BAS-LAG: Das China Miéville-Forum - Dies, das und jenes

D&D meets Bas-Lag

Re: D&D meets Bas-Lag


Die sind gut!


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Re: D&D meets Bas-Lag

Sag ich ja - wenn man den Hintergrund hat, kann man ja auch ein anderes System als Regelgrundlage nehmen. Und ich denke, das sollte man für Bas-Lag vielleicht auch tun. Aber, ehrlich gesagt, um das abschließend zu entscheiden, kenne ich mich im D20-Universum auch nicht gut genug aus. Ich werd jetzt erst mal zusehen, dass ich den Dragon kriege, und dann sehe ich weiter


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Re: D&D meets Bas-Lag / erster Eindruck DRAGON-Heft

Hallo Theophagos.

Ich hab das Heft jetzt vor mir.
Noch hab ich gar nicht so genau in RPG-Werte geguckt. Seh aber, daß die
Werte vom Weber schon eher nach ›Stress für die anderen Wesen‹
aussieht. Wenn ich mit dem Gier-Falter vergleich, seh ich grob, dass
der Weber eine solche Motte wohl locker packt … bei mehreren kanns dann
durchaus brenzlig werden, wie eben in PSS.


> Ein paar D&D-Konzepte dürften mit Bas-Lag kollidieren:
> 1 • Priester, Paladine, Druiden & Götter-Macht

Muss man ja nicht bürokratisch übernehmen. Bei Bedarf also: Weg damit
oder ummodeln.

> 2 • Gesinnungen: Rechtschaffend Gut vs. Chaotisch Böse - per Zauber
> zu ermitteln

›Per Zauber zu ermitteln‹ kann viel heissen. Das AD&D-Gesinnungssystem
ist nicht umsonst ein großer Kalauerbrunnen. Ich das WoD-System mit
›Nature‹ und ›Demeanor‹ um einiges besser (da auch weit mehr
Kombi/Erweiterung möglich).

> 3 • Zaubersprüche: Aufsagen & Vergessen

Siehe 1.

> 4 • Kampflastigkeit von D&D

Bas-Lag ist ja auch kampflastig nur ist der Bodycount hoch und
dramatisch (in den Romanen) nicht gerade zimperlich (man denke an IC;
das erste Drittel handelt ja praktisch vom ›sterben wie die Fliegen‹).
— Brauchst halt viele NPCs die ins Grass beißen.

> lässt sich einiges deichseln.

Eben.

Hier noch mein grober erster Überblick zum DRAGON-Heft:
• 1 Seite Editorial von Erik Mona über CM und Bas-Lag. Ging mir ähnlich
wie Erik (Lust und Glauben an ›Fantasy‹-Phantastik fast ganz verlohren,
dann kam PSS und alles wurde anders; beim Romenlesen ›erkannt‹, daß CM
ein RPGler ist).
• 1/8 Seite Kästchen zu UN LUN DUN im Leserbriefteil (nix neues).
• Doppelseite Vorstellung CM und Interview (nur Antworten als ›Essay‹
über »RPGs & Monster«, »Technologie & Remade« und »Genre & die Zukunft
von Bas-Lag«.; sowie eine Spalte Vorstellung der drei Romane. Illu von
John Gravato (Station Perdido Street bei Sonnenuntergang).
• 18 Seiten über Bas-Lag (c) by CM: 6 Illus von Gravato; 3 Karten von
Robert Lazzaretti (NC Hochformat ganze Seite; Umgebung 4-telseite NC
860/1115 Meilen; Kontinent Rohagi 3000/4400 meilen ganzseitig). 12
Seiten widmen sich NC, etwa 4 Seiten erzählen vom Rest der Welt, und
eine Seite von Untergangenen Imperien. — Themenkästchen zu: NC (mit
Datensatz, z.B. Einwohner 3510000); Dachse, Thaumaturgen & Alchemisten
(gibt auf Bas-Lag keine D&Dartigen Wizards & Sorcerers); Datierung;
Sprachen (10 werden genannt); Piratenkriege; zwei Propaganda-Handouts;
Möglichkeitsschwert;.
• 7 Seiten über Spielerfiguren »Bewohner v. Bas-Lag«: 6 Illus v. Andew
Hou; Cactacae, Khepri; Remade; Vodyanoi
• 12 Seiten über Monster; 8 Illus von Hou & Gravato; Anophelii;
Garuda; Grindylow; Handlinger; Scabmettler; Slake Moth; Weaver; Wyrmen.

