Der Donnerer lag gut auf dem Kurs. Im Kielwasser liefen die Real und die Marseille, bevor dann die Pontoise den Abschluß machte. Schon seit drei Wochen kreuzte das Geschwader durch diese Gewässer. Die Loire und die Oloise liefen knapp hinter der Kimm, um die Sichtweite zu vergrößern. Drei von diesen seltsamen Matschhaufen, die man in diesen Gewässern wohl Inseln nannte, hatten sie schon abgesucht. Und in diesem Matsch die Nike verloren. Sie war mit ihrem tiefen Kiel in den Schlick gelaufen und sie hatten sie nicht wieder freibekommen. Nur eine Rumpfmannschaft war zurückgeblieben, um das Schiff bei Vollmond wieder aus dem Schlick zu fahren. Wenn sie nicht endgültig verloren war und auf ewig in diesem Modder festsaß. Und jetzt liefen sie auf den nächsten Schlammhaufen zu. Vielleicht lagen sie diesmal richtig. Dann würden Sie die Truppen anlanden und das Piratennest ausräuchern. Ein für alle mal. Der elegant gekleidetete Geschwaderführerer nahm seinen Kieker vom Auge. Diesmal waren sowas wie Landungsbrücken und eine Art Hafen zu erkennen. Und Hütten. Vielleicht lagen sie diesmal richtig. Sie würden es bald erfahren.
Re: Im Auftrag des Falgahten V
Und wieder jagte eine Salve in das kleine Dorf. Einige Häuser brachen in sich zusammen. Da und dort loderten Flammen auf. Dann erstarb der Beschuß. Der Donnerer donnerte nicht mehr. Viele kleine Lichtpunkte bewegten sich in das halbzerstörte Dorf. Wenn man genau hinsah, konnte man erkennen, das jeder der kleinen Pünktchen ein Mann mit einer Fackel war. Systematisch setzen sie die noch nicht brennenden Gebäude in brand. Schon bald flammte das gesamte Dorf auf und die lohdernden Brände reichten bis weit in den Himmel. Eine gewisse Genugtuung machte sich bei den eher enttäuschten Franken breit. Zumindest das konnten sie den Seeräubern antun. Wo doch keiner mehr auf der Insel angetroffen werden konnte. Nicht einer. Nicht einmal Schafe oder Schweine waren noch da. Niemand. Dann sollten zumindest die Hütten brennen. Bis in den Himmel.
Re: Im Auftrag des Falgahten V
Artjom Jegorowitsch trieb das magere Schwein in den Stall. Der Neuschnee ließ die Beweidung auf der kleinen Weide nicht zu und die von ihm gesammelten Eicheln würden auch nicht mehr lange reichen. Vielleicht war es doch langsam Zeit, das Schweinchen abzustechen, solange noch etwas dabei abfiel. Vorsichtig hob er die Stalltür an, seit dem letzten Sturm klemmte sie gewaltig und hatte sich wohl verzogen. Als er wieder aufschaute, sah er direkt zwei Füße vor sich baumeln. In guten Stiefeln. Direkt vor seiner Nase. Er schaute hoch. Da hang einer. Und irgendwas schien in seinem Mund zu stecken. Die Augen waren wie aus seinem Schädel gequollen. Und unten auf dem plattgetretenen Streu war überall Blut. Und eine Axt lag in der Ecke. Und eine zerbrochenene Armbrust. Artjom kratzte sich den schütteren Haaransatz. Jo, dachte er, jo, beim Erbauer, wenn er denn mal schon so hängt... Und zog ihm die Stiefel aus. Dabei fiel dem Gehängten der rotweiße Stofffetzen aus dem Mund.
Re: Im Auftrag des Falgahten V
Hein van Fleet sah schlecht aus. Nur mühsam ließ er sich vom Gaul gleiten. Er war bleich und wirkte fast erfroren. Mit kleinen Tippelschritten legte er den Raum zum Haupttor zurück. Die paar Stufen schaffte er kaum. Xiana stutzte. Und stapfte dem alten Seemann hinterher. "Hein, was ist los!" fragte sie ihn. Er schien sie nicht einmal zu hören. Er war gerade durch die Tür und hangelte sich mühsam die Treppe hoch. Schweiß war auf seiner Stirn. "Hein, was ist los? Geht es dir gut?" Hein war oben angekommen und torkelte in die Richtung deines Zimmers. Der erste Griff zur Türklinke seines Raumes ging daneben. Dann war die Tür offen. "Hein, was soll der Scheiß? Was ist los? Rede mit mir!" Xiana war laut geworden. Und wütend. Hein trippelte in Richtung seines Bettes. Mühsam legte er sich darauf. Er atmete heftig und war völlig fertig. "Xiana, " sagte er leise, "hol mir Chariva oder Frauke. Und sie sollen ihr Zeug mitbringen." Er schlug seinen Mantel zurück und Xiana konnte sehen, dass seine ganze Seite rot war. Und ein Bolzen ragte seitlich aus seiner Brust.
