Die Berliner Linken wollen weg von ihrem Image als Partei der Armen und Benachteiligten. Schon zu Beginn ihrer Fraktionsklausur gab es eine indirekte Kampfansage an Oskar Lafontaine.
Von Stefan Jacobs
( ... ) ist es ausgerechnet der grundsolide Wirtschaftssenator Harald Wolf, der seine Parteifreunde angesichts der jüngsten Landtagswahlerfolge beschwört: Völlig neue Herausforderungen würden sich nun für die frisch Gewählten ergeben, da wird der reine Gestus der Opposition und des Widerstandes nicht ausreichen. Das ist der Lafontaine-Gestus, auch wenn er hier nicht so genannt wird. Den eigenen Fraktionskollegen gibt Wolf auf den Weg: Wir müssen aufpassen, dass wir nicht die Partei der Arbeitslosen und der Hartz-IV-Empfänger werden.
( ... ) Die Innenpolitikerin Marion Seelig erweitert die Zielgruppe noch: Die Linke müsse sich ein zweites Standbein erschließen, nämlich die innerstädtische Mittelschicht, ( ... ) Man müsse nur abwägen, welche Themen Zoff wert sind und welche nicht. Als schlechtes Beispiel nennt er die Zitterpartie ums Polizeigesetz. Eine hausgemachte Niederlage sei das Resultat des innerparteilichen Streits gewesen, bei dem es letztlich nur um Marginalien ging. Alleinstellung also nicht um jeden Preis.
... Berlins rosa Neo-Yuppie-Clique mit dem Falschetikett DIE LINKE stramm im Geiste der GRÜN-Realo-Fischer-Gang ... die Liebich-Clique hat sich in 2002 nur in die Mit-Regierungsmacht schleichen können, weil sie mit den Stimmen der jetzt so verachteten "Arbeitslosen und der Hartz-IV-Empfänger" bei der Abgeordnetenhauswahl in 2001 über 22,4% erreichen konnte ... nach 4 Jahren Entlarvung in der Mitregierung waren es in 2006 nur noch 13,4%, also fast eine Halbierung nach so kurzer Zeit ... die Berliner haben längst gemerkt, was es mit dieser Gurkentruppe auf sich hat ... die Hamburger, die Niedersachsen, die Hessen und bald auch anderswo sollten also sehr aufpassen, daß solche Realo-GenossInnen wie Liebich, Lederer, Seelig, Wolf und friends und gar nicht erst an die korrumpierenden Fleischtöpfe der Macht gelangen! ... gerade die Arbeitslosen und Hartz-IV-Empfänger dieser Bundesländer bekämen sonst den gleichen Tritt in den Hintern wie wir Berliner
bjk ALG II-Unterschichtler
Es ist allerhöchste Zeit, Art. 1, Abs. 1 und Art. 20, Abs. 4, GG, Geltung und Wirkung zu verschaffen!
DIE LINKE, DKP, Christel Wegner und Alternativen - wie Georg Fülberth das sieht
... eine der, wie ich finde, klügsten Analysen zum Komplex DIE LINKE, DKP, Christel Wegner und Alternativen - ein echter Georg Fülberth eben!
Das konnte nicht gutgehen: Eine zutiefst antikommunistische Politiklandschaft, eine Linkspartei, die darin ankommen will, und eine DKP-Führung, die beste Freundin der Linkspartei sein will Von Georg Fülberth
Gratulation! In mehrfacher Hinsicht ist der Erfolg der Linkspartei bei der Landtagswahl in Niedersachsen der schönste. Erstens, weil sie dort in Prozenten am besten abgeschnitten hat. Ihr Fraktionsvorsitzender Manfred Sohn hat geschildert, wieviel Einsatz vor Ort dafür geleistet worden ist (siehe jW v. 10.3.2008). Zweitens hat die niedersächsische Linkspartei Grund zur Genugtuung, weil niemand ihr diesen Erfolg zugetraut hätte. Ende des vergangenen Jahres wurde ihr von ihrem Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch allenfalls ein Überraschungserfolg vorhergesagt. Drittens handelt es sich offenbar um einen vergleichsweise linken Landesverband. Der Landesvorsitzende Diether Dehm hat ihn klar profiliert.
Der vierte Grund zur Freude hat nun allerdings nichts mit den tatsächlich unübersehbaren Leistungen dieser Partei in Niedersachsen zu tun, sondern mit einer Konstellation, die dann auch zu ihren Gunsten wirkte. Anders als in Hessen und Hamburg gab es keine Polarisierung zwischen »Rot-grün« und »Schwarz-gelb«, die dort sozialdemokratische Wählerinnen und Wähler in der Schlußphase des Wahlkampfs doch wieder ihrer eigenen Partei zugetrieben hat wohl gerade auch die Linken unter ihnen, die mit der SPD schon seit langem fertig waren, jetzt aber ihr doch noch eine Chance geben wollten. Diese Bereitschaft zum Zusammenhalten, wenn es darauf ankommt, mag eine Sekundärtugend sein, ohne sie kommt eine Organisation aber nicht aus. Sie gehört man kann da sogar von Solidarität sprechen zu den angenehmeren sozialdemokratischen Traditionen. Seit Gerhard Schröder wird sie auf harte Proben gestellt, denn viele SPD-Anhänger merken, daß es noch etwas Wichtigeres gibt als die Treue zum Verein: nämlich die Ziele, deretwegen man immer zur Partei stand und die dort offenbar nicht mehr gut aufgehoben sind. In Niedersachsen zeigte sich, wie tief dieser Loyalitätskonflikt inzwischen ist.
Die Stimmabgabe für das sozialdemokratischere der beiden Angebote war dort keine Sabotage des Versuchs, die CDU-Regierung von Christian Wulff zu stürzen. In dieser Situation wurde sichtbar, wie tief der Riß im SPD-Potential inzwischen geworden war. Solange Kurt Becks Partei an Hartz IV und an der Rente mit 67 festhält, wird sich daran auch nichts ändern. Nur in zelebrierten Kopf-an-Kopf Rennen wie in Hessen kann da noch gekittet werden.
Grundsätzlich erweist sich am Phänomen der sozialdemokratischen Wechselwähler aber, was tatsächlich ansteht: die Notwendigkeit einer Umorientierung der SPD weg von der Agenda 2010. Das wird keine einfache Rückkehr zu den Verhältnissen vor Schröder mehr sein, sondern der Kampf um eine neue gesellschaftliche Konstellation. Gegenwärtig beginnt er als Richtungsstreit innerhalb der SPD. Insofern ist sie gegenwärtig unabhängig vom Format ihres Personals die interessanteste der deutschen Parlamentsparteien. Schafft sie eine Umorientierung nach links, wird das nicht ohne innere Kündigungen oder Absplitterungen an ihrem rechten Rand abgehen. Scheut sie davor zurück, wird Die Linke stärker. Aber auch, falls Becks Öffnungspolitik ehrlich und erfolgreich sein sollte, wird er die Konkurrenz so schnell nicht wieder los. Ein gesellschaftlicher Umbau hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit ist nicht mit einer einzigen sozialdemokratischen Partei zu stemmen, sondern allenfalls mit zweien.
Von der Absetzbewegung des linken Potentials in der SPD hat Die Linke in Niedersachsen profitiert. Das war dann tatsächlich das Glück des (oder der) Tüchtigen. Es ist auch anzunehmen, daß ihre Landtagsfraktion eine ausgezeichnete Oppositionspolitik machen wird. So weit, so gut.
Kosten-Nutzen-Rechnung
Zur Cleverneß der Linkspartei in Niedersachsen gehört auch die Art und Weise, wie die Landesliste vorbereitet wurde. Es galt zu verhindern, Stimmen an Konkurrenten zu verlieren, die vielleicht nur 0,1 oder 0,2 Prozent erhielten, die aber dann gerade dazu fehlen würden, daß man selbst die fünf Prozent schaffte. Größere Hoffnungen als auf knappes Erreichen des Landtags hatte man ja zunächst nicht. Also wollte man nicht, daß die Partei Die Grauen und die Deutsche Kommunistische Partei eigenständig kandidierten.
Das Verhalten der DKP kann man sich gut vorstellen. Es gibt da so einen gravitätischen Gestus, der auf die Nerven geht: von strategischer Allianz wird da geredet, von Augenhöhe, dem Wunsch nach regelmäßigen Konsultationen, Bündnis und derlei Einbildungen. Dieses Sich-selbst-zu-wichtig-Nehmen wird man wohl mit der Forderung nach einem sicheren Listenplatz verbunden haben. Daß Die Linke in dem letzten Punkt nicht mitmachte, hat fünf gute Gründe.
Erstens: Die Konkurrenz um die Spitzenpositionen ist dort ohnehin hart genug. Neue Bewerber sind da nicht willkommen, und die Garantie fester Plätze bedeutet Wettbewerbsverzerrung für eine marktorientierte Partei eine Todsünde. Zweitens: Prominente Plazierung von Kommunisten könnte das auslösen, was man bei der Linkspartei am meisten fürchtet: ein Mediendesaster. Drittens: Die Linke ist wie die DKP eine Partei mit Vorsitzenden, Kassierern und Schriftführern, sie ist also keine Bewegung. Listenverbindungen sind schon durch das Wahlrecht verboten. Viertens: Durch Begünstigung von Kommunisten wären innerparteilich die dort durchaus vorhandenen schlafenden antikommunistischen Hunde geweckt worden. Fünftens: Die Linkspartei konnte sich eine schroffe Abweisung gut leisten. Gerade das staatsmännisch-verantwortungsbewußte Gehabe des Vorstands der DKP hindert die kommunistische Partei daran, in brenzligen Situationen selbständig anzutreten und damit sich als nicht »bündnisfähig« zu erweisen.
Also reichte es nur zu einem neunten Platz für das DKP-Mitglied Christel Wegner. Nach damaligem Ermessen galt diese Position als aussichtslos.
Aus Manfred Sohns Bericht (jW v. 10.3.2008) geht hervor, daß einigen Leuten in der Linkspartei selbst das schon zu weit ging. Es mag manche E-Mail in Niedersachsen und zwischen dem Karl-Liebknecht-Haus in Berlin und Hannover hin- und hergegangen sein. Am Ende siegte eine nüchterne Kosten-Nutzen-Rechnung: Christel Wegner wurde genau so plaziert, daß man die erwünschten 0,2 Prozent der DKP erhielt, aber (aufgrund der unauffälligen Position) Aufsehen vermieden wurde.
