Medikamententests an Heimkindern in WESTDEUTSCHLAND
.
FR - Frankfurter Rundschau, SONNTAG, 12. FEBRUAR 2018
QUELLE: www.fr.de/rhein-main/heime-in-hessen-hirnexperimente-mit-heimkindern-a-1446116,0#artpager-1446116-0 (Artikel auf einer Seite lesen)
Jetzt hier in Bezug auf das Bundesland Hessen!
- Zitat:
. Heime in Hessen Hirnexperimente mit Heimkindern 1. UPDATE - In Heimen in Hessen gab es in den 50er Jahren für Forschungszwecke zahlreiche Untersuchungen an erziehungsschwierigen Kindern und Jugendlichen. 12.02.2018 19:47 Uhr FR - Frankfurter Rundschau Von Pitt von Bebenburg [ Landeskorrespondent, Wiesbaden; AUTOR: www.fr.de/autor.=pit/ ] [ HISTORISCHES FOTO / BILD / RÖNTGENAUFNAHME / IMAGE AUS EINEM DERZEITIGEN FACHBUCH (Schädel eines Jungen); unter der Röntgenaufnahme folgende Beschriftung: »Abb. 213a u. b. Mäßiger Hydrocephalus internus nach Mengingitis tuberculosa. 1½jähriger Junge. a Die a-p-Aufnahme zeigt die erweiterten Vorderhörner, unterhalb dazwischen den erweiterten 3. Ventrikel. Klaffende Sadittal- und Lambdanaht. b Seitliche Aufnahme. Wabiges Bild durch Kammerung der Luft bei fibriureichem Liquor.« (Foto: privat) ] In hessischen Kinderheimen sind in früheren Jahrzehnten offenbar nicht nur Medikamente erprobt worden. Es hat wohl auch noch schlimmere medizinische Eingriffe gegeben. Das haben Recherchen der Wiesbadener Filmemacherin Sonja Toepfer zutage gefördert, die im Auftrag der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau das Leiden der Kinder in Kinderheimen aufarbeitet. Den Dokumenten zufolge wurde an Hunderten von Kindern und Jugendlichen eine sogenannte luftenzephalographische Untersuchung vorgenommen, auch Pneumoenzephalographie genannt. Bei dem Verfahren wird durch die Punktion mit einer langen Nadel zwischen zwei Wirbelkörpern Liquor abgelassen und Luft in den Rückenmarkskanal eingelassen. Durch Umlagerung des Patienten steigt diese Luft dann im Rückenmarkskanal auf bis in das Ventrikelsystem des Gehirns. Die Gehirnflüssigkeit wird entfernt, um die Kammern und Hohlräume des Gehirns röntgen zu können. Es handelt sich laut einem wissenschaftlichen Fachbuch um eine der schmerzhaftesten Prozeduren, die man sich denken kann. Dabei entstehe bei dem Patienten das Gefühl, als sei sein Kopf ein riesiger Luftballon, der jeden Augenblick zu platzen droht, heißt es weiter. Vorgenommen wurden die Eingriffe wahrscheinlich im evangelischen Hephata-Kinder- und Jugendheim im nordhessischen Treysa, das zu Schwalmstadt gehört. Darüber berichtete ein Mediziner namens H. Henck im November 1954 bei einer Tagung des Bundeskriminalamts. Nach Hencks Darstellung, die von Toepfer gefunden wurde, hat der leitende Hephata-Arzt Willi Enke in den Anstalten Hephata bei Treysa über 400 Fälle von jugendlichen ,Schwererziehbaren untersucht, zu einem großen Teil auch serologisch wie enzephalographisch. Enke war vorbelastet aus der Zeit des Nationalsozialismus, wurde aber 1950 als leitender Arzt der Hephata-Anstalten berufen, was er bis 1963 blieb. In einem Referat bei einer Neurologentagung in Baden-Baden 1955 sagte Enke, er wolle untersuchen, warum frühkindliche Traumen bei manchen Kindern zu dauerhaften Schädigungen führten, bei anderen aber nicht er vermutete körperliche Ursachen. Zur Klärung dieser Frage haben wir unsere erziehungsschwierigen Kinder und Jugendlichen es sind nunmehr über 800 ( ) zu einem großen Teil auch serologisch und enzephalographisch untersucht. Großer Freiraum für Ärzte Es bleibt bei der Lektüre von Enkes Texten allerdings ungewiss, ob die Untersuchungen wirklich ein solches Ausmaß angenommen haben. An anderer Stelle bedauert Enke, dass er bei unserem Krankengut ( ) nur in einem kleinen Teil der Fälle Enzephalogramme anfertigen habe können. Durchaus möglich erscheint, dass neben den Insassen der Anstalt auch andere Kinder und Jugendliche aus Nordhessen als Vergleichsgruppe mit der Untersuchungsmethode traktiert wurden. Enke selbst schrieb, er habe Kontrolluntersuchungen an schulfähigen und bislang nicht an Neurosen erkrankten oder sozial ausgegliederten Kindern der hiesigen Volksschule nach derselben mehrdimensionalen Diagnostik wie an unseren Heim- und Sprechstundenkindern vorgenommen. Er habe dank dem verständnisvollen und hilfsbereiten Entgegenkommen der Gesundheits- und Schulbehörden 632 Kinder außerhalb des Heims untersuchen können, davon 587 Kinder der Normalschule und 45 Kinder der Hilfsschule. Enkes Forschungsberichte machen deutlich, dass er umfassende Vergleichsuntersuchungen anstellte. Dabei verglich er, wie hoch der Anteil von Kindern mit nachweisbaren hirnorganischen Schäden in den jeweiligen Gruppen waren. Die Hephata-Einrichtungen in Treysa können die Vorgänge nach eigenen Angaben anhand der uns vorliegenden Akten weder bestätigen noch ausschließen. Klar sei zwar, dass es Luftenzephalographien bei Kindern und Jugendlichen gegeben habe, und zwar mit schriftlichem Einverständnis der Erziehungsberechtigten, sagte Sprecher Johannes Fuhr der FR. Hinweise auf solche Untersuchungen zu Forschungszwecken habe man aber anhand noch vorliegender Personal- und Patientenakten aus den 50er Jahren nicht gefunden. Die Methode wurde damals angewandt, um hirnorganische Schäden zu finden, die für psychische Störungen verantwortlich gemacht wurden. Hephata will nicht ausschließen, dass es solche Untersuchungen zu Forschungszwecken im eigenen Haus gegeben hat. Grundsätzlich ist zur damaligen Zeit Chefärzten von ,Anstalten viel Freiraum gewährt worden, was eine Forschung aus eigenem Interesse als möglich erscheinen lässt, sagt Fuhr. Aus heutiger Sicht sei dies undenkbar, verwerflich und wäre eine solche Herangehensweise mit unserem Menschenbild in keiner Weise vereinbar. Man werde die Umstände durch einen Medizinhistoriker so genau wie möglich klären lassen, versicherte der Hephata-Sprecher. Der Gießener Medizinhistoriker Volker Roelcke sieht in der Gehirnforschung mit schmerzhaften Eingriffen ein medizinisches Denken, das an die Nazizeit anknüpft. . |
.