Die 18 Seiten über die Welt sind eher so Enzytext. Ließt sich flott weg
auch für Nicht-RPGler. Die Abteilungen zu Bewohnern und Monstern sind
dagegen schon ordentlich mit Zahlen und Datensätzen gepfeffert, sind
aber als Zusamenfassung sehr hilfreich (und für mich natürlich eine
Wonne zu lesen).

Grüße
Alex / molo

Re: D&D meets Bas-Lag

Ja-Nein … äh:

Lomax, was ich sag ist: Cthulhu (Lovecrafts Welt) kann man in CoC
spielen, man könnts aber auch in D&D oder DSA-Regeln spieln. Regeln
sind nur für den Kleinkram an Kausalitätsverwaltung da. Ich seh da zwar
viel Einfluß auf den Stil des Spieles, und daß die Regelmechanik auch
einen Gutteil ›insgeheim über die Ontologie vorschreibt‹.

Die Regelmechanik ist ja nicht der Papst. Regeln können angepasst
werden. Wer seine Vorstellungskraft den Regeln anpasst … nun ja, der
hat dann vielleicht auch weniger Freude an der Sach.

Wie schon gestanden: ich komme eher so vom Storytelling-RPG, weniger
vom Ruleplaying-RPG. »If the rules don’t fit the story, forget the
rules« (und mach eigene, wo nötig — was leichter fällt bei prinzipiell
einfacherer Regelmechanik, die deshalb ja nicht unkomplex sein muß).

Grüße
Alex / molo

Re: D&D meets Bas-Lag

Das ist im Prinzip korrekt. Soweit ich zurückdenken kann, habe ich auch noch nie in einer Gruppe "by the book" gespielt - Ad-hoc-Modifikationen waren stets ebenso üblich wie planvolle Regelergänzungen oder -auslassungen.
Trotzdem setzt das Regelwerk Grenzen. Wenn die gewünschte Spielatmosphäre zu verschieden ist von der, die vom Regelwerk "gefördert" wird, muss man irgendwann so viel ändern, dass man besser gleich ein anderes Regelwerk nimmt oder es komplett selbst konstruiert (was ich für Fantasy letztlich gemacht habe, um ein Setting mit unauffälliger Magie zu bekommen, das auch Alltäglichkeiten wie Hunger und Krankheiten angemessen berücksichtigt). Denn Regelergänzungen per Hand sind nicht wenig aufwendig, wenn alles stimmig und abgerundet bleiben soll.
Ad-hoc-Anpassungen sind ebenfalls nicht geeignet, die Charaktere und damit die Story stets in die richtige Richtung zu lenken. Denn wenn man einem Charakter etwas verwehrt, was er laut Regeln kann, oder ihn überraschend mit einer Konsequenz konfrontiert, die er nach den bekannten Regeln nicht vorplanen konnte, die aber eindeutig nicht auf einen nicht planbaren Umstand der Spielwelt, sondern auf einer mechanistischen Setzung des SL beruhen, dann entsteht schnell der Eindruck von Spielleiterwillkür. Auch gehen die Vorstellungen von dem, was "realistisch" ist, oft so weit auseinander, dass sie im Einzelfall keine konsensfähige Basis darstellen. Je nach Gruppenzusammensetzung sind die Grenzen dessen, was an spontanen Änderungen ohne Missstimmung möglich ist, mal enger und mal weiter. Aber Grenzen hat da eigentlich jeder Spieler.