Ein Interview
Die Komplikation entstand ausgerechnet durch das überraschend gute Ergebnis. Christel Wegner wurde gewählt. Diether Dehm hat das offenbar gut gepaßt, denn er hat diese Abgeordnete auf einer Pressekonferenz offensiv präsentiert. Daß die Medien nur auf eine solche »Sensation« gewartet hatten, war abzusehen. Christel Wegner wurde von Mitgliedern ihrer Fraktion ausdrücklich ermutigt, Interviewbitten nicht aus dem Weg zu gehen. Offenbar hat aber niemand daran gedacht weder in der DKP noch in Die Linke noch die Betroffene selbst daß zumindest beim Umgang mit dem Fernsehen ganz schnell Professionalität antrainiert werden muß und bestimmte Regeln zu beherzigen sind: sich vorher festlegen, worüber man reden will und worüber nicht, zu Standardfragen Standardantworten bereithalten und notfalls auswendiggelernt wiederholen, Bereitschaft zum Abbruch. Weil diese Vorbereitung unterblieb, passierte das Malheur der »Panorama«-Sendung vom 14. Februar 2008.
Was Christel Wegner in dem zirka einstündigen Gespräch insgesamt gesagt hat, ist unbekannt. Es wurden nur Ausschnitte gebracht. Sie stimmen nicht mit dem überein, was unmittelbar nach der Ausstrahlung und insbesondere in schriftlichen Darlegungen (auch auf der Homepage von »Panorama«) behauptet worden ist. Es bleibt aber, daß Christel Wegner sich nicht an das hielt, was jeder politische Medienfuchs weiß: daß man nämlich selbst in einem längeren Gespräch niemals einen Satz sagen darf, der aus dem Zusammenhang gerissen und gegen den (oder die) Interviewte(n) gerichtet werden kann.
Halten wir uns an das, was im Fernsehen als O-Ton zu hören und zu sehen war, dann bleiben drei Aussagen stehen. Erstens: »Die Linke möchte mit Reformen Veränderungen erreichen und wir (gemeint war die DKP; G. F.) sind der Auffassung: Das reicht nicht. ( ) Wir wollen den Umbau der Gesellschaft. ( ) Die Macht des Kapitals kann nur dadurch überwunden werden, daß wir eine Vergesellschaftung der Produktionsmittel bekommen.«
Als Forderung einer sozialistischen Politikerin ist das ja nun nichts Überraschendes. Es wird behauptet, daß auch in Die Linke solche Ansichten noch vertreten werden. Gregor Gysi aber findet das offenbar empörend. In derselben »Panorama«-Sendung äußerte er sich so: »Es gibt für uns keinen Weg zur Verstaatlichung aller Produktionsmittel.« Wir wollen auch hier medienkritisch sein. Die Absage an die »Verstaatlichung aller Produktionsmittel« das hat Gysi tatsächlich gesagt. Aber wir wissen nicht, ob das eine unmittelbare Antwort auf Christel Wegner war oder ob es von der Redaktion in die Sendung hineingeschnitten wurde.
Die neugewählte Abgeordnete sagte zweitens: »Also jeder Staat versucht ja, sich sozusagen vor Angriffen von außen zu schützen.« Das soll sie auf die Mauer bezogen haben. Es ist nicht ganz klar, ob die Frage der Reporterin, die man hört, unmittelbar vor dieser Antwort gestellt wurde. Falls das so war, dann hätte Christel Wegner tatsächlich etwas Falsches gesagt. Die Mauer sollte das Abwandern von Arbeitskräften aus der DDR verhindern, nicht einen Angriff von außen.
Drittens. Zur Rolle von Geheimdiensten im Sozialismus: »Ich denke , wenn man eine andere Gesellschaftsordnung errichtet, daß man da so ein Organ wieder braucht, weil man sich auch davor schützen muß, daß andere Kräfte, reaktionäre, die Gelegenheit nutzen und so einen Staat von innen aufweichen.« Der Fehler, den Christel Wegner hier beging, besteht darin, daß sie sich gleichsam auf geschichtsphilosophische Spekulationen darüber einließ, ob irgendwann in ferner Zukunft, wenn wieder einmal eine sozialistische Gesellschaft möglich sein sollte, diese einen Geheimdienst benötigen wird. Das weiß heute kein Mensch. Natürlich war es äußerst naiv, in einer Situation, in der nur auf einen verfänglichen Satz über die Staatssicherheit der DDR gewartet wurde, derartig daherzuphilosophieren.
Wer nach der Sendung Kontakt zu Christel Wegner aufnahm, erfuhr, daß sie nicht nur über die Wirkung des Interviews unglücklich war, sondern auch über ihre Ungeschicklichkeit. Während ihr Haus von Medienmenschen belagert wurde, die Bild-Zeitung Nachbarn Geld anbot und merkwürdigerweise sogar die Kripo bei Anwohnern Erkundigungen einzog, sortierte sie sich. Die Erklärungen, die sie danach abgab, zeigen, daß sie zu vernünftigen Einschätzungen gekommen ist: Selbstkritik ja, Weglaufen nein. Dazu braucht man halt ein paar Tage. Sie hat ihren Text aber noch rechtzeitig an ihre Fast-Fraktion gegeben, bevor diese die Trennung beschloß. Das wollte dort aber niemand mehr hören. Man war nämlich längst damit beschäftigt, die eigene Haut zu retten.
Wer wen?
So. Nachdem wir uns die Fakten angesehen haben, wollen wir wie wir es gelernt haben uns einmal ansehen, welche Akteure mit welchen Interessen hier am Werk sind.
Beginnen wir mit der »Panorama«-Sendung. Daß die Redaktion von vornherein, schon vor dem Interview, eine Kampagne arrangiert hatte, ist kein großes Jammern wert. Das ist in dieser Branche halt so. Pit Metz, ehemaliger Spitzenkandidat der Linkspartei in Hessen und ehemaliges DKP-Mitglied, hatte Ende August vorigen Jahres weniger Angriffsflächen geboten als Christel Wegner. Dennoch ist mit ihm dasselbe passiert. Ob die Redaktion nur die Wahl in Hamburg beeinflussen und Die Linke schädigen wollte, ist nicht ganz sicher. Die Moderatorin fand erkennbar Gregor Gysi recht nett und war einen Schulterschluß mit ihm und seiner Crew gegen die DKP ersichtlich zugeneigt.
Völlig verständlich ist, daß CDU/CSU, FDP, Grüne und SPD ihre Kettenhunde gegen die Linkspartei losließen und daß auch Bild und die gesamte konservative und rechts- wie linksliberale Presse viel zu sagen hatte: Die Linkspartei sei Mauer- und MfS-geneigt, denn es gebe da ja »Stasi-Christel«. Das war Wahlkampf.
Damit kommen wir zu einem dritten Akteur: dem Personal an der Spitze der Linkspartei. Indem man sofort verbal zuschlug, wollte man einerseits einen Einbruch in Hamburg verhindern, andererseits ein wichtigeres Projekt vorantreiben: Bereinigung im Inneren. Das dürfte gelingen. Das »Forum demokratischer Sozialismus« wird es, was ohnehin geschehen wäre, beschleunigen können.
Viertens: die Landtagsfraktion in Hannover. Sie fürchtete, für Verluste in Hamburg verantwortlich zu sein und inszenierte einen Ausschluß, der formal gar keiner sein konnte. Laut Geschäftsordnung des Landtags können nur Mitglieder einer Partei, deren Liste gewählt wurde, ihrer Fraktion angehören. Christel Wegner, DKP, hätte allenfalls Gaststatus bekommen können. Man begnügte sich nicht damit, ihr diesen zu verweigern, sondern zeigte einen öffentlichen Exorzismus vor.
Für dieses hundertfünfzigprozentige Verhalten gibt es neben der Wahltaktik für Hamburg einen zweiten Grund: Diether Dehm ist im Karl-Liebknecht-Haus nicht wohlgelitten. Dort hat man gegen ihn inzwischen junge, aufstiegswillige Freunde in Niedersachsen gewonnen. In der FAZ wurde nach der Interviewaffäre denn auch darüber spekuliert, wann Dehm gestürzt werde. Prognose: Es werde noch ein wenig dauern. Das Wegner-Bashing soll die Gnadenfrist verlängern.
Nachdem die Interessen einiger Akteure Medien, CDU/CSU/FDP/Grüne/Berliner Parteiführung sowie die niedersächsische Landesorganisation erläutert sind, soll noch auf folgende Merkwürdigkeit hingewiesen werden: Alle drei benutzten dasselbe aufgeheizte Vokabular. Die Mandatsträger der Linkspartei unterschieden sich nicht von den Bürgerlichen.
Hierzu eine historische Reminiszenz: Als sich in den sechziger Jahren die Neue Linke um den SDS auf den Weg machte, interessierte sie sich sehr für die gesellschaftliche Macht der Bewußtseinsindustrie: »Enteignet Springer!« Als daraus nichts wurde, folgte im Laufe der Zeit eine Art negativer Lernprozeß. Man erfuhr, daß der medial-ökonomisch-politische Komplex nicht zu besiegen sei, sondern daß man, wollte man erfolgreich sein, zu seinen Bedingungen arbeiten müsse. So entstand das Produkt Joseph Fischer.
Die Partei Die Linke hat diesen Lernprozeß nicht etwa nachgeholt, sondern sie begann da, wo die anderen inzwischen längst angekommen waren. Sie ist die medien-ängstlichste und am meisten an Fernsehen und Großpresse angepaßte Partei der Bundesrepublik. Innerparteilich wirkt sich das so aus, daß sie mehr als andere Organisationen an Führungsfiguren orientiert ist, mit inzwischen sichtbar werdenden Folgen für die innerparteiliche Demokratie.
Wir sehen, wie aufklärend der angebliche »Fall Wegner« ist. Er ist ein Fall Die Linke.
DKP Stecker raus!
Je länger das »Panorama«-Interview Christel Wegners zurückliegt, desto mehr zeigt sich, daß es durchaus sein Gutes hatte. Es hat einen Prozeß forciert, der ohnehin überfällig war: (hoffentlich) die Trennung der DKP von Die Linke. Die wird zur Zeit ja vor allem von Gysi, Ramelow und Lafontaine betrieben. Doch auch wer anders als sie nicht ankommen oder ins alte Geschäft zurück will, hat Anlaß, Distanz zu suchen, und zwar zu ihnen.
Wenn in der Vergangenheit Mitglieder der DKP auf Listen der PDS, dann der Linkspartei.PDS und zuletzt der Partei Die Linke kandidiert haben, dann nicht, weil sie in den Bundestag oder einen Landtag wollten, sondern weil sie solidarische Rindviecher waren. Der Verfasser der hier vorliegenden bescheidenen Zeilen Platz 14 auf der hessischen Bundestags-Landesliste 2005 weiß, wovon er redet. Selbst damals noch, als das Hauen und Stechen um die aussichtsreichen vorderen Plätze in vollem Gang war, wurde noch um ein bißchen Import auf den hinteren Rängen geworben. Niemand rechnete damit, daß die Kandidaten aus der DKP einen Sitz erhalten würden, auch sie selber nicht.
