überwundenen Gewohnheitsrechts stellt für Albanien ein weiteres
Handicap auf dem Weg zu einer modernen zivilen Gesellschaft
dar. Es gibt kein kurzfristig wirksames Rezept zur
Gegensteuerung.
Dass eine ausschließlich repressive Strategie des Staates
keinen anderen Erfolg als das zeitweilige "Einfrieren" dieser
Tradition zeitigt, ist durch das PPSH-System bewiesen worden.
Doch sind ein funktionierender, flächendeckend effizienter
Einführung
49
Albanischen Freundschaftsgesellschaft e.V.
3/1995.
xxxvi
Dieser Aufsatz erschien zuerst in der Zeitschrift der Deutsch-Albanische Hefte Nr. 2 und
staatlicher Sicherheitsapparat und eine von der Allgemeinheit
akzeptierte Justiz die objektive Voraussetzung für das
Zurückdrängen des Kanun, weil nur so den Menschen eine
Alternative zur Selbstjustiz geboten wird. Erste Schritte in dieser
Richtung sind unternommen worden.
Das Hauptproblem liegt aber im Subjektiven, weil einem
dominanten Wertesystem nur mit einem anderen Wertesystem
begegnet werden kann.
Wie auch in anderen Bereichen, muss sich auch hier ein
common sense zwischen allen politischen Lagern und allen
gesellschaftlichen Kräften zugunsten einer modernen
Zivilgesellschaft herausbilden, der in der individuelle Menschenund
Bürgerrechte und gesellschaftliche Interessen gleichermaßen
ihren Platz haben. Eine Schlüsselfunktion haben auch die Kirchen
und Religionsgemeinschaften, die sich nicht wie in vergangenen
Zeiten auf eine Koexistenz mit dem Gewohnheitsrecht einlassen
dürfen. Auch sie müssen sich als Faktoren innerhalb einer
modernen staatlichen Ordnung verstehen und ihren Einfluss zu
deren Gunsten, gegen das Gewohnheitsrecht geltend machen.
Die Massenmedien müssen vermitteln, dass die Blutrache
keine Form von ehrenhaftem Handeln und Heldentum, sondern
von Schwerstkriminalität ist. Und vor allem müssen die jungen
Menschen in Nordalbanien den Mut aufbringen, sich dem
Gruppenzwang zu widersetzen und deutlich zu sagen, dass die
Rache für Morde, die vor 50 Jahren geschehen sind, nicht ihre
Angelegenheit sein kann und dass es für Streitfälle andere
Lösungen als mit der Waffe geben muss
49.
Einführung
xxxvii
Michael Schmidt-Neke
Kiel
____________________ Next time the devil tells you "You're stupid" say "No, you're stupid - ...I'm going to heaven, you ain't getting in". ~Joyce Meyer~
Re: Der KANUN - Wege aus der Gewalt
____________________ Next time the devil tells you "You're stupid" say "No, you're stupid - ...I'm going to heaven, you ain't getting in". ~Joyce Meyer~
Re: Der KANUN - 1. Buch: Die Kirche
DER KANUN
Der Kanun des Lekë Dukagjini
3
1. Buch: Die Kirche
[1. Kapitel]
Der Machtkreis der Kirche, die Gräber, die Gründe, der
Besitz der Kirche, der Pfarrer, der Pfarrdiener und die
Arbeiter der Kirche
[1.] Der Machtkreis der Kirche
Als Machtkreis (wörtlich
die Grenze des Grundes, auf dem die Kirche erbaut ist: 1. Die
Kirche selbst; 2. Die Zelle, das Haus des Pfarrers.
"Die Kirche hat ihren Rauch (d. h. ihr Haus) in der
Pfarrgemeinde."
Die Kirche hat ein Recht auf Sach-, Grund- und
Hausbesitz innerhalb und außerhalb der Pfarrgemeinde.
Die Kirche hat Anteil am Berge, Weidegrund, Wasser und
an der Mühle der Gemeinde.
Die Kirche hat Anteil an den Bußgeldern der
Pfarrgemeinde.
Die Kirche hat das Recht, zu kaufen und verkaufen,
Geschenke zu nehmen und zu behalten, was ihr durch Wohltäter
gespendet wurde; sie kann ihren Besitz nach eigenem Ermessen
anlegen und verwalten.
Die Unbestrafbarkeit der Kirche: "Die Kirche wird nicht
mit Buße belegt."
hija = Schatten) der Kirche gilt
Der Kanun des Lekë Dukagjini
50
seine Familie - untersteht dem Stammesgesetz (er, als Mitglied seiner
Familie) zum Unterschied vom kath. Priester. Für die Kirche und ihren
Besitz tritt der Stamm ein, wie im Norden. Ist der Pope oder Hodzha
unverheiratet oder nicht aus dem Stamm, dessen Pope oder Hodzha er ist,
so gelten die Bestimmungen wie im Norden.
4
Kanun i Papazhulit: Der Pope bzw. der Hodzha - genauer:
Die Kirche hat niemandem Pfand zu geben." Die Kirche
untersteht ihrem kirchlichen Gericht, nicht dem Kanun
kann das Stammesgericht ihr keinerlei Last auferlegen. Entsteht
ein Gegensatz zwischen Kirche und Gemeinde, so kann die
Gemeinde von der Kirche kein Pfand fordern; sie wird bei den
Kirchenoberen (dem Bischof) Klage erheben; seinem Urteil haben
sich Kirche wie Gemeinde zu unterwerfen.
Für jede Verfehlung, die die Kirche nach Meinung der
Pfarrgemeinde begangen hat, kann sie zwar nicht in Buße
genommen werden, doch wird ihr auferlegt, durch sie verursachte
Schaden auszugleichen.
Die Kirche zahlt keine Abgaben, noch tritt sie ein in die
Streitmacht, noch wird von ihr für die Söhne des Stammes
Nahrung gefordert, noch hat sie Pflichtarbeit abzuleisten für die
Gemeinde; in dem Falle jedoch, daß die Gemeinde eine Arbeit zur
Erhaltung der Kirche beschließt oder zur Wahrung oder Mehrung
ihres Besitzes oder eines Grundstückes, an dem sie Anteil hat, ist
auch sie verpflichtet, zu bezahlen, Nahrung zu geben, Arbeiter zu
entsenden, im gleichen Maße, wie es die Gemeinde von ihren
Gliedern fordert.
Die Ehre der Kirche:
"Die Kirche hat weder Schwert noch Strick."
"Wer die Kirche beleidigt, beleidigt die Pfarre."
"Die Ehre der Kirche fordert die Pfarrgemeinde" (nicht
der Pfarrer).
50. Daher
Der Kanun des Lekë Dukagjini
5
"Der Kirche, Mühle, Schmiede und dem Kaufhause gilt
niemand als Freund" (d. h., sie braucht für niemanden Blut zu
nehmen).
Wer die Kirche schändet (beleidigt), ist zu Sühne
verpflichtet: a) gegen die Kirche, b) gegen die Pfarrgemeinde,
c) gegen den Stamm. Es beleidigt aber die Kirche, wer schimpft,
bedroht, schlägt oder tötet, jenen, der sich im Schatten (Schutz)
der Kirche befindet. Den Schuldigen bestraft die Pfarrgemeinde
und nicht die Kirche, denn "die Kirche hat weder Schwert noch
Strick".
Wer geschlagen oder getötet oder auf irgendeine Weise
beleidigt oder geschädigt wird, indes er den Schatten der Kirche
betreten hat oder ihn soeben verläßt - der Kirche selbst erwächst
daraus nicht Schande, denn der Kirche gilt niemand als Freund
(d. h. sie tritt für niemandes Wohl oder Wehe mit ihrer Ehre ein).
Wird aber außerhalb der Kirche gekämpft, und jemand fällt darauf
in die Hand der Kirche (wird z. B. verwundet in die Kirche oder
das Pfarrhaus getragen), so gilt dieser als Freund der Kirche.
Verletzt dann jemand den Schatten der Kirche (ihre Obhut), so ist
die Pfarrgemeinde verpflichtet, die Ehre der Kirche
wiederherzustellen.
[2.] Die Gräber
In das Grab einer Bruderschaft oder Sippe darf weder
Toter noch Erschlagener aus anderer Bruderschaft oder Sippe
gelegt werden. Tut dies jemand ohne Erlaubnis der Bruderschaft
oder Sippe, der die Gräber gehören, so legt der Kanun ihm auf,
den Toten aus den fremden Gräbern wieder zu entfernen.
Kommt Einer und gründet im Dorf ein Haus, der dort
weder Bruderschaft noch Sippe hat, so wird ihm nach Gutdünken
des Dorfes ein Ort für die Gräber im Gräberfeld der Gemeinde
Der Kanun des Lekë Dukagjini
51
Wohnstätte erhielt, hat auch Recht auf ein Grab, für das er nichts zu
entrichten hat. Lud er schwere Schuld auf sich, so wird ihm das Grab im
Stammesgebiet verweigert (besonders bei Verletzung der
Gastfreundschaft).
6
Kanun i Papazhulit: Jeder, der durch den Stamm Recht auf
gegeben, unter Auferlegung der Verpflichtung, innerhalb
Jahresfrist der Kirche den Preis zu erlegen oder ihr sonst etwas für
den Altar zu entrichten
Wer streitet oder schmäht oder jemandem droht, wer
schlägt oder erschlägt zwischen den Gräbern, verfällt der Strafe
jener, die den Schatten der Kirche beleidigen oder verletzen.
51.
[3.] Güter und Besitz der Kirche
Güter und Besitz der Kirche sind unantastbar, niemand
kann auf sie Hand legen.
Güter und Besitz der Kirche sind unter der Hut des
Messepriesters dieser Pfarrgemeinde.
Wer wagt, Güter oder Besitz der Kirche anzutasten, den
bringt die Pfarrgemeinde wieder zur Vernunft, indem sie ihn
veranlaßt, nach dem Kanun seine Hand von diesen Gütern wieder
abzuziehen.
Schädigt jemand die Kirche an Gütern oder Besitz, so
schätzt die Pfarrgemeinde den Schaden, den der Schädiger
ersetzen wird.
Wer Kirchengut stiehlt, hat, neben der Pflicht, das
Gestohlene zu ersetzen, nach dem Gebrauch des Ortes, darauf sich
die Kirche befindet, der Kirche auch die Buße für geraubte Ehre
zu entrichten - und der Pfarrgemeinde die Buße für verletzte
Obhut, denn die Kirche ist die Behütete (das Mündel) der
Der Kanun des Lekë Dukagjini
52
Sachwalter zu ernennen; beide müssen zeitweilig dem Altenrat
Rechenschaft ablegen.
7
Kanun i Papazhulit: Neben Popen oder Hodzha ist ein
Pfarrgemeinde. Erkennt der Dieb seinen Fehler an und begibt er
sich - noch ehe die Schande, die er der Kirche angetan hat,
bekannt ist - in die Hand des Messepriesters der Pfarre, indem er
ihm das gestohlene Gut zurückgibt, so ist er zu keiner anderen
Buße verpflichtet; der Messepriester hat das Recht, ihn
freizusprechen.
Fällt der Dieb in die Hut des Messepriesters, nachdem
dieser den Diebstahl dem Stamm bereits mitgeteilt hatte, so hat die
Pfarrgemeinde das Recht, ihm die Buße abzufordern, sowohl für
sich selbst als für die Kirche, wenn auch der Priester ihn
lossprechen würde nach Rückerstattung des gestohlenen Gutes.
Regelung des Kirchenbesitzes:
Güter und Besitz der Kirche verwaltet der Pfarrer, und die
Pfarrgemeinde hat nicht das Recht, von ihm über den Gebrauch
des aus dem Kirchenbesitz gezogenen Betrages Rechenschaft zu
fordern
52.
[4.] Der Pfarrer
a) Die Ernennung des Pfarrers:
Den Pfarrer ernennt der Bischof, er allein hat das Recht,
ihn abzusetzen.
b) Die Rechte und Pflichten des Pfarrers:
Der Pfarrer hat das Recht, die Pfarrgemeinde zu belehren
und zu ermahnen und ihr die Glaubenslehre vorzustellen, wie es
die Seelsorge erfordert; niemand aus der Pfarrei hat die Macht,
sich in die Pflichten des Messepriesters einzumischen.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
53
Blut.
Da Pope und Hodzha Familie haben, fällt diese für sie ins
54
verfällt er dem Eide.
8
Da für den Hodzha des Südens kein Beichtgeheimnis gilt,
Für die Dienste, die der Pfarrer der Gemeinde leistet, hat
er Recht auf den Zehent, je nach dem Brauch des Standortes der
Kirche. Die Gemeinde ist nicht verpflichtet, dem Pfarrer den
Zehent zur Tür abzuliefern, der Pfarrer wird ihn mit eigenen
Arbeitern erheben.
Der Pfarrer hat das Recht auf den Ertrag der Kirchengüter,
des Bodens wie des lebenden Gutes, niemand als seine kirchlichen
Vorgesetzten hat das Recht, darüber von ihm Rechenschaft zu
fordern.
Der Pfarrer ist der Pfarrei gegenüber zu all jenem Dienst
in Glaubensdingen und der Seelsorge verpflichtet, die ihm das
Kirchengesetz auferlegt, und darüber hinaus auch noch zu einigen
besonderen Diensten an bestimmten Tagen z. B.: die Häuser zu
segnen, die Messe einigemal im Jahr auf den Gräbern zu lesen, die
von der Pfarrkirche abgelegen wären.
c) Die Person des Pfarrers ist unantastbar:
"Der Priester ist der Schutzbefohlene der Pfarre."
"Der Priester fällt nicht ins Blut"
"Der Priester verfällt nicht dem Eid"
Wer den Priester schmäht, schilt oder bedroht, die Hand
gegen ihn erhebt, ihn schlägt oder tötet, wird sich der Gemeinde
nach dem Brauch der Örtlichkeit verantworten. Die Gemeinde ist
verpflichtet, die Ehre ihres Pfarrers zu fordern.
Erschlägt jemand den Pfarrer, so verfolgt die Gemeinde
den Blutschuldigen, seine Sippe und seinen Stamm.
53.54.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
55
dem Blut, wenn er getötet hat.
Kanun i Papazhulit: Sowohl der Pope wie der Hodzha verfällt
56
viel wie der Eid eines Häuptlings.
9
Kanun i Papazhulit: Der Eid von Pope oder Hodzha gilt so
Wird der Täter von Gemeinde oder Stamm getötet, so darf
die Familie des Priesters niemanden anders aus der Familie des
Täters töten, sonst bringt sie das Blut auf das eigene Haus.
Erschlägt der Pfarrer jemanden, so wird weder er noch
seine Kirche mit Buße belegt, und der Pfarrer fällt nicht unter das
Blut
Selten, fast nie, wird dem Pfarrer der Eid abgefordert, nur
in außerordentlich wichtiger Angelegenheit.
Geschieht es, daß dem Pfarrer der Eid auferlegt wird, um
sich selbst reinzuwaschen, oder als Eideshelfer, so gilt sein Eid
wie der Eid von 24 Personen
Schwört der Priester, der als ehrenhafte, geheiligte Person
des ewigen Rechtes gilt, so braucht er das Evangelium nicht zu
berühren; es genügt, daß er die Eidesworte vor dem Evangelium
spricht.
Fällt der Priester unter eine Buße, so faßt ihn nicht der
Kanun; es ist Sache seiner Oberen, ihn zu fassen.
Ist aber die Schuld des Priesters gegen seine
Pfarrgemeinde sehr schwerwiegend, so unterwirft sich der Priester
dem Gericht des Kanun. Sein Oberer sendet einen anderen
Priester, um dem Kanun im Namen des Schuldigen das Pfand zu
geben.
Es ist möglich, daß der Pfarrer mit jemandem kämpft und
jemanden anfällt, daraus dennoch aber weder ihm selbst noch dem
55, wohl aber seine Sippe; sie "hält das Blut".56.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
57
gewichtiger als die Stellung des Popen oder Hodzha im Süden. Der kath.
Priester ist sozusagen der Vater uud Mittelpunkt des Stammes; die
Stellung des Popen und Hodzha ist im Süden nur die eines angesehenen
Stammesmitgliedes.
10
Im ganzen ist die Stellung des katholischen Priesters viel
Geschlagenen Unehre erwächst; dann fällt er nicht in Schuld vor
dem Kanun
57.
[5.] Die Diener der Kirche
Der Diener (Lohndiener) der Kirche darf auf seinem
eigenen Grund arbeiten.
Wohin immer dieser Diener geht und für welches Wort er
an jemandes Türe pocht nach dem Befehl seines Herrn, er geht
und spricht im Namen des Pfarrers.
Wer ihn faßt in Wort oder Tat, es wird aufgefaßt, als fasse
er den Pfarrer, und er verfällt der Buße für die (Verletzung der)
Kirche nach dem Kanun.
Die Buße, die in Angelegenheit des Dieners der Kirche
genommen wird, geht nicht den Diener an, sondern die
Dorfkirche.
Erschlägt jemand den Kirchendiener und der Täter ist aus
der Pfarrei des Dorfes, so wird er nur vom Haus des Getöteten
verfolgt; ist er aber aus fremdem Dorfe, dann verfolgt ihn auch die
Pfarrgemeinde, deren Kirchendiener erschlagen wurde.
[6.] Die Arbeiterschaft der Kirche
Der Kanun des Lekë Dukagjini
58
nicht.
11
Der Kanun i Papazhulit kennt in diesem Fall die Todesstrafe
Tastet jemand die Arbeiterschaft der Kirche an, so verfällt
er der Buße der Pfarrgemeinde.
So viele Kirchenarbeiter es seien, der Angreifer bezahlt
nur eine Buße, doch eine schwere.
Die Geldstrafe, die für den Angriff auf die Arbeiterschaft
der Kirche erhoben wird, wird zwischen der Kirche und dieser
Arbeiterschaft geteilt.
[2. Kapitel]
Die Strafgerichtsbarkeit
[1.] Die Verhängung der Strafe
Unter Strafe wird ein Übel verstanden, das durch die
gesetzliche Gewalt für getane Schuld auferlegt wird.
Nur der Stammeshäuptling mit den Führern (Häuptern)
und mitunter auch den Kirchenoberen hat das Recht, der gegen die
Kirche begangenen Schuld ihre Strafe zuzumessen.
Dem Schuldigen, der die Kirche geschändet (beleidigt)
hat, wird die Strafe durch die Häupter und das Volk vollzogen.
Die Arten der Strafe für den an der Kirche schuldig
Gewordenen sind folgende: a) das Todesurteil
aus dem Stamm mit Angehörigen und Besitz; c) das Verbrennen
des Hauses; d) das Brachlassen des Bodens oder das Abschneiden
58; b) sas Ausstoßen
Der Kanun des Lekë Dukagjini
59
abgegolten werden, indem die Oka Getreide 1 Groschen, die Oka
Branntwein 5 Groschen, der Ochse 400 Groschen gilt.
12
[Gj.]: Nach dem Kanun kann die Geldbuße durch jederlei Gut
der Fruchtbäume; e) die Buße mit lebendem Vieh; f) die Buße
durch Geld
59.
[2.] Die Bestimmung der Strafe nach der Art der Schuld
Wer die Kirche verletzt, wird abgebrannt und mit den
Seinen aus dem Stamme verstoßen. Der Schuldige - der Täter -
wird durch den Stamm für vogelfrei erklärt (ausgeschellt,
ausgerufen,
ungerächt vergossen werden). Die ihm nächsten
Sippenangehörigen kaufen seinen Grund, dessen Erlös der
zerbrochenen, geschändeten Kirche zufällt.
Wer fremdes Gut stiehlt und geht und es in der Kirche
versteckt, ohne Wissen des Pfarrers, hat der Kirche 1000
Groschen Buße zu zahlen für geraubte Ehre, 100 Hammel Buße
dem Stamm zu geben für verletzte Obhut außer der Beute, die er
dem Besitzer nach Weise des Kanun ersetzen muß.
Wer das Vieh der Kirche stiehlt im Umkreis, wo der
Kanun gilt, hat ihr, wie jedem andern, das Zwei-für-Eins zu
zahlen.
Wer im Haus oder in der Nachtherberge des Pfarrers
stiehlt, wird Zwei-für-Eins des gestohlenen Gutes ersetzen. 100
Groschen zahlt er der Kirche für geraubte Ehre und 100 Hammel
dem Stamm für verletzte Obhut.
me leçitë = ausschellen) und verliert sein Blut (es darf
Der Kanun des Lekë Dukagjini
60
öffentlich beschimpft, werden die Anwesenden die Beschimpfung auf
sich nehmen und ahnden.
Wird unter dem Kanun i Papazhulit der Pope oder Hodzha
61
den 7 Stämmen von Puka gültigen Kanun.
13
[Gj.]: Diese Strafen sind entnommen dem in der Mirdita und
Wer den Messerpriester der Pfarre vor dem Volke schilt
oder beleidigt (in Worten), zahlt der Kirche 100 Groschen Buße;
100 Hammel zahlt er dem Stamm
Wer den Pfarrer bedroht, zahlt 10 Hammel Buße.
Wer den Priester in schwerer Sache verleumdet, dem wird
das Haus verbrannt, und 100 Hammel zahlt er dem Stamm Buße.
Wer die Hand an den Priester legt, ihn schlägt oder stößt
oder bespuckt, der wird "verbrannt und gebraten" und vom Ort
verstoßen, und die Erde wird ihm mehrere Jahre brach gelassen.
Wer den Priester erschlägt, wird vogelfrei durch den
Stamm (ausgerufen, ausgeschellt) und verliert sein Blut. Überdies
wird ihm das Haus verbrannt, der Boden bleibt ihm brach, die
Obstbäume, Reben und Gartenfrüchte werden ihm abgeschnitten
und zerstört. Seine Gründe seien der Kirche, seine Bruderschaft
aber kann sie durch Geld ablösen
Wer den Diener des Pfarrers schilt oder verleumdet oder
antastet, zahlt dem Stamm 10 Hammel Buße oder auch mehr, je
nach Schwere der Schuld.
Wer den Pfarrdiener erschlägt und ist aus dem Dorfe, dem
wird das Haus verbrannt und 100 Hammel und 1 Ochse Buße
genommen.
Wer den Pfarrdiener durch Wort oder Tat antastet, zahlt
die Buße der 10 Hammel.
60.61.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
14
Wer sich der Strafe der Kirche und des Kanun nicht
unterwirft, vor dessen Haus versammelt sich der Stamm und
nimmt ihm alles, was er in der Hürde hat.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
15
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Re: Der KANUN - 2. Buch: Die Familie
2. Buch: Die Familie
[1. Kapitel]
Die Familie als solche
[1.] Begriff der Familie
Die Familie ist eine Gemeinschaft aus Gliedern, die unter
einem Dache leben; eine Gemeinschaft, deren Zweck die
Vermehrung der Menschheit durch Heirat ist, die Entwicklung der
Menschheit nach Körper und Geist.
Die Familie begreift die Leute des Hauses. Vermehren sie
sich, so teilen sie sich in Bruderschaften, diese schließen sich zu
Sippen zusammen, die Sippen zu Stämmen; und alle bilden eine
große Familie, die man Volk nennt und ein gemeinsames
Vaterland hat, ein Blut, eine Sprache, einen Brauch.
[2.] Rechte und Pflichten des Herrn des Hauses
Das Recht, die Befugnis, die Pflicht des Herrn des Hauses
(
dem Ältesten unter einem Dache oder dem ersten Bruder; haben
diese Benannten nicht die für dieses Amt notwendigen
Eigenschaften, wie die Pflicht es umschreibt, so wird durch alle
Hausbewohner gemeinsam gewählt, wer am gescheitesten,
sanftesten und sorgsamsten ist. Herr des Hauses kann auch ein
unverheirateter Mann werden.
amvis) ist nach dem Kanun die Regierung des Hauses; sie obliegt
Der Kanun des Lekë Dukagjini
16
Der Herr des Hauses hat das Recht:
a) im eigenen Hause den Kopfplatz einzunehmen, auch
wenn im Hause Ältere wohnen;
b) die Waffen zu befehligen, und seien es hundert; auf das
Sattelpferd, auf eigenes Bett und eigene Decke; er ist Herr
über die Kaffeegerätschaften - und all diese Dinge betrifft
dann das Gesetz über die Teilung nicht;
c) über das Verdienst der Mitglieder des Hauses, ihres
Lohnes, ihrer Geschenke;
d) zu kaufen, verkaufen oder tauschen das Land (Äcker,
Wiesen, Weiden, Wälder), die Reihenfolge der
Bewässerung, das Vieh, die Kupfergeräte;
e) zu geben, zu nehmen (Schuld), Bürge zu werden;
f) Häuser, Hütten, Hürden zu errichten;
g) die Leute im Haus an die Arbeit oder auf den Weg zu
schicken;
h) die Leute im Haus zur Arbeit auszuleihen oder gar zur
Arbeit ohne Ersatz;
i) über Wein und Branntwein, zu kaufen, verkaufen,
auszuleihen;
j) die Leute des Hauses zu strafen, wenn sie nicht so gehen
wollen, wie das Gedeihen des Hauses erfordert.
Die Strafen sind folgende:
a) ohne Essen lassen;
b) für eine oder zwei Wochen die Waffen des Armes oder
Gürtels entziehen;
c) im Haus zu binden oder gefangen zu setzen;
d) den Unbotmäßigen aus Haus und Anteil zu vertreiben, um
schlechte Führung und Gefahr abzuwenden.
Wird Einer im Hause Bürge über mehr als den Wert seiner
Waffen, verkauft, kauft oder tauscht er etwas ohne Erlaubnis des
Herrn des Hauses, so hat dieser das Recht, die Verantwortung
abzulehnen, denn der Kanun hält es nicht für üblich (dem Brauch
Der Kanun des Lekë Dukagjini
17
entsprechend), zu verkaufen oder zu kaufen oder zu tauschen oder
sich zu verbürgen auf diese Weise, und alles ist ungültig, was
ohne Erlaubnis des Herrn des Hauses geschah.
Pflicht und Verbindlichkeit des Herrn des Hauses ist es:
a) sich einzusetzen für Glück und Gedeihen der
Hausbewohner;
b) die Hausbewohner im Zaum zu halten, daß sie nicht
Schaden und Untergang verursachen;
c) als Erster in der Arbeit zu führen, die ihm obliegt;
d) das Auge auf der Erde zu haben, daß sie nicht brach
bleibe; auf den Herden, damit sie nicht an Gedeihen
einbüßen;
e) zu schaffen mit Verstand und Klugheit, innerhalb und
außerhalb des Hauses, und das Haus vor Schaden und
Untergang zu behüten;
f) Sorge zu tragen für Kleidung und Schuhwerk der
Hausbewohner aus den Einkünften des Hauses;
g) Ordnung und Gerechtigkeit im Hause aufrechtzuerhalten
und keinen der Hausbewohner gegen die anderen zu
bevorzugen;
h) den Knaben Waffen zu beschaffen, sobald er sieht, daß sie
waffenfähig geworden sind.
[3.] Rechte und Pflichten der Frau des Hauses
Das Recht der Frau des Hauses (
a) über alle Gegenstände, die das Haus enthält;
b) zu entleihen und auszuleihen: Mehl, Brot, Salz, Käse und
Butter;
c) den Frauen des Hauses zu befehlen, sie um Wasser zu
schicken und um Holz, mit Nahrung zu den Arbeitern des
amvise) ist folgendes:
Der Kanun des Lekë Dukagjini
62
am Urteil über den Vater.