Re: Im Auftrag des Falgahten V
Xiana wurde bleich. "Meine Güte Hein! Kann man dich nicht einmal alleine lassen?! Was ist denn bloß passiert?" Sie lief zur Tür und rief einen Burschen. Nach dem sie ihm leise Anweisungen gebeben hatte huschte er davon und die Freibeuterin schloss die Tür. Zuerst fachte sie das Feuer im Kamin erneut an und schürte es ordentlich. Dann hing sie einen Kessel mit Wasser darüber. Sie würden es brauchen. Aus einem Schrank holte sie Rum un einen Becher und trat zu Hein ans Bett. Vorsichtig hob sie seinen Kopf und flößte ihm ordentlich von dem Getränk ein. Es wirkte schnell denn Hein war schon sehr schwach. Xiana machte sich daran Hein zu entkleiden. Es viel ihr nicht schwer, denn er rührte sich kaum noch. Als sie seine Wunden sah traf sie fast der Schlag. was, beim Klabautermann war bloss geschehen. Sie legete die Hand auf Heins Stirn. Heiß! Na toll, dachte sie. Jetzt ist er nicht nur verletzt, sondern auch krank. Gerade als sie das heiße Wasser in eine Schüssel goss trat Chariva ein. Gemeinsam wuschen sie seine Wunden und verbanden sie.
Als Chariva schon längst gegangen war saß Xiana immer noch bei Hein am Bett und legte ihm kühlende Tücher auf die Stirn. Er sprach in den Fieberträumen, doch sie konnte das meiste nicht verstehen. Nur irgendwas davon das er sie alle kriegen würde.
Sie stand kurz auf um neues Holz in den Kamin zu werfen und setzte sich wieder ans Bett. Als der Morgen heraufzog schlief sie ein.
Re: Im Auftrag des Falgahten V
Zwischen Runkel und Ghor...
Die Gischt spritzte auf und hüllte den verzierten Bug der nordischen Skeidh in glitzerndes Weiß. So lag der geschnitzte Tierkopf nun Schicht um Schicht unter einem Panzer aus Eis. Die Frosteber machte in dieser Jahreszeit ihren Namen alle Ehre, doch war das Wetter für ihre heimischen Verhältnisse immer noch mild. Die See ging leicht bis mäßig und war gut Schiffbar, doch würde die auffrischende Briese dies bald ändern. Dies war jedenfalls einer der Gründe, warum Hroc Earricson seine Schiffe auch noch im Julmond entsandte und die Küsten vor Danglar patrouillieren ließ.
Ein weiterer Grund passierte gerade die Oest-Spitze von Ghor und setzte Kurs Nord-Nord-West auf die Hohe See hinaus. Am Bug des nordischen Langschiffs stand Jálfur Langaxt Aldurson aus Geiranger in seinen fellgefütterten Mantel aus Walroßleder und warf einen grimmigen Blick voraus. Der Hetmann und Schiffsherr der Frosteber hatte die schnelle Skeidh unmittelbar auf einen Abfangkurs befohlen, als man das kleine Segel erblickt hatte. Es waren eben diese Schmugglerschiffe, welche nicht die offiziellen Häfen ansteuerten, auf die es der Jarl der Geiranger abgesehen und seine Männer darauf angesetzt hatte.
Immer wieder schlüpften kleine Schiffe durch das Netz, doch diesmal würde eines nicht entkommen. Nur ein Mast, eine friesische Giekewer oder eine Nef würde ich sagen... hinter Jálfur Langaxt waren Ákafi Egillson und der schwarzhaarige Náttur Raknison herangetreten, seine besten Vertrauten. Ákafi hob schützend eine Hand über die Augen und erhob erneut seine Stimme über den Wind. ...sie hat Seitenschwerter, also eine Ewer. Sie ist vielleicht 30 Fuß lang, nicht viel länger jedenfalls. sagte er grinsend. Ein friesischer Küstensegler, da sind dann nicht viele Mann an Bord. Jálfur grunzte und zuckte mit den Schultern bevor er antwortete. Aber dafür liegt sie recht tief im Wasser. Egal, wir werden sie uns anschauen.
Die lange Skeidh flog förmlich heran und folgte dem weit langsameren fremdländischen Schiff...