Manfred Sohn hat, wie gezeigt, Unrecht mit seiner Behauptung, man habe Christel Wegner einen »hervorragenden Platz« eingeräumt. Ach was! Es war die übliche verschämte Besenkammerposition, aus der lediglich aufgrund eines unerwarteten und dann tatsächlich hervorragenden Wahlergebnisses etwas wurde. In Hessen war das übrigens der ebenso verborgene Platz elf für eine DKP-Genossin, die sogar ohne ausdrückliche Ermutigung ihres Landesvorstandes sich bitten ließ. Bei einem vorzüglichen Ergebnis wie in Niedersachsen wäre es dann zum selben Klamauk gekommen mit Interview oder ohne.
Mit solchen Dienstleistungen sollte jetzt aber wirklich Schluß sein. Manfred Sohn hat nämlich in dem einen Punkt recht, »daß man Räume, die man beansprucht, auch ausfüllen können muß«. Das kann die DKP auf Bundes- und Länderebene zur Zeit nicht (Stadtstaaten vielleicht ausgenommen). Sie sollte deshalb auch nicht bei anderen unterschlüpfen, sondern entweder auf Kandidaturen verzichten oder selbständig antreten, wenn sie eine Chance hat, thematisch neben der Partei Die Linke sichtbar zu werden.
In den Kommunen sieht das nur auf den ersten Blick anders aus. Sie sind von altersher daß Feld von Wählergemeinschaften und überparteilichen Hybridgebilden. DKP-Mitglieder haben dort auf Listen der Linkspartei Mandate. Sie werden nach wie vor ihre Arbeit in der Zeit tun, für die sie gewählt wurden. Danach sollten sie meiner Meinung nach wieder selbständig für ihre eigene Partei kandidieren. Diese »Räume« füllen sie nämlich aus. Es gibt in den Gemeinden fast nirgends noch die Fünf-Prozent-Klausel. Wo kumuliert, gestrichen und panaschiert (Stimmenhäufung für einzelne Kandidaten, Querwahl zwischen den Listen) wird, können sich überdies interessante Effekte ergeben.
Für das Verhältnis der DKP zur Linkspartei sollte aber künftig gelten: Stecker raus!
Viel Glück, Christel Wegner!
Aber das sind Überlegungen zwar für bald, aber erst einmal für später. Jetzt gilt: Christel Wegner ist gewählte Abgeordnete. Sie hat erklärt, daß sie sich im Landtag an das Wahlprogramm der Linkspartei halten wird. Die Fraktion, die sie als Gast hätte aufnehmen können, hat sie nicht verlassen, sondern sie wurde weggeschickt. Deshalb ist die Forderung, sie solle ihr Mandat zurückgeben, gelinde gesagt, merkwürdig. Als man sie »ausschloß«, hat man den Verlust dieses Sitzes wohl billigend in Kauf genommen: Man hat ja jetzt recht viele.
Christel Wegner arbeitete 22 Jahre als Krankenschwester und später als Pflegedienstleiterin, sie war Personalratsvorsitzende einer Klinik. Mit beratender Stimme gehört sie dem Ausschuß für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit an. Der niedersächsische Landtag dürfte nicht viele Mitglieder haben, die aufgrund derart langer eigener Berufstätigkeit so viel Kompetenz in diesen Bereichen mitbringen. Christel Wegner hat nach ihrem »Panorama«-Unfall schnell gelernt, wie man es schafft, sich von den Medien nicht ein zweites Mal hereinlegen zu lassen. Irgendwann wird sie im Landtag auch reden. Sie wird ihre Beiträge gut vorbereiten, sie gewiß schriftlich mitbringen (andere tun das auch), Wort für Wort vortragen, sich nicht aus dem Konzept bringen lassen, und nach einiger Zeit werden zumindest einiger derer, die sie ausschließlich unter ihrem »Panorama«-Interview abbuchen wollten, merken, daß sie auf einem ganz anderen Gebiet ziemlich viel zu sagen hat. Wer ihr zu ihrer neuen Tätigkeit Glück wünscht, wird also absehbar damit erfolgreich sein.
Eine Benimmregel
Als Manfred Sohn vor Jahren die DKP verließ, gab es dafür einen plausiblen Grund: Mit dieser geschrumpften Partei ließ sich die offensive linksradikale Politik, deren überzeugender Vertreter er damals war, nicht machen. Jetzt ist er in Die Linke, und da geht das ebensowenig. Sie ist zwar nicht kaputt, scheut aber linke Radikalität. Wer in ihrem Rahmen Politik macht, muß sich, war er einmal anders, zurücknehmen. Das ist begreiflich und keineswegs verwerflich. Es gibt aber Stilfragen. Sie stellen sich immer, wenn die Auseinandersetzung mit früheren Genossinnen und Genossen geführt wird. Ein gewisser Tonfall verbietet sich da auf beiden Seiten.
Von Georg Fülberth erscheint im April das Buch: »Doch wenn sich die Dinge ändern. Die Linke«, PapyRossa Verlag, Köln, etwa 160 S., ca. 12,90 Euro
Es ist allerhöchste Zeit, Art. 1, Abs. 1 und Art. 20, Abs. 4, GG, Geltung und Wirkung zu verschaffen!
Re: die Berliner LINKspartei will nicht mehr die Partei der Arbeitslosen und Hartz4-EmpfängerInnen s
... und offenbar auch nicht mehr in der Solidar-Gemeinschaft der Antifaschisten ... mich erreichte nämlich nachfolgende Erklärung zu Repressionen einer antifaschistischen Initiative durch die Linkspartei ... ich war Erstunterzeichner dieser "Antifaschistischen Initiative 1. Dezember" und erkläre mich auch hiermit solidarisch mit der untenstehenden Protestnote ... es wird immer deutlicher, daß viele karriere- und postengeile KadergenossInnen im Berliner Karl-Liebknecht-Haus sich mit dem Label DIE LINKE ein falsches Etikett angepappt haben ... so auch der einstige Vorzeige-Punk der PDS, Angela Marquardt, die jetzt so Mitte Dreißig sein dürfte und emsig an ihrer Karriereplanung arbeitet, nachdem sie 2003 aus der PDS ausgetreten ist ... übrigens ist die PDS bekanntlich 2002 an der 5%-Hürde gescheitert und deshalb nicht in den Bundestag gekommen, also gab's für Angela auch kein gut dotiertes Bundestagsmandat ... sie ist dann nach einem kürzlich geführten "Gespräch" mit Kurt Beck in die SPD eingetreten ... Angela Marquardt arbeitet nämlich schon seit anderthalb Jahren für Andrea Nahles (SPD) ... hier nachzulesen: https://www.welt.de/politik/article1797791/Ex-PDS-Vize_Marquardt_tritt_in_die_SPD_ein.html ... tja,
Keine Ausgrenzung von linken, sozialistischen Kräften!
Gegen den von der neofaschistischen NPD und ihren braunen Kameradschaften für den 1. Dezember letzten Jahres geplanten Marsch von Treptow nach Rudow haben sich zahlreiche antifaschistische Kräfte in unterschiedlicher Art und Weise in Treptow und Neukölln engagiert. Es ist normal, dass es auch unter diesen unterschiedliche Meinungen gibt. So gab es verschiedene Aufrufe, ein Straßenfest in Rudow, Kundgebungen und eine Demonstration von Schöneweide nach Neukölln. Jetzt, dreieinhalb Monate später, beantragt Dr. Hans Erxleben, Mitglied des Bezirksvorstandes der Linkspartei in Treptow/Köpenick, in Absprache mit dem SPD-Stadtrat Dirk Retzlaff, den Ausschluss der MLPD, ihrer Jugendorganisation REBELL und sonstigen Initiativen, die nachweislich im direkten Zusammenhang mit der MLPD stehen aus eben diesem Bündnis.
Professor Heinrich Fink, Brigitte Heinisch (Trägerin des Whistleblower-Preises für Zivilcourage), Dieter Ilius (MLPD), Martin Franke (BR bei Daimler Marienfelde), Dieter Thiessen (DKP) Mitglieder der Linkspartei, der Internationalen Liga für Menschenrechte, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, der GEW, Verdi, IG Metall, Montagsdemonstranten und viele andere Antifaschisten waren nicht damit einverstanden, sich an diesem Tage auf ein Straßenfest in Schöneweide oder Rudow zu beschränken und auf die Forderung nach dem Verbot der NPD im Aufruf zu verzichten. Im Rahmen einer >Antifaschistischen Initiative 1.Dezember< riefen sie deshalb zu einer Demonstration gegen die Nazis, für das Verbot der NPD und die Organisierung eines offenen Mikrofons auf antifaschistischer Grundlage auf. Das ist ihr demokratisches Recht. Zugleich warb diese Initiative auch für das Straßenfest in Rudow und wollte sich daran nach der Demonstration beteiligen. Sprecher dieser Initiative waren Prof. Dr. Heinrich Fink (Bundesvorsitzender der VVN) und Dieter Ilius (Mitglied der MLPD). Während die Nazis unter Polizeischutz durch Neukölln demonstrierten, wurde die antifaschistische Demonstration von Treptow an der Stadtteilgrenze nach Neukölln von der Polizei gestoppt. Es war somit die Polizei die einen Zusammenschluss der beiden antifaschistischen Aktionen verhinderte. Dennoch beteiligten sich Teilnehmer dieser Demonstration, soweit möglich, danach dennoch an diesem Straßenfest und einer Kundgebung in Neukölln.
Meinungsverschiedenheiten über Forderungen der Antifaschisten und die verschiedenen Aktivitäten können niemals ein Grund für eine Ausgrenzung sein, wie dies durch Dr. Hans Erxleben, in Absprache mit dem SPD-Stadtrat Dirk Retzlaff, angestrebt wird. Zu diesem Zweck hat er sich sogar an die CDU-Fraktion in der BVV gewandt um deren Unterstützung dafür zu gewinnen. Gleichzeitig wurden verschiedene Mitglieder des Bündnisses für Demokratie und Toleranz, einschließlich der Mitglieder der MLPD, nicht darüber in Kenntnis gesetzt. Was hat dies mit Demokratie, Toleranz und Solidarität zu tun ? Dies schadet dem gemeinsamen antifaschistischen Handeln und spricht allen Lehren der Geschichte Hohn. Der tatsächliche Grund dafür ist nicht die von ihm behauptete Bündnisunfähigkeit, sondern unterschiedliche politische Meinungen über Weg und Ziel des antifaschistischen Kampfes und gesellschaftlicher Veränderungen. Diese können jedoch nicht durch undemokratische Ausgrenzung und Verunglimpfung Andersdenkender geklärt werden. Deshalb bitten wir als ein Teil der Initiatoren und Unterstützer der Initiative zum 1. Dezember, alle antifaschistisch eingestellten Demokraten und Sozialisten, gemeinsam mit uns gegen eine solche Spaltung und antikommunistische Ausgrenzung durch ihre Unterschrift zu protestieren. (Erstunterzeichner dieses Aufrufes...)