18
Unter dem Kanun i Papazhulit beteiligen sich die Söhne nicht
Hauses, zum Wassern und Gießen, den Dung zu sammeln,
zu ernten und zu säen oder jäten (reinigen);
Obliegenheiten der Frau des Hauses sind:
a) für Mittag- und Abendessen zu sorgen, zu sieden, den
Tisch zu decken und die Speisen zu verteilen;
b) sich für die Erdfrucht zu befleißigen, daß sie nicht zu
Schanden komme;
c) zu sorgen, daß nicht ohne Erlaubnis des Hausherrn
gekauft, verkauft oder getauscht werde. Sie kocht nicht
selbst, geht nicht um Wasser, macht nicht Holz oder
bereitet den Dung, noch begießt sie, erntet oder putzt
(jätet), noch bringt sie selbst den Arbeitern Essen zu;
d) sich der Gerechtigkeit bei Behandlung der Leute des
Hauses zu befleißigen, auch der Kinder, niemanden vor
den andern zu bevorzugen;
e) sie sorgt für die Kinder, so lang deren Mütter bei der
Arbeit sind.
[4.] Rechte und Pflichten der Hausbewohner
Das Recht der Hausbewohner ist:
a) den Herrn des Hauses seines Amtes zu entsetzen, wenn
sie sehen sollten, daß er nicht zum Besten des Hauses
wirkt und es dem Untergang zutreibt
b) die Frau des Hauses abzusetzen, wenn es in die Augen
fiele, daß sie vergeudet oder insgeheim verkauft (und sei
es nur ein einziger Tropfen Öles), oder daß sie die eignen
Kinder vor den andern Kindern begünstigt;
62;
Der Kanun des Lekë Dukagjini
19
c) jeder hat ein Recht auf die eigenen Waffen; sie können sie
verkaufen, tauschen, zum Pfand geben, aber sie haben
kein Recht, einen anderen im Hause um Geld anzugehen;
d) über die Ochsen hat das Recht der Bauer, der sie führt,
auch um jemandem zu helfen durch Darlehen oder
Geschenk, ohne daß er dazu die Erlaubnis des Herrn des
Hauses bräuchte;
e) über die Schafherde hat das Recht der Hirte, der sie
pflegt; der Herr des Hauses hat nicht das Recht, sich in
dieses Amt einzumischen; ehe ein Stück verkauft oder
geschlachtet wird, muß es dem Hirten gesagt werden, und
dieser wird wissen, welches Stück Kleinvieh oder welche
Kuh wegzugeben oder abzutun ist.
Die Verbindlichkeiten der Leute im Hause sind:
a) nicht Bürge zu werden ohne Erlaubnis des Herrn des
Hauses;
b) sie können Bürge werden, auch ohne Erlaubnis des Herrn
des Hauses, für so viel, als der Wert ihrer Waffen
ausmacht, denn diese sind Besitz des Einzelnen;
c) sie können zu niemandem als Arbeiter gehen ohne
Erlaubnis des Herrn des Hauses;
d) sie können nicht kaufen, verkaufen oder tauchen;
e) die Leute des Hauses können nicht den Herrn des Hauses
in den Arbeiten des Hauses oder der Gemeinde bekritteln;
f) wen der Hausherr bezeichnet, der muß zum Heeresdienst
gehen;
g) die Frauen haben die Pflicht, für das Haus zu arbeiten; ist
aber die Zeit überschritten und sind sie damit von den
Arbeiten für das Haus entbunden, so können sie für sich
selbst arbeiten.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
20
[2. Kapitel]
Die Familie als Teil des Dorfes und Banners (Stammes)
[1.] Das Recht der Familie
a) sie hat das Recht der Stimme im Rat des Dorfes;
b) sie hat das Recht auf einen Anteil aus den dem Dorf
bezahlten Bußen;
c) sie hat das Recht auf das Gemeindegut;
d) sie hat das Recht, wen immer in ihre Hut zu nehmen;
e) sie hat das Recht, mit dem Feuerbrand anzuführen beim
Verbrennen eines Hauses der eigenen Sippe;
f) sie hat das Recht, die Bußnehmer anzuführen, in der
Hürde der eignen Sippe;
g) fiel das Haus in eine schwere Schuld, für die es die Strafe
des Feuerbrandes trifft und der Axt, so darf weder Dorf
noch Stamm Hand anlegen zum Untergang, ohne daß der
Schuldige selber führt.
[2.] Verbindlichkeit der Familie
Im Dorfe:
a) Der Herr des Hauses ist verantwortlich für jeden Schaden,
den seine Leute irgendwem zufügen;
b) er wird in den Rat gehen, so oft sich das Dorf versammelt;
c) er wird Arbeiter entsenden zu jeder Arbeit, die die
Dorfbewohner reihum zu erledigen haben.
Im Stamme:
a) Er wird in den Stammesrat gehen, wenn gerufen wird:
"Ein Mann für jedes Haus!";
Der Kanun des Lekë Dukagjini
63
Feudalherrngeschlecht keine Buße.
Unter dem Kanun i Papazhulit nimmt das jeweilige
64
hinter dem 3. Abschnitt ("Das Recht der Vetternschaft" des 2. Kapitels,
ist dort aber fehl am Platze und daher hierher übernommen worden,
wohin es systematisch besser paßt.
Dieses Kapitel befindet sich im albanischen Text im 5. Buch
65
Totschläger Asyl gebe.
21
Der Kanun i Papazhulit ordnet an, daß der Herr dem
b) er ist reihum mit dem Dorfe für "zwei Bissen Brot" der
Jungmannschaft des Dorfes verpflichtet;
c) er wird dem Haus der Gjonmarkaj (der Führersippe für
den Kanun) 500 Groschen Buße zahlen für jeden Mord
d) er wird mit den Kämpfern des Stammes ausziehen.
[3. Kapitel]
63;64
Die Bediensteten
Der Herrschaft obliegt der Befehl, dem Bediensteten der
Gehorsam.
Der Lohn wird nach der Abmachung bezahlt, die
zwischen Herrn und Knecht stattgefunden hat.
Für einen Fehler des Dieners darf ihn der Herr nicht am
Lohn strafen.
Stahl oder tötete aber der Diener in Brot und Auftrag des
Herrn, so fällt zwar der Diener in Schuld und Blut, aber der
Schaden ist des Herrn, und dieser wird den Diener aus dem Übel
ziehen
65.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
22
Geschah Diebstahl und Totschlag im Dorf des Herrn, so
wird dieser den Diener entfernen, aber den Jahreslohn auszahlen,
denn die Schuld war des Herrn, nicht des Dieners.
Vollführt jedoch der Diener ein Verbrechen aus eigenem
Antrieb, innerhalb oder außerhalb des Dorfes seines Herrn, ohne
dessen Wissen, so wird der Diener den Schaden der Geldbuße
erleiden, und wenn der Herr ihn entlassen will, braucht er ihm den
Lohn nur bis zum Entlassungstage zu zahlen.
Tötet der Diener jemanden auf eigenen Entschluß, so fällt
das Blut auf sein eigenes Haus.
Tötet jemand den Diener, so fällt er mit dessen Haus ins
Blut, aber der Herr dient ihm als Freund (d. h. bestraft die
verletzte Freundschaft). Der Diener gilt als Freund, den er rächen
muß.
Fällt es dem Herrn ein, sich vom Diener zu trennen, nur,
weil er ihm nicht gefällt, und ohne Schuld des Dieners, so wird er
ihm den Jahreslohn zahlen.
Verzieht der Herr mit seinem Haushalt von einer Gegend
in die andere und nimmt er den Diener nicht mit, so schuldet er
ihm den Jahreslohn; will aber der Diener ihm nicht folgen, so
schuldet er ihm den Lohn nur bis zum Tag der Trennung.
Fällt dem Diener ein, vor der Frist aus dem Dienst zu
treten, nur weil er dort nicht mehr dienen mag, so wird der Herr
den Lohn nur bis zum Trennungstage geben.
Verhält sich der Diener nicht nach dem Geschmack des
Herrn, so kann er sich von ihm trennen, aber ihn weder schelten
noch schlagen.
Schilt der Herr den Diener hart oder schlägt er ihn, und
trennt sich dieser dann von ihm vor der Frist, so muß er ihn für
Schelten oder Schlagen entschädigen.
Mäßiges Tadeln und Anschreien der Herrschaft wird der
Diener hinunterschlucken.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
23
Schlägt den Diener eine fremde Hand, so fordert dieser
sein Recht vor Gericht, der Herr aber fordert Entschädigung für
die Schande, die seinem Brot durch dieses Schlagen widerfuhr.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
24
____________________ Next time the devil tells you "You're stupid" say "No, you're stupid - ...I'm going to heaven, you ain't getting in". ~Joyce Meyer~
Re: Der KANUN - 3. Buch: Die Heirat
3. Buch: Die Heirat
[1. Kapitel]
Begriff und Arten der Ehe
Sich nach dem Kanun verheiraten heißt, ein Haus gründen
oder das Haus um ein Glied vermehren, sowohl für die Arbeit als
für Vermehrung der Nachkommenschaft.
Arten der Heirat:
a) mit dem Sakrament der Ehe, gebilligt durch den Glauben
und den Kanun des Lek;
b) die Frau unterhalten, gegen den Glauben und den Kanun
des Lek;
c) die Frau oder das Mädchen, das geraubt wurde, außerhalb
des Brauches, des Glaubens und des Kanun.
[2. Kapitel]
Rechte und Pflichten hinsichtlich der Heirat
[1.] Das Recht des Jünglings und des Mädchens
a) Das Recht des Jünglings:
"Der Jüngling hat das Recht, seine Heirat zu bedenken, so
er keine Eltern hat."
Hat der Jüngling Eltern, hat er nicht das Recht:
i) seine eigene Heirat zu bedenken;
Der Kanun des Lekë Dukagjini
25
ii) den Vermittler zu bezeichnen;
iii) sich in die Verlobungsverhandlungen einzumischen;
iv) etwas zu bestimmen, was die Ehezeichen, die Kleider, die
Schuhe (für den Vermittler) oder die Ablegung des
Versprechens betrifft.
b) Das Recht des Mädchens:
Wenn das Mädchen auch keine Eltern hat, so hat es doch
kein Recht, sich mit der eigenen Heirat zu befassen; das Recht ist
in der Hand der Brüder oder Vettern;
Das Mädchen hat kein Recht:
i) den eigenen Gefährten zu wählen; sie wird zu dem gehen,
mit dem sie sie verloben;
ii) sich weder in Vermittlung noch Verlöbnis einzumengen;
iii) noch auch in die Sache der Schuhe oder Kleider.
[2.] Die Pflichten des Mannes und der Frau
Die Pflichten des Mannes gegen die Frau. Der Mann ist
verpflichtet:
a) für Kleider und Schuhe und den gesamten
Lebensunterhalt der Frau zu sorgen;
b) die Ehre der Frau zu schützen und ihr keinen Grund zu
geben, sich wegen Entbehrung eines Notwendigen
beklagen zu müssen.
[3.] Das Recht des verwitweten Mannes, der verwitweten
Frau
Recht des verwitweten Mannes: Der Witwer, wenn er
keine Eltern hat, hat das Recht, selbst für seine
Der Kanun des Lekë Dukagjini
66
sie im eigenen Hause lebt, nicht im Haus der Brüder; dort bestimmen
diese für sie.
26
Unter dem Kanun i Papazhulit hat sie diese Rechte nur, wenn
Wiederverheiratung zu sprechen (der Mann der albanischen Berge
freilich tut dies nicht, selbst wenn er weiß, daß er unverheiratet
bleiben müßte; die Sitte fordert, einen anderen zu beauftragen mit
dem, was die Wiederverheiratung betrifft).
Recht der verwitweten Frau: "Die Witwe spricht selbst.
Die Witwe schickt das Hochzeitsgeleit zurück."
Die verwitwete Frau hat das Recht:
a) selbst über die Hochzeit zu sprechen;
b) zum Gatten zu wählen, wer ihr gefällt;
c) den zu bezeichnen, der ihr zum Vermittler dienen soll
[3. Kapitel]
66.
Die Vermittlung, das Verlöbnis
[1.] Die Vermittlung
Vermittler (
den Eltern des Jünglings oder Mädchens Fürsprech zu sein, daß
sie jenes Mädchen geben oder nehmen für den bestimmten
Jüngling.
Recht und Obliegenheit des Vermittlers:
a) Der Vermittler hat das Recht auf 50 Groschen für die
Vermittlung, für die durch den Kanun bestimmten
Schuhe.
b) Diese Schuhe haben ihre Frist am Tage, an dem die Braut
abgeholt wird.
shkues) heißt derjenige, der es übernimmt, bei
Der Kanun des Lekë Dukagjini
27
c) Den Vermittler wählt entweder das Haus des Mädchens
oder das des Jünglings.
d) Die Schuhe des Vermittlers zahlt stets das Haus des
Bräutigams, sollte ihn auch das Haus des Mädchens
bezeichnet haben.
e) Der Vermittler hat das Recht, für die Eltern sowohl des
Jünglings wie des Mädchens zu sprechen.
f) Die Obliegenheit des Vermittlers ist, zu gehen, um sich zu
verständigen, um das Geld mit dem Vater oder Bruder des
Bräutigams zu den Eltern des Mädchens zu bringen.
g) Der Vermittler hat das Recht, sich in jede Angelegenheit
zwischen den Eltern des Bräutigams und denen der Braut
einzumischen, bis zum Tage der Hochzeit.
[2.] Das Verlöbnis
Die Ehehindernisse nach dem Kanun. Bei der Verlobung
eines Mädchens wird in Betracht gezogen:
a) daß weder Blutsverwandtschaft noch
Familienzusammengehörigkeit sei;
b) daß die zu Verlobenden nicht der gleichen Sippe seien;
c) daß das Mädchen nicht eine Nichte der Sippe des
Jünglings sei, der sich mit ihr verloben will;
d) daß sie keine entlassene Frau sei;
e) daß keine Patenschaft bestehe:
i) vom Wiegen an der Kirchentüre;
ii) durch Heirat;
iii) durch das Schneiden der Haare;
iv) daß nicht durch getrunkenes Blut Bruderschaft
entstanden sei.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
67
Mädchenräuber der Rache der Sippe des Mädchens, seine Sippe aber darf
nicht belangt werden.
28
Nach dem Kanun i Papazhulit verfällt der Geliebte oder
Der Kanun duldet weder Verlöbnis noch Ehe, wenn eines
der oben erwähnten Hindernisse besteht, und sei es im
Viertausendsten Grad.
Beim freien Verlöbnis ist es Kanun, daß der Vermittler
geht - und der Vater oder der Bruder des Jünglings - zu den Eltern
des Mädchens, um die Zeichen zu überbringen.
Beim Eintreten wird der Vermittler das Feuer entfachen,
ehe er um das Mädchen bittet; während er entfacht, spricht er.
Wenn er das Abendessen gegessen hat, gibt der Vater des
Bräutigams dem Vermittler das Geld und die Zeichen in die Hand.
Wenn der Vermittler das Geld auf den Broteinschieber gezählt hat,
läßt er sowohl Geld wie Zeichen in den Händen des Vaters
des Mädchens.
Es gibt keine Braut ohne Vermittler. Das geraubte oder
entflohene Mädchen, wenn es einen Mann findet, wird nicht als
Braut geschmückt; sie wird "mädchenmäßig" (mit
Jungmädchenkleidern) gehen, denn sie ging und wurde genommen
außerhalb des Kanun, ohne Vermittler
67.
[3.] Das Zeichen
"Das Zeichen (shêji) - und selbst wenn Du Deine Hand
zurückziehst - macht einen Menschen zu dem Deinen."
Der Kanun des Lekë Dukagjini
68
anderes Schmuckstück sein.
29
Nach dem Kanun i Papazhulit kann das Zeichen auch ein
Das Zeichen besteht aus einem kupfernen, oder (seit
kurzem) silbernen Ringe
Fundstelle in unseren Bergen. "Der Ring und 10 Groschen sind
nach dem Kanun."
Das Zeichen wird weder zurückgeschickt noch
umgetauscht, solange jener lebt, der das Mädchen nimmt.
Mit dem Zeichen geht das Mädchen in die Hand über und
wird das Wort gesprochen (verpfändet). Wird das Wort
gebrochen, stehen die Eltern des Mädchens mit dem Haus des
Bräutigams im Blut.
Wenn es dem Jüngling einfällt, kann er das angelobte
Mädchen verlassen, aber das Zeichen und alles, was er für das
Mädchen zahlte, geht ihm verloren; der Grund dafür ist: "Wer das
durch den Ring gebundene Mädchen verläßt, dem nimmt das
Gesetz zur Buße sowohl den Rind als auch alles andere, was er für
sie bezahlt haben mag." Ehe der Jüngling das Mädchen entläßt,
wird er es dem Vermittler zu wissen tun, und dieser wird mit zwei
Gefährten aus dem Dorf des Jünglings zu den Eltern des
Mädchens gehen und im Angesicht von zwei Gefährten aus dem
Dorf des Mädchens anzeigen, daß der Jüngling, der das Mädchen
genommen hatte, seine Hand zurückzieht, so daß sie frei sind, sie
anderswo zu verheiraten.
Das Mädchen unter dem Ring hat nicht das Recht, den
Jüngling zu entlassen, auch dann nicht, wenn er ihr nicht gefällt.
Gehorcht das Mädchen nicht, zu diesem Gatten zu gehen,
mit dem es verlobt ist, so kann es bei Lebzeiten des Bräutigams
auch dann keine andere Ehe eingehen, wenn seine Eltern es
unterstützen. Die Eltern des Mädchens sind verpflichtet, bis zum
allerletzten Deut, alles dem Haus des Bräutigams wiederzugeben,
68, denn des Goldes weiß man keine
Der Kanun des Lekë Dukagjini
69
wenn der Jüngling sich verheiratet.
Nach dem Kanun i Papazhulit darf das Mädchen heiraten,
70
ungetreue Braut tötete, sich rechtfertigen, und je nach dem Spruch des
Altenrates ihres Stammes (ihrer Sippe) geht ihr Blut verloren oder nicht.
30
Nach dem Kanun i Papazhulit muß der Bräutigam, der die
was der Bräutigam für das Mädchen gab. Das Zeichen und die 10
Groschen des Kanun, die dem Mädchen gesandt wurden, damals,
als man es verlobte, werden in ihrer Truhe sein bis zum Todestage
des Bräutigams, und das Mädchen wisse, wie auch der Jüngling
und ihre Eltern, daß dieses Zeichen nicht wegbewegt werden
kann.
Nach dem Kanun ist das Mädchen gebunden und kann -
außer mit Erlaubnis des Bräutigams, der sich mit ihr verlobt hatte,
oder wenn dieser seine Hand zurückzieht - nicht heiraten, und es
ist nicht nach dem Kanun, daß ein anderer gehe und sie zur Ehe
verlange. Selbst wenn der Bräutigam eine andere Frau nimmt
bleibt sie - außer er gibt ihr Erlaubnis - dennoch gebunden.
"Gebunden ist gebunden!"
Stirbt der Bräutigam, so ist nach dem Kanun das Mädchen
frei, und so sie will, kann sie heiraten, denn "stirbt der Bräutigam,
gilt sein Zeichen als verloren".
Wenn das Mädchen nicht gehorchte und nicht zu dem
Gatten ging, der sich ihm verlobt hatte, werden sie es demjenigen
auch mit Gewalt ausliefern, der sich ihm verlobte, "mit der
Patrone im Rücken". Und würde ihm das Mädchen ins Auge
schlagen (ihn beleidigen), indem es flieht, erschlägt es dieser mit
der Patrone seiner Eltern, und das Blut des Mädchens geht
verloren, weil er es mit der Patrone seiner Eltern tötete
69,70.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
71
schneiden."
31
Der Ausdruck im Kanun i Papazhulit ist: "Den Tag
[4.] Die Bindung der Treue ("Der Tag des Zeichens")
Bestimmung für die Treuebindung:
"Die Treue binden"
festsetzen, da das Brautgeleit aufbrechen wird, um die Braut
abzuholen.
Wie die Treue des Mädchens "gebunden" wird, also am
Tage des Zeichens, werden die Hochzeitsbegleiter unbedingt
aufbrechen, und diesen Tag verschiebt der Kanun niemals, noch
duldet er, daß er verschoben werde.
An diesem Tag bricht das Hochzeitsgeleit auf, und wüßte
es, daß die Braut im Sterben liegt; sie auf dem Boden schleifend,
kriechend, wird es sie ins Haus des Bräutigams bringen.
Dem Brautgeleite darf der Weg nicht gehindert werden,
und sei ein Toter im Haus des Bräutigams oder der Braut.
Den Toten im Haus, bricht das Brautgeleit auf; die Braut
kommt ins Haus, der Tote verläßt es. Dort wird die Totenklage,
hier das Hochzeitslied sein. (Das sagt man, um anzuzeigen, daß an
diesem Tage nicht einmal der Tod das Hochzeitsgeleit aufhalten
kann, - denn, was Singen betrifft - in diesem Fall wird nicht
gesungen).
71 heißt, den Tag und die Frist
[5.] Der Preis, der für die Braut gegeben wurde und der
heute gegeben wird
Der Kanun des Lekë Dukagjini
72
Süden ist wohlhabender.
Nach dem Kanun i Papazhulit ist der Preis etwas höher; der
73
doch kann es gegen ein anderes Blut oder gegen Boden getauscht
werden.
32
Nach dem Kanun i Papazhulit wird das Blut nicht gekauft,
Der Preis, der für Mädchen oder Frau bis vor 50 Jahren
gegeben wurde, bestand aus 50, 100, 200 und bis zu 400
Groschen
Der Preis des Kanun in letzter Zeit beträgt bis 1500
Groschen, so viel, als auch das Blut der Frau ausmacht
72.73.
[6.] Das Erbe der albanischen Frau
"Die albanische Frau hat kein Erbteil der Eltern, weder
Grund noch Haus." Der Kanun hält die Frau als einen Überschluß,
ein Anhängsel im Hause. Die Eltern haben keine Aussteuer, kein
Heiratsgut für die Tochter zu bedenken; er, der sie nimmt, wird für
sie sorgen. Die Eltern des Jünglings, der das Mädchen nimmt,
werden alles bedenken, was für ihre Hochzeit nötig ist.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
74
Gegenden verschieden.
Nach dem Kanun i Papazhulit sind diese Bestimmungen nach
75
33
[Gj.]: Ehedem statt Branntwein: Wein.
____________________ Next time the devil tells you "You're stupid" say "No, you're stupid - ...I'm going to heaven, you ain't getting in". ~Joyce Meyer~
Re: Der KANUN - 4. Buch: Die Hochzeit
4. Buch: Die Hochzeit
[1. Kapitel]
Die Hochzeit
[1.] Zubereitung der Hochzeit nach dem Kanun
Für die Hochzeit (
a) Der Hochzeitsochse wird 100 Oka (120 kg) Fleisch und
Fett ergeben;
b) eine Last Maismehl;
c) 4 Babune (Babun etwa 13 kg) Roggenmehl;
d) 4 Oka Kaffee;
e) 12 Oka Zucker;
f) 8 Oka Reis;
g) 4 Oka Honig;
h) 2 Oka Butter;
i) 10 Oka Käse;
j) 3 Oka Speiseöl;
k) 70 Oka Branntwein
dasmë) werden bereitgestellt74:75.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
76
34
Kanun i Papazhulit: nach der Gegend verschieden.
Die Hochzeit nach dem Kanun erfordert
a) 12 Hochzeitsbitter, 13 Hochzeitsbitterinnen;
b) Hochzeitseinlader;
c) Hochzeitsdiener;
d) Köche;
e) Dienerinnen;
f) Tänzerinnen;
g) Hammeltreiber;
h) Liedersänger;
i) Braut und Bräutigam;
j) 2 Hochzeitszeugen (Hochzeitspaten);
k) den Hochzeitskranz.
Die Pflichten des Herren der Hochzeit:
Vier Wochen vor der Hochzeit wird der Vater des
Bräutigams oder der Herr seines Hauses selbst gehen und das
Hochzeitsgeleit einberufen. Zuerst werden die befreundeten, dann
die verwandten Mitglieder des Hochzeitsgeleites geladen.
Es ist Kanun, daß jeder Freund mit einem Hammel zur
Hochzeit kommt. Hammel werden senden:
a) die Neffen und Großneffen, und wenn den Neffen die
Mutter in der Wiege noch am Rücken trägt, wird sie den
Hammel mit der Hand zuführen;
b) der Onkel des Bräutigams.
Die Reihenfolge, in der man zur Hochzeit geht, ist:
a) am Donnerstag gehen die Neffen und Nichten;
b) am Freitagabend gehen die Hochzeitbitter, Diener, Köche,
Wasserträger, Hammeltreiber und das befreundete Geleit.
Wenn die Hammeltreiber den Hof des Bräutigams
76:
Der Kanun des Lekë Dukagjini
35
erreichen, gibt jeder von ihnen einen Schuß ab aus der
eignen Büchse;
c) am Samstag in der Frühe bricht das verwandte Geleit auf.
Am Samstag, wenn das Verwandtengeleit aufbricht, wird
das Hochzeitsrind geschlachtet.
[2.] Die Führung des Hochzeitsgeleites
"Die Führung des Hochzeitsgeleites (krushkí) erfrage und
erbitte, denn außer demjenigen, dem es zukommt, gibt es keinen
Mann, der führen dürfte."
Die Führung des Hochzeitsgeleites darf nicht geändert und
angetastet werden. Wer den Herrn der Hochzeit beschwätzt, einem
Solchen die Führung des Geleites zu übertragen, dem diese
Führung nicht zusteht - außer, daß er in Buße fällt (auch der
Hochzeitsführer, den er widergesetzlich bezeichnete) -, der Kanun
erkennt dies nicht an. Führer des Geleites kann nicht sein:
a) ein Freund; es muß sein ein Gefährte aus dem Dorf des
Bräutigams;
b) er wird nicht aus der Bruderschaft oder der Sippe des
Bräutigams sein, sondern aus andrer Sippe.
Den Geleitführer betrachtet der Kanun nicht nach dem
Aussehen, sondern danach, ob ihm die Führung zusteht - und sei
er fürs Auge wie ein Kind oder eine Mißgeburt, das Haus des
Bräutigams wird ihn annehmen.
Dieses Gesetz ist sehr streng.
[3.] Zusammensetzung und Weg des Hochzeitsgeleites
Der Kranz des Hochzeitsgeleites auf seinem Wege
(der Hochzeitsbegleiter =
krushku)
Der Kanun des Lekë Dukagjini
36
Die Reihenfolge der Hochzeitsgäste, wenn sie aufbrechen,
um die Braut einzuholen, und auf dem Rückweg mit ihr, ist nach
dem Kanun wie folgt: 1. Der Geleitführer, ein Dorfgefährte des
Bräutigams, geht zuerst; 2. ein befreundeter Hochzeitsbegleiter;
3. ein Hochzeitsbegleiter, Dorfgenosse; 4. ein befreundeter
Hochzeitsbegleiter; 5. ein Hochzeitsbegleiter, Dorfgenosse; 6. ein
befreundeter Hochzeitsbegleiter; 7. ein Hochzeitsbegleiter,
Dorfgenosse; 8. ein befreundeter Hochzeitsbegleiter; 9. ein
Hochzeitsgenosse, Dorfgenosse; 10. ein befreundeter
Hochzeitsbegleiter; 11. ein Hochzeitsbegleiter, Dorfgenosse;
12. ein Hochzeitsbegleiter mit dem Hammel an der Hand; 13. die
Hochzeitsbegleiterin, die dem Hammel den Weg weist. Zuletzt
wird der Vater oder Bruder des Bräutigams gehen, das Pferd an
der Hand.