Ich erinnere mich beispielsweise an ein SF-Rollenspiel, wo die Gruppe mit Maschinengewehren und Raketenwerfern am Ufer in Deckung stand und von ein paar Typen mit Armbrüsten in Segelbooten aufgemischt wurde. Als dann noch einige der Gegner mit Vollrüstung ins Wasser sprangen und zum Ufer schwammen, um zum Nahkampf überzugehen, wurde es vollends abstrus ...
In einem Regelwerk, das solche Vorgänge erlaubt, sind schon sehr viele Anpassungen nötig um ein ausgewogenes Spiel zu erlauben. Und dieses Moment der "Ausgewogenheit" war in Mievilles Romanen ja immer sehr stark vertreten. Bei D&D hatte ich stets das Gefühl, das genau das fehlt - und ich weiß nicht, wie leicht es sich implementieren lässt bzw. ob es nicht bereits vorgefertigte D20 Supplemente gibt, bei denen es bereits implementiert ist.
Man könnte jetzt also fragen, ob der Dragon dazu etwas sagt. Aber da ich ohnehin das Material eher auf ein anderes Regelwerk anpassen würde als für ein Mieville-RSP in D20 einzusteigen, spielt das für mich wohl ohnehin keine Rolle. Ein wenig graut mir bei dem Gedanken, dass bald jede Menge Kiddies mit dem "Dragon" in der Hand genau die Art von Rollenspiel auf Bas-Lag betreiben werden, die Mieville selbst in PSS mit seiner gebrochenen "Abenteurergruppe" entmystifiziert hat. Aber eigentlich sollte mir das ja egal sein, was andere Leute im Spiel mit einer allgemeinen Vorlage machen


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Re: D&D meets Bas-Lag

Ich stimme zwar Lomax weitgehend zu, will aber doch eine Lanze für D&D (oder besser: das d20-System) brechen.

Nehmen wir das MG vs Armbrust Beispiel.
Natürlich kann man solche Situationen in D&D hinbekommen - man nimmt einfach untrainierte MG-Schützen und trainierte Armbrustschützen - lvl1 vs lvl4. Aber das halt ich für einigermaßen 'realistisch' - wenn man mit einem MG nicht schiessen kann, dann ist es gar nicht mal so leicht damit etwas zu treffen.
Es ist am Spielleiter (SL) das Niveau der Gegner festzulegen, wenn er 'angemessene' Bedrohungen (i.e. lvl4 Heldengruppe vs CR4 Feind) wünscht, so werden die Helden ziemlich sicher damit fertig - und verlieren dabei ca. 20% ihrer Ressource (Trefferpunkte, Heiltränke, Zaubersprüche etc.). Stellt man einen lvl4 PC nun eine lvl4 Feind entgegen, so hat der PC etwa eine 50% Chance zu gewinnen und wird dabei etwa 100% seiner Ressourcen aufbrauchen (je nach dem, wie viel Glück er hat/wie gescheit er plant auch weniger).

Ein weiterer Vorwurf ist es, dass das System nicht tödlich genug ist. Wohl wahr, bei D&D liegt der Massive Damage (MD) bei 50, d.h. ein MG macht im schnitt (ich leihe mal die Werte aus d20 Modern) 18 Punkte Schaden - ein lvl4 Krieger hat im Schnitt (abgerundet) 34 HP; er verträgt also zwei Salven in die Brust.
Das ist natürlich 'unrealistisch', aber der eine Einwand ist, dass die Salve halt nicht in die Brust geht, sondern nur ein Körpertreffer dabei ist, der Rest sind blaue Flecken und Streifschusse (eine Salve in die Brust wäre ein kritischer Treffer mit Maximalschaden: 72 Punkte Schaden; der tötet). Ist natürlich immer noch zu ungefährlich. Aber wenn man mit d20 Modern MGs schiesst, darf man auch den MD Wert daher entnehmen: MD = Con. Bei einem druchschnittlichen Krieger 14, d.h. der Krieger der eine MG-Salve kassiert, macht einen MD-Rettungswurf, misslingt dieser, dann liegt der Krieger im sterben (wird auf -1 HP reduziert). Wem dass noch zu lasch ist, der kann die d20 CoC MD nehmen: 10. Da ist dann fast jeder Treffer potentiell tödlich.

Wen es stört, dass der Krieger mit MG-Treffer immer noch quitschfidel durch die Gegend kaspert, kann 'Wunden' einführen: wenn ein PC Schden in Höhe seines hd-Maximums erhält - Krieger: 10 - erhält eine Wunde, die dann, jenachdem, wie hart man einschränken möchte, -1, -2, einen heilbaren negativen Level gibt oder was auch immer.

Wenn die Spieler diese Änderungen nicht akzeptieren, wird das natürlich nichts, das ist klar. Es muss ein Konsens zwischen Spielern und SL darüber bestehen, was für eine Art von Spiel man spielen möchte.