Unterstützt die Erklärung: Für das gemeinsame antifaschistische Handeln Keine Ausgrenzung von linken, sozialistischen Kräften !
Gegen die Nazis, deren Duldung und Förderung, ist ein gemeinsames, überparteiliches Handeln aller demokratischen und sozialistischen Kräfte notwendig. Deshalb protestieren wir entschieden gegen den von Herrn Dr. Erxleben, (Mitglied des Bezirksvorstandes der Linkspartei in Treptow/Köpenick), in Absprache mit dem SPD-Stadtrat Dirk Retzlaff, beantragten Ausschluss der MLPD, ihres Jugendverbandes REBELL und mit ihr im Zusammenhang stehenden Initiativen, aus dem >Bündnis für Demokratie und Toleranz< in diesem Stadtteil. Solche undemokratischen Ausgrenzungsversuche schaden dem antifaschistischen Kampf.
Es ist allerhöchste Zeit, Art. 1, Abs. 1 und Art. 20, Abs. 4, GG, Geltung und Wirkung zu verschaffen!
Re: die Berliner LINKspartei will nicht mehr die Partei der Arbeitslosen und Hartz4-EmpfängerInnen s
Zitat: bjk
... und offenbar auch nicht mehr in der Solidar-Gemeinschaft der Antifaschisten ... mich erreichte nämlich nachfolgende Erklärung zu Repressionen einer antifaschistischen Initiative durch die Linkspartei ... ich war Erstunterzeichner dieser "Antifaschistischen Initiative 1. Dezember" und erkläre mich auch hiermit solidarisch mit der untenstehenden Protestnote ... es wird immer deutlicher, daß viele karriere- und postengeile KadergenossInnen im Berliner Karl-Liebknecht-Haus sich mit dem Label DIE LINKE ein falsches Etikett angepappt haben ... so auch der einstige Vorzeige-Punk der PDS, Angela Marquardt, die jetzt so Mitte Dreißig sein dürfte und emsig an ihrer Karriereplanung arbeitet, nachdem sie 2003 aus der PDS ausgetreten ist ... übrigens ist die PDS bekanntlich 2002 an der 5%-Hürde gescheitert und deshalb nicht in den Bundestag gekommen, also gab's für Angela auch kein gut dotiertes Bundestagsmandat ... sie ist dann nach einem kürzlich geführten "Gespräch" mit Kurt Beck in die SPD eingetreten ... Angela Marquardt arbeitet nämlich schon seit anderthalb Jahren für Andrea Nahles (SPD) ... hier nachzulesen: https://www.welt.de/politik/article1797791/Ex-PDS-Vize_Marquardt_tritt_in_die_SPD_ein.html ... tja,
Die junge Welt bietet eine Alternative auf dem Zeitungsmarkt Von Verlag, Redaktion, Genossenschaft
Liebe Leserinnen und Leser,
was kann man alles mit einem soeben geschmiedeten Hammer machen? Und was mit einer frisch gedruckten Zeitung? Beides sollte man in die Hand nehmen und damit arbeiten.
Der Schmied formt mit dem Hammer ein Werkstück aus dem glühenden Rohmetall, der Leser erarbeitet sich Texte, in denen er im Idealfall statt des allgemeinen Gewimmels von Fakten und Meinungen, von Werbung und Propaganda konzentriert das Wesentliche findet. Vorausgesetzt, die Schläge sind richtig plaziert, das Wesen von der Erscheinung differenziert, die Interessenslagen geklärt. Gerade wenn das gut gelingt, kann das auch Ärger erzeugen.
Allerdings nur, wenn die Zeitung über Einfluß und damit Wirkung verfügt. Gemessen an dem Ärger, den wir uns überall einhandeln, müssen wir eine sehr wirkungsvolle und einflußreiche Zeitung sein. Daß uns der Burschenschaftler, der Geheimdienstmann oder der FAZ-Redakteur nicht leiden können (um nur einmal drei Akteure, die gerade gegen die junge Welt klagen, zu benennen), versteht sich noch von selbst. Daß wir den Rechten in der Linken nicht gefallen und sie deshalb aktiv für das Abbestellen der jW werben, ist auch nicht neu. Neu ist aber, daß sogar manche Linke in der Linken über die junge Welt jammern und davon sprechen, diese Zeitung führe eine Kampagne gegen sie. Die Frage ist, was oder wer hat sich verändert?
Die junge Welt versteht sich als marxistische Zeitung. Sie hat den Vorteil, daß sie auf keine parteitaktischen Erwägungen Rücksicht nehmen muß und keinen Flügel, egal welcher Partei, bedient. Sie darf nicht nur, sie muß gelegentlich zuspitzen, um Dinge besser erkennbar zu machen, um Dinge auf den Punkt zu bringen. Sie hat ein kritisches Verhältnis zur Geschichte der Arbeiterbewegung, also auch zum eigenen Produkt. Sie weigert sich aber, den plumpen oder feinen Antikommunismus bürgerlicher oder sonstiger Prägung zu übernehmen, auch nicht temporär. Nicht nur auf internationaler Ebene tritt sie für einen solidarischen Umgang unter Genossinnen und Genossen ein. Das sind keine Prinzipien, die man vergessen darf, nicht einmal vorübergehend. Es sei denn, man gibt die eigene Position auf oder verändert sie bis zur Unkenntlichkeit. Und wir erleben gerade Zeiten, in denen das, was sich links nennt, neu sortiert.
Manche diffamieren eine solche Haltung als theologisch, und sie ist Grund, die junge Welt abzubestellen. Für andere wiederum ist sie einer der Gründe, die zum Abo und zum aktiven Einsatz für die Zeitung geführt haben. Neue Abonnements zu werben ist heute leichter denn je: Nicht nur die Linke stellt sich neu auf, gesamtgesellschaftlich ist das Interesse an etwas Neuem, nach Alternativen zum Bestehenden, groß. Die Partei Die Linke hat hier ein interessantes Angebot zu machen, auf dem Zeitungsmarkt steht wiederum die junge Welt für die Lust auf Veränderung. Hoffentlich bleibt Die Linke in den Punkten, die sie attraktiv im Vergleich mit anderen Parteien macht (um nur mal drei zu nennen: Schluß mit Auslandseinsätzen, Stopp der Privatisierung, Verhinderung des weiteren Abbaus demokratischer und sozialer Rechte) konsequent. Zumindest werden wir sie auf diesem Weg aufmerksam begleiten. Um unser alternatives Angebot in den nächsten Monaten noch stärker bekannt zu machen, starten wir unsere Kampagne »Die Linke auf den Punkt gebracht«. Mit der Unterstützung all jener, die diese Zeitung gerade jetzt für unverzichtbar halten, ist ihr Erfolg nicht zu verhindern.
Es ist allerhöchste Zeit, Art. 1, Abs. 1 und Art. 20, Abs. 4, GG, Geltung und Wirkung zu verschaffen!
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Rechtsruck in DIE LINKE? Was der Fall Christel Wegner offenbart!
Dokumentiert: Auszüge aus der Podiumsdiskussion »Was treibt Die Linke? Funktion und Folgen eines Skandals« vom 17. März 2008 in der jW-Ladengalerie
Seit den Wahlerfolgen der Linkspartei in Bremen, Hessen, Niedersachsen und Hamburg steht die Partei um Oskar Lafontaine und Lothar Bisky politisch unter enormem Anpassungsdruck. Vertreter staatstragender Organe und Parteien betonen immer wieder, von ihr gehe Gefahr für den Parlamentarismus und das politische System der BRD insgesamt aus. Das Interview des ARD-Magazins »Panorama« mit dem DKP-Mitglied Christel Wegner vom 14. Februar 2008 wirft in diesem Zusammenhang zentrale Fragen auf: Wie reagiert die Linkspartei auf die antikommunistische Schelte? Fördert der Druck eine Anpassung der Linken an die bürgerlichen Parteien? Ist eine Linksentwicklung nicht ebenso möglich? Welche Perspektiven bieten sich dabei der DKP? jW-Geschäftsführer Dietmar Koschmieder befragte dazu Manfred Sohn (Vorsitzender der Linksfraktion im niedersächsischen Landtag), Ellen Brombacher (Sprecherin der Kommunistischen Plattform in der Linkspartei), Ekkehard Sieker (freier Fernsehjournalist), Heinz Stehr (Vorsitzender der DKP) und Christel Wegner (MdL in Niedersachsen). (jW)
Dietmar Koschmieder: Ich bitte Euch, einmal persönlich einzuschätzen, was den zentralen Skandal dieses Ereignisses, von dem wir heute reden wollen, darstellt.
Christel Wegner: Für mich ist der eigentliche Skandal, daß mit einem Hebel eine politische Bewegung diskreditiert wird. In diesem Fall wurde ich mit meiner politischen Unerfahrenheit zum Hebel genommen, um letzten Endes öffentlich zu zeigen: Die Linke ist aus unterschiedlichen Gründen nicht wählbar.
Heinz Stehr: Also für mich ist der Skandal, daß man über Medien versucht, eine politische Wirkung dieser Art zu erzeugen, und daß man nicht in der Lage und willens ist, authentische Positionen der Linken auch von uns Kommunisten in der Gesellschaft zuzulassen. Das ist das besonders Skandalöse, neben dem persönlichen Umgang mit unserer Genossin. Das ist ein wahres Kesseltreiben gewesen, bis hin zu Morddrohungen. Das wird bewußt von Medienvertretern und von Teilen dieser Gesellschaft in Kauf genommen.
Ekkehard Sieker: Skandalös finde ich die Art und Weise, wie hier journalistisch vorgegangen wurde: Das ARD-Magazin »Panorama« behauptet, anders als Frau Wegner, daß alles, was sie gesendet haben, ungeschnitten und nicht aus dem Zusammenhang gerissen sei. Ich habe Unterlagen dabei, und ich kann auch mit internen Unterlagen von »Panorama« nachweisen: Sie haben gelogen. Sie haben es geschnitten, und sie haben, wenn man ihre eigenen Unterlagen, also die der Redaktion, prüft, Dinge aus dem Zusammenhang gerissen.
Zweitens wunderte mich die relativ schnelle Reaktion von Mitgliedern der Linkspartei, die in der Kürze der Zeit gar nicht prüfen konnten, was ich jetzt überprüft habe. Ich denke, auch Mitglieder der Linkspartei sollten inzwischen soviel Erfahrung mit professionellen Medien haben, daß sie erstens sicher wissen, daß da nicht nur Freunde sitzen, und zweitens, daß man vielleicht doch erst einmal denjenigen, der angegriffen wird, zu Wort kommen läßt.