Wenn die Hochzeitsbegleiter aufbrechen, um die Braut
einzuholen, wird jeder einmal seine Büchse abschießen im Hof
des Bräutigams.
Den Hochzeitsbegleitern, mit oder ohne die Braut, wie
auch dem Trauergeleite mit dem Toten, darf niemand an die Türe
gehen, sie zu betrachten, es sei denn, daß der Durchlaß oder die
Straße des Dorfes dort vorüberführt.
Die Dorfstraße oder die große Straße kann niemand
irgendwem verbieten, auch dann nicht, wenn sie ihm an der
Haustüre vorüberführt.
"Dort, wo der Mensch vorübergeht, geht auch das Vieh -
geht der Lebende auch mit dem Toten."
Die Erlaubnis des Hausherrn wird ausnahmslos erbeten,
um an dessen Grundmauern vorüberzugehen, und dieser kann den
Durchlaß (d. h. den Weg auf seinen Grund, die große Straße ist
ohne Erlaubnis frei) freigeben, und sei es mit dem Wort, daß dort
keine Straße sei und daß ihm die Ehre nicht besudelt werden
möge.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
37
Nimmt sich jemand heraus, sei es das Hochzeitsgeleit oder
das Trauergeleit mit dem Toten, jemandem die Türe zu
durchschreiten, so erlaubt diesem der Kanun, dieses Geleit
hinauszuweisen mit der Begründung, daß er den Hausdurchlaß für
sich selber habe und nicht als große Straße.
Geschah es, daß die Geleitschaft mit Gewalt eindrang, so
kam es vor, daß sie dem Toten Genossen wurden und der Braut
der Rock über den Kopf gestülpt wurde.
"Das Hochzeitsgeleit des Dorfes soll dem befreundeten
Hochzeitsgeleite die Straße freigeben."
Das Hochzeitsgeleit auf seinem Wege zur Braut, die es
abholt, darf seine Büchsen nicht abschießen, und das Gesetz
verbietet ihm, jemanden anzutasten.
Die Wanderer, wessen Herkunft und Ehre sie seien, die
mit dem Hochzeitsgeleite zusammentreffen, werden die Straße
freigeben, bis das Hochzeitsgeleit vorüber ist.
Das Hochzeitsgeleit des Ortes wird dem befreundeten
Geleit den Weg freigeben; dies ist Pflicht der Männlichkeit und
Höflichkeit, die unsre Berge seit Menschengedenken beobachtet
haben. Treffe ich mit dem befreundeten Hochzeitsgeleite in
meinem Dorf oder Stamm zusammen, legt es mir der Kanun zur
Pflicht, mich mit meinem Geleit zurückzuziehen, bis das
befreundete Geleit vorüber ist.
Treffen sich zwei Hochzeitsgeleite in fremdem Dorf oder
Stamm, so ist es gesetzliche Pflicht, daß sie sich ausweichen und
in Ehren und ohne Streit auseinandergehen.
"Hochzeitsbegleiter ist Hochzeitsbegleiter, Freund ist
Freund."
"Der Kanun verpflichtet uns, den Freund in unsrem Haus
nicht anzutasten."
"Hochzeitsbegleiter ist Hochzeitsbegleiter" und das
Gesetz verbietet uns nicht, ihn (das heißt das Mitglied der uns
verschwägerten Familie) zu sticheln (necken) in unserem Haus,
Der Kanun des Lekë Dukagjini
77
nicht der Sippe der Blutsverwandtschaft an, und das Gesetz läßt uns freie
Bahn, ihn zu necken (aufzuziehen!), obwohl er unsern Herdstein besetzt
hält, d. h. sich jederzeit bei uns aufhalten kann (
die beiden größten Steinblöcke, die rechts und links vom offnen Herd in
das Erdreich gerammt sind, damit das zwischen sie gelegte Brennholz
nicht auseinanderfalle). Mancher faule und zugleich gefräßige Mann geht
zur verschwägerten Familie, setzt sich neben den Herdstein und rührt
sich (besonders winters) nicht von der Stelle, außer dann, wenn man ihn
zu Tische ruft. Hier der Grund, warum es niemandem zur Schande
gerechnet wird, den Hochzeitsbegleiter zu tratzen. Das Hochzeitsgeleit
kommt und bringt mit sich Fleisch, gebratenes Eingeweide, Branntwein
(Wein), das Übernachtungsgeld und anders; nach dem Kanun ißt der
Hochzeitsbegleiter sein eigen Brot unter meinem Dache, er ist also in
gewissem Sinne nicht mein Gast, den ich der Gastfreundschaft wegen
nicht necken darf.
38
[Gj.]: Der durch Heirat Verwandte ist Schwager, gehört somitcarâ = der Herdstein, d.h.
und wenn er uns den Herdstein einnimmt. Den Hochzeitsbegleiter
zu necken, wird niemandem als Schande angerechnet
Das Hochzeitsgeleit wird mit sich bringen:
a) den Hammel mit 12 Oka Lebendgewicht; reicht er nicht
aus, so hat der Vater der Braut das Recht, den
Hochzeitszugführer zu drängen, daß er einen anderen
Hammel "nach dem Gesetze" kaufe;
b) an Fasttagen werden sie 8 Oka getrocknete Fische
mitbringen;
c) Käse, 2 Oka;
d) Wein, 8 Oka;
e) Branntwein, 2 Oka;
77.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
78
Der Kanun i Papazhulit kennt das Übernachtungsgeld nicht.
79
genauen Vorschriften nicht.
39
Da der Süden reicher ist, kennt der Kanun i Papazhulit diese
f) 12 Groschen Übernachtungsgeld - dieses Geld ist für das
Brot, das das Haus der Braut dem Hochzeitsgeleite
vorsetzt
g) dem Knaben, der das Hochzeitsgeleit bedient, 5
Groschen;
h) der Frau, die die Braut schmückt, 5 Groschen;
i) 10 Groschen dem Onkel des Mädchens, dem Bruder ihrer
Mutter
Die Hochzeitsbegleiter kommen wie Räuber, wie eine
Diebsbande in der Nacht, um Beute zu machen und einen
Menschen wie einen gefangenen Sklaven mit sich fortzuführen,
sie kommen nicht als Freunde. Auch darum hat der Herr des
Hauses den Weg offen, sie zu necken, sie zu überfallen, indem er
ihnen die Waffen zurückhält, und sie können ihm kein Pfand dafür
fordern, denn das Gesetz nimmt ihre Klage nicht an.
78;79.
[4.] Die Hochzeit im Hause der Braut
Im Haus, daraus die Braut fortzieht, ist es nicht Kanun zu
singen; es ist auch nicht Kanun, die Büchsen loszuschießen.
Sollte das Hochzeitsgeleit auch früh im Brauthause
anlangen, so ist doch kein Gesetz, wieder vom Haus aufzubrechen,
ehe die Sonne untergeht und die Dämmerung einfällt.
Einen "Ochsenweg" (so weit der Ochse geht, ohne
stehenzubleiben) vom Haus der Braut entfernt, geht ein Gefährte
Der Kanun des Lekë Dukagjini
40
aus dem Dorf der Braut, der weder ihres Blutes noch ihrer Sippe
ist, dem Geleite entgegen.
Zieht das Geleit ins Gehöft der Brauteltern ein, so wird
jeder Begleiter pro Kopf einen Schuß abgeben, so auch, wenn sie
wieder aufbrechen, um die Braut fortzubringen. Nur der
Geleitführer spricht. Es ist nicht nach dem Kanun, wenn die
anderen Geleitmitglieder sprechen, außer jemand ruft sie mit
Namen und fragt sie mit Namen.
Die Hochzeitsbegleiter werden miteinander die Mahlzeit
essen, an einem Tisch; es ist nicht nach dem Kanun, sie in zwei
Abteilungen zu trennen. Geht das Mahl seinem Ende zu, so
werden die Hochzeitsgäste die Geschenke für die Braut auf die
noch ungebrochenen Brote auf den Tisch niederlegen. Die
Geschenke bestehen aus 1 Groschen pro Kopf; es ist nicht nach
dem Kanun, mehr oder weniger zu geben.
[2. Kapitel]
Tod der Brautleute
[1.] Das Gesetz des Bräutigams
"Stirbt der Bräutigam, sind die Eltern der Braut
verpflichtet, die Hälfte des Bräutigamsgeldes zurückzugeben."
Stirbt der Bräutigam, ehe er die Braut zu sich nahm, so
bleibt dem Freund das Zeichen (der Ring) und die 10 Groschen
des Gesetzes; alles übrige Geld wird den Bräutigamseltern bis zum
letzten Deut zurückgegeben. Heiratet der Bräutigam, verbrachte
nur eine Nacht mit der Braut und stirbt, so wird den
Bräutigamseltern die Hälfte der Hälfte des Brautpreises
zurückgegeben. Stirbt der Bräutigam innerhalb der zwei ersten
Ehejahre, so behält der Freund (der Brautvater) zwei Teile für
Der Kanun des Lekë Dukagjini
80
die Braut die Schwelle des Bräutigams übertrat, und diese stirbt, so
trennen sich die Eltern von der Tochter mitsamt ihren Kleidern und
sonstigem Zubehör (Schmuck usw.), und es besteht keinerlei Pflicht,
etwas vom Brautpreise dem Haus des Bräutigams zurückzuerstatten.
41
In Oroshi (Mirdita) gilt: Ist Jahr und Tag vergangen seitdem
sich; einen Teil des Preises gibt er den Bräutigamseltern zurück.
Stirbt der Bräutigam innerhalb der zwei ersten Ehejahre, läßt er
aber ein Kind zurück auf dem Herdstein, so hat der Freund gegen
die Bräutigamseltern keinerlei Verpflichtung, denn die Tochter hat
den Preis bezahlt mit dem Kinde, das sie dem Hause gelassen hat.
Stirbt der Bräutigam nach drei Ehejahren, so haben seine Eltern
nichts zu fordern, denn die Tochter hat den Lohn in deren Hause
abgegolten.
[2.] Der Tod der Braut
Stirbt die Braut innerhalb der drei ersten Ehejahre, ohne
im Haus des Mannes ein Kind zu lassen, so haben ihre Eltern das
Recht, ihre Kleider samt deren Zubehör (Schmuck usw.) zu
nehmen, aber die verschlossene Truhe mit einem ganzen Gewand
bleibt bei den Eltern des Mannes.
Stirbt die Frau und läßt beim Manne Sohn oder Tochter,
so haben ihre Eltern das Recht auf den Halsschmuck; all ihre
andren Sachen bleiben beim Manne
[3. Kapitel]
80.
Wirkungen der Ehe
Der Kanun des Lekë Dukagjini
81
bis Prevesa (also in ganz Albanien); die Gebräuche sind mitunter
verschieden, auch je nach der Religion.
42
Diese Gesetze sind im wesentlichen gleich von Mitrowitza
[1.] "Die Frau fällt nicht ins Blut, die Frau läßt ihr Blut bei
den Eltern"
Obschon nach unserem Kanun "das Blut mit dem Finger
geht", so begreift doch diese Bestimmung die Frau nicht mit ein,
weil die Frau "nicht ins Blut fällt", selbst wenn sie jemanden
erschlägt.
Erschlägt die Frau ihren eigenen Mann oder wen immer,
so werden ihre Eltern Rechenschaft für dieses Blut geben.
Der Mann kauft die Pflicht des Lebensunterhaltes der
Frau, aber nicht ihr Leben.
Befällt die Frau Unheil aus Schuld des Mannes, so werden
ihre Eltern ihn nach dem Kanun zur Rechenschaft ziehen.
Verletzt der Mann die Frau und beklagt diese sich bei
ihren Eltern, so wird der Mann diesen Rechenschaft geben.
Schlägt der Mann die Frau, so fällt er nach dem Gesetz
nicht in Schuld, und ihre Eltern können ihn für dieses Schlagen
nicht zur Rechenschaft ziehen.
Tötet die Frau den Mann und erhebt sich der Schwager
und tötet die Schwägerin, weil sie ihm den Bruder tötete, so ist
dies kein Abgelten nach dem Gesetz. Das Blut der Frau ist nicht
gleichwertig mit dem Blut des Mannes; also werden ihre Eltern für
den Überschuß Sühne leisten.
Wie die Eltern verpflichtet sind, Rechenschaft zu geben
für alles Böse, das die Tochter im Haus des Mannes oder wo
immer verübt, so setzen auch die Eltern den Preis ihres Blutes,
nicht aber ihr Mann oder Sohn
81.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
43
[2.] "Die Frau gilt als anvertraut für ihren Unterhalt"
Sie ist
wird, d. h. sie ist dazu bestimmt, die Kinder eines fremden Mannes
(d. h. eines nicht Blutsverwandten) zu tragen, sonst aber, dem
Blute nach, gehört sie ihrem Elternhause, wohin sie als
(kinderlose) Witwe wieder zurückkehrt.
Die Frau gilt als anvertraut, solange sie unter dem Dach
ihres Mannes lebt, denn die Eltern können die Hand von ihrer
Abkömmin nicht abziehen und behalten die Pflicht, sich für sie zu
verantworten oder auch für sie Rechenschaft zu fordern und ihr zu
ihrem Recht zu verhelfen.
shakull (Schlauch), in dem die Ware transportiert
[3.] Die verwitwete Frau
Die Frau, die verwitwet und kinderlos zurückbleibt, wird,
indem sie sich vom Hause ihres Mannes trennt, die Gewänder
mitnehmen; die sie als Braut brachte, desgleichen ihre
verschlossene Truhe.
Die junge Frau, die Witwe wird, aber Kinder hat, wird,
falls sie im Hause des Mannes bleiben will, durch zwei Paar
Bürgen verpflichtet. Zwei Bürgen werden aus dem Dorfe sein, wo
sie Witwe wurde, die sich verbürgen, daß niemand mit ihr zu tun
hat, daß sie den Namen der Eltern des toten Mannes und diese
selbst nicht mit Schande beflecken wird; zwei andre werden ihre
Eltern oder ihre Vetterschaft wählen, die dafür Bürge werden, daß
man sie nicht von ihren Kindern trennt, außer wenn sie selbst
darum nachsucht, um sich wieder zu verheiraten.
Die Frau, die ohne Mann und ohne Kinder zurückbleibt
und, weil vorgerückten Alters, die Eltern bittet, sie in der Obhut
des Manneshauses zu belassen, wird niemanden aus der
Der Kanun des Lekë Dukagjini
82
Schande für eine Witwe, zur verheirateten Tochter zu ziehen.
Im Geltungsbereich des Kanun i Papazhulit gilt es als
83
Frauen tragen, besonders bei den Mirditen.
44
[Gj.]: Quasten sind die Haarbüschel, die die verheirateten
Bruderschaft des Mannes betrüben (sie braucht also keine
Bürgen).
Die verwitwete und sohnlose Frau, die eine verheiratete
Tochter hat, hat das Recht, in der Obhut des Manneshauses zu
bleiben. Sie darf aber auch zu ihren Eltern zurückkehren oder zu
einer verheirateten Tochter ziehen
Grund und Boden ihres Mannes wird für ihren Unterhalt sorgen,
drei Lasten Getreide jährlich, bis zu ihrem Tode.
Verheiratet sich aber eine Witwe aufs neue, so findet sie
ihren Lebensunterhalt beim zweiten Manne; die Erde des ersten
Mannes erträgt für sie keine Pflanze mehr.
82, um dort zu leben, und der
[4.] Die abgeschnittene Quaste
83
Führte sich die Frau beim Manne nicht so auf, wie es sich
gehört, so gestattet der Kanun, ihr die Quaste (Franse) des Haares
abzuschneiden und sie zu entlassen.
Die Ehe bleibt, und weder der Mann noch Frau können
sich bei des Partners Lebzeiten wieder verheiraten. Bereut die
Frau, kann es jedoch geschehen, daß der Mann sie auf Bitten der
Freunde zurücknimmt.
Für zwei Dinge hat die Frau die Patrone im Rücken, und
für einen Grund darf ihr die Quaste geschnitten und sie entlassen
werden:
a) für Untreue,
Der Kanun des Lekë Dukagjini
84
meinem Hause, denn Du bist nichts wert. Habest Du schlechten Weg!"
[Gj.]: Der Mann, der die Frau entläßt, sagt: "Gehe aus
85
römischen Kirche, nicht.
45
Dies gilt im Süden, außerhalb der Einflußgebiete der
b) für Verletzung der Freundschaft.
Für diese beiden Taten der Treulosigkeit tötet der Gatte
die Frau; sie bleibt ohne Schutz, ohne Gottesfrieden (die Eltern
sind ihr nicht zur Treue verpflichtet), und ihr Blut wird nicht
gefordert, denn die Eltern der Frau, der Getöteten, geben dem
Manne die Patrone zurück und senden ihm die Bürgen (daß sie ihn
nicht verfolgen werden).
Für Dieberei entläßt jedoch der Mann die Frau und
"schneidet ihr die Quaste", aber eine andere Schande darf er ihr
nicht antun.
Die Entlassene darf, wenn sie das Haus des Mannes
verläßt, nichts andres mitnehmen, als die Kleider auf dem Leibe.
Ihre andern Kleider gehen der Entlassenen verloren, denn den
Preis, den der Mann für sie bezahlt hat, den findet sie bei ihren
Eltern
Hat die Entlassene einen Sohn an der Brust, so muß ihr
der Mann, wenngleich er sich von ihr trennt, einen Ort in der Nähe
des Hauses anweisen, muß ihr den Sohn geben und sie mit Speise,
Trank und Kleidung unterhalten
84.85.
[5.] Die Frau ohne Ehe
Der Kanun des Lekë Dukagjini
86
Dies kommt im Geltungsbereich des Kanun i Papazhulit
niemals vor; im Norden geschah es vorübergehend nur als Folge des seit
der Türkenherrschaft, bis ins 19. Jahrhundert, eingetretenen großen
Priestermangels, der in vielen Gegenden die Trauung jahrelang
unmöglich machte.
46
Wer eine Frau ohne Ehe zu sich nimmt, sei durch Glauben
und Gesetz gebunden
Die Frau ohne Ehe (Trauung) hat im Hause des Mannes
keinerlei Recht. Der Kanun bestimmt für den Mann, der eine Frau
ohne Trauung zu sich nimmt, folgende Strafen:
a) das Haus wird ihm verbrannt, die Erde bleibt ihm brach;
b) er wird aus dem Ort vertrieben und darf seinen Boden
nicht wieder betreten, ehe er die Frau entläßt, die er ohne
Trauung zu sich nahm;
c) hat er ein Kind mit der Frau, die er ohne Trauung zu sich
nahm, so gilt das Kind als außerhalb des Gesetzes, und es
kann niemals erben.
[4. Kapitel]
86.
Stellung der Familienmitglieder
Die Eltern, der Vater, die Mutter, das Kind
[1.] Stellung des Mannes und Vaters
Der Mann hat das Recht:
a) die Frau zu tadeln und zu beraten;
b) die eigene Frau zu schlagen und zu binden, wenn sie
seinen Anordnungen Spott bietet.
Der Vater hat das Recht:
Der Kanun des Lekë Dukagjini
87
Familienkreis - nicht nur der Vater - ausspricht.
47
Der Kanun i Papazhulit fordert, daß diese Strafen der engste
a) über Leben und Lebensführung der Kinder;
b) zu schlagen, zu binden, gefangen zu setzen und zu töten,
Sohn wie Tochter; der Kanun zieht ihn nicht zur
Rechenschaft, vor ihm gilt dies so, als töte er sich selbst.
"Wer sich selbst tötet, der verliert sein Blut"
c) den Sohn in Dienst zu geben so oft er will, aus dem
Grunde, "weil, solange der Vater lebt, der Sohn als
Fronknecht (Leibeigner) gilt";
d) über den Verdienst des Sohnes, seinen Lohn oder was
immer er einnimmt;
e) zu verkaufen und zu kaufen, zu nehmen und zu geben;
f) den Sohn aus dem Haus zu verbannen ohne Anteil, wenn
er sich seiner Befehlsgewalt widersetzt. Jedoch wenn der
Vater stirbt, kommt der verbannte Sohn in sein Erbe.
Pflicht des Vaters ist:
a) sich zum Besten der Kinder abzumühen nach Ehre wie
Besitz;
b) den Söhnen Waffen zu kaufen, wenn sie waffenfähig
werden;
c) keine Legate zu machen, so er Kinder hat;
d) das Erbe den Söhnen zu gleichen Teilen zu hinterlassen.
87;
[2.] Stellung der Frau und Mutter
a) Der Mann hat kein Recht über das Leben der Frau.
b) Die Frau hat keinerlei Recht, weder über die Kinder noch
über das Haus.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
88
ihr Elternhaus zu schicken.
48
Der Kanun i Papazhulit erlaubt dem Sohne nur, die Mutter in
c) Tötet der Sohn die Mutter, fällt er ins Blut mit den Eltern
der Mutter.
d) Schlägt, verletzt oder tötet die Frau eine fremde Hand, so
rächt (fordert) der Mann ihr die Ehre, ihre Eltern aber ihr
Blut.
e) Schlägt die Schwägerschaft die Frau des Mannes, so
fordern (rächen) ihre Eltern ihre Ehre, wenn der Mann sie
nicht fordern sollte.
f) Ist die Mutter eine Aufstörerin (die das Haus
durcheinanderbringt), so verstößt der Sohn die Mutter aus
dem Haus, ohne Nahrung und Gut; nur im ersten Jahr
wird er ihr das Brot des Mundes geben (drei Lasten
Getreide); anderes gibt er ihr nicht
88.
[3.] Stellung der Kinder
Pflicht und Verantwortlichkeit der Kinder fordert:
a) den Eltern Gehorsam und Unterwürfigkeit zu bezeigen;
b) sie bleiben unter dem Befehl des Vaters bis zu dessen
Tode;
c) sie dürfen an ihn nicht Hand legen noch dawiderreden;
d) für jede Angelegenheit werden sie sich mit dem Vater
verständigen;
e) ohne Erlaubnis des Vaters können sie nirgendwohin
gehen;
f) ohne Einwilligung des Vaters können sie nicht kaufen
oder verkaufen, mit niemand Gütertausch treiben;
Der Kanun des Lekë Dukagjini
89
Söhne des ältesten Bruders das Amt in Dorf oder Stamm bekleiden; teilt
es sich, so haben weder der Onkel noch seine Söhne ein Recht, sich in
49
[Gj.]: Solange ein Haus ungeteilt bleibt, wird der Onkel der
g) sie können nicht als Bürge auftreten, außer für so viel, als
die Waffe des Gürtels ausmacht;
h) sie können den Vater nicht aus dem Hause tun, auch wenn
er durch Alter den Verstand verlor;
i) raubt oder stiehlt oder tötet der Sohn, so wird der Vater
sich verantworten, denn "Gewinn und Gefahr der Söhne
zerstückelt den Vater und dessen Brüder";
j) tötet der Sohn den Vater, so richtet die Sippe den Sohn
hin, oder sie vertreibt ihn für immer und ewig aus dem
Orte;
k) beschließt einer der Söhne, sich vom Vater zu trennen, so
bleibt er ohne Anteil am Besitz.
[4.] Recht der Erstgeburt
a) Dem erstgeborenen Sohne steht die Herrschaft im Hause
zu nach des Vaters Tode.
b) Der älteste Bruder wird bei allen Angelegenheiten
innerhalb und außerhalb des Hauses gefragt.
c) Handelt es sich um ein Häuptlingshaus, so steht dem
ersten Sohne des ältesten Bruders das Banner zu (die
Häuptlingschaft).
d) Ist es ein Führerhaus (einer Mark, wie etwa der Mirdita),
so gebührt dem ersten Sohne des ältesten Bruders die
Führerschaft (es ist nicht Majorat, sondern Seniorat).
e) Ist es das Haus eines Dorfältesten, so gebührt dem ersten
Sohne des ältesten Bruders die Ältestenschaft
89.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
die obengenannten Ämter zu mischen, denn sie gebühren den Söhnen des
ältesten Bruders.
90
50
Kanun i Papazhulit: dem ältesten Bruder.
[5. Kapitel]
Die Teilung
Der Kanun über die Teilung umfaßt:
a) das Haus, die Bauplätze und Hürden;
b) die Erde: i) Äcker, ii) Rebgärten, iii) Wiesen, iv)
Weideplätze und Alpen, v) das Buschfeld, die Wälder;
c) den Wasserlauf (die Reihenfolge am Wasser);
d) die Mühle;
e) die Gewinne und Auslagen (Verluste);
f) die Waffen;
g) die Kupfergeräte, Eisenwerkzeuge, Ochsengerätschaften;
h) die Hausmöbel: Matratzen und Decken;
i) die lebenden Tiere: Kühe, Ochsen, Schafe und Ziegen;
j) das Getreide und jede Ackerfrucht;
k) die Bienen;
l) Käse und Butter;
m) Wein und Branntwein;
n) die Ältesten der Teilung.
Haus, Grund und Hürden:
Das Haus mit dem Grund, der es umgibt, fällt dem
jüngsten Bruder
Die Wasserläufe und Hürden werden zu gleichen Teilen
unter die Brüder verteilt. So viele Anteile als Feuerstellen.
90.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
51
Die Erde:
a) Die Erde der Vorfahren wird nach der Elle gleich unter
die Brüder verteilt;
b) Die durch die Söhne gekaufte Erde (nach dem Tod der
Eltern erworben) wird nach Gewehren verteilt;
c) Äcker, Weingärten, Wiesen, Weiden, Buschfelder,
Wälder werden mit der Elle unter die Brüder verteilt;
d) Berg und Alpen werden nicht geteilt; sie werden sie
gemeinsam besitzen sowohl für Holz als Weide.
Die Reihenfolge am Wasser wird nach dem Maß, per Oka
verteilt.
Die Mühle wird, wie die Erde, nach der Zahl der Brüder
verteilt.
Gewinn und Verluste:
a) Gewinn und Verluste gehören dem ganzen Gut: sie fallen
dem Haus als solchem zu und werden vor der Teilung
geregelt.
b) Die besonderen Einnahmen nimmt der Kanun nicht aus:
"Was die Teilung des Hauses betrifft, sei inbegriffen."
c) Die Ausstattung der Frau fällt nicht unter den
Ältestenbeschluß der Teilung.
d) Die Geschenke, die für die Braut am Tag der Hochzeit
zusammenkommen, sei es bei den Eltern, sei es beim
Manne, begreift der Kanun der Teilung nicht ein; sie
gehören der Frau.
Die Waffen gehören dem ältesten Bruder;
Kupfergeräte, Eisenwerkzeuge, Ochsengerätschaften
werden verteilt wie folgt:
Die Kupfergeräte werden nach Brüdern verteilt, auch die
Eisenwerkzeuge.
Die Äxte, Hacken, Sensen, Baummesser, Stutzmesser,
Sägen, Kellen usw., auch die Ochsengerätschaften, werden nach
Brüdern verteilt.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
52
Die Hausmöbel:
a) Die Matratzen und Decken werden unter die Brüder zu
gleichen Teilen verteilt;
b) Die Bottiche, Kübel, Kannen, Eimer nach Brüdern;
c) Löffel, Melkeimer, Rasierwerkzeuge, Butterfässer,
Walker, Töpfe, Schüsseln und was immer für Gefäße aus
Ton oder Holz vorhanden sein mögen, teilt die Hausfrau
nach Anordnung der Ältesten; so auch die Hühner.
Das lebende Getier: "Die Schafe werden unter die
Gewehre verteilt." Beim Teilen der Kleintiere, der Kühe und
Ochsen, der Pferde, erhalten nur jene ein Teil, die fähig sind, eine
Waffe zu tragen.
