Re: Heimatfrust nix wie weg!
Liebe Auswanderungswillige,
liebe Daheimgebliebene,
liebe Auswanderungsgegner,
ich habe mit Interesse alle Eure Beitraege gelesen und finde es bemerkenswert wie viele von Euch den, meiner Meinung nach, groessten deutschen Mangel beklagen: "Die Deutsche Mentalitaet".
Es ist schon richtig, aertzliche Versorgung in Deutschland ist spitze, niemand muss hungern, oder sogar verhungern, Wasserqualitaet, Lebensstandart, Bildungssystem etc. koennte man durchaus mit zufrieden sein.
Wenn da nicht das heute fuer Deutschland typische Umfeld waere, "Die Neider", "Die Noergler", "Die Unzufriedenen", die einem das Leben schwer machen. Zweifellos haben sich in den letzten Jahren in Deutschland die Zukunftsaengste vergroessert, somit auch die Unzufriedenheit und die Depressionen. Dies wiederum wirkt sich auf das gesamte soziale Umfeld aus und fuehrt zu einer Kettenreaktion, wer in Deutschland kennt keinen, der mit seinem permanenten Pessimismus die Anderen in seinem Umfeld staendig mit herunterzieht?
Was ware zu tun?
Einige von Euch schreiben, man sollte erst versuchen im eigenen Land die Umstaende zu verbessern, bevor man an "Flucht" denkt.
Ein guter Gedanke, aber leichter gesagt als getan. Um den Menschen zum Umdenken zu bewegen muesste man das System aendern, und dies koennen nicht einmal die Politiker. Das System beherrscht sich selbst.
Wenn 80 Millionen Menschen in einem so kleinen Gebiet wie Deutschland zusammen leben (muessen?) wird es eben eng fuer den Einzelnen.
Nun zum eigentlichen Punkt:
Meine Familie und ich sind vor ueber fuenf Jahren nach Kanada ausgewandert. Die oben genannten Gruende spielten eine grosse Rolle, man kann es vielleicht mit den Worten zusammenfassen: Deutschland wurde uns zu eng. Ich habe eine Firma aufgegeben mit zweistelligen Millionenumsaetzen um heute ueber 200 Hektar Farmland zu besitzen, ein dutzend Pferde und einige Kuehe, Schaafe sowie Schweine zu unterhalten. Meine Kinder (heute 12 und 15) fahren alle vorhandenen Fahrzeuge (Truck, Traktor, ATV,Jeep) ebensogut wie ich selbst, wir leben mit der Natur, haben klares Wasser, frische Luft, sehen taeglich Adler, Falken und Kojoten und manchmal auch einen Baeren. Wir machen einmal in der Woche Butter und Kaese, die Milch bekomme ich von einem Nachbarn, wir machen unsere eigene Wurst, haben Forellen im Teich und bekommen von Freunden ab und zu frischen Lachs.
Bevor ich nach Kanada kam habe ich niemals ein Pferd geritten, eine Kuh geschlachtet oder eine Wurst geraeuchert. Man kann alles lernen, wenn man will.
Heute brauchen wir nur noch einen Bruchteil des Einkommens von damals, sind viel zufriedener und ausgeglichener und kein neidischer Nachbar zerrt mich vor Gericht, weil die Hecke zu nahe an der Grundstuecksgrenze waechst.
Im Umkreis von einigen Kilometern leben Kanadier, Schweizer, Deutsche, Hollaender und andere in guter Nachbarschaft zusammen, helfen sich untereinander und erfeuen sich eines einfachen aber gluecklichen Lebens.
Ein kleines Beispiel: Als ich vor zwei Wochen auf einer Landstrasse wegen Motorschaden liegenblieb (die Strasse ist im Gegensatz zu deutschen Verhaeltnissen nur schwach befahren) hielt das erste Auto, das vorbeifuhr an, ohne dass ich irgendwelche Zeichen gegeben hatte und nahm mich mit in den naechsten Ort, wo mir der Besitzer der Werkstatt sein Fahrzeug gab mit dem ich nach Hause fahren konnte.
Also, an alle die von Deutschland weg wollen, gut ueberlegen, dann loslegen, jeder kann seine Zukunft mitgestalten, zum Positiven wie zum Negativen.
Und an alle, die in Deutschland bleiben wollen, lasst die anderen gehen und ihr Leben leben, versucht in Deutschland etwas zum Positiven zu veraendern. Dies faengt allerdings bei der eigenen Person an.
Liebe Gruesse aus Kanada
Horst