Ellen Brombacher: Man erwartet ja in Niedersachsen, da wir eine Kommunistin auf der Liste hatten, daß diese Situation von Antikommunisten verschiedenster Couleur benutzt wird, auch solcher, die in meiner Partei solche Positionen vertreten, um ihre Suppe zu kochen. Das merken wir in Vorbereitung des Parteitages im Mai, und deshalb haben wir in aller Eindeutigkeit erklärt: Unsere Solidarität gilt der Deutschen Kommunistischen Partei. Es ist unsäglich, daß Leute Unvereinbarkeitsbeschlüsse fordern. Wir werden uns dagegen wehren.
Zweites Hauptproblem, das ich sehe: Als am 14. Februar, ich glaube über dpa, die Meldung kam, daß die Genossin Wegner gesagt habe, sie wünsche sich die Stasi zurück, hätte meiner Meinung nach folgendes passieren müssen: Die Genossen, die in der DKP die Verantwortung tragen, meine Genossen im neugewählten Landtag, die Verantwortung tragen, und Genossin Wegner hätten sich an dem Abend zusammen vor den Fernseher setzen, sich die Sendung angucken und am nächsten Morgen gemeinsam erklären müssen, wie man zu dieser Sache steht.
Manfred Sohn: Das Wesentliche dieser Ereignisse ist aus meiner Sicht, daß es eine Scheidung auf der parlamentarischen Ebene, mindestens Landtage aufwärts, zwischen DKP und der Partei Die Linke, geben wird.
Also wenn man eine gemeinsame Liste macht, dann entsteht das Problem: Entweder du ordnest dich in der Frage »Wie gehen wir nach außen hin, also auch gegenüber anderen Medien, vor?« der Absprache in der Liste unter. Oder man sagt: »Ich unterstehe im wesentlichen den Absprachen eines Teils der Liste, also der Partei, in der ich organisiert bin, und handle entsprechend der dort vereinbarten Disziplin.« Dann hat man sich aber entschieden, die Parteidisziplin über die Listendisziplin zu stellen, und dann ist die Liste gespalten.
Dietmar Koschmieder: Christel, kannst du den Vorgang aus deiner Sicht beschreiben.
Christel Wegner: Ich habe mich an Absprachen gehalten. Wir haben niemals die Absprache getroffen: Christel Wegner als DKP-Mitglied auf der Liste von Die Linke wird zu ihrer politischen Überzeugung nichts sagen.
Dietmar Koschmieder: Manfred, du möchtest noch etwas ergänzen?
Manfred Sohn: Die gegnerischen Medien sind die gegnerischen Medien und nicht möglicherweise welche, mit denen man irgendeine Wirkung erzielen kann. Wenn man weiß und das muß man eigentlich wissen , was für eine Bande das ist, dann kann man denen nur sagen: Tür zu, draußen bleiben, jetzt nicht.
Dietmar Koschmieder: Ellen, ist es so, daß man sich bürgerlichen Medien grundsätzlich entziehen soll, oder soll man sich auf sie einlassen.
Ellen Brombacher: Da wir im großen und ganzen keine anderen haben, kann man ja nur die Frage stellen, ob man überhaupt vor die Medien geht oder nicht. Da verbietet sich eine grundsätzliche Verweigerung. Aber man muß vorbereitet sein. Und das war Christel ganz offensichtlich nicht. Sie hat aber nicht gesagt, daß sie MfS und Mauer zurückhaben will. Was sie gesagt hat, hat diese Interpretation allerdings nicht ausgeschlossen. Da sie es jedoch nicht gesagt hat, gibt es auch keine persönlichen Konsequenzen.
Dietmar Koschmieder: Ich zitiere jetzt einen Teil von Christels Sätzen, die für soviel Aufruhr gesorgt haben: »Die Linke möchte mit Reformen Veränderungen erreichen und wir« in dem Fall ist hier die DKP gemeint »sind der Auffassung, das reicht nicht. Die Macht des Kapitals kann nur dadurch überwunden werden, daß wir eine Vergesellschaftung der Produktionsmittel bekommen.« Ist diese Aussage falsch, an der Stelle falsch, und ist sie ein Grund, jemanden aus der Fraktion auszuschließen?
Manfred Sohn: Ja, logo, das unterscheidet natürlich die Linke von der DKP. Vier Zahlen: Wir hatten, als PDS noch, bei den Landtagswahlen in Niedersachsen [2003, d. Red.] 500 Mitglieder und 20000 Wählerstimmen. Wir haben bei diesen Wahlen jetzt 3000 Mitglieder und eine Viertelmillion Stimmen. Die Frage von Reform und Revolution ist immer eine Frage des Heranführens von Menschen an bestimmte politische Positionen. Des Heranführens man kann nicht davon ausgehen, daß sie, nur weil sie einmal Links angekreuzt haben, automatisch zu Linken geworden sind. Das ist die Kernfrage, und deshalb habe ich die Frage nach dem eigentlichen Skandal so beantwortet, wie ich sie beantwortet habe.
Ellen Brombacher: Ich habe ein Problem mit der suggestiven Art, wie die Sache jetzt hier behandelt wird.
Heinz Stehr: Die Kapitalseite stellt jeden Tag die Eigentumsfrage, oder was passiert in diesem Land gerade mit der Privatisierung, mit der Umwandlung von Betrieben, mit der Auslagerung von Produktion und ähnlichem mehr? Die Eigentumsfrage steht jeden Tag.
Ich finde, daß Christels Aussagen in ihrem historischen Kontext behandelt werden müssen. Wer nicht sagt, daß es vorher diesen faschistischen Weltkrieg gegeben hat, wer nicht sagt, daß die CDU und Adenauer Deutschland gespalten haben, daß es den Kalten Krieg gab, daß die BRD vor der DDR gegründet worden ist und daß dieses Deutschland an den Nahtstellen zweier Systeme lag, der kann sich natürlich nicht erklären, daß es auch zu Maßnahmen der Grenzsicherung und der Sicherstellung der Machtverhältnisse in einem Land kam.
Und was die Zukunft angeht: Ich hoffe ja, daß es gelingen wird, den nächsten Sozialismus unter anderen internationalen Bedingungen zustande zu bringen. Ich hoffe sehr, daß sich das, was wir uns als DKP unter Sozialismus vorstellen maximale Freiheitsrechte und ähnliches mehr umsetzen läßt. Ich hoffe sehr, daß es keiner Geheimdienste oder dergleichen bedarf. Aber entscheiden werden das künftige Generationen. Die werden dann in der Lage sein zu sagen, mit welchen Machtmitteln sie ihre gesellschaftlichen Ziele durchsetzen und wie sie sich vor möglichen Angriffen schützen wollen.
Dietmar Koschmieder: Wir haben gesehen, wie sich »Panorama« furchtbar darüber echauffiert hat, daß Frau Wegner in Erwägung zieht, daß Dienste notwendig seien, wenn man ein System neu errichten will. Als wir Einsicht in die Unterlagen zu diesem Gespräch erbaten, wurde uns vom zuständigen Redakteur mitgeteilt: Die rücken wir niemals raus, auch keinen Geheimdiensten. Nun ist das so eine Sache mit der ARD und den Geheimdiensten. Da gibt es wirklich andere Erkenntnisse, und so möchte ich Ekkehard noch einmal fragen, was er in diesem Zusammenhang mit seinen Kollegen recherchiert hat.
Ekkehard Sieker: Im Spätsommer 1998 hat das ARD-Morgenmagazin zusammen mit dem Journalisten und Friedensforscher Erich Schmidt-Eenboom und mir einen Beitrag erstellt, in dem unter anderem dargestellt wurde, daß der ehemalige Leiter der »Panorama«-Redaktion, Joachim Wagner, in den achtziger Jahren ein stabiler Kontakt für den BND im NDR gewesen ist. Diese Erkenntnisse beruhten wiederum wesentlich auf veröffentlichten Erkenntnissen der Funkaufklärung der DDR. Auch pflegte Wagner gute Kontakte zum früheren Hamburger Verfassungsschutzchef Christian Lochte. Wagner wehrte sich damals in der ARD-Sendung heftig gegen diese Vorwürfe, bestritt aber nicht seine Kontakte zu Geheimdiensten, sondern begründete die von uns angesprochenen Kontakte zu Mitarbeitern der Geheimdienste mit einer angeblichen Überprüfung von Sicherheitsfragen und aus meiner Sicht ungewöhnlichen journalistischen Erfordernissen.
Wenn man sich nun vor diesem Hintergrund die »Panorama«-Sendung über die DKP und Frau Wegner anschaut, stellt man fest, daß als Interviewpartner Heino Vahldieck auftaucht. Herr Vahldieck ist Leiter des Hamburger Verfassungsschutzes, und ohne inhaltlich erkennbare Notwendigkeit bietet »Panorama« ihm die Möglichkeit für einen öffentlichen Auftritt mit einer banalen Aussage über die DKP, für die man aber keinen Geheimdienstmann benötigt. Gleichzeitig befragt »Panorama« in demselben Beitrag den umstrittenen rechtskonservativen Extremismusforscher Professor Eckhard Jesse zur DKP und zur Linkspartei. Professor Jesses langjährige Zusammenarbeit mit Verfassungsschützern ist allein schon durch seine Veröffentlichungen nachweisbar. »Panorama« muß sich daher heute vorwerfen lassen, Vertretern eines Netzwerks aus Inlandsgeheimdiensten und Mitgliedern einer rechtskonservativen bis deutschnationalen Wissenschaftlergemeinde, die mit Verfassungsschützern eng zusammenarbeiten, eine mediale Plattform zu liefern. Dies ist ein Vorgehen, das mit seriösen journalistischen Ansprüchen nicht in Einklang zu bringen ist.
Dietmar Koschmieder: Die »Panorama«-Sendung endet ja mit der Forderung an die Linkspartei: Erst wenn alle DKP-Mitglieder draußen sind, wäre diese Partei in der Lage, mit der SPD Bündnisse einzugehen und regierungsfähig zu sein. Einige Tage später könnte es dann in der Presse heißen: Erst wenn ein Hans Modrow entfernt wird, der auch eine Altlast sei, erst dann sei man sozusagen regierungsfähig. Und könnte es nicht so sein, egal, ob ihr vor die Kamera tretet oder nicht, daß es bald heißt: Erst wenn die Leute von der Kommunistischen Plattform unschädlich gemacht worden oder ausgeschlossen sind, also erst, wenn diese »Reinigung« stattgefunden hat, ist Die Linke regierungsfähig? Daß es also euch, Ellen, als nächste treffen könnte habt ihr diese Idee nicht schon mal gehabt?