Das Getreide: es wird nach Mündern verteilt: Den
Männern, Frauen und Kindern wird am Teilungstage der
Mundvorrat gegeben: Kleinkinder, die noch kein Jahr alt sind -
Knaben wie Mädchen - haben kein Recht auf Mundvorrat. Sind
sie ein Jahr alt, wird ihnen wie den andern ihr Anteil gegeben.
Nicht nur das Getreide, sondern jede Nährpflanze von
Acker oder Garten wird nach Mündern verteilt.
Die Bienenvölker werden unter die Brüder verteilt, der
Honig nach den Mündern.
Milch- und Mehlwaren aller Art werden nach Mündern
verteilt.
Wein und Branntwein - mit einem Wort alles, was
gegessen oder getrunken werden kann - wird nach Mündern
verteilt.
Die Ältesten der Teilung:
a) Sie werden entweder zwei oder vier sein, wie es das Haus
erfordert, das geteilt wird.
b) Die Ältesten der Teilung haben Recht auf ein Stück
Kleinvieh pro Kopf.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
91
Essen ersetzt, noch ehe das Haus verteilt ist. Dem unverheirateten Bruder
werden die Ausgaben für seine Heirat gegeben, noch ehe das Haus
verteilt ist.
53
[Gj.]: Dem armen Ältesten werden die Ausgaben für das
c) Die Schuhe (Bezahlung) für die Ältesten der Teilung
bezahlen die Brüder, die teilen wollen, gemeinsam
Die Frauen haben keinen Anteil, außer am Mundvorrat, an
allen Speisen und Getränken.
Das Viehfutter - Heu und Stroh - wird nach dem Vieh
verteilt.
Beschließen die Brüder bei Lebzeiten des Vaters, zu
teilen, so haben sie kein Recht, sich in die Teilung des Grundes
oder der anderen Habe zu mischen; jeder wird auf jenen Teil
ziehen, den der Vater ihm anweist.
Nach dem Tode des Vaters nimmt der Kanun keinen
Bruder von der Teilung aus; so viele sie sind, in so viele Anteile
geht die unbewegliche und bewegliche Habe des Vaters.
Rufen vier Brüder die Ältesten zur Teilung auf, so werden
sie die Erde der Vorfahren nach der Elle gleichmäßig unter sich
teilen.
Teilen sich zwei Brüder eines Sippenzweiges mit zwei
Brüdern eines andern, so teilen sie die Erde der Ahnen in zwei
Hälften, die von ihnen gekaufte nach den Büchsen (unter die
Waffenfähigen).
Stirbt ein Bruder von drei sich teilenden, ohne einen Sohn
am Herd zu lassen, so wird die Erde, die ihm zugefallen war, in
zwei Teile geteilt, aber die später erworbene Erde und das Vieh
bleiben geteilt, wie sie geteilt waren.
Dies gilt auch für die Brüder von zweierlei Müttern (also
Stiefbrüdern).
91.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
54
Sind die Brüder einmal nach Stein und Grenze geteilt und
ziehen sie wieder zusammen, nach einiger Zeit aber beschließen
sie, nochmals zu teilen, so teilen sie die Erde nach den Grenzen
der ersten Teilung. Haben sie inzwischen neuen Grund erworben
und neues Vieh; dies teilen sie bei der zweiten Teilung nach
Büchsen.
Sind zwei oder mehr Brüder, einer von ihnen stirbt,
hinterläßt einen Sohn, so wird mit diesem Waisenknaben geteilt,
als sei er ein Bruder; ihm fällt der Anteil seines Vaters zu.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
55
____________________ Next time the devil tells you "You're stupid" say "No, you're stupid - ...I'm going to heaven, you ain't getting in". ~Joyce Meyer~
Re: Der KANUN - 5.Buch: Die Erbschaft
5. Buch: Die Erbschaft
[1. Kapitel]
Intestaterbrecht
Der Kanun anerkennt als Erben nur den Sohn, nicht die
Tochter.
Den außerehelichen Sohn erkennt der Kanun nicht als
Erben an.
Dem Blutneffen fällt das Erbe zu, nicht dem Milchneffen
oder Tochterneffen.
Weder bei Eltern noch bei Gatten tritt die Frau in das Erbe
ein,
a) damit nicht die (weibliche) Neffenschaft auf Grund und
Boden des Onkels (Mutterbruders) seßhaft werde;
b) auf daß nicht die Eltern der Frau sich auf dem Gut des
Schwiegersohnes, dessen Geschlecht ausstarb, festsetzen;
c) damit sich die Sippen eines Stammes nicht mit den Sippen
eines andern vermischen.
Stirbt der Mannesstamm eines Hauses aus, und seien
hundert Töchter aus diesem Hause hervorgegangen, sie haben kein
Reicht, sich in die Erbschaft ihrer Eltern zu mischen, noch ihre
Söhne oder Töchter. "Der Tochterneffe kann sich nicht an den
Krückstock der Onkel hängen (an ihren Schäferstab klammern)."
Bleibt nur ein vater- und mutterloser Sohn in der Wiege,
ohne Bruder und Schwester, so ist die entfernte Verwandtschaft
verpflichtet, ihn aufzuziehen, ihm Vieh und Grund zu behüten,
Der Kanun des Lekë Dukagjini
56
doch haben sie kein Recht, irgend etwas zu verkaufen oder zu
verändern.
Weil die Vetternschaft verpflichtet ist, den Knaben
aufzuziehen und zu ertüchtigen ("auf die Füße zu stellen"), ihm
Vieh und Grund zu behüten, so haben sie das Recht, für ihre Mühe
und ihren Schweiß etwas zu nehmen: "Der Arbeiter will seinen
Lohn." Darum genießen sie des Fruchtertrages, und die
Vermehrung des Gutes (Viehes), sie werden sie nach dem Gesetz
mit ihm teilen, wie es der Herr des Hauses tut mit seinem eignen
Sohn.
Wird der Knabe 15 Jahre alt, erkennt ihn das Gesetz als
Mann an und als Herrn seiner Angelegenheiten, darum werden
ihm seine Besitztümer ausgehändigt und das Regiment in seinem
eigenen Hause.
Haben zwei Vetterhäuser gleiches Recht und gleichen
Anspruch, so verteilen sie den ausgestorbenen Grund zu gleichen
Teilen.
Hat das ausgestorbene Gut keine nahe Vetternschaft, so
hat die Bruderschaft und Sippe, und sei es des 100. Gliedes, Recht
auf Vieh, Erde und Habe des Gutes.
Bleibt das Gut nur mit einer Tochter, so geht der nächste
Vetter zu ihr, nimmt sie ins eigne Haus und übernimmt sogleich
das Regiment über Gut, Erde und Besitz.
Die Vetternschaft hat die Pflicht, die Tochter des
erloschenen Gutes ins Haus zu nehmen, sie mit Kleidern und
Schuhwerk zu versorgen.
Sie hat auch die Pflicht, die verwaisten Mädchen zu
verheiraten, ihnen aufzuwarten beim Besehen (durch die
Heiratsvermittlung) und sie nach dem Kanun zu geleiten (bei der
Hochzeit), den Töchtern das Mahl zuzurichten (Totenmahl), wenn
sie im Hause der Vettern vor oder nach der Hochzeit sterben
sollten.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
92
etwa jemand nach Zuneigung hinterlassen will, bedarf er unbedingt der
Zustimmung der Vetternschaft.
[Gj.]: Der Kanun des Lek kennt kein Testament, und wenn
93
Mohammedaner.
57
Der Kanun i Papazhulit kennt solche Legale auch für die
Der angenommene Bruder. Angenommener Bruder ist
nach dem Kanun jener, der der Mutter mit einem zweiten Manne
geboren wird.
Der angenommene Bruder hat kein Recht auf das Erbteil
im Gut des ersten Mannes seiner Mutter.
[2. Kapitel]
Die Legate, Testamente
92
[1.] Vermächtnisse zugunsten der Kirche
Unter Legaten oder Testamenten - oder, wie der
Volksmund sie nennt, "um etwas nach der Seele zu hinterlassen"
- versteht man, etwas der Kirche
Wiesen, Garten oder Weinberg, Buschfeld oder Wald, das
Wasserrecht, oder wildes wie zahmes Getier, Brache oder
Bestelltes; dazu muß er:
a) normal und geistig gesund sein;
b) frei sein, was die Hinterlassenschaft betrifft;
c) er darf nicht durch irgend jemandes Drohung erschreckt
sein;
d) er muß das Recht auf eine Hinterlassenschaft haben.
Die Vermächtnisse sind zweierlei, ohne und mit Auflage:
93 zu vermachen, wie Äcker und
Der Kanun des Lekë Dukagjini
58
a) Diejenigen mit Auflage (Pflicht) sind jene, bei denen der
Vermächtnisgeber der Kirche eine Auflage vorschreibt,
z. B. eine oder zwei Messen zu lesen im Jahr für seine
Seele oder die Seele seiner Eltern, als Entgelt für das Gut,
das er der Kirche hinterläßt.
b) Legate ohne Auflage sind jene, die hinterlassen werden,
ohne der Kirche etwas aufzuerlegen; sie gelten als
"Geschenke".
c) Der Vermächtnisgeber ist verpflichtet, seine Vetterschaft
zu versammeln und die Ältesten der Sippe, mit Zeugen;
darauf geben der Vermächtnisgeber wie auch jene
Ältesten und Zeugen ihre Unterschrift, wie das Gesetz
(der Kanun) es fordert.
[2.] Recht desjenigen, dessen Geschlecht erlischt
Jedweder ist Herr über seinen Besitz, und wer der Kirche
etwas hinterlassen will, ist frei, es zu tun, niemand darf ihn
hindern.
Der Vater, auch wenn er keine Söhne hat, hat aber nicht
das Recht, den Töchtern Grund, Gut oder Haus zu vermachen.
Bei Lebzeiten des Vaters hat dieser das Recht, den
Töchtern Geld, Kleider, Schmuck zu schenken; nach dem Tode
des Vaters hingegen hat die Tochter nicht das Recht, ein etwa
versprochenes Geschenk anzufordern.
[3.] Das Recht der Vetternschaft
Die Vetternschaft des in seinem Samen Erloschenen hat
das Recht, dessen Erde und Vieh mit Geld abzulösen (falls der
Verstorbene diese der Kirche hinterließ), doch den Ertrag werden
Der Kanun des Lekë Dukagjini
94
Mohammedaner, daß die Vetternschaft die Kosten für Totenfeier und
Grab zu erlegen hat.
59
Der Kanun i Papazhulit bestimmt für die Orthodoxen und
sie der Kirche einhändigen, nach der Absicht des im Samen
Erloschenen.
Hinterließ der im Samen Erloschene ein Blutrecht oder
eine Blutschuld, so werden sie das Schuldige aus dem für seine
Habe Bezahlten begleichen und nur den Überschuß der Kirche für
die Seele des im Samen Erloschenen aushändigen.
Stirbt der in seinem Samen Erloschene unerwartet (ohne
besondere Bestimmung für die Kirche), so hat die Vetternschaft
das Recht auf seinen Besitz und seine Habe.
Hinterläßt der im Samen Erloschene nichts Geschriebenes,
so ist die Vetternschaft dennoch verpflichtet, seiner Seele zu
gedenken. Nimmt sich die Vetternschaft dieser Sache nicht an, so
werden die übrigen Sippenmitglieder mit den Ältesten festsetzen
(wenn sie seine Habe teilen), was der Kirche zu belassen ist
Hat der im Samen Erloschene eine verheiratete Tochter,
so ist die Vetternschaft, wenn sie seine Habe durch Geld erwirbt,
verpflichtet, ihr aufzuwarten und sie nach dem Gesetz zu geleiten.
Hat ein Vater Söhne, so kann er kein Testament machen.
Stirbt der Vater unerwartet, indem er einen Sohn in der
Wiege hinterläßt, so wird die Vetternschaft ihn und seine Habe in
Obhut nehmen, bis er 15 Jahre alt ist.
94.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
95
Übeltäter insgeheim, ungesehen, hingeht, die Haustüre öffnet in böser
Absicht oder die Mauer durchlöchert, so daß man zum Stehlen
eindringen kann.
60
[Gj.]: Für das erbrochene Haus wird genommen, wenn ein
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Re: Der KANUN - 6.Buch: Haus, Vieh und Landgut
6. Buch: Haus, Vieh und Landgut
[1. Kapitel]
Das Haus und sein Umkreis
"Das erbrochene Haus
das Zwei-für-Eins für den Herrn."
95 fordert 500 Groschen Buße und
Auf dem Grundstein erhebt sich das Haus, sei es
Wohnturm (
Herdstein hat und Rauch abläßt.
Jedes im Hof befindliche Gebäude gehört zum Hause, in
dessen Schatten (Schutz, Obhut) es steht; wird solches Gebäude
erbrochen, verfällt die Buße der 500 Groschen und das Zwei-für-
Eins.
Niemand darf das Haus betreten, ohne sich vom Hofe aus
dem Herrn des Hauses mit der Stimme bemerkbar zu machen.
Rufe - und wenn dir niemand antwortet -, bleibe und
warte, oder gehe fort an deine Arbeit.
Dringt er ein, öffnet er die Türe, so gilt das Haus als
erbrochen und geschändet, was 500 Groschen Strafe hat und die
verlorenen Dinge das Zwei-für-Eins. Der Kanun sagt: "Wer
jemandem das Haus erbricht, hat 500 Groschen Buße zu zahlen an
kullë) oder ebenerdige Hütte, es genügt, daß es einen
Der Kanun des Lekë Dukagjini
96
wird solche Schuld durch öffentliche Abbitte gesühnt und durch den
Tadel des Altenrates, Schäden durch das Zwei-für-Eins.
Der Kanun i Papazhulit bestimmt kein Geld zur Buße; meist
97
allgemeinen Geldbußen weit mehr üblich als im Bereich des
Papazhulit
ist auf den großen Einfluß der katholischen Priesterschaft in
Nordalbanien zurückzuführen. Diese Geistlichkeit strebte danach, die
Kapitalstrafe (das Blutnehmen) möglichst einzuschränken, und hat diese
Anschauungsweise im Lauf der letzten Jahrhunderte auch im Wortlaut
des Kanun zur Geltung bringen können.
61
Im Norden, unter dem Kanun i Lekë Dukagjinit sind imKanun i, der Geldbußen so gut wie überhaupt nicht gelten läßt. Dies
den Stamm für geraubte Ehre; für gestohlene Gegenstände dem
Herrn das Zwei-für-Eins"
Die Hürde des Viehs hat 500 Groschen Buße an den
Stamm und das Zwei-für-Eins für den Herrn
Die Getreidescheuer hat 500 Groschen Buße mit dem
Zwei-für-Eins an den Herrn.
Wird jemandem der Durchgang oder Übersteig zum Hof,
Acker, Wiese oder Garten erbrochen, den er vor dem Hause hat:
500 Groschen Buße dem Stamm, das Zwei-für-Eins dem Herrn.
[2. Kapitel]
96.97.
Das lebende Vieh
[l.] Der Hirte
Hirt ist derjenige, der die Herde zur Weide führt.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
98
Herrn melden, auch wo und wann es gestohlen wurde; er hat keine andre
Pflicht" (Gesetz des Manu).
[Gj.]: "Wurde ein Rind gestohlen, so wird es der Hirt dem
99
er aber die Treue verletzte, wird er vor dem Altenrat als
Der Kanun i Papazhulit legt ihm das Zwei-für-Eins auf; weilbâlash
(scheckiges Vieh) erklärt, worauf er nie mehr eine Stelle findet.
62
Der bezahlte Hirt hat die Pflicht, der Herde seine Fürsorge
zu widmen, damit sie nicht zu Schaden kommt und niemanden
schädigt.
Fügt der Hirt mit der Herde Schaden zu, so bezahlt der
Besitzer der Herde den Schaden, nicht aber der Hirte.
Verliert der Hirt ein Stück Vieh, so wird er es dem Herrn
der Herde zu wissen tun, und sowohl Herr wie Hirte werden sich
bemühen, es wiederzufinden.
Ging dem Hirten ein Stück Vieh verloren, ohne Zeichen
oder Spur, so kann der Herr der Herde den Hirten zum Eide
zwingen; leistet der Hirt den Eid (seiner Schuldlosigkeit), hat er
keine andre Pflicht.
Bricht sich ein Stück der Herde den Hals oder wird es
vom Wolf zerrissen, so ist der Hirt verpflichtet, dem Herrn der
Herde dessen Abzeichen zu bringen; andre Pflicht erwächst ihm
nicht.
Hat jemand dem Hirten ein Stück der Herde gestohlen, so
hat er die Pflicht, dies dem Herrn der Herde zu melden und ihm
Stelle und Stunde des Diebstahls zu bezeichnen; eine andre
Pflicht erwächst ihm nicht
Betätigte sich der Hirt selbst als Dieb, so wird er dem
Herrn, nach Vorschrift des Kanun, den Schaden vergüten und das
Vieh auf eigene Kosten zurückbringen. Hat er sein Jahr nicht
abgedient, so erhält er Lohn nur bis zum Tag seiner Übeltat
98.99.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
100
Leute leihen sich von Wohlhabenden Tiere aus (Kühe, Schafe, Ziegen,
Schweine), deren Produkte (Käse, Butter, Wolle, die Jungen) zur Hälfte
mit dem Besitzer geteilt werden.
[Gj.]: Zur Nutznießung und Zucht verliehene Tiere. Ärmere
101
Besitzer gehört; sonst wird der Wert der Weide zuerst abgezogen, dann
er Ertrag geteilt.
63
Kanun i Papazhulit bestimmt dasselbe, wenn die Weide dem
Erschlägt der Hirt den die Herde überfallenden Dieb, so
kommt dessen Blut auf sein eigenes Haus; was aber die gestohlene
Herde betrifft, so wird der Herr sich darum kümmern (alarmieren).
Der Hirt hat die Pflicht, die Herde zu behüten, und darf
sich nicht auf Hürde oder Nicht-Hürde hinausreden, denn "das
Tier braucht Hütung, weil es geht, die Erde aber bewegt sich
nicht".
[2.] Der Leithammel oder Leitwidder
(Hammel, Widder der Glocke)
"Die Ehre der Herde ist bei der Glocke."
Wird überfallen mit Gewalt, aus irgendeinem Haß,
angesichts des Hirten und des Glockenhammels, und wird der
Angreifer bei dem Überfall nicht getötet, so zahlt dieser Angreifer
500 Groschen Buße (für geraubte Ehre der Herde) und das
Zwei-für-Eins.
[3.] Das zur "Hälfte"
100 gegebene Vieh101
Der Kanun des Lekë Dukagjini
64
Das Rind gehört dem Herrn; stirb ein Stück, so ist es sein
Schaden; zum Beweis wird ihm dessen Zeichen gebracht durch
den, der es zur Hälfte bewirtschaftet hat.
Wurden Schafe oder Ziegen "zur Hälfte" gegeben, so wird
Schaf- und Ziegenwolle zwischen Herrn und Hirten zur Hälfte
geteilt.
Der Herr braucht weder für Salz noch Hütte zu sorgen,
sondern der Hirte wird dies tun, der das Vieh "zur Hälfte" hat.
Wurde ein weibliches Kalb "zur Hälfte" gegeben und
wuchs es im Haus des Hirten heran, so gehört sein erstes Kalb
dem Hirten, die Milchware beiden (Herrn und Hirten) zur Hälfte.
Hat der Hirte die Milchfrucht verdorben, die er "zur
Hälfte" hat, so ist er verpflichtet, dem Herrn die Hälfte und das
Kalb zu ersetzen.
Das Vieh wird stets im Herbst zur Hälfte gegeben und
genommen.
Die Kuh "zur Hälfte" bringt dem Herrn 4 Oka (etwa 5 kg)
Käse und 2 Oka Butter. Für 10 Ziegen erhält der Herr 5 Oka
Butter, ½ Oka pro Kopf. Für 10 Schafe erhält der Herr 5 Oka
Butte, ½ Oka pro Kopf. Am Käse hat der Herr weder für Ziegen
noch Schafe ein Recht.
[4.] Das Kopfrind (Hauptrind)
Das Kapital (an Rind) gehört ganz dem Verleiher (dem
eigentlichen Besitzer), also das Kopf- oder Hauptrind.
Das Kopfrind verendet niemals.
Wolle und Ziegenhaar des "Kopfrindes" gehört dem
Herrn; die Jungen gehören alle dem Hirten, vom Augenblick an,
da das Vieh seine Türe erreichte; die Milchfrucht je nach
Abmachung; vielerorts wird auch von ihr nichts abgegeben.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
65
Kam ein Stück des Rindes zu Schaden, hat es der Hirt zu
ersetzen, um die Zahl wieder vollzumachen.
[5.] Das Vieh "mit Verantwortung"
Das Vieh "mit Verantwortung" kann nicht weggenommen
werden. Aber nahmst du das Vieh "zur Hälfte", so bindet dich die
Pflicht der Verantwortung nicht, dann ist der Schaden des Herrn.
Ist freilich der Schaden veranlaßt durch Nachlässigkeit des Hirten,
so trägt er ihn und muß das beschädigte Stück Vieh ersetzen.
[6.] Sauen "zur Hälfte"
Wurde ein weiblicher Frischling übernommen "zur
Hälfte" und wird er von der Muttersau entwöhnt und jener, der ihn
übernahm, zog ihn auf, so wird er dessen Würfe mit dem Herrn
teilen. Da die Sau selbst (die er aufzog) dem Hirten gehört, wird
er dafür dem Herrn um ein Ferkel mehr geben.
Nahm die Sau in jenem Jahre nicht an, so darf der Hirt sie
weder verkaufen noch schlachten; er muß sie behalten, bis sie
einmal geworfen hat.
Nahm die Sau an und warf, die Ferkel aber gehen
zugrunde, ehe sie entwöhnt waren, so wird der Hirt die Sau hüten,
bis sie ein zweites Mal annimmt und wirft - und die Ferkel werden
geteilt (wie oben erwähnt).
Die Ferkel werden nach dem Entwöhnen geteilt, nicht
früher.
Wurde eine erwachsene Sau "zur Hälfte" gegeben, so wird
der Wurf geteilt, die Sau aber kehrt zum Herrn zurück, wofür der
Hirt ein Ferkel mehr erhält.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
102
Hund zur Ehrensache und unterliegt deren Gesetzen."
66
Kanun i Papazhulit: "Wenn mutwillig getötet, wird der
[7.] Die Hütte des Hundes
Der Kettenhund muß eine Hütte haben.
Die Hütte ist das Obdach des Wächters von Haus und
Hürde.
Erschlug jemand den Hund in seiner Hütte, so zahlt er
dem Herrn des Hundes 500 Groschen Buße (für "erbrochenes
Haus").
Der Kettenhund wird nach dem Abendfutter freigelassen,
bis zum Tagen. Von Sonnenaufgang an bleibt der Hund in seiner
Hütte, die Keite um den Hals.
Überfällt dich der Hund auf der großen Straße und du
kannst dich nicht vor ihm retten, ohne ihn zu töten, und du tötest
ihn, so kann der Besitzer weder Ersatz noch auch Älteste
(Gerichtsbeschluß) fordern, denn "die Hauptstraße ersetzt nicht".
Überfällt dich der Hund bei Tage, du tötest ihn mit der
Kugel in Kopf oder Brust, so geht der Hund verloren (braucht
nicht ersetzt zu werden).
Der Hund beim Schadenstiften darf getötet werden, doch
nur, wenn er "mit dem Fleisch im Maul" betroffen wird, d. h. ein
Tier deiner Herde beschädigte.
Der Hund auf dem Berg, der seine Herde behütet, wird
vom Richter nicht verfolgt; erschlugst du ihn, du mußt ihn
ersetzen
Der Priester darf bei der Kirche keinen Kettenhund halten.
Denn der Priester muß bei Tag und Nacht für jeden Bedarf des
Volkes bereits sein. Will der Priester einen Kettenhund halten, so
darf er ihn weder bei Tag noch Nacht losbinden.
102.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
67
[8.] Der Pflugochse
Der Pflugochse ist ein Zugtier, als dessen
Entlehnungspreis ein Meterzentner Getreide jährlich gilt
(Meterzentner ist
Bauer auch für den Winter, so kostet er einen Meterzentner
Getreide, überwintert ihn der Herr, so ½ Meterzentner.
Wurde der Pflugochse gestohlen, so werden sich der
Bauer (der ihn entlieh) und der Besitzer gemeinsam um seine
Auskundung bemühen. Das Schuhgeld (für den Auskundschafter)
werden sie zu gleichen Teilen bezahlen.
Glaubt aber der Besitzer, daß der Bauer den Ochsen in
Schaden fallen ließ, so wird sich dieser durch Eid reinwaschen.
Zerriß ein wildes Tier den Ochsen oder biß ihn die
Schlange auf dem Berg, so daß der Bauer ihn verendet fand, so
wird er dem Besitzer die Haut senden oder ein andres Zeichen.
Ging ein zeichenloser Ochse verloren, verschwand er
spurlos, so wird der Bauer vor dem Herrn schwören, daß er den
Finger nicht im Schaden hat, der den Ochsen befiel.
Hat der Bauer den Zugochsen nicht zur Arbeit
herangezogen, so möge er ihn haben und füttern, aber dem
Besitzer (des Ochsen) muß er dennoch den
Getreide) entrichten.
Der Bauer wird dem Herrn die Feldfrucht (den
Türe bringen.
hû, also Pflugochse kau me hû). Hat ihn derhû (d. h. die Lasthû) bis zur
[9.] Die Bienen
Der erbrochene Bienenstock hat 500 Groschen Buße dem
Stamm und das Zwei-für-Eins dem Besitzer.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
68
Der Bienenstock steht im Kanun dem Hause gleich, der
Viehhürde, der Getreidescheuer und dem Milchschrank
(Milchkammer).
Wer einen Bienenstock stiehlt innerhalb der Umhürdung,
für den gilt die Hürde als erbrochen, also 500 Groschen Buße,
dem Besitzer aber das Zwei-für-Eins des Stockes.
Leugnet er, so hat er den Eid mit 12 Eideshelfern zu
leisten, 6 durch das Gericht ernannte, 6 unernannte durch das
Gericht.
Der Bienenstock mit Bienen, nach dem Preis des Kanun,
ist 50 Groschen. Die Oka Honig (etwas mehr als 1 kg) macht 5
Groschen, die Oka Wachs auch 5 Groschen.
Der geflohene Schwarm, der sich auf fremdem Baum oder
fremder Hecke niederläßt, gehört dem Besitzer, der ihm nachgeht;
der Baum- oder Heckenbesitzer darf ihn nicht zurückhalten.
Den geflohenen Schwarm, dem niemand nachgeht,
braucht der Besitzer von Baum oder Hecke niemand auszufolgen,
er kann ihn behalten.
Der schwärmende Schwarm muß auf dem Fuß verfolgt
werden; setzt er sich - wo immer es sei -, so wird er vom Besitzer
eingefangen.
Flieht der Schwarm und setzt er sich, ohne daß ihm
jemand folgt, so darf ihn jener, der ihn zuerst findet, für sich
einfangen.
Ist dort, wo die Bienen niedergingen, jemand, und später
tritt ihn der Besitzer der Bienen entgegen, ohne daß dieser den
Bienen sogleich gefolgt wäre, so gewährt ihm das Gesetz weder
Klage noch Eid, denn niemand kann sagen: "dies sind meine
Bienen", wenn er dem Schwarm nicht auf dem Fuße folgte bei
ihrem Schwärmen, denn "Biene ist Biene".