Re: Im Auftrag des Falgahten V
Drei Tage schon. Nach einer weiteren unruhigen Nacht löffelte Xiana lustlos ihre Suppe und dachte nacht. Was war ihm bloß zugestoßen? Mit wem hatter er sich angelegt? Sie konnte nur hoffen das der andere schon tot war. Denn sonnt würde sie ihn suchen und das erledigen. Warum musste sich dieser Hornochse immer wieder allein auf den Weg machen? Eigendlich dachte sie, das er wenigstens hier keine Dummheiten anstellen würde. Aber das würde sich jetzt ändern. Egal wo er hingehen würde, sie würde ihn ab jetzt begleiten ob er nun wollte oder nicht. Und warum auch nicht? Die Häuser für die Waisen waren gekauft und wurden gerade in ordnung gebracht. Die kleineren aufträge hier konnte auch ein anderer erledigen. Sie hatten genug Männer denen man vertrauen konnte. hein regte sich unter seinen Decken und sie trat ans Bett um ihm den Schweiß von der Stirn zu tupfen. "Wo bin ich?" "Na endlich Hein." sagte Xiana erleichtert. Er schlug die Augen auf und schaute sich verwirrt um. "Du bist in deinem Zimmer. Vor drei Tagen kamst du schwer verletzt und krank hier an. Was zur Hölle ist passiert?" erzälte sie besorgt. Hein versuchte sich aufzurichten doch Xiana hinderte ihn daran und drückte ihn sanft wieder auf seine Kissen. Dann ging sie zu dem Kessel der über dem Kamin hing und füllte eine Schüssel mit der Suppe. Sie stopfte Hein noch zwei Kissen in den Rücken und reichte ihm die Suppe und einen Löffel. Hein fing an gierig zu essen und Xiana musste ihn zurückhalten. Als er mit dem essen fertig war legte sie ihn wieder hin und wechselte seine Verbände. "So! Und jetzt erzälst du mir gefälligst wo du warst und was geschehen ist!" erklärte sie bestimmt und lehnte sich in ihrem Stuhl zurüch um ihm zuzuhören.
Re: Im Auftrag des Falgahten V
Hein kratzte ein wenig mit dem Löffel in der Schüssel herum. "Also?" Xiana schaute ihn böse an. "Ich habe einen Kampf unterschätzt und da hat der Kerl mich erwischt. Mit einer Armbrust." Xiana war noch lange nicht zufrieden. "Was für einen Kampf? Der Krieg ist vorrüber! Du mußt hier keine Heldentaten mehr vollbringen. Wo warst du?" Ihre Augen funkelten wütend. "Auf dem Land bei einem Bauernhof. Dort hab ich einen Mann getötet." Xiana schaute ihn weitehin böse an. "Muß ich dir jetzt alles einzeln aus der Nase ziehen? Warum Bauernhof? Wen hast du getötet? Und vor allem warum?" Heins Augen wurden dunkel. "Ich töte Khardin. Oder besser ehemalige. Welche, die versuchen sich zu verstecken und unterzutauchen. Ich spüre sie auf und bringe sie um." Xiana war baff. Einen Augenblick war sie sprachlos. "Niemand unternimmt etwas. Meinen offenen Brief hat der Falghat nicht beantwortet. Vom Orden habe ich keinerlei Reaktion auf meine Warnungen bekommen. Ich habe den Eindruck, dass es niemanden um Gerechtigkeit geht. Dass die Opfer der unsäglichen Menschenverbrenner vergessen oder zumindest unwichtig sind. Dass man halt so weitermacht und die Khardin Khardin sein läßt." Xiana bekam einen roten Kopf. "Klar und dann mußt du rumrennen und alles Übel der Welt im Alleingang erledigen. Der tolle Hein gegen den Rest der Welt?" Sie war laut geworden. "Nicht gegen den Rest der Welt. Nur gegen die Khardin. Und das werde ich auch weiterhin. Egal was du sagst. Ich weiß noch von drei weiteren Menschenschindern und von einem Haus der Läuterung. Und die werde ich töten und niederbrennen, oder dabei draufgehen. Das ist mir egal. Und vielleicht werden dann noch einige andere wach." Er schloß einen Augenblick die Augen. Sehr leise fuhr er fort. "Selbst Calen hat für den Kharad gesungen. Selbst sie hat ihm verziehen. Ich kann das nicht und ich werde das nicht. Sie werden bezahlen. Sie werden alle bezahlen, und wenn es das letzte ist, was ich tue."