Ellen Brombacher: Im Zusammenhang mit den Wahlen in Hamburg wurde gesagt, daß Die Linke nur unter drei Bedingungen ins Gespräch kommen könnte, was Regierungsfähigkeit anlangt: a) die Änderung der Außenpolitik da geht es um die Frage der Militäreinsätze, b) das Verhältnis zur Marktwirtschaft und c), daß sie sich von den Kommunisten trennt. Das ist keine neue Geschichte. Das geht so seit Anfang der 90er Jahre. Und die Auseinandersetzung zu diesen Fragen laufen mal zugespitzter, mal weniger zugespitzt, aber permanent. Ich erinnere nur an den Parteitag in Münster, an die Auseinandersetzungen zur Frage der Militäreinsätze. Ich erinnere an die Riesendebatten auf dem Berliner Landesparteitag im März letzten Jahres zu unserem Papier »Fünf Punkte zum Umgang mit der Geschichte«. Das waren genau die Fragen, über die wir auch heute abend diskutieren. Also wir sind nicht erstaunt darüber, daß es auch gegen uns geht und daß gefragt wird, wieso es eigentlich eine Kommunistische Plattform in der Partei Die Linke gibt. In rechten Parteien gebe es doch auch keine faschistische Plattform und dergleichen mehr. Umso wichtiger finde ich es, daß wir uns wirklich überlegen, wie man sich zu diesen Dingen verhält.
Dietmar Koschmieder: Schauen wir auf den etwas größeren Zusammenhang: Haben wir es mit einer linkssozialdemokratischen Entwicklung in der Linkspartei zu tun oder einer rechtssozialdemokratischen? Wirklich gefährlich für die rechte Seite ist Oskar Lafontaine mit seinen Grundforderungen: Auslandskriegseinsätze einstellen, Stopp der Privatisierungen und Stopp des Abbaus demokratischer Grundrechte. Das sind Forderungen, die noch nicht zum Sozialismus führen, zumindest nicht in erster Konsequenz. Aber es sind die Positionen, auf die wir uns vermutlich auch alle hier auf dem Podium verständigen können, Dinge, die wir auch gemeinsam vertreten wollen. Und es wäre schon ein Riesenerfolg, wenn man das mit der Linken durchsetzen und z. B. die SPD zwingen könnte, sich auf solch eine Grundlage zu begeben. Und ich glaube, davor haben sie Angst, daß eine solche Politik und solche Positionen in diesem Land auch nur teilweise durchgesetzt werden könnten. Ist es also nicht vielmehr so, daß man jetzt auf Spatzen schießt, in Wirklichkeit aber einen ganz anderen meint. Wird mit der ganzen Stalinismusdebatte nicht bloß die Absicht verfolgt, die Rechten in der Linkspartei zu stärken und Lafontaines Positionen zu bekämpfen?
Manfred Sohn: Die Positionen, die wir in Niedersachsen bekleiden, stimmen mit denen Oskar Lafontaines überein. Und die Gegenseite stellt gelähmt fest, daß in diesen Tagen nicht nur viel in Bewegung geraten ist, sondern vielmehr ein Tsunami über die Bundesrepublik hereingebrochen ist.
Nun ist die Linke im Osten nach Umfragen stärkste Partei; die Dämme im Westen gegen sie Niedersachsen, Bremen, Hessen, Hamburg haben alle nicht gehalten. Im Wirtschaftsteil ihrer größeren Zeitungen wissen sie, daß die Immobilienkrise in den USA ihren Höhepunkt erst noch erreichen wird. Das wird passieren, das wissen wir alle. So haben sie die Befürchtung, daß die ganze Scheiße ziemlich weit nach links rutscht. Und das passiert auch. Was damit aber zugleich geschieht, ist: Alles, was an Stimmen aus ihrem Parteiengefüge in diesen Wahlen im Westen rausgeschwemmt ist und was noch rausschwemmen wird, ist zwar originär Protest, aber nicht per se links.
Daß der linke Teil der SPD nun rüberrutscht zur Linkspartei, das ist Kokolores. Wenn man sich etwa das Wahlverhalten in Niedersachsen einmal genau anguckt, dann ist das nicht passiert. Sondern: Von den verschiedenen Parteien sind in überraschend hoher Zahl Wähler aus der CDU herübergewandert zur Linkspartei. Was heißt das? Das ist keine stabile, sondern eine labile Entwicklung. Wenn sich eine Partei innerhalb von fünf Jahren von 20 000 auf eine Viertelmillion Wählerstimmen entwickelt, dann ist da nichts von Stabilität und nichts von wachsendem linken Bewußtsein. Das sind alles Hirngespinste. Das sind Leute, die kommen nach einer Informationsveranstaltung auf mich zu und sagen halb erschrocken: Diesmal habe ich auch links gewählt. Und das ist kein Einzelfall.
In diesem Zusammenhang werfe ich auch der jungen Welt vor, zu wenig Gedanken auf diese Situation zu verschwenden: Immer, wenn es um Die Linke geht, heißt es »Berlin, Berlin, Berlin. Guckt euch diesen Senat an«. Das stabilisiert die Linksentscheidung dieser Leute nicht, die sie zum Teil mit großer innerer Angst und Zweifeln getroffen haben.
Meiner Meinung nach bedeutet das auch eine klare, jedenfalls parlamentarische Trennung zwischen Die Linke und der DKP. Das wird nicht anders gehen und das wird die Entwicklung zeigen. Ihr müßt euch einen Kopf machen, wie ihr das hinkriegt es ist schließlich nicht mein Kopf. Denn ich glaube, daß das Entscheidende sich sowieso nicht in den Parlamenten abspielt; es wird sich außerparlamentarisch abspielen.
Dietmar Koschmieder: Welche Rolle kann die DKP künftig spielen? Georg Fülberth hat in jW (14.3., S. 10/11) die Forderung gestellt: Stecker ziehen! Es geht darum, eine eigenständige kommunistische Politik aufzubauen.
Heinz Stehr: Wir brauchen Bewegungen, die tatsächlich aus unterschiedlichen politischen Spektren gespeist werden. Wahlpolitik ist interessant auch im Zusammenführen dieser Kräfte, solidarisch miteinander zu wirken. Und ich kann nicht nachvollziehen, warum damit Schluß sein soll ist es im übrigen auch nicht. Das wird ja auf kommunaler Ebene und auch auf anderen Ebenen weitergetrieben. Und ich bin sicher, wir werden die Frage auch weiter diskutieren können im Zusammenhang z. B. mit EU-Parlamentswahlen. Das ist eine ganz spannende Situation, die wir da vor uns haben. Wir werden sehen, in welche Richtung das geht. Wir haben vor allem die Pflicht zusammenzuarbeiten, Vorschläge zu machen, konkrete Zielstellungen miteinander zu diskutieren. Und dann wird die Praxis uns lehren, was geht und was nicht.
Dietmar Koschmieder: Die Frage war ja, ob die DKP in die Offensive geht aufgrund dieser aktuellen Entwicklungen. Und du sagst hinsichtlich der Europawahlen, daß es da Gespräche gebe. Manfred sagt: Das kommt nicht in Frage, da irrst du dich, da hast du Illusionen. Heißt das nun, die DKP kandidiert eigenständig und entwickelt eigenständige Konzepte. Oder heißt das: Stecker rein!
Heinz Stehr: Soweit ist die Debatte noch nicht. Zunächst einmal hängt das immer auch von Inhalten ab. Und das hängt zum zweiten davon ab, welche wahlpolitischen Konstellationen es überhaupt geben wird. Wenn es möglich wäre, daß wir uns gemeinsam auf ein fortschrittliches, sehr progressives, auf ein kämpferisches Wahlprogramm verständigen könnten und Kandidaten auf einer Liste aufstellen, die dafür geeignet sind, dieses Konzept auch zu vertreten, dann wäre ich dafür, daß wir das tun.
Dietmar Koschmieder: Stecker ziehen, oder wie siehst du das?
Manfred Sohn: Ja, Stecker ziehen! Ich bin ja in keinen Bundesgremien, insofern habe ich keine Entscheidungsgewalt bei dem, was ich jetzt sage. Aber ich gebe einfach eine Vermutung ab. Meiner Meinung nach ist der Versuch der DKP, über die Listen der Linkspartei parlamentarische Sitze zu bekommen, in den letzten Wochen baden gegangen. Die Linie Patrick Köbele/Hans Heinz Holz Gegnern von Heinz Stehr und anderen hat sich durchgesetzt, und zwar durch die Macht des Faktischen in den letzten Wochen. Das ist meine Prognose, das wird das Ergebnis sein.
Wir haben sehr viele neue Mitglieder, die die DKP schlicht und ergreifend nicht mehr kennen. Die können überhaupt nicht begreifen, warum wir denen ins Parlament helfen sollen. Wer sind wir denn? Die Stimmung gibt es, das sage ich hier nur. Und deshalb glaube ich, daß ihr euch darauf einrichten müßt, die Frage der parlamentarischen Arbeit allein zu stemmen.
Ellen Brombacher: Ich habe mit Manfred Sohn einen tiefen Dissens. Ich weiß nicht, wie es in Niedersachsen, aber ich weiß, wie es in Berlin ist. Und ich weiß, daß es sehr viele Genossen an der Basis der Linkspartei gibt, die eine Zusammenarbeit mit der DKP wollen und die nicht der Meinung sind, sich jetzt auf eine Basis der Unvereinbarkeit zu begeben. Und ich bin mir sicher, wenn wir da eine Umfrage machten, daß das nicht schlecht aussähe, was da rauskommt.
Im Westen wird es auch weiter gelingen, Kommunisten auf Kommunalwahllisten zu bringen, da hat man ja teilweise niemand anderen. Das ändert sich. Aber im Moment ist es, wie es ist.
Dietmar Koschmieder: Aber ist die große Gefahr nicht, daß bei diesem Anpassungsprozeß, den wir jetzt erleben müssen, innerhalb historisch kurzer Zeit doch nur eine weitere bürgerliche Partei herauskommt. Es mag sein, daß Leute, die Die Linke wählen, jetzt nicht Revolutionäre sind oder eine andere Gesellschaft fordern, aber sie werden nicht mit dem zufrieden sein, was die Rechten in der Linkspartei wollen. Oder anders formuliert: Das Modell Berlin steht durchaus zur Debatte. Ob dies das bundesweite Konzept der Linkspartei sein wird oder ob sie es ist, die zentrale Fragen stellt: Stopp der Auslandseinsätze, Stopp der Privatisierung, Stopp mit dem Abbau bürgerlicher demokratischer Rechte. Das wäre schon einiges.
Manfred Sohn: Die Systemfrage zu stellen, ist keine große Schwierigkeit. Die Schwierigkeit besteht doch darin, Wege zu finden, wie sich die Systemfrage in den Köpfen derer entwickelt, für die diese Frage noch nicht existiert. Das ist die Kernfrage.