Die in fremdem Garten gefundenen Bienenvölker oder im
Hausumkreise darf niemand einfangen; sie gehören jenem, in
dessen Garten oder Hausumkreis sie gefunden wurden.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
69
Der auf dem Berg oder in fremdem Walde gefundene
Schwarm - so dieser fern vom Hause ist - gehört dem Finder.
Der in Felsenhöhlen gefundene Schwarm, an fremdem
Ort, in Hausferne, gehört dem Finder, sonst aber jenem, in dessen
Hausumkreis man ihn fand.
[3. Kapitel]
Die Landgüter
[1.] Das Hausgut
"Hütte oder Haus, die Rauch aufsteigen lassen (Herd
haben), haben ihre Ehre."
Dieses Hausgut (
Acker, Wiese, Alpen, Weg und Steg (Durchlaß), hat eine Grenze
auf dem Berg, dem Hang, in der Ebene.
Alle Rauche (Herdstätten) haben Anteil am Gemeindegut.
Äcker, Weingärten, Garten, Wiesen, Alpen,
Gebüschfelder und Wälder sind durch Grenzen gesichert
(geschieden).
Das Gemeindegut, Berg, Alpen, ist Gemeindegut sowohl
für das Errichten von Hütten wie auch für Holz- und
Reisignutzung und Geräte.
Die Grundbesitzerfamilien können mehr denn einen Anteil
Grund und Boden haben, so ihnen ein Anteil durch Beerbung von
in ihrem Samen Erloschenen zufiel.
Wer Hürde und Hütte auf der Alpe (dem Freigebiet)
errichtet, samt Bauplatz und Garten und Ackerstück einrichtet,
kann diesen Grund bebauen; er sei sein Besitz, niemand darf ihn
hindern oder von dort vertreiben.
pronë) hat Hof und Garten, Weinberg,
Der Kanun des Lekë Dukagjini
103
Erlaubnis angegangen werden.
Kanun i Papazhulit: Der Altenrat der Gemeinde muß um
104
verliert es.
70
Kanun i Papazhulit: Wer sein Haus 30 Jahre vernachlässigt,
Schattenstellen (
Bäume, die jemand als Viehschattenstellen stehen läßt, darf
niemand schlagen; sie gehören jenem, der sich als Erster auf
jenem Platz festsetzte.
Zieht ein Haus um, verläßt es sein Dorf, verkaufte es aber
weder Bauplatz noch Erde, so blieben sie sein Eigen; niemand hat
das Recht, sich dort festzusetzen.
Verkaufte es die Erde samt Zubehör, so bleibt dennoch der
Ort des Hauses sein Eigen; solang jemandes Haus steht, darf
niemand es nehmen.
Jedes Haus im Dorf hat das Recht, so viel Grund des
Gemeindebesitzes zu bearbeiten als es rings durch einen mit der
Linken geworfenen Stein umzeichnet
Dort, wo Einer zu ackern beginnt, wird er sich kreuzbeinig
hinsetzen, wird einen Stein in seine Linke nehmen und ihn rings
nach den vier Himmelsrichtungen werfen. Dieser Grund ist sein.
Früher war Brauch, die Axt zu werfen.
Die einmal bearbeitete Erde, sei es für Garten oder Haus,
kann kein andrer im Dorf oder Stamm betreten und bebauen, und
ließe er sie auch 100 Jahre brach. Sohn nach Sohn gehöre die Erde
dem, der sie zuerst umbrach (Berge von Alessio). In Oroshi gilt:
"Wer sein Haus 10 Jahre vernachlässigt, verliert es; es gehört
jenem, der es hernach als Erster bezieht"
mrrîz, für des Viehes Mittagsrast) und103.104.
[2.] Jemanden im Dorf zum Bruder machen
Der Kanun des Lekë Dukagjini
105
Stimme im Rat haben.
71
Kanun i Papazhulit: Seine Söhne aber werden Sitz und
"Jemanden im Dorf zum Bruder machen" heißt: jemanden
aus fremdem Stamm aufnehmen, so daß er sich im Dorf eines
anderen Stammes niederlassen kann. Hat das Dorf jemanden zum
Bruder gemacht, so kann ihm jeder im Dorf, bis an alle vier
Dorfgrenzen, Land verkaufen.
Auf Alpe, Berg und Gemeindeland des Dorfes und
Stammes kann ihm nichts verkauft werden, und Anteil an der
Regierung kann er niemals haben
Gerätschaften werden ihm als Ehrengeschenk zur Verfügung
gestellt.
Den gemeinsamen Ämtern des Dorfes wird er sich
verantworten.
Tod und Hochzeit, Pfand und Bulle, das Darlehen des
Mehles hat er leihweise vom Dorf. Er wird Buße zahlen, und auf
Bußanteil hat er Recht.
105. Weide, Holzgebrauch und
[3.] Das Gemeindegut
"Das Gemeindegut geht mit dem Rauch."
Das Gemeindegut (Gemeindeland) ist der Grund, den
Dorf- oder Stammesgenossen gemeinsam besitzen, zur Weide,
Holzgewinnung, für Reisig, Jagd und anderes.
Das Gemeindeland wird nicht geteilt. Aber so viele
Häuser oder Rauche (Herdstätten) im Dorfe sind, so viele haben
Recht auf das Gemeindeland des Dorfes; so viele Herdfeuer im
Stamme, so viele haben Recht auf das Gemeindeland des
Stammes.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
72
Den Schatz des Gemeindelandes kann kein Einzelner ohne
die anderen verkaufen. Schaden und Gewinn sind allen Rauchen
gemeinsam - des Dorfes oder Stammes. Weder Acker noch
Weinberg oder Garten kann jemand im Gemeindeland aufgraben,
ohne daß ihm Einhalt geboten würde durch das ganze Dorf, den
ganzen Stamm. Wer aber einen Baum ins Gemeindeland setzt, hat
das Recht auf dessen Holz; er kann ihn nach Gutdünken fällen,
niemand andrer darf an diesen Baum die Axt legen.
Die in das Gemeindeland gesetzten Obstbäume oder
Bäume gehören jenem, der sie pflanzte, aber ihre Früchte kann
essen, wer mag - der den Baum setzte, darf ihn nicht hindern.
[4. Kapitel]
Die Grenze
[1.] "Die Grenzen der Grundstücke sind unbeweglich"
Die Grenze wird durch große Spitzsteine bezeichnet, die
unter die Erde und über die Erde ragen; zur Grenzzeichnung kann
auch altes, gelagertes Holzwerk dienen.
"Der Grenzstein hat die Zeugen hinter sich." Den
Grenzstein umgeben die Zeugen. Diese bestehen aus 6 oder 12
Kieseln (kleine Steine), die rund um den Grenzstein eingegraben
werden.
Beim Bezeichnen und Besteinen der Grenzen müssen
außer den in Frage stehenden Häusern auch die Dorfältesten
zugegen sein, die Stammesältesten und so viel als möglich von
den Jungmannen und Kindern, auch aus den umliegenden
Dorfschaften, auf daß die Grenze in ihrer Erinnerung lebe.
Jedes Grundstück - ob Acker oder Wiese, Garten oder
Weinberg, Gebüschfeld oder Wald oder Hausumkreis, Dorf von
Der Kanun des Lekë Dukagjini
106
Armbeuge.
Kanun i Papazhulit verlangt den Stein im Nacken statt in der
107
auf diesen Himmel. Ihr mögt mich zerstückeln (
unredlich handle!" Mitunter wird statt mit Stein und Scholle mit einer
Münze im Mund geschworen; die Münze stellt den Wert des Bodens dar.
73
Schwur des Kanun i Papazhulit: "Ich schwöre auf Erde undme thert), falls ich
Dorf, Stamm von Stamm - werden durch eine Grenze
ausgeschieden.
Die einmal festgesetzte Grenze wird nie mehr verändert.
Die Gebeine des Grabes und der Grenzstein gelten gleich
vor dem Kanun. Grenzsteinversetzen gilt gleich dem Spielen mit
dem Totengebein. Wer sich anschickt, eine Grenze zu bezeichnen
oder einzurichten, wird es mit Ernst tun, wird in die Armbeuge
106
Stein und Erdklumpen legen und den beiden Dörfern oder
Stämmen vorausziehen, um die Grenze zu setzen oder die Zeichen
der alten Grenze neu zu befestigen.
Mit dem Stein und Erdklumpen in der Armbeuge wird der
Älteste (
Aufbruch vereidigt.
Nach dem Kanun ist die Eidesformel wie folgt
a) "Durch diesen Stein (oder: durch diese Last), mit dem ich
mich beschwerte, mit dem von den Vorfahren Gehörten,
werde ich jetzt den Lauf der früheren Grenze zeigen und
werde Keines Grund und Boden benachteiligen, sondern
tun, wie Geist und Seele mir eingibt."
b) "Auf dieses Gewicht: Hier und hier und hier waren die
alten Grenzen und hier setze auch ich sie fest. Möge ich
im Jenseits büßen, so ich euch belog!"
c) "Auf dieses Gewicht, das mich im Jenseits belaste: hier
waren die alten Grenzzeichen, wie es mir der Großvater
plak), der zum Grenzfestsetzen anführt, vor dem107:
Der Kanun des Lekë Dukagjini
108
aus diesem Grunde nicht mehr hingerichtet.
74
Im Bereich des Kanun i Papazhulit wurde seit 100 Jahren
zeigte, als ich ein Knabe und bei ihm Ziegenhirte war. Er
nahm es in jenes Leben mit. Daß hier die Grenzen sind
und hier - und nach seinem Wort nehme auch ich es auf
meine Seele."
d) "Dieses Gewicht belaste mich in diesem und dem anderen
Leben, wenn ich nicht mit ganzer Seele nach der alten
Grenze gehe."
Wenn du so (mit dem Stein im Arm) die Grenze mit dem
Gewicht festsetzest, gibt es Keinen, der den Grenzstein versetzen
dürfte.
Wurde dem Ältesten Stein und Gewicht gegeben, nahm er
sie auf den Arm und schickte er sich an, mit dir die Grenze zu
ziehen, so darf niemand ihn hindern; man sagt: "So führe uns denn
an, und so du nicht mit Rechtlichkeit handelst, belaste dich dies
Gewicht im ewigen Leben!"
Während der Greis den Grenzstein setzt, hält er die Hand
auf ihn und sagt: "Wer immer diesen Stein rückt, dem laste er im
ewigen Leben!"
Wer den Grenzstein verrückt in der Absicht, Haus mit
Haus, Dorf mit Dorf, Stamm mit Stamm zu verfeinden,
angetrieben durch Reden und Geschenke, und wird entdeckt, wird
nicht nur bestraft und ist ehrlos, sondern ihm fallen auch die
Schäden zur Last, so aus diesen Wirren entstehen.
Geschieht ein Mord als Folge des Grenzverrückens, so
wird der Anstifter dieser Wirren mit der Buße von 100 Hammeln
und einem Ochsen belegt und durch das Dorf hingerichtet
"Die Grenze macht keinen Bogen (Schlinge)."
108.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
109
über die Grenzen, von denen behauptet wird, daß sie mit denen unsres
Kanun übereinstimmen.
75
[Gj.]: Das Gesetz M~nava DharmaÑ~stra hat viele Punkte
Um jedes Mißverständnis auszuschließen, wird die Grenze
nicht in Biegungen, nicht geschlängelt sein, sondern gerade
gezogen.
[2.] Die durch das Blut gewonnene Grenze
Überschreitet jemand die fremde Grenze
wissen, daß es fremdes Gebiet ist, und niemand kommt zur Türe,
um Stimme zu geben, um zu sagen, daß er Fremdes betrat, so wird
ihm am Tage des Pfandes keine Buße für verursachten Schaden
auferlegt, und hätte er selbst im Holz oder sonstwo Schaden
verursacht - vorausgesetzt, daß er sich zurückzieht, sobald er den
Grund als fremd erkannte.
Streiten sich über die Grenze Brüder oder Vettern, Sippe
mit Sippe, Dorf mit Dorf - und werden hundert erschlagen: außer
daß sie sich zugrunde richten, entsteht keine Folge, denn die
Grenze kann nicht verrückt werden. Die Pfänder der Ältesten
werden den Streit schlichten. Wird jemand erschlagen, während
die Grenze erst festgesetzt wird, oder unter den Hirten auf den
Bergen, indem sie unter sich streiten wegen der Weidegrenze auf
Alpe und Hochweide, so wird sofort der Ältestenrat über die
Grenzfestsetzung abgebrochen. "Er fordert das Weidegeld von
mir, ich gab ihm Eisen und Dolch zur Antwort: Dort, wo die
Steine der Grenze festgelegt sind, bleibt die Grenze."
Die Gedenksteine (
Ermordungsstelle eines Menschen (an jede solche Stelle wird ein
109, ohne zuguret e muanavet) an der
Der Kanun des Lekë Dukagjini
110
Unter dem Kanun i Papazhulit: kleine Pyramidensteine.
111
Kanun i Papazhulit nennt diese blutgewonnene neue Grenze:
Geschieht es, daß zwei Männer sich Büchse gegen Büchse
(
gegenseitigen Schießen) töten, ziemlich entfernt einer vom
andern, so wird die Grenze der einen Partei beim Gedenkstein des
Einen, die des Andern beim Gedenkstein des Andern sein.
Der Ort, der zwischen den beiden Wildbächen liegt, ist
Besitz beider Wohnstätten.
Bleibt aber der Erschlagene nicht auf dem Fleck tot liegen,
ermannt er sich und dringt ein auf den Grund des anderen, sei es
aufrecht, sei es auf dem Bauche kriechend, wie tief er auch über
die fremde Grenze drang, dort, wo er durch seine Wunden
ermattet endgültig hinsinkt und stirbt, dort werden seine
Grenzsteine errichtet, sie gelten als Grenze, und seien sie auf
fremdem Grunde
Der Ort gehört fortan zu jenem Dorf oder Banner
(Stamm), dem der Getötete angehörte, der in das Gebiet eindrang;
kein Mann dürfte wagen, jene Steine, die dort, wo er starb, als
Grenze errichtet wurden, wegzurücken, denn das Land wurde mit
Blut gewonnen und vergossenem Leben (geopfertem Schädel).
Dieses Recht gilt nur, wenn der Streit über die Grenze
entbrannte, nicht etwa bei Totschlag aus andrer Ursache.
110 getürmt) werden für immerflakë për flakë, d. h. Flamme gegen Flamme, also beim111.
[3.] Die durch den Gewichtstein gewonnene Grenze
Der Kanun des Lekë Dukagjini
112
bei der Bestimmung naher Grenzen der Gewichtstein gebraucht und für
entfernte Grenzen eine Steinplatte hergerichtet, die man sich auflud,
indem man sagte: "Wer kann sie bewältigen?"
[Gj.]: Vor langer Zeit, als es noch keine Büchse gab, wurde
113
von Kurvelesh.
Dies gilt unter dem Kanun i Papazhulit noch heute im Gebiet
114
Gewichtstein oder das Einschlagen der Axt eroberten, werden vom
Gesetz anerkannt als Männertat, denn zu ihrem Gewinn hat Mut und
Kraft gedient, um Schande und Schmach zu vertreiben. Dies wird noch
klarer verstanden werden, wenn wir die Sitten unsrer Berge im einzelnen
dartun.
77
[Gj.]: Die durch Blut gewonnenen Grenzen, die durch
(oder durch die aufgeladene Steinplatte)
112
Zwei entzweite Stammschaften wählten einen
kräftigen Mann für jede streitende Seite; das Festsetzen der
Grenze wurde ihnen aufgegeben. Mit dem Gewichtstein: dem es
gelang, den Stein am weitesten zu schleudern, dessen Banner
wurde dort aufgepflanzt, wo der Stein niederfiel. Genauer: Hatte
ich den Stein am weitesten geschleudert, so gehörte mir jenes
Gebiet, warfst du weiter als ich, so nahmst du jenes Gebiet
der Steinplatte auf dem Rücken: indem man sich die Platte oder
einen großen Stein auflud, ging man vor, so weit man die Last
schleppen konnte. Wer am weitesten trug, dessen Grenze oder
Stammesgrenze wurde dort gezogen. "So geschah es in Unter-
Fandi in der Ebene der Mulden, oder am hl. Berg der Alpen von
Oroshi."
113. Mit
[4.] Die durch die Axt bezeichnete Grenze
114
Der Kanun des Lekë Dukagjini
115
noch heute die Streitaxt geworfen, die sonst heut eine Waffe der Frauen
ist. Sie heißt
78
In der Laberia, im Süden, wird zur Erringung des Waldesnaxhake.
Zwingt mich die Not, einen Ort für Holz zu gewinnen
oder eine Alpe, so schultere ich, falls es mir nicht gelingt, mir
beides zu beschaffen, die Axt und gehe auf eine fremde Alpe. Auf
den Klang meiner Axt kommen die Wächter der Alpe und finden
mich beim Zerschlagen des Nadelbaumes.
Hat sich der Schädiger schnell bemüht und die Kraft
seiner Arme gut genutzt und seine Axt so tief in den Baum
geschlagen, daß die Wächter sie nicht herausziehen können - dann
sei die Grenze des Stammes, dem der Schädiger angehört, dort, wo
er die Axt einhieb. Wie es Gjoka Buçë aus Kaçinari in Kushnen
getan hat
[5. Kapitel]
115.
Die Straßen
[l.] Die Dorfstraße
"Die Straßen sind die Adern der Erde."
"Die Straße und der Durchlaß zwischen zwei
Wohnplätzen verlangt nach der eignen Breite":
a) Die Straßen der Dorfwohnplätze sollen 8 Spannen breit
sein; 4 für den einen Anwohner, 4 für den andern.
b) Um zwischen zwei Äckern Hecken zu errichten, werden
8 Spannen abgegeben, 4 gibt der Besitzer des einen
Ackers, 4 der andere.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
116
Wasser für das Vieh viel breiter, niemand darf dort ackern, auch wenn sie
sehr breit ist.
79
Kanun i Papazhulit: In der Müseqe ist die Straße zum
c) Handelt es sich nicht um die Dorfstraße, sondern um die
Straße zweier Anrainer, so werden diese, falls sie
zwischen sich eine Straße errichten, abwechselnd eine
Spanne frei geben, die Grenze wird in der Mitte sein.
Wollen sie keinen Weg lassen, so flechten Sie gemeinsam
eine Hecke
d) Wird eine Örtlichkeit mit Mauerwerk umgeben, so wird
dieses so weit von der fremden Grenze errichtet, als es
selber dick ist.
e) Ein Haus muß so weit von der fremden Grenze erbaut
werden, als sein Dach Breite hat.
f) Wird ein Brunnen gegraben, dann so weit von der Grenze,
daß das Wasser des fremden Brunnens nicht einsickern
kann, oder so weit, als die Brunnenöffnung breit ist. "Die
Wasser sind das Blut der Erde."
g) Wird ein Ölbaum, ein Feigenbaum oder andrer Nutzbaum
gepflanzt, so setzt man ihn 5 Fuß von der fremden
Grenze; hält er sich dort nicht, so 10 Fuß (
116.kufija hijes
"Grenze des Schattens").
h) Keimt ein Baum zu nahe von der Anrainergrenze, wohl
aber innerhalb der eignen Grenze, und der Besitzer
schlägt ihn nicht ab, so hat der Anrainer das Recht, ihn
mit dem Baummesser zuzuschneiden, soweit das
Baummesser reicht. "Nach dem Gesetz darf der Stiel des
Baummessers nur 3½ Spannen messen."
i) Will sonst jemand einen Baum pflanzen, so sei es 10 Fuß
von der fremden Grenze.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
80
[2.] Die Landstraße (Hauptstraße)
Die Hauptstraße wird so breit sein, daß das Pferd mit
seiner Last am Ochsen mit seinem Joch vorbeigehen kann.
Die Straße darf weder aufgehalten noch abgeschnitten
werden; sie folgt der Adernrichtung; das Wohl der Gemeinschaft
geht über die Privatwohlfahrt.
"Die Arbeit entfernt die Hauptstraße, aber sie darf sie
nicht ins Wasser stoßen, wo das Vieh ertrinkt, noch auf den
Felsen, wo es den Hals bricht."
Hast du die Hauptstraße aus deinem Grund entfernt, so
darfst du sie nicht etwa stark schief machen, und die Arbeit der
Zubereitung wirst du selbst leisten.
Hast du sie schlecht bereitet und es trifft dich davon der
Schaden selbst, so magst du ihn leiden, trifft er einen anderen, so
fällt er dir zur Last, und du wirst Rechenschaft geben, je nach dem
Schaden.
"Die Straße des Stammes wird so breit sein, wie der
Fahnenschaft des Banners lang ist."
[3.] Die Sackgasse
Der Durchlaß oder Übersteig (über einen Zaun) heißt nach
dem Gesetz "Sackgasse"; ist sie nach allen vier Grenzen auf
deinem Grund, so magst du sie schließen und die Erde, wo sie lief,
bebauen.
War es jedoch ein Durchlaß, den die Fußgänger
(Dorfgenossen) von jeher benützten, so mußt du einen andern in
der Nähe errichten, wenn du ihn schließen solltest, weil er dir
Schaden auf Feld, Garten oder Weinberg verursacht.
War es ein Durchlaß nur durch deine Gefälligkeit oder
dein Wort und es entsteht dir Nachteil (oder Schande), so hast du
Der Kanun des Lekë Dukagjini
81
das Recht, ihn zu schließen und dem Dorf mitzuteilen, daß dort
niemand mehr gehen möge. Doch wars ein Durchlaß, wo die
Gefährten stets durchgingen, die Hochzeitsgeleite mit der Braut
oder die Leichenzüge mit dem Toten, weil es dort zur Kirche führt
- und so von alters, so darfst du ihn nicht schließen.
Zur Änderung eines Durchlasses bedarf man unbedingt
der Zustimmung des Dorfes.
[6. Kapitel]
Die Stammesweide
"Die Stammesweide, das Weidegeld (pashtrak) gib selbst,
sonst werden sie sie dir mit Gewalt nehmen."
Stammesweide heißt die Örtlichkeit für Weide innerhalb
der Grenzen eines Stammes, wo die Herden andrer Stämme nicht
weiden dürfen.
Wird auf Berg oder Alpe eines andren Stammes eine
fremde Herde betroffen, so wird ihr Besitzer Weidegeld zahlen.
Der Schaden an der Stammesweide wird durch Vieh
ersetzt.
"Die Glocke des Leithammels darf nicht als Weidegeld
genommen werden, sie ist die Ehre der Herde."
Der Herr des Berges hat nicht das Recht, die fremde Herde
anzutasten und mit eigener Hand das ihm verfallene Stück Vieh zu
nehmen; die Hand des Herdenbesitzers wird ihm das Vieh geben,
das für den Schaden zu geben ist. Der Besitzer des Berges hat
auch nicht das Recht, das Stück Vieh auszusuchen; er wird das
Vieh nehmen, das ihm die Hand des Hirten zuweist. Betritt die
Herde den fremden Berg hundertmal an einem Tage - hundert
Stück Vieh wird der Besitzer der Herde geben.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
82
Wurde der Hirt nicht angetroffen, um Bezahlung von ihm
zu fordern, erhob sich darauf der Herr des Berges mit einigen
Genossen, um die fremde Herde zu überfallen, so unterstützen
sowohl Dorf wie Stamm diese Beutenehmer und fordern
Rechenschaft vom Besitzer der Herde. Dorf und Stamm des Hirten
werden entweder den Hirten zwingen, das Weidegeld zu zahlen,
oder die Hand von ihm abziehen.
[7. Kapitel]
Die Arbeit
[l.] "Die Arbeit rückt den Durchlaß"
Die Arbeit entfernt die Hauptstraße, darf sie aber nicht
"ins Wasser stoßen, wo das Vieh ertrinkt, noch auf den Fels, wo
es den Hals bricht" (siehe oben). Geht aber die Hauptstraße über
deinen Grund und du beschließt es, dort zu ackern, so darfst du die
Straße verlegen, darfst sie aber nicht über den Bach führen oder
über Felsen, noch zu nahe am Wasser oder Abgrund. "Die Arbeit
rückt den Durchlaß." Beschlossest du jene Erde zu bearbeiten,
über die der Durchlaß des Dorfes führt, so bearbeite sie, aber für
den Durchlaß wirst du einen anderen Ort finden.
Der Kanun will nicht, daß jemandes Erde geschädigt
werde, darum sagt er: "Die Hecke bewegt die Straße"; aber Straße
und Durchlaß werden an andrer Stelle ersetzt.
[2.] Der Lohnbauer
Lohnbauer ist, wer zu einem Herrn geht, dessen Erde zu
bebauen.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
83
Die Herrschaft wird für die Errichtung einer Hütte sorgen,
sei es einer ebenerdigen oder eines Wohnturms (
Lohnbauern und seine Hausgenossen.
Was die Ochsen betrifft: wie es mit dem Herrn abgemacht
wird. Hat der Lohnbauer eigene Ochsen, so darf er die Erde
bearbeiten; und was das Getreide betrifft, so nach Abmachung.
Hat der Lohnbauer keine Ochsen, so darf er sie nur beim Herrn
nehmen.
Die Geräte, Werkzeuge und ihre Schärfen (Klingen) sind
Sache des Lohnbauern.
Den Wasserlauf zu teilen oder zuzurichten, ihn zu pflegen
- ebenso. Brach das Leitungswasser in die Abteilung eines andern
durch Schuld des Lohnbauern, so trägt er den Schaden.
Gräben aufzuwerfen ist Sache des Grundherrn, nicht des
Lohnbauern.
Die Grundstücke zu umhecken ist Sache des Lohnbauern,
nicht des Grundherrn.
Die Bearbeitung der Grundstücke, das Säen, Bewässern,
Ernten, Abräumen, ist Sache des Lohnbauern, nicht des Herrn.
Was immer der Bauer sät auf der Erde seines Herrn
(jederlei Pflanze), wird er mit dem Herrn teilen nach Abmachung.
Zuerst erhält der Herr, dann der Bauer, so fordert es Sitte und
Ansehen.
Die Früchte (Feigen, Nüsse, Mispeln, Granatäpfel, Äpfel
und ähnliches) nimmt der Bauer vom Baum und teilt sie mit dem
Herrn.
Der Lohnbauer hat das Recht, ein Stück Garten auf dem
Grund seines Herren umzugraben, um für sich selbst Kohlarten,
Zwiebeln, Lauch usw. zu bauen. Pflanzt er in jenem Garten auch
Tabak, so hat er ihn für sich selbst. Pflanzt der Bauer Tabak und
Kartoffeln außerhalb des Gartens, so hat er sie zur Hälfte mit der
Herrschaft.
kullë) für den
Der Kanun des Lekë Dukagjini
84
Sollte der Lohnbauer das Vieh des Herrn "zur Hälfte"
haben, so gehört das Stroh dem Bauern, und mit dem Mist wird er
die Gründe düngen. Die Mühe der Arbeit hat der Lohnbauer.
Hat er Wiesen, die an die Äcker stoßen, so mäht sie der
Bauer; das Heu hat er zur Hälfte mit dem Herrn, das Einhecken
und Bewässern ist Sache des Bauern.
Die Weide auf den Wiesen hat der Bauer, der sie pflegt,
umheckt und bewässert und mäht, und die Herrschaft darf sie
keinem andern geben, nur wird das Vieh des Herrn mit dem des
Bauern grasen.
Der Bauer baut das Heu zu Haufen; deren Unterhalt
obliegt dem Herrn. Das Ernten, Säubern und Dreschen des Maises
hat der Bauer, außer, der Herr sammelt die Kolben auf dem Halm
und häuft sie im eigenen Hofe; dann erntet und überbringt der
Bauer, für das Säubern aber sorgt der Herr.
