in sein Büro. Lisa war zu aufgewühlt, um seine Worte richtig zu deuten und so rannte sie verzweifelt in den Aufzug, wobei sie noch Ariane und Nina fast umrannte, die nur den Kopf schütteln konnten, angesichts ihrer leicht verrückten Chefin.
Lisa rannte auf die Straße, sie rannte und rannte und rannte...bis ihr die Luft wegblieb und sie keuchend stehen blieb. Sie wusste nicht mehr, wo sie war, aber plötzlich bemerkte sie einen Obdachlosen, der sich an einer herumliegenden Tasche zu schaffen machte.
"Hey, Finger weg!", schrie sie ihm ungewollt heftig zu, so dass der ältere Mann erschrak und wieder wieder zitternd an seinen Platz ging.
Lisa blickte auf die Tasche und hob sie auf. Diese kam ihr irgendwie bekannt vor...ein Blick in das Innerste verblüffte sie dann doch. Es war die Packung Kondome von Jürgens Kiosk drin, Schminke, Spiegel, Geldbörse samt Ausweis. Lisa hielt die Luft an, denn es war tatsächlich Simones Tasche.
"Woher haben Sie die Tasche?", blaffte Lisa den armen Mann an.
Dieser schüttelte den Kopf.
"Ich...ich hab damit nichts zu tun! Als ich heute früh nach einem einwöchigen Krankenhausaufenthalt zurückgekommen bin...lag...lag die Tasche einfach da. Ich hab lange überlegt...ich will doch nur ein Brötchen!"
Der alte Mann sah so mitleidserregend aus, dass Lisa jetzt doch schwach wurde. Aber sie nahm nichts aus Simones Tasche und zog einen 5-Euro-Schein aus ihrer eigenen. "Hier, kaufen Sie sich was!" Der alte Mann widmete ihr ein zahnlückenhaftes Lächeln und nahm das Geld dankend an.
Lisa starrte noch eine kurze Weile auf Simones Tasche und ahnte, dass etwas passiert sein musste. Und sie wusste jetzt, was zu tun war. Rokko hatte Recht, sie dachte nur an sich und das wollte sie wieder ändern. Sie machte sich große Sorgen um Simone und wollte nun dringend Rokko alarmieren.
Nichts ahnend, dass jemand sie von einem Fenster einer verlassenen Wohnung beobachtete. Es war kein Geringerer als Richard von Brahmberg, der vor sich hingrinste.
"Gut so, du hässliche Pute! Berichte dem ekelhaften Kowalski von der Not seiner Liebsten! Dann schnappt meine Falle bald zu - in der ihr alle mehr oder weniger sitzen werdet!" Und mit einem teuflischen Lachen verließ er wieder die Wohnung um der entführten Simone einen Besuch abzustatten...
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