Das Entscheidende ist, daß sich den meisten der 250000 Wähler und auch den meisten der 3000 Mitglieder dieser Linken diese Frage so nicht stellt. Und da kannst du nun sagen: Das ist ja ganz furchtbar, die sind ja gar nicht links, das ist ja gar keine marxistische Organisation natürlich ist sie das nicht. Natürlich kann sich das zu einer rechten Sozialdemokratie entwickeln. Das allerdings hängt im wesentlichen von der Entwicklung der außerparlamentarischen Bewegung ab, davon, was in den Betrieben und Gewerkschaften passiert.
Dietmar Koschmieder: Angela Marquardt hat die Linkspartei verlassen und wechselte zur SPD. Das Neue Deutschland hat ihr in einem Interview die Frage gestellt: »Die Linke ist auf dem Weg ihrer Sozialdemokratisierung. Konnten Sie nicht einfach abwarten?« Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nicht einfach nach Sozialdemokratisierung der Linkspartei, sondern nach linker oder rechter Sozialdemokratisierung. Im Moment entwickelt sie sich leider in Richtung rechter Sozialdemokratie. Wäre es für diesen Kampf, der dort um linke sozialdemokratische Positionen zu führen ist, nicht wertvoll, daß man Abgeordnete wie Christel Wegner hat, die dafür stehen könnte im Parlament, als Vertreterin, als Gast in der Linksfraktion?
Christel Wegner: Auf Stärke kann ich ja nun bedauerlicherweise als fraktionslose Abgeordnete nicht zurückgreifen. Meine Möglichkeiten sind sehr beschränkt. Dennoch haben wir uns Gedanken darüber gemacht, wie ich jetzt mein Landtagsmandat sinnvoll nutzen kann, um so wenigstens meine Wahlversprechen umzusetzen. Das habe ich immer gesagt, daß ich nach wie vor das Landtagswahlprogramm der Partei Die Linke mit umsetzen werde. Im Unterschied zu einer Fraktion werde ich dazu allein allerdings kaum Möglichkeiten haben. Bei allen Schwierigkeiten will ich dennoch sinnvoll die Zeit und die Möglichkeiten nutzen, die ich zur Verfügung habe.
Heinz Stehr: Ich kann mir nicht vorstellen, daß die DKP die Linkspartei in Berlin und deren Senatsarbeit in irgendeiner Form unterstützen könnte. Das heißt, Wahlpolitik ist für mich immer davon abhängig, um welche politischen Aufgaben es geht und wie sie gelöst werden sollen. Im übrigen, Manfred, ist es so, daß Die Linke nicht im hessischen Landtag wäre, hätte die DKP bei den dortigen Landtagswahlen kandidiert. Davon bin ich überzeugt. Das ist doch ein politisch guter Grund, um zu sagen: So einfach ist das nicht mit dem Stecker-Rausziehen.
Die Mehrheit der DKP ist auf unserem Parteitag zu der Schlußfolgerung gekommen, daß wir die Gemeinsamkeiten ausbauen wollen. Uns geht es nicht um heute und morgen und nicht um das einzelne. Uns geht es um das Gesamte. Wer den Sozialismus will, der muß auch die Zusammenarbeit aller Menschen wollen, die heute noch parteipolitisch in ganz unterschiedlichen Parteien arbeiten, sonst wird es keinen Sozialismus geben. Und deswegen ist Aktionseinheit und Bündnispolitik nicht etwas Wesensfremdes oder etwas, was man konjunkturell mal macht. Das ist etwas Prinzipielles, und dabei sind unsere Partner, die in anderen Parteien und Bewegungen sind, von ganz besonderer Bedeutung für uns. Ich würde mir wünschen, Manfred, wenn wir in einem Prozeß zur Meinung kämen: Christel gehört mit ihrer sozialen und politischen Kompetenz in diese Abgeordnetengruppen, meinetwegen auch als Gast hinein. Das wäre ein wichtiges und gutes Signal auch gegen Antikommunismus.
Ellen Brombacher: Es ist die Frage gestellt worden, ob diesem Land eine starke DKP zu wünschen ist. Ohne Wenn und Aber: Ja.
Ich will etwas sagen, was mir heute abend ziemlich wehgetan hat. Als Dietmar über das ND-Interview mit Angela Marquardt, über Sozialdemokratisierung und ob sie nicht hätte warten können, gesprochen hat, gab es eine große Belustigung. Und in dieser Belustigung, das ist mein Empfinden ich möchte niemandem zu nahe treten , war auch an einigen Stellen einiges an Häme. Das hat mich an den Satz erinnert: Mein Vater ist selber schuld, wenn er eine häßliche Tochter hat warum kratzt er ihr die Augen aus. Es gibt in der Linken Kräfte, die diese Partei mit aller Kraft nach rechts rücken. Einer ihrer Protagonisten ist André Brie. Es gibt in dieser Partei aber auch sehr, sehr viele Genossinnen und Genossen, deren Genossin ich gerne bin. Schmeißt dies bitte nicht alles in einen Topf, dann hat diese Partei keine Chance!
Manfred Sohn: Ich sehe meine politische Aufgabe darin, Zugänge, die sich jetzt nach links für Leute öffnen, die sie über die DKP und andere Organisationen niemals gefunden hätten, weiter zu öffnen. Und was ich der DKP vorwerfe, ist, daß sie durch ihr Handeln dazu beigetragen hat, diese Zugänge zuzuschütten. Das ist der Punkt. Und deshalb lasse ich auch keine Illusionen zu, daß es eine Kooperation innerhalb dieser Fraktion geben wird. Die wird es nicht geben.
An diesem Wochenende werden erneut Tausende Menschen bundesweit an den traditionellen Ostermärschen für Frieden teilnehmen. Auch zahlreiche Mitglieder der Partei Die Linke demonstrieren dann mit der Losung »Bundeswehr raus aus Afghanistan« ihre Ablehnung des Besatzungsregimes. Was sie nicht ahnen: Während sie als Teil der deutschen Friedensbewegung auf die Straße ziehen, arbeitet einer ihrer führenden Genossen gegen die wichtigste außenpolitische Position der Linkspartei. In einem Entschließungsantrag für den Auswärtigen Ausschuß des Europaparlaments unterstützt der EU-Abgeordnete André Brie Fortführung und Ausbau der Besatzung des zentralasiatischen Staates durch westliche Armeen. Das achtseitige Dokument, das Brie gemeinsam mit dem CDU-Politiker Jürgen Schröder erarbeitet hat und dessen Entwurf junge Welt vorliegt, soll Ende des Monats vom Außenausschuß in Brüssel angenommen werden.
Als verantwortlicher Afghanistan-Berichterstatter höhlt Brie mit dem Antrag die klare Position seiner Partei aus. Zwar verweist er auch auf die zunehmenden Probleme in Afghanistan. Als Lösung wird aber nicht ein Ende der Okkupation gefordert, sondern ein besseres Management der militärischen Fremdherrschaft. Afghanistan werde für den Westen zum »Testfall«, schreibt Brie, um deswegen eine »ehrliche Bewertung der aktuellen Militärstrategie« einzufordern. Seine Opposition gegen die Besatzung beschränkt sich auf den Wunsch, daß »an die Stelle der bislang im Vordergrund stehenden militärischen Lösung verstärkte Anstrengungen auf dem Gebiet des zivilen Wiederaufbaus treten«. Militärische »Provinz-Aufbauteams« (PRT) sollten zudem in den abgelegenen Regionen den Widerstand gegen die Besatzer zurückdrängen. Was Brie nicht erwähnt: Die PRTs sind Ende 2002 von den US-Besatzungskräften im Rahmen der völkerrechtswidrigen »Operation Enduring Freedom« ins Leben gerufen worden. In deren Geist stellt sich auch das Brie-Papier, indem es eingangs auf den letzten Afghanistan-Beschluß des EU-Parlaments verweist. Dabei hatten die Brüssler Abgeordneten Mitte Januar 2006 die militärische Präsenz »in den südlichen und südöstlichen Provinzen« Afghanistans unterstützt, »um den Terrorismus zu bekämpfen«.
Bries Genossen in Brüssel und Berlin reagierten verärgert. Der Text »läßt nicht die Handschrift unserer Partei erkennen«, sagte der außenpolitische Mitarbeiter der Bundestagsfraktion Harri Grünberg gegenüber junge Welt. Die Linke fordere wie auch die übrigen Mitglieder des Parteiverbundes »Europäische Linke« den Abzug der internationalen Besatzungskräfte aus Afghanistan. Das führende Mitglied in der Bundesarbeitsgemeinschaft Frieden und internationale Politik der Partei Alexander Neu warf Brie im jW-Gespräch vor, gegen die Position der Gesamtpartei zu handeln. Ein anderer EU-Abgeordneter der Linken, Tobias Pflüger, kündigte von einer Delegationsreise aus dem Sultanat Oman telefonisch seinen Widerstand gegen den Vorstoß Bries an. »Ich werde auf jeden Fall auf eine Reihe von Veränderungen drängen«, sagte Pflüger. Basis jeder Stellungnahme der Linkspartei zu Afghanistan müsse auf jeden Fall die Forderung nach einem Rückzug der Besatzungstruppen sein, so Pflüger: »Und das schließt die Bundeswehr natürlich ein.«
- Klaus Lederer hat es gut getroffen. Er erhält inclusive Kostenpauschale und Rentenversicherungszuschuß über 4000 Euro pro Monat für einen Halbtagsjob im Berliner Abgeordnetenhaus. Nebenbei agiert er noch als Landesvorsitzender von Die Linke. Doch das ist erst der Anfang, denn Lederer gilt als Hoffnungsträger seiner Partei und somit als Aspirant für künftig zu vergebende Senatorenjobs.
Warum das so ist, wurde allerdings nicht zum ersten Mal am Mittwoch deutlich, als er in einem Interview im Inforadio des RBB die Forderungen der Gewerkschaft ver.di für die Beschäftigten der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) als »überzogen« bezeichnete. Ver.di solle sich lieber darum kümmern, »wie man aus der Tarif-Zweiklassengesellschaft rauskommt«, denn dies sei eine »zentrale Gerechtigkeitsfrage«.
Wo Lederer recht hat, hat er recht. Allerdings hat die Sache einen kleinen Haken. Besagte Tarifstruktur, in der die Absenkung der Tarife für neueingestellte BVG-Mitarbeiter um 30 Prozent festgelegt wurde, ist von der Berliner Landesregierung 2005 mit ausdrücklicher Billigung seiner Partei gegen die Gewerkschaft durchgesetzt worden. Erpreßt wurde ver.di vom SPD-Linke-Senat mit der Drohung, andernfalls betriebsbedingte Kündigungen vorzunehmen oder die Privatisierung des Nahverkehrs voranzutreiben.