Zum Wässern der Gartenpflanzen nimmt der Bauer das
Wasser in der Reihenfolge der Grundstücke seines Herrn.
[3.] Der Schmied
"Der Schmiede (wie der Kirche, Mühle, Herberge) dient
niemandem als Freund."
Die Schmiede hat man in der Reihenfolge wie auch die
Mühle.
Der Schmied schmiedet in der Folge, in der ihm jemand
Eisenwerk zum Schmieden bringt.
Der Schmied wird nicht auf Freundschaft sehen (jemanden
bevorzugen) noch den Reichen vom Armen unterscheiden, den
Nahen vom Fernestehenden. Es ist seine Pflicht, die Reihenfolge
einzuhalten.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
117
großen Siedlungen.
85
Im Süden gibt es in den Dörfern keine Schmiede, nur in den
Die Arbeit (Mühe) des Schmiedes wird pro Joch Erde
bezahlt (je nachdem der Bauer, der bei ihm schmieden läßt, Grund
hat
Der Schmied hat die Pflicht, zu schmieden; das Eisen wird
jeder für sich selbst bringen.
Das Gebläse, die Schläuche, der Amboß und die andern
Werkzeuge gehören dem Schmiede; den Zunder bringt ihm der
Besitzer des Eisens.
Es ist Pflicht des Schmiedes, durch das ganze Jahr zu
beschlagen und Eisenwaren zu bearbeiten.
Die Besitzer der Eisenwaren haben ihren bestimmten Tag,
jeder einmal im Jahre; in dieser Reihenfolge sind sie dem
Schmiede für Nahrung und Arbeitslohn verpflichtet. Zur übrigen
Zeit sind sie ihm nicht verpflichtet.
Der Schmied ist verpflichtet, für ein Jahr zu schmieden,
er darf niemanden übergehen.
Fügt der Schmied etwas aus eigenem Eisen hinzu, wird
ihm der Besitzer der Eisenwaren sein Eisen bezahlen, das er für
ihn verwandte.
Für das Schmieden von Ketten, Fallen und anderem
Eisenwerk, das mit der Bauernarbeit nichts zu tun hat, muß er, der
es braucht, besonders zahlen.
Niemand braucht dem Schmied den Lohn ins Haus zu
bringen, er holt ihn.
Der Schmied und sein Haus sind vom Waffendienst
befreit.
Der Schmied ist verpflichtet, für 10 zum Heeresdienst
befohlene Dorfmitglieder ein Schwert zu schmieden.
117.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
86
Weder der Schmied noch sein Haus sind von einem
Dorfamt ausgenommen.
[4.] Die Mühle
"Der Müller und seine Hausgenossen werden nur auf
einem Ellenbogen schlafen."
Tag und Nacht wird der Müller die Kornfrucht bewachen,
sei es, um sie zu mahlen oder um zu verhindern, daß dem Besitzer
von ihr verlorengeht. Der Müller ist verantwortlich für alles, was
der Besitzer der Kornfrucht ihm übergibt.
Geht von der Kornfrucht verloren, so trägt der Müller den
Schaden; er wird das Verlorene ersetzen.
"Mühle und Schmied hat man in der Reihenfolge." Der
Müller ist verpflichtet, das Korn in der Reihenfolge zu mahlen,
wie es ihm der Besitzer zubringt, ohne auf Vorliebe zu achten.
Die vom Dorf überlassene Mühle hat die Reihenfolge
vorgeschrieben.
Gehört die Mühle dem Müller, geht das Mahlen in der
Reihenfolge, in der die Lasten zukommen, wie beim Schmiede,
bei der Quelle und der Fähre. Diesen allen gilt die Reihenfolge
nach Ankunft der Kunden.
Ist dir die Reihenfolge beim Müller zuerkannt und du
gehst zum Mahlen für den ganzen oder halben Tag, findest aber
die Mühle besetzt, so hast du das Recht, den Mahlstein
aufzuhalten und das Mahlen zu unterbrechen, Mehl und Getreide
zu entfernen und selbst zu mahlen.
Ist es nicht die dir zuerkannte Reihenfolge, du aber gehst
zur Mühle und findest dort Kunden, so mußt du warten oder zu
einer andren Mühle gehen.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
87
[5.] Das Mühlwasser, der Mühlbach
Ist der Mühlbach mit seinem Land gekauft, so darf
niemand aus ihm Wasser ablassen, den Bach ableiten oder gar das
Bett trocken lassen.
Ist der Mühlbach mit Bett und Land gekauft, so heißt er
"zum Land gehörig"; selbst wenn der Acker vertrocknet, darf
niemand den Mühlbach trocken legen.
Ist er hingegen ein Gewässer, das sowohl Mühle wie
Acker dient, so daß mit seinem Wasser auch die Äcker zu
bewässern sind, so bleibt die Mühle trocken, ehe die Pflanzen
verdorren, denn "hast du nichts zu ernten, wirst du auch nichts
zum Mahlen haben".
Die Klage des Müllers, daß ihm die Mahlsteine trocken
gesetzt wurden, die er doch als Besitz hat, nimmt der Kanun nicht
an; er sagt: "Für Kaufladen und Mühle werden die Gefährten nicht
mit Buße belegt."
"Der Mühlbach (Mühlgraben) fordert seinen eignen
Weg." Dieser Weg ist 8 Fuß breit, daß ihn das beladene Pferd
beschreiten kann. Dieser Mühlenweg ist auch notwendig, weil der
Müller Bewegungsfreiheit haben muß, um das Mühlwasser zu
reinigen und zu regeln.
Um das Wasser in Ordnung zu halten, gehen alle Müller
hinaus, die an dem Bach wohnen. Fehlt einer ohne Erlaubnis
seiner Genossen, so wird er nach Bestimmung der andern in Buße
genommen; an dieser Geldstrafe haben nur allein die Müller
Anteil.
Starb dem Müller jemand im Haus, so befreit ihn der
Kanun 8 Tage von jeder Arbeit, die dem Dorf gemeinsam ist;
niemand hat das Recht, an seine Tür zu kommen, um vom ihm für
Dorf oder Mühle Arbeit zu fordern. Nach 8 Tagen wird er seinen
Arbeiter senden, und sei er sogar aus dem Geschlecht der
Gjonmarkaj (das erste Geschlecht der Mirdita und des Kanun).
Der Kanun des Lekë Dukagjini
88
[6.] Die Bewässerung
Der Wasserlauf für die Äcker darf weder verändert noch
behindert werden.
Der Wasserlauf ist früh durch eine Art Kaufvertrag
geordnet worden, diesen Kaufvertrag darf niemand ändern.
Die Örtlichkeit, über die die Wasser führen, werden durch
Älteste und Volk abgegangen; diese Begehung gilt als
Entscheidung und wurde zum Ältestenbeschluß. Ein neuer
Ältestenbeschluß kann den früheren nicht abändern:
"Ältestenbeschluß auf Ältestenbeschluß gibt kein Gesetz."
Was die Vorfahren richtig befanden, dürfen die
Nachfahren nicht abschaffen. Klagt jemand wegen des
Wasserlaufes, so wird seine Klage nicht angenommen, denn der
Wasserlauf ging über jene Örtlichkeit schon vor der Klage;
erschöpfst du dich also auch mit Pfändern, so gibt es doch keinen
Richter, der jenen Lauf abschneiden dürfte.
Das Wasser ist geflossen und schuf sein Bett; das Bett
macht die Örtlichkeit zum Grund, dort also wird es fließen,
verbleiben und arbeiten. Aus seinem Grund darf niemand es
entfernen, seine Arbeit niemand hindern, denn es hat sich den
Grundstein geschaffen. "Der Grundstein darf nicht ausgerissen
werden", sagt der Kanun.
Sowohl Mühl- wie Ackerbach ist zum Besten der
Gemeinschaft; er muß unbedingt irgendwo fließen. Wie die
Fügung fällt - ob schwer, ob leicht -, so verpflichtet das Gesetz sie
zu tragen.
"Es gehört sich nicht, daß wegen eines Hauses ein Dorf
austrocknet."
"Gemeinwohl geht über das Wohl des einzelnen."
"Das Dorfwasser ist mehr wert als die Wurzel eines
Hauses." Da es für das Gemeinwohl werkt, wo der Zirkel der
Der Kanun des Lekë Dukagjini
89
Berieselungsrinne sich ansetzte, da wird es fließen, hättest du auch
an der Rinne keine Reihenfolge zu eigen.
"Die Wasser können nicht aufwärts fließen, fällt es ihnen
ein, auf deinen Grund zu strömen, so darfst du sie nicht hindern."
Wie immer der Bachlauf sei, und fällt es dir ein, dein Haus
auf dem Bachlauf zu errichten, du darfst ihn nicht ablenken, auch
nicht, wenn dort dein Herdstein zu stehen kommt; an seiner
Wurzel wird der Bach vorbeiströmen.
Fällt die Berieselungsrinne auf deinen Bauplatz, du darfst
sie nicht ablenken, doch wird dir die Gemeinschaft den Schaden
ersetzen, entweder, indem sie dir Anteil gibt an der Rinne, oder
durch Geld, oder indem sie dir eine andre Örtlichkeit abtritt.
Versteint Eigensinn deine Seele, die Rinne wird doch
nicht aufgehalten, das Gemeinwohl hindert es; einigst du dich
nicht mit den Gefährten, so nimmt dir der Richter den Grund;
vielleicht fordert er ihn sogar als Buße.
"Die Arbeit fördert die Berieselungsrinne, sie darf sie
nicht niedriger machen." Die Rinne niedriger zu machen, das
duldet der Kanun nicht, denn flösse sie niedriger als ihr der Weg
gesetzt ist, so könnten fremde Äcker trocken bleiben.
Wer im Wasserbett arbeitet, wird es verderben oder
niedriger machen oder weiterführen. Das Verderben und
Niedrigermachen des Wasserlaufes duldet der Kanun nicht, doch
darfst du ihn weiterführen.
Was das Wohl deines Hauses dich tun heißt am
Wasserlauf, daran hindert der Kanun dich nicht, doch achtet er
darauf, daß niemandem Schaden erwachse durch Verminderung
des Wassers oder dadurch, daß es infolge von Windungen und
Abzweigungen langsamer fließe.
Rührt jemand zu eigenem Nutzen an den
Bewässerungslauf, so ist er verpflichtet, ihn wiederherzustellen,
wie er war, und niemand wird ihm dabei helfen. Schaden und
Gewinn sind für sein eignes Haus.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
90
Beschloß jemand, den Wasserlauf höher zu legen, auf den
eignen Bauplatz, um Mehl- oder Tuchmühle zu betreiben, der
wird der Bewässerungsrinne das neue Bett selbst bereiten. denn
das Wasser wird nun "auf eine zum Grund gehörige Rinne"
fließen.
Hat jemand absichtlich jemandes Bewässerungsrinne
verdorben, so muß er nicht nur die Rinne wieder richten, er muß
auch den Reihenfolgeteilnehmern den Schaden ersetzen und zahlt
Buße je nach der Schwere des Falles: "Die neue Rinne darf die
alte nicht austrocknen."
"Die alte Rinne hat ihre Erde in Besitz genommen, also
darf sie ihr die neue nicht verderben."
Der Kanun hat dieses Verbot erlassen, damit die
Wasserrinnsale sich nicht vervielfältigen, denn dann wäre der
Zeugen und Pfänder kein Ende.
Eine Rinne hat ihre Erde in Besitz genommen vor wer
weiß wieviel Menschengeschlechtern, es gibt also weder Älteste
noch Kanun, die sie austrocknen dürften.
"Die Bewässerungsrinne des Dorfes hat ihre
Abteilungen."
Wer die Reihenfolge des zum Bewässern von Acker und
Wiese nötigen Wassers (oder des Gartens) hat, ist verpflichtet, sie
einzuhalten und sich nach der Einteilung zu richten.
Die Zuteilung der Rinne wird gesetzt und weggenommen
mit Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, je nachdem jemand auf
die ganze, halbe oder Viertelsrinne berechtigt ist.
Trocknet die Rinne bis zum Bett aus, sei es durch Regen
oder weil die Rinne von selbst abströmte, soviel Anteilnehmer an
der Rinne sind, so viele werden hinausgehen, um das Wasser in
Ordnung zu bringen.
Ergoß sich das Wasser auf Grund, der den Hahn für die
Rinne hat, so wird der Herr dieses Grundes sie selbst in Ordnung
bringen.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
91
Brach aber das Wasser bei einem Solchen ein, der keinen
Anteil an der Rinne hat, so muß der Anteilhaber hinausgehen und
das Wasser fassen.
Zerbrach das Vieh die Wasserrinne, so wird der
Herdenbesitzer den Schaden vergüten.
[7.] Das Wassergeld der Mühle
Das Wassergeld für das Mahlen, das der Müller für jede
Getreidelast nimmt, besteht aus einem Maß Getreide.
Der Müller hat Recht auf das Wassergeld wie jeder
Arbeiter auf den Lohn seiner Mühe. "Wie der Arbeiter den Lohn
will, so will der Müller das Wassergeld."
Der Besitzer der Lasten ist verpflichtet, das Wassergeld zu
zahlen nach Vorschrift des Kanun.
"Der Kirche, Mühle, Schmiede und Herberge dient
niemandem als Freund."
In der Mühle werden allerhand Körner gemahlen, dorthin
kommen allerhand Leute, jeder für seine Arbeit und seinen
Bedarf. Indem er zur Mühle geht, nimmt jeder den Brotsack mit
such und ißt sein eigen Brot, solange er in der Mühle ist.
Der Müller mahlt nicht aus Gefälligkeit, sondern zu
seinem Vorteil, um das Wassergeld zu verdienen.
Der Müller trägt Verantwortung für Lastzuträger und Last,
solange er die Last des Gemahlenen aufladet, bis er sagt:
"Glückliche Reise."
Macht sich der Lastzuträger auf aus der Mühle und
jemand überfällt ihn, erschlägt ihn, sobald er den Schatten (die
Obhut) der Mühle verließ, nimmt ihm das Pferd samt der Last, so
dient ihm der Müller nicht zum Freunde, noch fordert er seinen
Kopf, so ihm der Totschläger in die Hand fällt.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
92
[8. Kapitel]
Die Jagd
[1.] Allgemeines
Der Kanun hat keine Zeit festgesetzt, in der die Jagd ruhen
müßte; in unsren Bergen ist die Jagd zu jeder Zeit frei.
Kommt jemand zum Jagen in die Umgebung fremder
Häuser, so darf der Besitzer der Örtlichkeit ihn hindern und die
Jagd verbieten.
Niemand darf zur Jagd in fremde Grenze eindringen;
wagte dies einer, so wird ihm die Jagd gehi
____________________ Next time the devil tells you "You're stupid" say "No, you're stupid - ...I'm going to heaven, you ain't getting in". ~Joyce Meyer~
Re: Der KANUN - 7.Buch: Der Handel
7. Buch: Der Handel
[1. Kapitel]
Allgemeines
Der Kanun kennt den Handel mit und ohne Bedingung, d.
h. durch einfachen Abschluß, oder aber vor Zeugen und mit
Angeld.
Das Angeld (
Empfangnahme der Ware bezahlt wird.
"Das Angeld gibt dir die Ware zu eigen, doch wirst du
bezahlen, was darüber hinaus zu bezahlen ist."
Ob du einen oder hundert Groschen Angeld gibst, du bist
Besitzer der beangeldeten Ware.
"Das einmal genommene Angeld kann nicht
zurückgegeben werden." Wenn das Angeld gegeben ist, kann sich
der Verkäufer nicht mehr anders besinnen - und träten hundert
neue Käufer auf. Bereut der Käufer, so geht ihm das Angeld
verloren, und seien es 100 Groschen.
Betrügt der Verkäufer, indem er einem anderen, der mehr
bezahlt, die beangeldete Ware verkauft, so ist dieser Handel
ungültig.
Kommt die Angelegenheit vor Ältesten und Pfänder, so
verlangt der Kanun, daß der Verkäufer die Ware zurück erwirbt
und jenem gibt, der sie beangeldete.
Leugnet der Verkäufer, daß er Angeld erhielt, und der
Angeldgeber hat keine Zeugen, so zwingt der Kanun den
Verkäufer zum Eid; schwört er, so geht das Angeld verloren.
kapâr) ist jenes Geld, das vor
Der Kanun des Lekë Dukagjini
121
daß ein Grundstück oder die Reihenfolge an Berieselungsrinne oder
Mühle außerhalb des Dorfes verkauft wurde. Können sich weder
Vetternschaft noch Sippe oder Anrainer entschließen, jenen Grund oder
Reihenfolgerecht zu erwerben, so wird das Dorf sein Möglichstes tun,
denn es gehört sich nicht, daß der Fernstehende kauft und sich dem Dorf
in die Nase setzt.
100
[Gj.]: Es ist in unseren Bergen so gut wie nie vorgekommen,
Die mit Bedingung gekaufte Ware kann zurückgegeben
werden, wenn sie sich als fehlerhaft erweist.
Die Ware, die trotz der Befürchtung gekauft wird, daß sie
gestohlen sein könnte, deren Besitzer (
auftritt, nachdem sie gekauft wurde, zwingt den Käufer, sich an
den Verkäufer zu wenden; den Preis, den der Käufer für diese
Ware gegeben hatte, muß ihm der Verkäufer der gestohlenen
Ware zurückgeben. Die Vorschrift des Kanun lautet: "Wo immer
der Besitzer seinen Besitz findet, nimmt er ihn an auch."
[2. Kapitel]
zot = "Herr" = Eigentümer)
Der Handel mit Erde (Grundstücken)
[1.] Allgemeines
Ehe ein Grund oder eine Wasserlaufreihenfolge oder die
Reihenfolge bei der Mühle verkauft wird, geht man zur Tür der
Vetternschaft und Bruderschaft der Sippe.
"Der Anrainer kauft den Grund des Anrainers, wenn ihn
nicht die Vetternschaft oder Bruderschaft der Sippe kauft."
Kaufen ihn weder die Genannten noch der Anrainer, dann
bist du frei, sie jedwedem Käufer im Dorf zu verkaufen. Kauft sie
auch das Dorf nicht, bist du frei, sie irgendwem zu verkaufen
121.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
101
Verkaufte jemand Grund und Reihenfolge an Wasser und
Mühle, ohne es Vetternschaft und Bruderschaft der Sippe und dem
Anrainer mitzuteilen, dann ist nach dem Kanun der Verkauf
ungesetzlich (ungültig). Die Vorerwähnten sind berechtigt, den
Verkauf für nichtig erklären zu lassen.
Der Käufer darf keine Abmachung treffen, von der er
weiß, daß sie außerhalb des Herkommens getroffen ist, denn es
wird ihm sein Geld genommen werden.
Sagt aber der Käufer, daß er dies vor dem Kauf wohl
beachtete, und er beeidet dies, so wird der Verkaufende nach der
Schwere des Falles in Buße genommen; das Verkaufen des
Grundes aber bleibt ungesetzlich und wird für hinfällig erklärt.
Der ausgesteuerte Bruder und die nahe Vetternschaft kauft
die Erde um 100 Groschen billiger als die entfernte
Verwandtschaft und Sippe. (Das Dukagjin - also die
Stammschaften Shala, Shoshi, Nikaj, Merturi und Dushmani - gibt
die Erde den Nahen um 500 Groschen billiger als den Entfernten.)
[2.] Die mit Bedingungen gekaufte Erde
Verkaufe ich dir die Erde heute, morgen aber fällt dir ein,
sie wieder zu verkaufen, so darfst du sie keinem andern verkaufen,
ohne mich zu befragen. Diese Bedingung bindet den Käufer, und
er kann nirgends anders verkaufen, ohne dem ersten Verkäufer
wieder zur Tür gekommen zu sein.
Wurde die Erde ohne diese erwähnte Bedingung verkauft,
so ist der Käufer frei, zu verkaufen, wie es ihm gefällt.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
122
so gegeben, daß der Daumen des Käufers den Daumen des Verkäufers
umschlingt. Ein Dritter trennt die Hände mit der Handseite.
Unter dem Kanun i Papazhulit wird die Hand zum Verkauf
123
kaufen; man kann sie nur durch Tausch erwerben. Das Kaufen der Waffe
gilt als so schändlich, daß eine Verwünschung lautet: "Mögest du so
verarmen, daß du die Waffe des Gürtels verkaufen mußt!"
102
Unter dem Kanun i Papazhulit ist es Schande, Waffen zu
Für die verkaufte Erde, die verkaufte Reihenfolge an
Wasserlauf oder Mühle ist es Gesetz, einen Branntwein zu
trinken
[3. Kapitel]
122. Den Branntwein wird jener spendieren, der kauft.
Der Handel mit Waffe und Pferd
"Die Büchse und das Pferd haben den Keil auf dem Keil."
Kauftest du die Waffe
"Mögest du sie in Ehren führen!" und du hingst sie an den
Tragstock mit eigener Hand, so bleibt sie dir an der Türe, auch
wenn du einen Betrug daran entdeckst.
Die Büchse wird stets geladen gekauft.
Kauftest du ein Pferd und du bindest es mit eigener Hand
an den Keil, du wendest den Rücken, und es verreckt - so ist es
dein Schaden; du mußt es dem früheren Besitzer bezahlen.
Das Pferd wird stets mit dem Leitseil gekauft.
Kauftest du Ochs oder Kuh mit der Bedingung, daß sie
sich bis zum Georgs-Tag nicht als schlecht erweisen - und sie
erwiesen sich als schlecht (verfault), so muß sie der frühere
123, und der Verkäufer sagte dir:
Der Kanun des Lekë Dukagjini
124
ist ungleich reicher.
103
Der Kanun i Papazhulit setzt die Preise nicht fest; der Süden
Besitzer zurücknehmen, und der Käufer wird bis zum letzten Deut
zurückerhalten, was er für diese Tiere zahlte.
[4. Kapitel]
Die Preise im Kanun
124
1. Die Erde, Platz für ein Haus 500 Groschen
2. Grundstück mit 100 Groschen Ertrag 500 Groschen
3. Das Joch Grund, je nach dem Boden
4. Der Losanteil Wald, die Reihenfolge
an der Berieselungsrinne,
je nach der Gegend 100 Groschen
5. Ein guter Ölbaum 100 Groschen
6. Ein Baum für Holz und Floß bis 23 Groschen
7. Die Last Getreide 100 Groschen
8. Kupferwaren; nach dem Gewicht;
der Kessel 500 Groschen
9. Der 15 Oka wiegende Zuber 100 Groschen
10. Eine gute Pfanne 50 Groschen
11. Die Oka ungewaschene Wolle 5 Groschen
12. Die Oka Ziegenhaar 3 Groschen
13. Die Elle getretener (gepreßter) Loden 20 Groschen
14. Der Bienenstock mit Bienen 50 Groschen
15. Die Oka Honig 5 Groschen
16. Die Oka Wachs 5 Groschen
17. Die Oka Wein 1 Groschen
18. Die Oka Traubenbranntwein 5 Groschen
Der Kanun des Lekë Dukagjini
104
19. Die Oka Käse 5 Groschen
20. Die Oka frische Butter 10 Groschen
21. Die Oka Butterschmalz 15 Groschen
22. Die Oka Fleisch 3 Groschen
23. Die Oka getrocknetes Schweinefleisch 10 Groschen
24. Die Oka Kaffee 9 Groschen
25. Die Oka Heu 10 Para
26. Ein Paar Opanken (Schuhe) 5 Groschen
27. Das Schaf und die Ziege 50 Groschen
28. Lämmchen und Zicklein 20 Groschen
29. Hammel oder Widder für die Glocke 100 Groschen
Bote heißt, wer in fremdem Auftrag eine bezahlte Reise
unternimmt.
Der Bote geht nicht in der Hut des Senders, er ist in
eigener Hut. Geschieht ihm unterwegs ein Unglück, so dient der
Der Kanun des Lekë Dukagjini
105
Sender nicht zum Freunde. Der Bote wie der Vermittler machen
den Weg für Botenlohn, im eigenen Brot, darum sind sie in
niemandes Hut.
Ging der Reisende allein aus seinem Haus und jemand
erschlug ihn, so dient ihm weder das Haus, das ihn sandte, noch
in das er gesandt ist, als Freund.
Geht aber der Bote aus dem Haus, das ihn sandte, oder aus
dem Haus, dahin er gesandt war, und es trifft ihn Unheil in deren
Brot, so wird ihm als Freund gedient, wie der Kanun bestimmt.
[6. Kapitel]
Die Sache für die Sache
Das alte Gesetz - wie oft auch das Gesetz der neuen Zeit
- kannte keine Geldpreise, und die Verpflichtungen wurden
erledigt: die Sache für die Sache.
Der Kanun duldet nicht, daß jemand gezwungen wird,
durch Geld zu ersetzen:
a) weder die Schäden;
b) noch die Bußen;
c) das Blut.
Wurde jemandem Schaden zugefügt in Acker, Weinberg
oder Wiese, so wird ihm durch den Schädiger, die beschädigte
Pflanze durch die Pflanze vergütet. Verfiel jemand der Buße des
Dorfes oder Stammes, so wird diese Buße durch Rind abgegolten,
mit Kühen, Ochsen, Hammel - oder durch Geld.
Hat jemand einen anderen getötet, so wird auch das Blut
"Sache für Sache" gesühnt, auch durch Rind, Erde und Waffe. In
Der Kanun des Lekë Dukagjini
125
Befriedung vergossenen Blutes ein Gesetz erlassen und den Kopfpreis
auf 1000 Piaster festgesetzt; kein Mensch hat sich daran gehalten; ist der
Fall nicht besonders schwer - wie Verletzung der Gastfreundschaft und
Ehre -, so kann er durch Vermittlung der engeren Verwandtschaft
befriedet werden, durch Abtretung von Grund, und dieser Grund heißt
dann "der durch Blut erworbene" wie jener weiter oben beim
Grunderwerb geschilderte.
Die türkische Regierung hat 1856 für Südalbanien zur
126
Blutschuld meist durch das Blut abgegolten worden. Der Kanun des Lekë
Dukagjini, der im 15. Jahrhundert modifiziert, nicht etwa aber geschaffen
wurde, sagt, das Rind sei das Geld der Alten gewesen (F. Konica,
[Gj.]: Bis zuletzt - bis zur Kommunistenzeit - ist eine
Albania
106
, 1907, XI, Nr. 3, S. 58).
letzter Zeit kann der Täter auch für Blut mit Geld - aber auch
durch die Waffe - sühnen
Die Buße für den Mord wird mit "Sache gegen Sache"
geleistet, wie auch andere schwere Schuld gegen Dorf oder
Stamm; so Verrat, gebrochene Freundschaft und anderes.
Die kleinste Buße beträgt einen Hammel, die höchste kann
100 Hammel nicht übersteigen
[7. Kapitel]
125.126.
Das Darlehen
[1.] Allgemeines: Zins und Pfand
Der Kanun des Lekë Dukagjini
127
besonders vom Besiegten) Abgabe genommen werden, und zwar
geschaht dies bei den orthodoxen Christen besonders in solchem Maße,
daß es zwischen 1300 und 1700, der Zeit der Albanerwanderung nach
Griechenland, sich zu einem richtigen System ausgewachsen hat, das
Unter dem Kanun i Papazhulit kann vom Fremden (und
selem
griechische Gegend, legten ihr Kriegssteuer von z. B. 100 Schafen auf,
mit Termin; konnten die Griechen nach Ablauf des Termins nicht zahlen,
so wurden nun 100 Kühe gefordert, abermals mit Termin; konnten auch
diese nicht geliefert werden, so wurde ein Sohn als Leibeigener
gefordert, schließlich aber - immer die Nichtzahlung vorausgesetzt - das
ganze Haus. Auf diese Weise wurde der Albaner Bodenherr in
Griechenland, bis 1768 die türkischen Truppen, gemeinsam mit der
griechischen Bevölkerung, die Albaner bei Tripolica geschlagen haben.