Re: Im Auftrag des Falgahten V
Xiana war aufgestanden und ans Fenster gegangen. "Ach Hein... Warum glaubst du eigendlich das du das alles immer allein machen musst? Du bist nicht alleine! Es gibt die Schwarze Braut mit ihrer Mannschaft. Mit Jocke, Piet und all den anderen. Und mir." Sie drehte sich zu ihm um und mann sah Tränen über ihre Wangen laufen. "Du hast mich bei euch aufgenommen und mir ein zu Hause geschenkt. Viele würden dir überallhin folgen wie sie schon oft bewiesen haben. Du bist zwei mal von diesem Abschaum gefangen und gefoltert worden. Ich kann es irgendwie nicht mehr ertragen. Ich dachte eigendlich ich müsste mir keine Sorgen mehr um dich machen Hein. Aber nein! Du ziehst mal wieder alleine los und kommst übels zugerichtet wieder zurück." Xiana schloss das Fenster und trat wieder neben sein Bett. Sie schwiegen eine Weile. Dann hob sie den Kopf und blickte Hein fest in die Augen. "Ich weiß auch nicht warum Calen ihm verziehen hat und ich kann es nicht verstehen. Ich weiß nur das ich ihm ebenfalls nie verzeihen kann und werde. Und ich weiß auch das ich dich, sobald du wieder auf den Beinen bist, dich überallhin begleiten werde. Du bist nicht allein! Und du musst das alles auch nicht allein tun! Das du die Khardin verfolgst und umbringst finde ich gut. Denn ich finde auch das sie alle ihr Recht auf Leben verwirkt haben." Hein hielt den Blick gesengt und sagte nichts. Nach einer weile ging Xiana zur Tür öffnete sie. Doch bevor sie hindurch ging drehte sie sich noch mal zu Hein um. "Überleg dir mal ob du wirklich so allein bist wie du dich fühlst. Wir müssen alle unsere eigenen inneren Kämpfe austragen um das Geschehene zu begreifen. Oder es zu mindest zu verzuchen. So. Und jetzt geh ich neue Verbände und Holz für das Feuer hohlen." Mit diesen Worten verließ sie das Zimmer und ließ die Tür hinter sich krachend ins Schloss fallen.
Re: Im Auftrag des Falgahten V
Hein schaute ihr einen Augenblick nach. Dann grinste er. Ja so war sie, die gute Xiana. Immer ein wenig bollerig und hochfahrend, aber grundgut und verlässlich. Schnell erstarb das Grinsen wieder auf seinem Gesicht. Er wußte, dass der Großteil der Seeleute ihm folgen wollte. Wie sie es immer getan hatten und darauf vertauten, dass er einen guten und gangbaren Weg finden würde. Das mußte er mit allen Mitteln verhindern. Wie der alte Wiggert immer gesagt hatte, ein Kurs hin ist sehr wichtig, aber wichtiger ist der Kurs zurück. Der Kurs zurück. Das war das Problem. Er wußte nicht, ob es aus seinem Dilemma einen Kurs zurück gab. Er ging auf Kollosionskurs mit guten Freunden. Er würde dem Orden, den Preardin, alten danglarischen Kampfgefährten wie Iovard, Calen, Chariva oder Geoffrey und ganz sicher dem Falghaten vor die Füße pissen. Vielleicht würde der eine oder andere auf seinen Kurs einschwenken, aber er rechnete nicht damit. Am ehesten glaubte er bei den Fremdländern Zustimmung oder zumindest Verständnis erwarten zu können. Aber die Danglaris waren eben ...Danglaris. Sie würden es nicht hinnehmen, wenn jemand die Khardin tötete. Er hatte sich schon oft Titel, Ämter und Funktionen angemaßt. Aber dies war eine andere Klasse. Er spielte Richter und Henker in einem. Seit Jahrhunderten saß den Danglaris die ehrliche Erfurcht und Liebe vor den Preardin und Erfurcht und Angst vor den Khardin in den Knochen. Sie würden sich ein Danglar ohne Khardin nicht vorstellen können. Und sein Kurs hatte genau dies zum Ziel. Das hatte er schon dem Falghaten in seinem Brief mitgeteilt. Sie würden es nicht hinnehmen, wenn jemand Khardin einfach mordete. Sie kaltblütig und gnadenlos umbrachte. Genau so, wie diese es selbst getan hatten. Aber die Khardin konnten ihre Kaltherzigkeit und Grausamkeit mit einem in Jahrhunderten gewebten Mantel aus religiöser Tradition kaschieren. Das konnte er nicht. Und das wollte er auch garnicht. Er hoffte inständig, dass er den Danglaris mit seinen Taten die Augen öffnen würde. Aber er glaubte nicht daran. Eher trocknete die See aus. Sie würden ihn folglich zur Verantwortung ziehen. Ihn, der tausende ehrliche Danglaris ersäuft, zerfetzt und aufgespießt hatte und der dafür geachtet wurde, ihn würden sie wegen einiger weniger Khardin, die zudem den Tod mehr als verdient hatten an den Mast hängen. Welch einer Ironie. Was für eine Komödie. Und diesen Kurs zum Mast, den Kurs zum Galgen, den wollte er allein segeln. Hierbei konnte er keinen gebrauchen. Nicht einen seiner Truppe. Auch Xiana nicht.