Aber Lederer lernt ja dazu. Jetzt will er die Löhne innerhalb des Betriebs allmählich wieder angleichen. D. h. die sogenannten Altbeschäftigten sollen solange Jahr für Jahr Reallohnverluste hinnehmen (O-Ton Die Linke: »Privilegien abbauen«), bis die Dumpinglöhner der BVG-Tochter Berlin Transport aufgeholt haben. Der Mann kann stolz auf sich sein: Auf diese Spielart »linker« Tarifpolitik ist noch kein Dienstherr im Bund oder in anderen Bundesländern gekommen. Aber schließlich ist er ja auch ein »Hoffnungsträger«.(balc)
Es ist allerhöchste Zeit, Art. 1, Abs. 1 und Art. 20, Abs. 4, GG, Geltung und Wirkung zu verschaffen!
Quo vadis, DIE LINKE?
... tja, wohin geht sie, DIE LINKE? ... ich eröffne diesen Thread mal mit Ausschnitten aus einem kürzlich erschienenen taz-Artikel
In der Linkspartei wollen einige, dass die Kommunistin Sahra Wagenknecht Parteivizechefin wird. Parteichef Bisky hat sich allerdings auf eine Realo-Linke festgelegt VON STEFAN REINECKE
Sahra Wagenknecht: Die Kommunistin ist für viele Genossen ein rotes Tuch
Eigentlich ist die Sache klar: Die Berliner Realo-Linke Halina Wawzyniak wird auf dem Cottbuser Parteitag der Linkspartei in vier Wochen zur stellvertretenden Chefin gewählt - als Nachfolgerin von Katina Schubert. Genau dies hat der Parteivorsitzende Lothar Bisky am Montag in Berlin öffentlich erklärt.
Bisky, sonst ein Meister deutungsoffener Aussagen, macht klar: "Ich werde in Cottbus Wawzyniak vorschlagen." Die 34-jährige Wawzyniak kommt aus der PDS, leitete 2002 den Wahlkampf der Partei (2002 ist die Linkspartei bekanntlich aus dem Bundestag geflogen, ein Schelm, wer da an Halina und friends denkt - oder? Halina und friends haben 2005 bei der Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses leider folgerichtig 50% ihrer Wählerstimmen aus 2002 verloren! Einschub Bernd alias bjk) und verdiente sich Meriten bei der Vorbereitung von Parteitagen und der Fusion von PDS und WASG. Sie gilt als integrativ und loyal. Politisch steht sie den Berliner Realos nahe, die weniger auf Oppositionsrhetorik als auf praktische Politik setzen.
[ ... ] ist Sahra Wagenknecht, Frontfrau der Kommunistischen Plattform. Altgenossen haben sie als neue Vize vorgeschlagen. Wagenknecht ist bekannt, rhetorisch gewandt, aber für viele Genossen vor allem im Osten ein rotes Tuch. Denn Wagenknecht verteidigt unbeeindruckt die DDR. "Sie teilt", so die scheidende Parteivizechefin Katina Schubert zur taz, "den antistalinistischen Grundkonsens der PDS nicht".
[ ... ]
Der zweite Faktor ist Linksparteichef Oskar Lafontaine. Lafontaine hat versucht, Wagenknecht intern als neue Parteivize durchzusetzen - unbeeindruckt davon, dass viele Wagenknechts DDR-Nostalgie unerträglich finden. "Das versteht Lafontaine einfach nicht", so ein Linksparteipolitiker. Seit Biskys Bekenntnis gilt Wawzyniak als gesetzt. Einen offenen Kampf um Personalien zwischen den beiden Chefs wird es nicht geben. Bisky meinte dazu: "So bescheuert sind wir nicht." So bleibt Wagenknecht wohl nur eine Kandidatur gegen die unauffällige Parteivize Christine Zerhau. Zerhau ist allerdings Mitglied der Strömung "Sozialistische Linke" (SL)- und deren Stimmen braucht Wagenknecht, um gewählt zu werden. Die SL hat sich gestern Nachmittag für Zerhau und gegen Wagenknecht entschieden. Damit sind Wagenknechts Chancen gesunken.
[ ... ] Weil viele Delegierten aus dem Westen keiner parteiinternen Strömung zuzurechnen sind, werden Mehrheiten schwer kalkulierbar sein. Eine Parteivizechefin Sahra Wagenknecht ist seit gestern gleichwohl unwahrscheinlich.
Es ist allerhöchste Zeit, Art. 1, Abs. 1 und Art. 20, Abs. 4, GG, Geltung und Wirkung zu verschaffen!
Re: Quo vadis, DIE LINKE?
... zum Thema paßt auch nachfolgender Kommentar aus der "Berliner Umschau"
Die Parteirechte der Linken gibt sich konstruktiv
Von Charly Kneffel
Die Parteirechte der Partei die Linke hat mehr mit der klassischen Arbeiterbewegung zu tun als ihr lieb ist. Ihr Gründungsaufruf Also träumen wir... und die Beschlußvorlage für das Bundestreffen des Forum Demokratischer Sozialismus lesen sich, als hätte sich der alte Eduard Bernstein als Ghostwriter betätigt. Dabei ist alles ganz konstruktiv. Man will alles und das jetzt Freiheit und Sozialismus, Emanzipation, Zivilgesellschaft, Modernisierung und und und einfach zu schön um wahr zu sein.
Wer mit gutem Willen und leichtem Sinn an den Text heran geht wird wenig finden, was man wirklich kritisieren kann. Allein es beschleicht einen an ungutes Gefühl. Hinter dem freundlich-undogmatischen Auftreten verbirgt sich eine gewisse Denkfaulheit, eine Weigerung, Sachverhalte klar zu analysieren und ernsthafte strategische Konzepte zu entwickeln. Eigentlich könnte man das Ziel dieser Gruppe auch als Kapitalismus mit menschlichem Antlitz definieren. Nur das böse Wort Kapitalismus stört ein wenig. Man ist aber für Marktwirtschaft, will die Dominanz des Kapitals zurückdrängen und schließlich überwinden. Man ist natürlich gegen den Neoliberalismus, aber das reicht nicht. Natürlich nicht. Doch hinter dem, was angeblich alles nicht reicht und ergänzt werden muß, steht eigentlich ein weniger. Vor allem will man nicht analysieren, was ist, was werden könnte und wie man es hinkriegt.
Ginge diese hübsche Strategie auf, so bekäme man irgendwann (Der Weg ist noch weit) eine marktwirtschaftlich organisierte Zivilgesellschaft, in der das Profitprinzip zurückgedrängt ist und die individuellen und sozialen Rechte ständig ausgeweitet werden und jeder gerne lebt. Dafür steht die Moderne Linke. Sehr schön! Gibt es Gegner? Wer hält diese Entwicklung auf? Wer hat die Macht? Wie kann man sie überwinden? Wer ist dafür das Subjekt? Nicht, daß diese Fragen nicht gestellt würden, aber sie versinken in arglos-naivem Diskursgeschwafel. Klar gibt es Menschen, mit denen man die Gesellschaft verändern will: Frauen, Umweltschützer, Schwule und Lesben, Bürgerrechtler (oder muß man BürgerechtlerInnen schreiben?), Behinderte und Migranten. Alles ohne Gewichtung, nur klar ist: man muß sich von allen autoritären Strömungen abgrenzen. Vorbilder: Alles aus 68 Prag und die antiautoritäre Linke. Und niemals Staatsreformismus (gemeint ist die SPD) und Realsozialismus. Natürlich kann man daher nicht, wie es der in diesem Entwurf nie genannte, aber immer präsente Oskar Lafontaine ( überbewertete Äußerungen Einzelner) will, die EU ablehnen, im Gegenteil: die Veränderung der EU ist ein linkes Projekt. Da wird sich die EU aber freuen!
Dabei ist nicht einmal alles falsch, was hier so wunderschön geträumt wird. Tatsächlich kann man auf die Dauer nicht zum Nationalstaat zurück. Der würde rasch destabilisiert. Aber Veränderung der EU? Da möge man doch einmal in dem EU-Vertrag nachlesen, wie es mit der Veränderbarkeit dieser EU in Richtung Sozialismus aussieht. Man müßte schon sehr hegemonial werden, am besten gleichzeitig in allen EU-Staaten (es herrscht das Prinzip der Einstimmigkeit). Es hilft nun mal nichts, der Weg dieser EU ist vorgezeichnet: er soll in Richtung einer neuen kapitalistischen Großmacht (im Text: marktwirtschaftlichen) vorangetrieben werden. Irgendeine grundlegende Revision ist nicht vorgesehen und entsprechende Strukturelemente im Vertrag eingebaut. Man müßte die Machtfrage (Pfui!) stellen aber wäre das nicht autoritär und am Ende verbrecherisch?
Das Forum Demokratischer Sozialismus hat eine unvermeidliche Schwäche: Es abstrahiert von der Wirklichkeit. Instinktiv haben die Sprecher das auch erfaßt, deshalb reden sie so gern vom träumen. Träumen muß man natürlich, sonst versinkt man im Alltagstrott, eine der schlimmsten Gefahren, die Linken passieren können. Doch man kann auch Erfahrungen auswerten. Wo sind die Träumer von 68, aber auch bei den Grünen denn geblieben? Zufall? Versagen Einzelner? Oder doch schon der vorgezeichnete Weg auch dieser Demokratischen Sozialisten? Auf die Antwort könnte man wenn man denn wollte kommen.
Doch überraschen kann dieser Vorstoß nicht. Es war klar, daß manche, die den Machtkampf in der alten Linkspartei schon gewonnen hatten, mit Entsetzen auf die Radikalisierung, die sich durch enttäuschte Sozialdemokraten aus dem Westen (im Osten sind das bezeichnenderweise nur Einzelfälle) abzeichnete, reagieren würden. Man stimmte der Vereinigung zwar mit Bauchgrimmen zu, aber nur weil man wußte, daß dieser Zustrom aus dem Westen für die Partei lebenswichtig war. Jetzt geht der Richtungskampf los. Hauptfeinde: Oskar Lafontaine, die Gruppe, die sich einmal Linksruck nannte und Jürgen Elsässer. Im Prinzip wäre klar, wer diesen Kampf gewinnt, denn auf dem Gebiet des Machtkampfes und der Intrigen sind die Realos unschlagbar und Lafontaine zu alt. Das große Problem der Revisionisten ist aber, daß der Spielraum für ihre Politik gering ist und weiter schrumpft. Die nächste Krise könnte ihre Träume böse platzen lassen und sie in große Schwierigkeiten bringen. So gesehen ist es ein Wettlauf. Wer ist schneller: die Krise des Kapitalismus oder der Vormarsch der Realos?
Veröffentlicht: 18. April 2008
Es ist allerhöchste Zeit, Art. 1, Abs. 1 und Art. 20, Abs. 4, GG, Geltung und Wirkung zu verschaffen!