Derselbe albanische Christ, der auf diese Weise die Griechen durch
Wucher vernichtete, konnte seinem Stammesgenossen nach dem Kanun
unter keinen Umständen Zins abfordern - genau wie unter dem Kanun
des Lekë Dukagjini - denn der
Kriegsrecht.
107
genannt wurde. Beispiel: Albanische Orthodoxe überfielen eineselem ist kein Friedens-, sondern ein
Das Gesetz der Berge kennt kein Darlehen (
Zins. Der Kanun kennt nur das einfache Darlehen: so viel du
erhieltest, mußt du zurückgeben
Um die Sache des Darlehens zu sichern und jede
Möglichkeit der Untreue auszuschließen, darf ein Pfand (
genommen werden.
Das Pfand hat einen Wert, gleich der Schuldhöhe, oder sie
sogar übersteigend.
Das für das Darlehen gegebene Pfand kann als
"Unterpfand gegen Verlust" aufgefaßt werden. Es wird als
"Unterpfand gegen Verlust" gelten, wenn der Darlehensnehmer
sich gegenüber dem Gläubiger verpflichtet, die Schuld an einem
hua) gegen127.peng)
Der Kanun des Lekë Dukagjini
128
Tag geknüpft wird, z. B. "Du wirst es zurückgeben, wenn du geerntet
hast."
Der Kanun i Papazhulit duldet, daß die Frist nicht an einen
129
Greise (Ältesten) wußten die Albaner unserer Berge früher nichts davon,
Darlehen gegen Zins zu geben; dieser abscheuliche Mißbrauch ist erst
später in unsere Berge eingedrungen.
108
[Gj.]: Nach den erwähnten Vorvordern und dem Zeugnis der
bestimmten Tag
geht, falls die Frist nicht eingehalten wird. Die am bestimmten
Tag bezahlte Schuld löst das Pfand aus.
Wurde die Schuld am bestimmten Tag nicht bezahlt, und
erschien der Schuldner nicht, um sich mit dem Gläubiger zu
treffen (verständigen), so hat letzterer das Recht, das Pfand zu
verkaufen und sein Darlehen aus dem Erlös zu decken.
Der bestimmte Tag gilt bis Sonnenuntergang. Bis zum
Sonnenuntergang wird der Gläubiger seinen Schuldner erwarten;
kommt er nicht, so wird das Pfand verkauft.
Was er über das Darlehen hinaus für das Pfand erhalt,
wird er dem Pfandgeber auszahlen
128 zurückzuzahlen, wobei das Pfand verloren129.
[2.] Die Frist
"Eine Frist festsetzen" (me pré ditën = "den Tag
schneiden"), "eine Frist geben", "die Frist verlängern", "die
Frist läuft ab".
Die Frist für das Darlehen ist ein festgesetzter Zeitpunkt,
an dem der Schuldner seinem Gläubiger das Darlehen
zurückerstattet.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
109
Das Darlehen kann auf Treu und Glauben gegeben sein,
mit Bürgschaft oder mit Pfand.
[8. Kapitel]
Die Abmachung, das Geschenk
"Die Abmachung (godi) ist auf dem Grund der Tasche."
Die Abmachung ist das Versprechen einer Sache, die
jemand für eine Leistung geben will.
Die Abmachung wird versprochen: für einen
Ältestenbeschluß, eine Reise oder Wanderung, für die Versöhnung
des Blutes, eine Vermittlung oder eine Heilbehandlung.
Die Abmachung besteht aus einer Summe, die bis 500
Groschen beträgt.
Die Abmachung wird auch getroffen, ohne eine Summe
festzulegen; z. B.: "Du wirst ein Paar dünne Opanken erhalten, so
du mir diese Sache erledigst." Dünne Opanken haben einen Wert
von 10, 20 oder 25 Groschen, die Oka Kaffee, die auch oft
versprochen wird (Kaffee aus echten Bohnen), zwischen 50 und
500 Groschen. Konnte der Älteste die Sache nicht einrenken, so
wird die Abmachung nicht gegeben, und der Kanun nimmt die
Klage bei nicht erledigter Angelegenheit nicht an.
Wurde die Angelegenheit (das Versprechen) erledigt, für
die die Abmachung galt, so muß das Abgemachte gegeben
werden, denn die Abmachung (das Versprechen) ist "am Grunde
der Tasche".
"Ich schenkte es dir, ich schenkte es dir nicht - der Kanun
greift es nicht." Sagtest du jemandem, du werdest ihm dies und
das schenken, und später verschlucktest du dein Wort - "für
geschenkt, nicht geschenkt", behelligt der Kanun nicht mit
Ältesten und Pfand (wohl aber für die Abmachung). "Du bist frei,
Der Kanun des Lekë Dukagjini
110
deine Mannesehre hochzuhalten, frei, sie dir zu rauben!" Der
Kanun sagt: "Dein getrübtes Antlitz wasche, wenn du magst;
magst du, so schwärze es noch mehr!"
[9. Kapitel]
Das Wort des Mundes
[1.] Das Wort
"Das Wort bringt nicht den Tod." "Die Hexe bringt dich
nicht ins Blut." "Der Mund zieht niemanden ins Blut."
"Die Zunge ist aus Fleisch, aber sie mahlt allerhand!"
"Das Wort aus meinem Munde geht in das Ohr des
anderen ein, und der Dritte nutzt es zu jemandes Untergang - ich
aber sitze und scherze."
Bringt mein Mund jemandem den Tod, ich sitze und
ergötze mich; niemand kann mich für diese schlechte Tat (mit
Ältesten) belangen, die das Wort meines Mundes verursachte.
Trotzdem bringt das Wort gegen die Ehre insofern ins Blut, als,
wenn auch jeder frei ist, "sein geschwärztes Antlitz geschwärzt zu
lassen", dennoch jeder als ehrlos gilt, der solches Wort (zwar nicht
durch Ältestenspruch, was er nach dem Kanun nicht zu tun
vermag) nicht durch die Waffe straft. Strafst du durch die Waffe
- die Ältesten werden dich freisprechen.
Jener, der böse, aufhetzende Worte aussät und verbreitet,
bald für den, bald für jenen, den nennt der Kanun "schlechten
Arbeiter". Niemand nimmt ihn in Arbeit, niemand in Lohn.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
130
zur Anstiftung des Totschlages und was es bedeutet: "Das Wort als
Pfand", wird sich späterhin ergeben.
111
[Gj.]: Die Bedeutung und Macht des gesprochenen Wortes
"Ob ich sprach oder nicht sprach, der Mund besiegelt
nichts." Die bösen Worte beachtet der Kanun nicht
130.
[2.] Der Ableugner
Ableugner wird jener genannt, der eine Belastung oder
Verleumdung, die ihm zugeschrieben wird, nicht zugibt, d. h. eine
Anschuldigung abstreitet, sei es wegen eines zugefügten
Schadens, eines Diebstahls, einer mutmaßlichen Bedrohung, eines
Angeschreies, eines Mordes. Mutmaßliche Bedrohung und
Angeschrei unterliegen nicht dem Kanun. Den Ableugner darf
man nicht ohne weiteres zwingen wollen, daß er zahle oder sich
entlaste; ob er hat oder nicht hat - auf bloße Anschuldigung oder
Verleumdung (d. h. auf die einfache Behauptung hin) - darf
niemand belangt werden.
Der Ableugner macht sich nur schuldig, wenn er sich nicht
rechtfertigen will.
Der Ankläger und Verleumder kann den Ableugner mit
Ältesten und Pfand zur Rechtfertigung veranlassen.
[3.] Der Eid
"Über den Eid (beja) hinaus kann auch der Haß nicht
treiben."
"Der Eid - mehr kann nicht verlangt werden."
Der Kanun des Lekë Dukagjini
131
Feuer und Brot geschworen werden; die Formeln sind festgesetzt. Hier
zeigt sich gerade ein Unterschied zwischen dem
dessen späterer Form, dem
Papazhulit
von ihm dem heutigen Leben angepaßten Kanun - ebenso wie der
i Lekë Dukagjinit
auch heute noch mehr im Gebrauch.
112
Unter dem Kanun i Papazhulit kann auf Erde, Himmel,Kanun i Papazhulit undKanun Idris Suli. Während der Kanun idie erwähnten Eidesformeln zuläßt, verlangt Idris Suli in demKanun- den Eid auf Glaubenszeichen. Die ältere Form ist
"Der Eid wäscht das Blut" (d. h. wenn jemand seine
Schuldlosigkeit beeiden kann).
"Das verlorene Gut, das vergossene Blut ordnet der Eid."
"Der Eid - oder die Sache!"
Der Eid ist eine Maßnahme zur Feststellung der
Glaubwürdigkeit, durch die ein Mensch, der sich vom Übel einer
entehrenden Anklage zu befreien hat, mit der Hand ein
Glaubenszeichen
er die Wahrheit spreche.
Diese Schwurhand ist vom Kanun der albanischen Berge
anerkannt, sowohl, um sich von einer Beschuldigung zu entlasten,
als auch, um seine Treue zu verpflichten.
Den Eid mit dem Wort allein nimmt der Kanun nicht an;
um sich von einer Anklage zu befreien, fordert er unbedingt, daß
der Eid auf ein Glaubenszeichen abgelegt werde, das mit der Hand
berührt wird.
Der Eid des Albaners hat zweierlei vor Augen: a) Er ruft
Gott an zum Zeugen der Wahrheit; b) Er knüpft an den Eid die
Belastung durch die ewigen Strafen - und durch die zeitlichen,
durch den Kanun.
131 berührt, indem er Gott zum Zeugen anruft, daß
[4.] Der Eid auf den Stein und der Eid auf Kreuz und
Evangelium
Der Kanun des Lekë Dukagjini
113
Der Eid der albanischen Berge ist zweierlei:
a) Der Eid auf den Stein, auf den Kanun (er ist von Alters
üblich). Unter "Stein" versteht man jenen dreieckigen
Stein mit 3 Löchern, der ein Gewicht hielt, mit dem das
Wachs für die Kirchenkerzen gewogen wurde;
b) Der Eid auf Kreuz und Evangelium.
Der Eid auf den Stein, nach dem Kanun, ist einer der
schrecklichsten und schwerwiegendsten Eide, den der Albaner der
Berge kennt.
Kanun ist, daß, so sich der Ableugner von einer Anklage
reinwäschen will, er den Eid auf den Stein oder auf Kreuz und
Evangelium schwört.
Die Eideshelfer (
"Schwurhände"; einige werden das Evangelium berühren, einige
andere werden bestimmt, den Eid in der Kirche abzulegen
(Dukagjin).
Der Eid auf den Stein wird abgelegt:
a) um sich von einer Anklage zu befreien;
b) um sich mit seiner Treue zu verpflichten gegen
Helfershelfer und Verräter;
c) um sich bereitzuhalten, gemeinsamen Bedrohungen und
Gefahren die Stirne zu bieten.
porot, poronik) heißen die
[5.] Wer wird den Eid leisten?
"Leiste - und verliere", sagt der Kanun, nicht aber "leiste
und nimm".
Den Eid leistet, wer die Anschuldigung ableugnet: "Die
Ableugnung hat den Eid." "Dem Ableugner steht der Eid zu."
Der Kanun des Lekë Dukagjini
114
Dem Ankläger wird der Eid nicht zugestanden, und der
Eid gebührt ihm nicht, auch wenn er den Täter mit eigenen Augen
stehlen und morden sah.
Der Grund für dieses Gesetz ist: Wenn er sich der Anklage
nicht entblödet, wird er sich auch des Falscheides nicht entblöden,
auch wenn er mit Unehre daraus hervorgeht.
Dem Ersten wird auferlegt, den Eid anzuhören, dem
Zweiten, ihn zu schwören.
Der Kanun sagt: "Der Eid nimmt nicht" und "Dem
Nehmer steht der Eid nicht zu".
Da aber nach Vorschrift des Kanun "Der Verbrecher den
Eid auf sich hat", sowohl um dem Besitzer der verlorenen Sache
das Herz zu stärken, wie auch, um ihn zu veranlassen, die Fäden
seiner Gedanken auseinanderzuhalten, duldet das Gesetz, daß er
den Eid mit Eideshelfern fordern kann. Jenem, der sich ohne
Eideshelfer reinwäschen will, wird der Eid weder zuerkannt noch
aberkannt, denn: "Der Wolf beleckt das eigene Fleisch, aber das
fremde frißt er" (d. h. für sich selbst mag man wohl falsch
schwören, aber nicht für einen anderen).
Die Vorschrift des Kanun ist daher: "Nur sich selbst durch
Eid reinzuwaschen, wird keinem anerkannt" (d. h. durch seine
Verweigerung der Eideshelfer setzt er seine Glaubwürdigkeit
herab).
[6.] "Der Eid nimmt die eigene Sache"
Es gibt wenige Fälle, da der Kanun zuläßt, daß "der Eid
nimmt", (nämlich) für einen bedeutenden Gegenstand, der
verloren wurde und in fremder Hand befunden und von dem auch
andere bezeugen, daß er jenem gehört, der ihn fordert.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
132
die Spur des Heidentums verlöschen. So glaubt der (unverdorbene)
Albaner noch heutzutage, daß nach dem Tode sein Schatten überallhin
kommen wird, wohin er zu seinen Lebzeiten kam. Damit der Schatten
sich bei dieser Wanderung nicht allzusehr erschöpfe, legte der reisende
Albaner bei seiner Wanderung auf einen Baum an unauffälliger Stelle
Steine, die dem Schatten als Zeichen für Ruhe und Rast dienen sollten.
115
Weder Christentum noch Islam konnten in Albanien völlig
Und leugnet jener auch, in dessen Hand der bedeutsame
Gegenstand befunden wurde, so nimmt ihm der Kanun doch die
Leugnung nicht an, und der Eid wird ihm nicht gewährt.
Findet er sich nicht bereit, den Gegenstand an dessen
Besitzer (Eigentümer) herauszugeben, so wird der Besitzer
schwören, daß er ihm gehört - und er wird ihm gegeben.
Klagte aber jemand eine Verpflichtung oder ein Darlehen
gegen einen Toten ein, von denen die Eltern angeblich nichts
wissen oder deren Betrag sie nicht verlieren wollen (so daß sie sie
abstreiten), so gilt die Vorschrift des Kanun: Das Bestreiten für
den Toten läßt das Gesetz nicht gelten. Auch in diesem Fall
"nimmt der Eid", d. h. der Kläger (Forderer) wird den Eid leisten.
Für jede Klage, die gegen einen Toten erhoben wird,
findet der Eid auf dessen Grabstätte statt. Am bestimmten Tage
werden sich der Kläger und die Eltern am Grab des Toten
einfinden, auf dem Darlehen und Verpflichtung des Toten
eingeklagt werden. Der Kläger wird Erde und Stein vom Grab des
Toten nehmen, sich diese auf die Armbeuge legen und die für
solchen Eid bestimmten Worte sprechen: "Ich klage so und so viel
Darlehen ein von diesem Toten, und wenn ich ihn
unrechtmäßigerweise damit belaste, so möge ich in diesem und
jenem Leben den Stein überall hintragen mitsamt der Erde, wo je
sein Fuß hintrat, solange er am Leben war."
Wenn der Kläger diesen Eid geleistet hat - Darlehen und
Verpflichtung auf den Toten werden die Eltern bezahlen
132.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
116
[7.] Der Eid an der Türe
Der Kanun läßt auch zu, daß der Eid an der Türe geleistet
wird.
Beim Eid an der Türe schwört der Herr des Hauses im
eigenen und im Namen der Hausbewohner.
Beim Eid an der Türe darf der Besitzer (Eigentümer) des
verlorenen Gutes den Eid nicht auch von den Hausbewohnern
fordern, da der Hausherr für sie schwört.
Bei jedem Eid sind nach dem Kanun Frauen und Kinder
ausgenommen.
Jener, der an der Türe schwören läßt, darf den Eid mit
Eideshelfern jenem Hause zuschieben, gegen das er den meisten
Verdacht hat.
Hat der Herr der verlorenen Sache ein Haus ausgesucht,
und ihm den Eid mit Eideshelfern zuzuschieben, so muß er auch
einige andere Häuser aussuchen, die Eideshelfer werden sollen:
denn in zwei Eide kann niemand geschickt werden (also die Leute
jenes Hauses können nicht auch als Eideshelfer dienen, da sie
durch den Hausherrn schon unter Eid stehen).
Auch im für das Haus (an der Türe) geleisteten Eide wird
für sich selbst geschworen, für die Hausbewohner und für das "Ich
weiß nicht".
[8.] Der Eid auf das Haupt der Söhne
Der Eid auf dem Haupt der Söhne wird als einer der
schwersten Eide anerkannt; er ist nach dem Kanun zulässig.
Wurde jemandem der Eid auf das Haupt der Söhne
abgefordert, so wird er ihn leisten und damit das Herz des
Anklägers beruhigen (überzeugen). Wenn sie den Schwurtag
Der Kanun des Lekë Dukagjini
117
bestimmen, wird der Ankläger zum Haus des Betreffenden (des
Verdächtigen) gehen, und dieser, so viele männliche Kinder er
unter dem Dache hat, versammelt sie, nähert sich ihren Häuptern,
legt die Hände auf ihre Häupter und schwört: "Bei den Häuptern
meiner Söhne, ich tat das Unrecht nicht, für das du mich anklagst,
ich weiß nicht, wer es getan hat."
Über diesen Eid hinaus darf der Ankläger vom
Verdächtigen keinen anderen Eid fordern.
[9.] Der Eid mit "Ich weiß nicht"
Der Gipfel des Eides ist das "Ich weiß nicht".
Der Eid schiebt dir auch das "Ich weiß nicht" zu.
"Der Eid hat keine Schlupfwinkel und Ausflüchte."
Das "Ich weiß nicht" ist ein Mittel, das der Kanun zur
Vorschrift erhoben hat, um dem Dorfe jede Möglichkeit zu
nehmen, zum Helfershelfer des Täters und zum Hehler der Sache
zu werden.
Das "Ich weiß nicht" wird ohne Unterschied bei jedem
Eide gefordert.
Wenn auch jener, der schwört, weder stahl, noch erschlug
hat er doch vielleicht etwas erfahren, oder er weiß, daß sein
Bruder oder Vetter gestohlen oder erschlagen hat.
Wenn man den Eid leistet, wird man sagen: "Weder ich
selbst, noch jemand meines Hauses, und ich weiß nicht, wer stahl
oder tötete."
Darum hat der Kanun den Eideshelfer eingesetzt, damit,
während ein Mann den Eid leistet, nicht Einer, ein Zweiter oder
ein Dritter etwas wissen kann vom Hörensagen oder Sehen eines
Anzeichens, und daß sie nicht die Seele verkaufen, indem sie
jemanden mit Falschheit entlasten.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
118
Wenn der Eid mit "Ich weiß nicht" geleistet wird, hat
niemand mehr das Recht, jenen Verdächtigten noch zu belasten
für jenen Diebstahl oder jenes vergossene Blut, noch auch seine
Eideshelfer. Man wird anderswohin gehen und Nachforschungen
anstellen für diese Sache oder das vergossene Blut. "Eid auf Eid
läßt der Kanun nicht zu."
Kann jemand nicht mit "Ich weiß nicht" schwören, so
wird er überhaupt nicht schwören, denn er bedenke, daß er vor
Gott auf der Waage ist, daß der Falscheid gleich einem Blitzschlag
gegen die eigene Seele ist, auch Strafe und Schande zur Folge hat,
wenn er entdeckt wird. Er wird mit einem der Ältesten sprechen,
daß sie die Eideshelfer zurückhalten, weil er auch nicht schwören
wird; er wird den Übeltäter angeben, damit dieser den Besitzer
(Eigentümer) der verlorenen Sache befriedige. Der Besitzer des
gestohlenen Gutes oder vergossenen Blutes wird nach weiterer
Nachforschung von diesem (den jener genannt hat) Rechenschaft
fordern, wie der Kanun es heischt.
Wenn er sich nicht selbst unter den Eid stellte, hat der
Besitzer der verlorenen Sache (des vergossenen Blutes) das Recht,
den Eid von ihm zu fordern - und wenn er sich als Angeber
bewährte, wird er ihm auch den Angeberlohn zahlen.
Entweder den Eid mit "Ich weiß nicht" - oder das Gut
oder den Verbrecher. Eine Ausrede vor dem Eid kennt der Kanun
nicht; ist jemand nicht zum Eid mit "Ich weiß nicht" bereit, so hält
der Kanun ihn für schuldig: also entweder den Eid mit "Ich weiß
nicht" oder das Gut erstatten oder den Übeltäter angeben, so man
an diesen Diebstahl oder Mord keinen Anteil haben will. Die
Vorschrift des Kanun ist unerbittlich. "Die Spitze des Eides ist das
"Ich weiß nicht", und das "Ich weiß nicht" bringt die Sache ans
Licht."
Was mit dem Eid gewonnen wird, sei dessen, der es nahm.
"Nach dem Eid werde ihm (dem Stück Vieh) die Glocke
umgehängt, und nach dem Eid schirre den Ochsen an."
Der Kanun des Lekë Dukagjini
119
Das sind Worte des Kanun, nicht, weil sie ihm gefallen,
sondern weil es keinen Ausweg gibt als sich durch Eid
reinzuwaschen. Der Kanun sei in diesem Fall nicht mehr im Spiel,
und darum bleibt das Wort: "Treffe Gott dich nicht im
Falscheide!"
Um jeden Zweifel auszuschließen, daß etwa falsch
geschworen sei, werden die Ältesten des Gerichtshofes gut
hinsehen, um als Eideshelfer Ehrenhafte zu bestellen, auf denen
der gute Eid liegt.
[10.] Buße für den Meineid
Hat ein Mann die traurige Kühnheit, dem Besitzer den
eigenen Besitz anschauen zu lassen (damit jener sich überzeuge,
daß er das Gestohlene nicht hat), so wird er nach dem Meineid das
Gestohlene doppelt ersetzen und die Buße für Meineid zahlen -
und darauf stempelt ihn der Kanun mit dem Siegel der
Ehrlosigkeit, Geschlecht nach Geschlecht durch 7 Generationen.
Tritt nach dem Eid der geheime Angeber auf, ein
wahrhaftiger Mann, gegen den Eidesleister, so werden ihn die
Ältesten genau erforschen und ohne Eile prüfen.
Tritt ein guter geheimer Angeber auf, ein wahrhaftiger
Mann, mit sicheren Anzeichen, werden die Ältesten mit dem Dorf,
mit den Eideshelfern und dem Angeber dem Verbrecher vor die
Türe rücken und auf den Meineidigen den Kanun anwenden.
Die Strafen für Meineid sind:
a) Er wird dem Besitzer der Sache das Zwei-für-Eins zahlen
(für Blut gibt es das Zwei-für-Eins nach dem Kanun
nicht).
b) Er wird dem Angeber das Schuhgeld (Angeberlohn)
zahlen.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
133
120
Unter dem Kanun i Papazhulit: Dorf oder Stamm.
c) 100 Hammel und ein Ochse für den Eid mit 24
Eideshelfern und 500 Groschen dem Hause Gjonmarkaj.
War der Eid mit weniger als 24 Eideshelfern, so nimmt
das Dorf
d) Er wird zur Kirche gehen, um sich von dem Meineid
mitsamt den Eideshelfern lossprechen zu lassen.
e) Er wird pro Eideshelfer 500 Groschen zahlen, da er sie
zum Meineid führte, indem er die Kirche schändete.
Dieses Geld wird der Verbrecher auf den Altar legen.
133 die Buße.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
121
____________________ Next time the devil tells you "You're stupid" say "No, you're stupid - ...I'm going to heaven, you ain't getting in". ~Joyce Meyer~
Re: Der KANUN - 8.Buch: Die Ehre
8. Buch: Die Ehre
[1. Kapitel]
Die persönliche Ehre
Der Kanun der albanischen Berge unterscheidet nicht den
Menschen vom Menschen: "Die Seele für die Seele - denn das
Äußere schenkte Gott." "Der Gute und der Böse haben denselben
Wert: der Kanun nimmt sie beide für Männer." "Der Gute stammt
vom Bösen ab, der Böse vom Guten." Von sich aus wiegt jeder
Einzelne 400 Derhem (türkisches Gewicht), weil 400 Derhem eine
volle Oka ist und der Ehrenhafte auch sein volles Gewicht hat.
Beleidigt jemand einen andern im Dorf, Pfand oder
Älteste, gibt es nicht für geraubte Ehre. Der Kanun sagt: "Wenn
du willst, verzeihe ihm; magst du, so wasche die getrübte Stirn!"
"Jeder hat seine Ehre für sich selbst, und niemand kann
sich einmischen oder die Ehre mit Ältesten und Pfändern
umhegen. Zwei Fingerbreit Ehre auf die Blume der Stirne gab uns
Gott."
"Die geraubte Ehre hat keine Buße." "Die geraubte Ehre
kann nicht verziehen werden (versöhnt durch Buße)."
"Die geraubte Ehre wird durch Gegenstände nicht ersetzt,
aber durch das Vergießen des Blutes oder durch die edle
Vergebung (nach der Vermittlung durch Herzensfreunde)."
Der Geschändete hat, was die Ehre betrifft, die offene
Türe (sie wurde ihm durch die Beleidigung aufgestoßen - die
schlimmste Unehre in Albanien). Pfand fordert er nicht. Älteste
zieht er nicht zu. Der starke Mann holt sich selbst die Buße.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
122
Jener, dem die Tür geraubt wurde, gilt vor dem Kanun als
tot.
Die Ehre wird dem Manne geraubt:
a) indem ihm jemand vor den im Rat versammelten Männern
sagt, er lüge;
b) indem man ihn bespuckt, bedroht, stößt oder schlägt;
c) indem man die Treue oder Vermittlung bricht;
d) indem man ihm die Frau schändet oder entführt;
e) indem man ihm die Waffen des Armes oder Gürtels
schändet;
f) indem man ihm das Brot schändet, durch Beleidigung des
Freundes, des Dieners;
g) indem man ihm das Haus erbricht, die Hürde, Scheuer
oder Milchkammer;
h) indem man ihm Darlehen oder Verpflichtung vorenthält;
i) indem man ihm die Herdplatte (den Herdstein) entfernt;
j) indem man vor dem Freunde einen Bissen zu sich nimmt,
und so dem Freund die Ehre raubt;
k) indem man ihm vor dem Freund den Tisch schändet;
wenn der Herr des Hauses die Pfanne auskratzt oder den
Teller ausleckt.
[2. Kapitel]
Die gemeinsame Ehre
[1.] Der Freund
"Das Haus des Albaners gehört Gott und dem Freunde."
Der Freund (
Hof Stimme zu geben.
mik) kann das Haus nicht betreten, ohne im
Der Kanun des Lekë Dukagjini
123
Wenn der Freund Laut gibt, wird ihm der Herr des Hauses
oder sonst ein Hausbewohner antworten und entgegengehen.
Man begrüßt sich mit dem Freund, nimmt ihm die Waffe
ab, führt ihn ins Haus.
Die Waffen hängt man auf den Waffenstock und führt den
Freund zu Häupten der Stube an den Herd.
Man facht das Feuer an, ruft um Holz: "Der Freund will
Holz!"