Theophagos, der Vergeekte

Re: D&D meets Bas-Lag

Ja, aber genau dieser Mechanismus, der eine angemessene "Bedrohung" nur über die Stufen der Gegner erlaubt, ist dasjenige, was die Spielatmosphäre einer Welt in eine Richtung kippen lässt, die m.E. nach komplett Un-Mievillesk ist. Die geplanten Gegner sind da meist noch das geringere Problem - es ist das soziale Umfeld, das aus dem Ruder läuft. Weil man dann nämlich entweder irgendwann nur noch High-Level-Bürger in der Stadt herumlaufen lässt, oder die Spieler sonst in ihrer Alltagsumgebung wie die Götter herumlaufen und nur noch von schwerer Artillerie zu bremsen sind.
Dementsprechend müsste ein Regelsystem Sonderfaktoren sehr viel stärker berücksichtigen als den Level von Charakteren - also deren "persönliche Heldenhaftigkeit". Dazu zählt zum einen bloße Überzahl, zum anderen aber auch situative Begleitumstände - und gerade letztere lassen sich schwer in ein Regelwerk einflicken und führen am ehesten zu Streit, wenn der SL durch seine Setzungen letztendlich die normalen Spielregeln regelmäßig aushebeln muss, statt sie nur anzupassen.
Denn gerade das ist eine Aussage, die Bas-Lag meiner Empfindung nach prägt: Dass der "Held" seine Umwelt eben nicht nach Belieben, sondern nur in Grenzen gestalten kann, und selbst wiederum von ihr und Veränderungen, die er in Bewegung gesetzt hat, geprägt wird.

P.S.: vielleicht mal als Gegenbeispiel - auch in meiner Fantasygruppe waren heroische Kämpfe möglich. Es gab Drachen und Dämonen, und die Spieler konnten kämpfen und hatten irgendwann eine hohe Stufe, die sie wirklich gut machte. Auf der anderen Seite kriegte auch mal ein Charakter nach einem bloßen Kratzer von einem Tier eine Hirnhautentzündung, überlebte nur knapp und musste sich wegen der Folgeschäden zur Ruhe setzen.
Auch ein hoher Level schützt nicht vor den ganz alltäglichen "Jedermann-Bedrohungen" - und das sorgt dafür, dass die Spieler die "alltäglichen" Grenzen ihrer Charaktere nicht aus den Augen verlieren und "menschlich" bleiben.


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Re: D&D meets Bas-Lag

Ich glaube, du sprichst vor allem zwei Punkte an.

  1. Hochstufige Helden müssen keine alltäglichen Bedrohungen mehr fürchten (i.e. Der Punk mit dem rostigen Messer).
  2. Bei D&D ist das Setting keine Milieu, sondern ein Ambiente.
Korrigire mich, wenn ich falsch liege.

1. Diese Befürchtung ist nicht begründet; besonders dann, wenn man bereit ist den MD zu senken. Dass der Punk mit dem rostigen Messer wohl keine reelle Chance gegen Karate-Schwarzgurt-3ter Dan hat, ist, glaube ich, klar; manchmal aber hat so ein Spinner ja Glück: Bei D&D drückt sich das in einer 5% Chance aus - die natürliche 20 trifft immer. Manchmal hat ein Halbgottheld auch Pech: Bei D&D drückt sich auch dieses durch eine 5% Chance aus - Trefferwürfe & Rettungswürfe misslingen immer bei einer natürlichen 1. D.h. die Hirnhautentzündung ist immer zu 5% möglich. D&D kennt kaum bleibende Schäden, da muss man auf andere d20 Produkte zurückgreifen; d20 Stormbringer (Dragon Lords of Melniboné) bietet da z.B. was. Wenn 5% zu gering ist: Mach' 10% oder mehr draus.
Und ja: Wenn die Spieler meinen, einen Amoklauf starten zu müssen, metzeln ihre hochstufigen Krieger zahllose Bürger nieder (ich denke, das könnte Jack Half-a-Prayer auch); erst die Wache wird dann schwierig. Aber ich meine, dass sich die Spieler dann eher absurd verhalten.

2. D&D Settings sind ein Ambiente: Tja, das wird sicherlich häufig so gehandhabt, liegt aber letztlich im Ermessen von SL und Spielern.
Als Gegenbeispiel: Vor einiger Zeit hatte ich mit meiner Gruppe Rokugan d20 gespielt; Rokugan ist - grob gesagt - Fantasy-Samurai-Japan. Der Hof spielte eine große Rolle: Höfliches Betragen, wissen, welche Geschenke angebracht sind, gewitzter den Gegenspieler beleidigen können und mit wenigen Informationen richtig Druck ausüben können war alles sehr wichtig. So etwas funktioniert nur, wenn die Spieler akzeptieren, dass es gesellschaftliche Regeln gibt, gegen die die Charaktere nicht verstoßen würden wollen - wenn sie akzeptieren, dass sie Teil eines Milieus sind.