Dem Freund wird mit Brot, Salz und Herz Ehre erwiesen.
Das Brot, Salz und Herz, den Holzblock und Streu für das
Lager findet der Freund bereit zu jeder Stunde des Tages und der
Nacht.
Dem müden Freunde wird aufgewartet mit Diensten und
Ehrbezeugung. Dem Freunde werden die Füße gewaschen.
Für jeden Freund braucht es die Speise, an die er selbst
gewöhnt ist.
Für den guten Freund braucht es Kaffee, Branntwein und
gedeckten Tisch mit einer Speise des Überflusses.
Für den Herzensfreund braucht es Tabak, den Kaffee mit
Zucker, Branntwein, Brot und Fleisch. "Dem Herzensfreunde wird
das Haus überlassen."
Wenn er ins Haus kommt, wirst du dem Freund die
Waffen halten. Das Halten der Waffen ist:
a) Ein Zeichen der Höflichkeit und Ehrbezeugung und der
Zufriedenheit über sein Kommen.
b) Es ist auch ein Zeichen der Obhut, denn, wenn du sagst:
"Gut, daß du kamst!", wird er ohne Furcht sein, denn er
weiß dich bereit, jeder Gefahr zu wehren.
c) Es ist auch ein Zeichen der Vorsicht für dich selbst, denn
indem du die Waffen an dich nimmst, könnte der Freund
dir nichts Übles mehr tun, auch wenn er böse Absichten
hätte; er ist entwaffnet.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
134
man den Knall des Schusses nicht mehr hört.
124
Der Kanun i Papazhulit fordert, daß er so weit weg sei, daß
Dem Freunde wird der Platz zu Häupten der Stube
belassen.
Dem Freunde gibt man den Platz zu Häupten (Ehrenplatz)
sowohl im Haus wie im Männerrat, wenn er auch im Rat keine
Stimme hat.
Der Ehrenplatz wird dem Freunde überlassen als Zeichen
der Ehrerbietung, doch auch, auf daß man ihn gut sehe und er sich
nicht unter die Leute des Hauses mischen kann.
Betritt der Freund dein Haus, hat er dir seine Schuldigkeit
bezahlt.
Kommt dir der Freund ins Haus und er schuldet dir selbst
Blut, du wirst ihm sagen: "Gut, daß du kamst!"
Der Freund wird begleitet, so weit er begleitet zu sein
bittet.
Nimmt auch der Freund den Ehrenplatz ein, er führt nicht,
du führst ihn.
Der Freund wird geleitet, und wenn er ein Kind ist, ob
Mädchen, ob Knabe, geradeso wie ein Mann oder eine Frau.
Indem du den Freund geleitest, bis wohin er zu gehen
wünscht - du drehst ihm den Rücken, um deiner Arbeit
nachzugehen - in diesem Augenblick knallt die Büchse und tötet
ihn - er gilt dir nicht mehr als Freund
Für jeden Freund (Schutzsuchenden, Gastfreund) mußt du
den Arbeitstag verlieren, bei eigenem Brot (d. h. du mußt dich und
ihn aus eigener Tasche ernähren), solltest du selbst dabei
verarmen, auf daß du dich nicht mit Schande befleckst.
Während du den Freund geleitest, wird jede Schande, die
ihm jemand antut, von dir gefordert.
134.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
125
Führe den Freund nicht; wenn du ihn aber führst, machte
die Augen auf, damit niemand ihm Schlechtes oder Schande
antue.
Der Kanun schreibt vor, den Freund zu geleiten, damit
ihm nichts Übles betreffe und ihm niemand Übles zufüge in
deinem Brot.
Tut der Freund in deinem Brot eine Übeltat, so wird von
dir Rechenschaft gefordert werden.
Der Geschändete und Geschädigte ist nicht verpflichtet,
den zu verfolgen, der ihn beschämte oder schädigte, er wird dem
an die Türe pochen, der jenen im Haus hatte und ihm Nahrung
gab.
"Das Brot sühnt den Schaden."
Darum ist es Kanun, daß man den Freund führe, denn es
wird angenommen, daß er den Weg nicht kennt und nicht weiß, ob
er Freund oder Feind begegnet.
Du wirst ihn anführen, denn du bist der Hüter des
Freundes, sowohl um ihn vor Ubel zu bewahren, als auch um ihn
von Übeltat abzuhalten.
"Das Brot ehrt dich, bringt dir aber auch Mühe." (Manche
sagten: "Das Brot wurde mir zum Teufel!").
Schändet der Freund dir das Brot, wirst du nach dem
Kanun Rechenschaft geben für das erbrochene Haus oder die
erbrochene Hürde, für gestohlene Herde und andere Räubereien.
Du wirst die durch deinen Freund verursachten Schäden
ersetzen, indem du die Glocke deiner Herde an den Balken hängst,
oder indem du die Zugochsen hergibst, oder deine Reihenfolge am
Wasser verkaufst.
Ehre und Schande wirst du mit dem Freunde teilen und
den Geschädigten wirst du befriedigen.
Du wirst bezahlen, kannst du aber vom Freunde etwas
dafür bekommen, hast du es für dich; sonst bleibt der Schaden dir.
"Du habest und gebest", sagt der Kanun.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
135
im Schatten des Hauses geschieht, betrifft den Hausherrn. Der Schatten
reicht, so weit die Stimme aus dem Haus gehört werden kann."
Der Kanun i Papazhulit sagt zusammenfassend: "Alles, was
136
126
Der Kanun i Papazhulit sagt: "Er steht unter deiner Glocke."
Wie dir die Pflicht obliegt, für den beraubten Freund
einzustehen, so bist du auch zur Rechenschaft verpflichtet, wenn
der Freund in deinem Brot jemanden beraubt.
[2.]
Të premt e mikut (Schädigung des Freundes)
"Die Hut entläßt nicht."
Als
Schutzsuchende oder Gastfreund usw., der dich um Schutz oder
Schirm angeht, sei es durch den üblichen Zuruf: "In deiner Hut!",
sei es durch Einkehr in deine Wohnstätte
mik (Freund) gilt im weiteren Sinne jeder135. Të premt e mikut
bedeutet Schadenzufügung jeder Art gegen solchen Freund.
"Der Freund dem Freunde - der Gefährte dem Gefährten!"
Wenn dir an deiner Türe jemand auch nur ein Stück Glut
erbittet, um seine Pfeife anzuzünden, du gabst sie ihm, und
jemand tastete ihn an - er dient dir zum Freunde.
Fällt dir jemand in die Hand (Obhut) und sei es nur, indem
er deinen Namen nennt und sagt: "Ich bin der Freund jenes
Betreffenden" und wenn er dir auch nie an der Türe war - und
jemand tastet ihn an, so gelte er dir als Freund an der Türe, und
dein Antlitz ist dir geschwärzt
Verspottet dir jemand den Freund oder beschimpft ihn, so
wirst du die Ehre des Freundes wiederherstellen mit Gefahr deines
Lebens.
136.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
127
Beraubte jemand deinen Freund, so bleiben dir zwei
Wege: entweder richtet er dich zugrunde (indem du den Schaden
ersetzest), oder er bedeckt dich mit Schande (wenn du deine
Freundespflicht nicht erfüllst).
Jenem, der dir den Freund beraubte, wird jeder
Gegenstand mit der linken Hand unter dem Knie durchgegeben
(Zeichen der Verachtung), bis er dir den Freund bezahlt hat.
Die linke Hand gilt vor dem Kanun als die Unehrenhafte,
die nimmt und nicht gibt. Was den Freund betrifft, wird nicht
verziehen. Nur der Treulose mit dem Treulosen versöhnt sich über
ihn.
Im alten Kanun hat der Richter den Ungetreuen (den einer
Treulosigkeit Bezichtigten) mit einem Knüttel verjagt wie einen
Hund und ließ ihn nicht in den Männerrat kommen.
Treulos ist derjenige, der seinem Schützling (dem
Schutzsuchenden) selbst das Leben nimmt oder ihn sonst schädigt,
oder der, so er Treue schuldet, verkauft (ausliefert, verrät); solcher
wird durch das Dorf hingerichtet, und sein Blut geht verloren
(wird nicht angefordert).
Mit dem Mund des Kanun: "Wegen des Vaters, Bruders
und der Vetternschaft kann verziehen werden, aber was dem
Freund angetan wurde, wird nie verziehen (es sei denn auf
Vermittlung des Herzensfreundes).
Für den beraubten Freund wird sehr selten ein
Gottesfriede geschlossen (d. h. die Rache durch Buße verglichen).
Die Vermittlung wird zuerkannt, wenn die Angelegenheit in
Ordnung gebracht wird, nachdem sie gegeben und genommen
haben (d. h. wenn die Missetat gesühnt ist, dann erst mischt sich
die Vermittlung ein).
Die Dörfer untereinander dienen als Freund:
a) Wenn ein Gefährte sich gegen den Gefährten verfehlt und,
aus seinem Haus tretend, ihn tötet oder dessen Begleiter
oder wen immer. (Dann tritt also das Dorf des Getöteten
Der Kanun des Lekë Dukagjini
137
und wenn der Täter nicht erkannt ist.
Im Kanun i Papazhulit nur dann, wenn er keine Sippe hat
138
die Bestrafung des dem Freunde zugefügten Unrechts nicht übernimmt),
ist man mit Schmach bedeckt. Der Albaner, der unter das Blut fällt, ohne
Blut vergossen zu haben, indem er den Totschlag am Freunde bestrafen
muß und den Täter tötet - wenn er es nicht in die Hand nimmt, ist er
ehrlos.
128
[Gj.]: Augenblicks, wenn man den Freund nicht fordert (d. h.
gegen das Dorf des Täters als Freund des Getöteten
auf.)
137
b) Selbst wenn der geschädigte Schützling Stammesbruder
oder Vetter ist, bleibt es unsere Pflicht, sein Blut zu
fordern. Zwar wird weder Stammesbruder, noch
Blutsverwandter im eigentlichen Sinn als Schützling
betrachtet, trotzdem ist es Schande, den Täter nicht zu
strafen (töten, verfolgen).
c) Fordert er nicht (durch die Rache) den erschlagenen
Freund, weil der Täter ein Stammesbruder war, kann er
nicht mehr in den Männerrat gehen, denn er ist für sein
ganzes Leben mit Schmach bedeckt. Der Albaner, der
dem Blut verfällt, weil er eine Blutschuld ahndete, wo er
nicht der dazu Berufene war, der also das Blut eines
ermordeten Schützlings ausgleicht, obschon dazu ein
anderer vor Stamm und Kanun die Pflicht hatte, wird dies
lieber hinnehmen und lieber mit Haus und Hof zugrunde
gehen als die Schande tragen, daß er da nicht eingriff, wo
die Sitte es erheischt.
Treffen sich auf der Landstraße zufällig zwei
Dorfgenossen und, während sie wandern, wird der eine
erschlagen, so dient der andere ihm nicht zum Freunde (d. h. er
braucht die Bestrafung nicht zu übernehmen)
138.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
139
geltenden Schweif.
Kanun i Papazhulit: das Hinterteil mit dem als Delikatesse
140
haben aber solchen Totschlag verursacht, daß das Blut den Tisch wie
Regen netzte.
129
[Gj.]: Diese Betragensvorschriften scheinen wie Spiel, sie
[3.] Das Benehmen des Hausherrn gegen den Freund im
Hause
Der Freund nimmt den Ehrenplatz ein in der Stube, am
Tisch; ihm gebührt Obhut.
Dem Häuptlingsfreunde gebührt der Kopf
Hammels, dem Freund das Rippenstück.
Der Freund wird den Branntwein eingießen und als erster
die Hände auf den Tisch legen.
Ist der Freund nicht Bannerträger (Häuptling), aber eines
der Häupter des Banners (Stammes), gebührt ihm das
Rippenstück, dem gewöhnlichen Freunde der Kopf des Hammels.
Ist jemand aus dem Hause Gjonmarkaj am Tisch und ein
entfernter Freund, dann teilt der Häuptling mit dem Gjonmarkaj
den Hammelskopf, das Rippenstück gebührt dem anderem
Freunde.
Der Häuptling wird den Hammelskopf mit der Faust
brechen und dem Freund, wenn er das Rippenstück herausgeschält
hat, dessen Knochen brechen.
Kommt als Freund ein Ohërnjani (von Thkellas) nach
Mirdita oder in die Berge von Alessio - und da ist auch einer der
Gjonmarkaj, so nimmt der Ohërnjani den Ehrenplatz ein, nach ihm
der Gjonmarkaj (Dies geschieht nicht aus Ehre)
139 des140.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
130
Den Kaffee nimmt der Freund, nach ihm der Herr des
Hauses.
Die Hände am Tisch wäscht der Herr des Hauses, nach
ihm der Freund.
Das Glas Branntwein trinkt der Herr des Hauses, dann der
Freund.
Den Bissen tunkt der Freund ein, dann der Herr des
Hauses; jener Hausherr, der den Bissen vor dem Freunde eintunkt,
zahlt 500 Groschen Buße.
Jener Herr des Hauses, der den eigenen Tisch schändet vor
dem Freunde, zahlt 500 Groschen Buße.
Die für den Freund abgeschossene Büchse (um für ihn
einzutreten) hat keine Buße (denn dieses Eintreten schreibt der
Kanun vor).
[4.] Die Vermittlung
Der Vermittler (
Schuld und wird nicht gefaßt.
Vermittler heißt jener, der sich einmischt, um über böse
Worte zu entscheiden, die Rache abzuwenden, aus der Totschlag
und anderes Verderben entstehen könnte.
Der Vermittler kann Mann oder Frau sein, Knabe,
Mädchen oder auch Priester.
Der Vermittler kann von Haus zu Haus, Dorf zu Dorf,
Stamm zu Stamm gehen, er hat überall Zutritt.
Wurde die Vermittlung einem bestimmten Hause
zugesprochen, sucht es den Freund selbst auf, der es zur
Vermittlung will.
Wurde die Vermittlung einem Dorfe zugesprochen, sucht
es den Freund selbst auf, gemeinsam.
ndermjetsi), wie der Bote, trägt keine
Der Kanun des Lekë Dukagjini
131
Wurde die Vermittlung einem Stamme zuerkannt, bittet
der ganze Stamm jenen Freund, den er zur Vermittlung will.
Wurde dem Priester die Vermittlung zuerkannt (d. h., daß
vermittelt werden soll), bittet die Pfarrei diesen (Priester)-freund,
daß er sich im Namen des Stammes einmische.
Der Priester, um über ein Übel zu entscheiden, mischt sich
nicht im eigenen Namen ein, sondern im Namen der
Pfarrgemeinde oder des Stammes, doch nur dann, wenn nicht die
Macht des Glaubenswortes in die Waagschale fällt.
Wo nicht die Macht des Glaubenswortes in die
Waagschale fällt, kann der Priester wie jeder andere vermitteln; da
aber sein Amt weder Schwert hat noch Strick, wenn seine
Vermittlung mißachtet würde, wird ihm Dorf und Stamm die Ehre
schützen, indem sie ihn als Freund (im Sinne der
Wiedergutmachungspflicht) beanspruchen.
Seien auf der einen Seite 100 Menschen erschlagen, auf
der andern kein einziger - sobald ein Vermittler eintritt, wird
dennoch die Büchse ruhen, das Feuer verlöschen (bis der
Vermittler sein Amt erfüllt hat).
Wird das Wort des Vermittlers nicht beachtet (führt die
Vermittlung nicht zum Zweck), so wird jenes Wohnviertel, das
mit dem Werk der Büchse beginnt, den Vermittler als seinen
ausgemachten Freund betrachten. (Ruht weder Büchse noch böses
Wort nach der Vermittlung, verwickelt sich der Knäuel in Haß, die
Büchse spielt kreuzweise, und man vernichtet sich gegenseitig).
Die Vermittlerworte sind nach dem Brauch: "Laßt die
Worte - oh Ihr! Ich bin Vermittler, laßt die Büchse ruhen, ihr
Männer - ich bin Vermittler, auf daß ihr euch verständiget. Laßt
die Büchse ruhen, denn das Dorf - der Stamm - steht zwischen
euch!"
Der Vermittler nimmt Pfänder von beiden Streitparteien,
indem er ihnen mitteilt, wo und wann sich der Männerrat zur
Verständigung versammeln wird.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
132
Gelingt dem Vermittler die Versöhnung nicht, werden die
Pfänder beider Parteien ehrenhaften Männern ausgehändigt; damit
befreit sich der Vermittler vom Amt und Würde.
Die Vermittlung endet stets bei Sonnenaufgang oder
Sonnenuntergang.
[5.] Die Bürgschaft
Bürge heißt jener, der sich einem andern für eine Schuld
zur Verantwortung verpflichtet; zahlt zur bestimmten Frist der
Schuldner nicht, tritt der Bürge ein.
Der Gläubiger, der einen Bürgen hat, braucht dem
Schuldner nicht zur Tür zu gehen, der Bürge wird für jenen zur
Verantwortung gezogen. "Gebundene Hand - gebende Hand", sagt
der Kanun.
Und stirbt der Schuldner, geht dem Gläubiger nichts
verloren; für die Schuld jenes Verstorbenen tritt der Bürge ein.
"Stirbt der Schuldner - so lebe der Bürge!" sagt der Kanun.
Bereut der Bürge und möchte aus seiner Bürgschaft
entlassen sein, so entläßt ihn der Kanun nicht, denn "der Bürge
tritt nicht für gute Vorsätze in die Sache ein, sondern um zu
zahlen!"
Der Bürge tritt freiwillig in die Sache ein, und darum hat
er kein Recht - weder vom Schuldner, noch vom Gläubiger - ein
Schuhgeld (Vermittlungsgebühr) zu fordern. "Bürge oder
Treueverschworener wird niemand für Gewinn."
Bittet der Schuldner jemanden um Bürgschaft, und dieser
tut ihm den Willen vor der Männerschaft, so sagt er: "Ich mache
dir den Bürgen, aber sieh zu, daß du, falls du nicht die Absicht
hast, das Geld zur bestimmten Frist zu bezahlen (bereitzulegen),
mir dies schon jetzt mitteilst, damit ich mich bereithalte, an
Der Kanun des Lekë Dukagjini
141
noch Bürge der Schande, wenn nicht zum festgesetzten Termin bezahlt
wird (
er die Schuld ableugnet. Als die Staatsbank unter König Zog errichtet
wurde, erschraken die Direktoren, da die Fristen für Rückzahlung nie
eingehalten wurden; Landeskundige beruhigten sie, weil die Schuldner
ihre Schuld niemals ableugneten. Tatsache ist, daß die Bank in 15 Jahren
in Darlehnsgeschäften nicht einen einzigen Lek einbüßte.
133
Unter dem Kanun i Papazhulit verfällt weder Schuldnerse çdo ditë është e Zotit - jeder Tag ist Gottes), sondern nur, wenn
deinerstatt zu zahlen. Daß du es wissest! Denn Unehre ertrage ich
nicht!"
Antwortet darauf der Schuldner nicht und duldet er, daß
jener sich verpflichtet, an seinerstatt zu zahlen, wird der Bürge
dem Gläubiger sein Pfand geben.
Der Gläubiger hat das Recht, dieses Pfand wem immer zu
geben, um seine Forderung einzutreiben.
Der Bürge hat das Recht, beim Dorf gegen den schlechten
Schuldner zu klagen, und das Dorf wird den Schuldner drängen,
das Pfand des Bürgen auszulösen und ihm wieder einzuhändigen.
Hat der Schuldner das Geld nicht bereitgelegt aus
schändlichem Geiz, läßt ihn das Dorf, je nach der Schwere seiner
Schuld, für getanen Raub verfolgen
Hat der Schuldner das Geld aber zu bestimmten Frist
bereitgelegt, wird er dies dem Bürgen zu wissen tun, ehe er dem
Gläubiger das Geld aushändigt.
Wenn der Schuldner zur bestimmten Frist das Geld aus
Mittellosigkeit nicht bereitlegen kann, wird sich der Bürge
bereithalten, für ihn zu zahlen, und das im Guten; er hat keinen
Grund, ihn vor das Dorf zu bringen, und seine Klage würde nicht
beachtet: hätte er sich besonnen, ehe er sich verbürgte!
[3. Kapitel]
141.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
134
Das Blut und die Verwandtschaft, die Bruderschaft und
Patenschaft im Kanun der Berge
[1.] Die Geschlechterfolge
Die Reihenfolge der Geschlechter in Blut und
Verwandtschaft geht bei den Albanern der Berge ununterbrochen
fort.
Als Bruder und Sippengenosse gilt, wessen Voreltern
früher oder später aus demselben Hause herausgeteilt wurden.
Trennten sich von einem Albaner 400 Herdstellen los, er
nimmt und gibt nicht mit ihnen (d. h. er verschwägert sich nicht
mit ihnen).
[2.] Der Stammbaum des Blutes, der Stammbaum der
Milch,
der Neffe aus dem Blute, der Tochterneffe
Die Geschlechterfolge entspringt aus Blut oder
Verwandtschaft.
Die Geschlechterfolge des Blutes stammt von Vaterseite,
jene der Verwandtschaft von Mutterseite (
und Brust").
Die Abstammung von Vaterseite heißt Stammbaum des
Blutes, die Abstammung von Mutterseite Stammbaum der Milch
(der Brust).
"Blut(Stamm)neffe" und "Blut(Stammes)nichte" heißt
jener Kreis von Männern und Frauen, die dem Vaterhaus
entstammen.
"Tochterneffe" und "Tochternichte" heißt jener Kreis von
Männern und Frauen, die von den verheirateten Töchtern
abstammen.
gjak edhe gjini "Blut
Der Kanun des Lekë Dukagjini
135
[3.] Die Bruderschaft
Die Bruderschaft entsteht durch das Bluttrinken und
hindert die Verschwägerung für immer zwischen den
Blutsbrüdern, ihren Häusern und Herdstätten.
[4.] Die Patenschaft
Was Blut und BlutBruderschaft für die Verschwägerung
ist, ist auch die Patenschaft.
Die Patenschaft in den albanischen Bergen ist dreierlei:
a) die Taufpatenschaft;
b) die Ehepatenschaft;
c) die Patenschaft der Haare.
Die Taufpatenschaft verhindert die Verschwägerung,
Geschlecht nach Geschlecht, nicht nur zwischen dem Täufling,
seinen Eltern und dem Paten, sondern auch jenen, die ihn an der
Kirchentüre wiegen, den Leuten ihrer Häuser und Herdstätten.
[5.] Die Ehepatenschaft
Die Ehepatenschaft hindert die Verschwägerung zwischen
den Hausgenossen des Paten und des Bräutigams, da sie auch die
Herdstätten umfaßt - all dies genau wie bei der Taufpatenschaft.
[6.] Die Patenschaft der Haare
Der Kanun des Lekë Dukagjini
136
Diese Patenschaft, die durch das Rasieren und Schneiden
der Haare entsteht, gehört zu den gesetzlichen Bindungen, die
unauflöslich sind.
Die Patenschaft der Haare hindert die Verschwägerung,
Geschlecht nach Geschlecht, zwischen den Häusern und der
Bruderschaft des Paten und des Patenkindes.
Die
Kanun bestimmten Zeit zu den Eltern geht, so geht auch die
ndrikullí ist wie der Brautbesuch; wie die Braut zur im
ndrikull
Die Frist für die
zur bestimmten Frist zum Haarpaten.ndrikullí ist im Kanun bestimmt. Die
ndrikullí
Tage, die die
ungerader Zahl, nie gerader sein: drei oder fünf.
kann nicht länger als 5 Tage verschoben werden: diendrikuj beim Paten verbringen, werden immer
[7.] Vorgehen nach dem Kanun beim Schneiden der Haare
Pate wird der genannt, der die Haare schneidet.
Ndrikull
oder
Haare geschnitten werden,
schneidet.
denen die Haare geschnitten werden.
Pate und
können von den Hausgenossen nicht mehr unterschieden werden.
Die Haare können nicht geschnitten werden, ehe Knabe
und Mädchen ein Jahr alt sind. Stirbt das Kind, ehe ihm die Haare
geschnitten wurden, wird es nicht begraben; es wird der in
Aussicht genommene Pate gerufen; wohnt er weit weg, wird ein
anderer dem Kinde die Haare schneiden, der aber weder Haus
noch Sippe des Kindes angehören darf.
nunë heißt die Mutter des Knaben oder Mädchens, denen diekumtër der Mann, der die HaareFamull oder famulleshë heißen Knaben und Mädchen,ndrikull sind wie Bruder und Schwester und
Der Kanun des Lekë Dukagjini
142
Haare schneiden.
137
Kanun i Papazhulit: Auch dem Mädchen kann ein Mann die
Um dem Knaben die Haare zu schneiden, braucht es einen
Mann; die Haare des Mädchens schneidet eine Frau
Die Eltern des Knaben oder Mädchens, denen die Haare
geschnitten werden, bereiten das Mahl, so gut sie nur können, um
den Paten zu ehren.
Der Pate wird mit einem Herzensfreunde eintreffen.
Es werden noch 3 oder 4 Gefährten geladen, um an der
Freude des Hauses teilzunehmen.
Ist der Kaffee getrunken, wird der Ort bereitet, wo sich der
Pate niederläßt und sich jene Werkzeuge befinden, mit denen er
die Haare schneiden wird.
Es bedarf eines Stuhles, darauf sich der Pate setzt, eines
Gefäßes mit Wasser, darein der Pate eine kleine, alte Silbermünze
fallen läßt (wie man sie auch dem Toten in den Mund legt); der
Tisch für das Haarschneiden wird gedeckt, Scheren und
Rasiermesser liegen bereit.
Hat sich der Pate auf den Stuhl gesetzt, legt ihm ein Knabe
der Sippe das Patenkind auf den Schoß.
Der Pate schneidet die Haare wie folgt: einen Schopf an
der Stirne, einen von jeder Schläfe, einen Schopf vom
Hinterhaupte.
Nimmt er die Haare, berührt der Pate dreimal die Stirn des
Patenkindes mit der Schere und sagt: "Du seist gesund und langen
Lebens"; er küßt das Patenkind, nimmt es vom Schoß, reicht es
der Mutter (der
an sich nimmt.
Der Pate gibt der
mehr.
142.ndrikull), die auch das Gefäß mit der Silbermünzendrikull 50-150 Groschen und nicht
Der Kanun des Lekë Dukagjini
138
Die Haarschöpfe nimmt die Mutter und hebt sie in ihrer
Truhe auf.
Die
und Weste, und den Leuten vom Haus des Paten, so viel deren
sind, wird sie dem einen eine Tischplatte (kupferne Tischscheibe)
senden, dem andern ein gesticktes Hals- oder Gürteltuch oder ein
Paar Socken.
Ehe dem Kind nicht die Haare (durch den Paten)
geschnitten sind, darf die Schere ihm nicht den Kopf berühren;
wachsen die Haare zu sehr, werden sie mit der Flamme (eines
Feuerstahles oder Kienes) abgesengt.
Werden dem Kind die Haare geschnitten. übernachtet der
Pate im Haus des Patenkindes; am nächsten Morgen steht er auf,
nimmt Mutter und Patenkind in sein eigenes Haus, wo sie nach
dem Kanun 3 oder 5 Tage weilen.
Weder Tod noch Hochzeit, noch irgendein Fest wird ohne
ndrikull schickt dem Paten als Geschenk Janker, Hose
ndrikull
und Patenkind gefeiert.
Der Kanun des Lekë Dukagjini
139
____________________ Next time the devil tells you "You're stupid" say "No, you're stupid - ...I'm going to heaven, you ain't getting in". ~Joyce Meyer~