Aber ich stimme dir in sofern zu, dass D&D mehr Steam-Venter anzieht als Method-Actors. Das ist mir aber völlig gleich, so lange ich mit d20 adäquat Horror/Wirtschafts/Polit-Thriller in New Crobuzon spielen kann.

Theophagos


Re: D&D meets Bas-Lag

Jaein ... Im Prinzip hast du das richtig analysiert, aber mir geht es um den Einfluss der Details, die sich nicht so leicht aus der Welt schaffen lassen. Im Grunde diskutieren wir jetzt also über Nuancen, für die sich außer Geeks und Prinzipienreiter niemand mehr interessiert
Eine solche Mindestchance hat Einfluss und ist nützlich, zugleich aber fällt sie aus der "Regelmäßigkeit" heraus und hat nicht den Einfluss auf das Verhalten der Spieler, den ein tatsächlich abgestuftes Regelsystem hätte, das von vornherein und ohne Mindestchance eine "Unverletzlichkeit" nicht zulässt.
Beispiel: Wenn ich als "Überkämpfer" gegen 20 Deppen antrete, von denen keiner eine realistische Chance hat, mich zu treffen, aber jeder dieselbe Mindestchance, dann überlege ich mir vielleicht noch, ob ich mich auf einen Kampf einlasse - aber viele Nuancen, wie ich den Kampf gestalten würde, um realistischerweise meine Chancen zu vergrößern, nutze ich nicht mehr, weil sie ohnehin keinen Einfluss mehr haben. Und das wiederum macht den "Punk mit dem Messer" zu einem bloßen NPC, mit dem nur eine beschränkte Interaktion stattfindet - weil an diesem Charakter für mich als Spieler nur noch die verbliebene "Mindestchance" interessant ist, an der ich eh nichts ändern kann.
Wenn ich als hochstufiger Charakter eine Mindestchance habe, zu der sich eine Verletzung entzünden kann, muss ich sie ja auch nicht mehr behandeln, sobald meine körperlichen Werte erst mal die Wahrscheinlichkeit auf die Mindestchance reduziert werden. Und so wird der Charakter zur Kampfmaschine erzogen, für die eigene Befindlichkeiten keine Rolle mehr spielen und außer den Werten nur noch das Würfelglück zählt; während bei einem System ohne Mindestchancen, aber mit nur schwach stufenabhängigen Auswertungssystemen auch hochstufige Charaktere zu einem differenziertem Verhalten in Kleinigkeiten erzogen werden.
Wie gesagt, ich habe nur ein paar Materialen von D&D bzw. AD&D gelesen, und kenne Berichte aus entsprechenden Runden. Was andere D20-Supplemente in der Hinsicht mehr bieten, weiß ich nicht. Da mag es welche geben, die besser vor den Hintergrund von Bas-Lag passen.
Vorsicht: Bei meinen Einwänden geht es oft um Psychologie, weniger um das Tun. Ich habe die deutliche Erfahrung gemacht, dass die Spieler anders mit "Bürgern" umgehen und ganz anders sozial interagieren, wenn sie das Gefühl haben, sie könnten jederzeit einen Amoklauf starten und damit durchkommen und verzichten jetzt nur aus Gnade und Vernunft darauf. Oder sie verzichten aus Rücksicht aufs Setting und den Spielleiter darauf - also aus Gründen, die sie in der Spieltechnik sehen, und nicht aus dem Charakter heraus. Denn diese Trennung zwischen Spieler und Charakter stört auch die Atmosphäre.
Letztendlich kann man, unabhängig von den Regeln, natürlich mit der richtigen Gruppe alles in jeder Form spielen. Trotzdem habe ich oft genug erlebt, wie ein und dieselben Spieler bei vergleichbarem Setting, aber unterschiedlichen Regeln, eine völlig unterschiedliche Spielweise an den Tag legen. Und das liegt daran, dass neben der Gruppendynamik die Regeln eben doch einen Rahmen vorgeben, der zu einem bestimmten Verhalten erzieht, oder dem einvernehmlichen Eintauchen der Gruppe in ein Setting eben doch Grenzen setzt.
Man kann mit Aktzeptanz der Gruppe alles spielen, aber mit manchen Regeln funktionieren bestimmte Spielweisen besser als mit anderen Regeln, weil man in dem einen Fall beständig gegen einen von den Regeln ausgeübten Druck "ankämpfen" muss, während im anderen Fall die Regeln vielleicht gerade diese Spielweise befördern. Das macht in der Praxis schon einen Unterschied.
Nach allem, was ich nun von D&D weiß (und, wie oben erwähnt, ich weiß nicht alles ), habe ich bisher eher das Gefühl bekommen, dass D&D so ziemlich das ungeeignetste Regelwerk ist, um Mievill'sches Feeling zu erzeugen. Damit meine ich nicht, dass es unmöglich ist - nur, dass es mit anderen System leichter geht, und man deshalb vielleicht eher andere Systeme dafür benutzt, anstatt die D&D-Regeln "per Hand" an Bas-Lag anzupassen. Aber, wenn es geeignete D20-Supplemente gibt, hat diese Arbeit ja vielleicht schon jemand getan. Wäre also vielleicht noch eine interessante Frage, ob im Dragon auch Ergänzungen zum D20-Universum genannt werden, die dafür nützlich wären?
Ja, das sollte es mir wohl auch sein. Aber erklären wir es mal so: Ich habe ein Lehramtsstudium mit reichlich Pädagogik hinter mir, und da lernt man halt auch, nicht einfach zusehen zu können, wenn andere etwas falsch machen - und sei es auch nur, dass sie Mieville falsch spielen Und nicht zuletzt die Abenteurergruppe in PSS habe ich eben als deutliches Statement Mievilles gegen die "klassische" D&D-Gruppe gesehen - und da stört mich der Gedanke schon, dass demnächst jede Menge solcher Gruppen auf Bas-Lag rumlaufen. Selbst wenn es nicht in meinem Wohnzimmer geschieht
Vielleicht eine Art der Entweihung?


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Re: D&D meets Bas-Lag

So, ich habe mir die Dragon heute auch gekauft.

Einen Inhaltsüberblick hat Alex ja schon gegeben, ich konzentriere mich mehr auf die RPG-Angelegenheit.

Konsens war ja, dass D&D unmodifiziert nicht besonders geeignet ist um Bas-Lag Polit-Thriller zu spielen. Was bieten die Artikel nun dem Rollenspieler?

In dieser Hinsicht sind eigentlich nur der Bas-Lag Gazetteer, People of Bas-Lag und Monsters of Bas-Lag interessant.

Der Bas-Lag Gazetteer ist regel-technisch fast unbeleckt: Es gibt einen knappen Überblick über die wichtigsten/interessante Charaktere, da wird 'Rasse', Klasse, Stufe und Gesinnung genannt (Isaac Dan der Grimnebulin ist ein neutral-guter menschlicher Experte, Stufe 8). Es wird angemerkt, dass es auf Bas-Lag weder Zauberer noch Hexer gibt; es gibt aber Alchemisten und Thaumaturgen, rollenspieltechnisch durch Eberron Artificers und Hexer umgesetzt. Das Possible Sword wird in Regeln gefasst.

People of Bas-Lag ist etwa 1/3 Flavor-Text und 2/3 Regelmechanik. Neben den von Alex genannten 'Rassen' werden die Cactacae-Waffen und die Khepri-Stingbox verregelt.

Die Monster of Bas-Lag enthalten einen kurzen beschreibenden Text, was ein Zitat aus den Bücher von Miéville ist, Werte, Anmerkungen zu Strategie und Taktik und Ecologie.

Ich hätte mir definitiv ein paar Tipps zu den Charkterklassen gewünscht; dem Gazetteer enthehme ich, das es Kleriker gibt, die mit Hilfe ihrer Götter Zauber sprechen. So hatte ich mir Bas-Lag nicht vorgestellt. Ich meine, wer Bas-Lag RPGs spielen möchte, wird noch einiges an Arbeit in die Sache stecken müssen. Doch ich möchte den Wert der Artikel, besonders des Gazetteers keineswegs schmälern: Er gibt eine sehr brauchbare Zusammenfassung und einiges an neuen Hintergrund-Material.

Und bloß um Lomax zu schocken: Ich habe eine Slake-Moth gegen ein Dark Young of Shub-Niggurath antreten lassen.

Theophagos