@Theophagos Ist der James's Roman nicht der, auf dem der sehr nett anzuschauende Gruselstreifen "Schloss des Schreckens" mit Deborah Kerr aus den Fünfzigern basiert? Wie bereits mal erwähnt, lohnen sich die Gruselgeschichten von James's allein von der Sprache und dem Setting schon sehr.
Virgina Wolfs Orlando ist natürlich ein Klassiker, nicht nur als genreübergreifendes Werk, sondern auch gerade im Zusammenhang mit den Gendertheories. Das spannende an dem Roman ist ja, dass Orlando nicht nur die Fähigkeit hat, ewig zu leben, sondern auch sein Geschlecht zu ändern und deshalb die Welt in ihrem Wandel aus verschiedenen geschlechtlichen Perspektiven betrachten kann. Sehr lesenswert!
Desweiteren mag ich Heinlein sehr gerne, wenn ich auch gerade das von Dir erwähnte Werk nicht kenne.
Actibus aut verbis noli tu adsuescere pravis.
Re: SUBs...oder was lest Ihr derzeit?
"Schloss des Schreckens" sagt mir nichts; "Das Durchdrehen der Schraube" handelt von der jungen Tochter eines Landpfarrers, die eine sehr gut bezahlte Stelle als Erzieherin für zwei Waisenkinder an nimmt. Das Ganze spielt auf einem englischen Anwesen auf dem Lande. Die Erzieherin nimmt mysteriöse, bedrohliche Dinge wahr - unklar ist, ob sie verwirrt ist, irgendein Mensch dahinter steckt oder es Geistererscheinungen sind. Ist der Vorzeige-Roman für Todorov. (Alex, bist du das, der da mit den Zähnen knirscht? Das ist nicht gut für den Zahnschmelz und bringt bloß Kopfschmerzen.)
Ich denke, ich werde James' Geschichte lesen, auch wenn sich der Hinweis auf das Woolfs Gender-Bending sehr spannend anhört.
Zu Borges Texte hatte ich ja schon etwas gesagt, im Kern bleibe ich dabei. Die Biographien gefallen mir, aber irgendwie fehlt mir etwas um sie richtig loben zu können. Die Essays sind z.T. per se interessant - die Hintergründe zu den 1001-Nacht-Übersetzern - z.T. nur zum näheren Verständnis des Autors - Die Lehre von den Zyklen. Ich bereue es nicht sie gelesen zu haben, aber einige haben mich nicht beeindruckt.
Haruki Murakami, After Dark. Wie beschreibt man das? Es ist die Geschichte einer Nacht in einer japanischen Großstadt. Eine junge Sinologie Studentin, die unter ihrer schönen, von allen bewunderten Schwester leidet und nicht nach Hause will. Ein junger Jurastudent, der bisher seine Zeit mit Musik-Proben vertrödelt hat. Die Rausschmeisserin des Love-Hotel "Alphaville", die sich über einen Kunden ärgert, der eine chinesische Prostituierte verprügelt und die Zeche geprellt hat. Eben jener Kunde, ein Programmierer, der seine Familie verabscheut und nichts mit ihr zu schaffen haben will. Und die seit zwei Monaten schlafende Schönheit, die sich plötzlich in einen unheimlichen Raum wiederfindet. All diese Figuren sind auf mysteriöse weise miteinander verbunden. Von einem Plot kann man kaum sprechen, aber die Figuren sind wunderbar rund und spannend. Murakami kann hervorragend mit wenigen Sätzen Alltägliches hochspannend schildern. Die Erzählperspektive ist ungewöhnlich: Erzähler und Leser - Wir - sind ein Kameraobjektiv, das unsichtbar die Szene beobachtet. Meistens werden die Ereignisse objektiv geschildert, manchmal allerdings auch auktorial.
Kennt eigentlich einer von euch Murakami?
Theophagos
Re: SUBs...oder was lest Ihr derzeit?
Theophagos:
Ich hab von Murakami noch nichts gelesen, kenne aber den Namen. Der liegt mit seinen Büchern immer auf den Bestsellertischen rum. Hätte mir mal beinahe â€Tanz mit dem Schafsmann†gekauft, aber dann doch irgend ein anderes Buch vorgezogen. Hast du noch mehr von ihm gelesen?
Gr Alechadro
Re: SUBs...oder was lest Ihr derzeit?
@Alechandro: Von Murakami habe ich neben "Afterdark" noch "Wilde Schafsjagd", "Hardboiled Wonderland" und die Kurzgeschichtensammlung "Frosch rettet Tokyo" gelesen. Gefallen haben sie mir alle. Ich finde den Stil Murakamis großartig: Komplett bizarre und groteske Situationen kann er unglaublich lakonisch schildern. Banales wird spannend und Bedrohliches wirklich einschüchternd. Desweiteren, ich hab's eigentlich schon erwähnt, hat er echt schräge Sachen dabei. "Wilde Schafsjagd" - "Tanz mit dem Schafsmann" ist übrigens eine Art Fortsetzung der Schafsjagd - ist grob gesagt ein sehr eigenwilliger Krimi: Ein Wirtschaftsmagnat mit Verbindung zu einflussreichen Politikern und einer dunklen Vergangenheit in Punkto Kriegsverbrechen heuert einen typischen Murakami-Helden (lakonisch, hartnäckig, aber ohne Eifer, gebildet, feinsinnig, aber kein Genie) an um das perfekte Schaf zu finden - "Wilde Schafsjagd" ist ein absolut treffender Titel. Am Ende gibt es sogar noch einige phantastische Elemente. "Hardboiled Wonderland" ist eine komplizierte - nun ja - Mischung aus hardboiled Krimi und 'esoterischer' Anderswelt. Aus dem Stehgreif kann ich die Kernthematik nicht mehr wiedergeben, aber ich fand das Buch damals ziemlich interessant. Außderm weiß ich seitdem, wie man (theoretisch) das Wissen der Welt auf einem Zahnstocher speichern kann. "Kafka am Strand", welches 2006 den Locus Award gewonnen hat, soll "Hardboiled Wonderland" übrigens wieder aufgreifen. "Frosch rettet Tokyo" ist ein guter Einstieg: Drei Kurzgeschichten, die einen guten Überblick über den Stil geben. Mit 92 Seiten und 7,5 Euro 'n bisschen teuer, aber dafür krieg man auch wieder ein Buch mit sonderbaren Einband. Besonders beeindruckt hatte mich "Birthday Girl". Eine junges Mädchen arbeitet an ihren zwanzigsten Geburtstag. Sie wird zu ihren eigenartigen Boss gerufen - und erhält ein einmaliges Geschenk. Man kann gut über die Geschichte nachdenken.
So viel von mir zum 'Geheimtipp' aus Japan.
Theophagos
Re: SUBs...oder was lest Ihr derzeit?
Ich habe vor einiger Zeit Gefährliche Freundin von Murakami gelesen und fand den Roman in seinem sehr jazzigen, sehr eleganten Ton ganz ausgezeichnet. Ich wollte mir auch auf jeden Fall noch einiges von ihm besorgen...
Es grüßt
Actibus aut verbis noli tu adsuescere pravis.
Re: SUBs...oder was lest Ihr derzeit?
Dann hatte ich ja n ganz guten Riecher damals. Ich frage mich da grad, wie gut sich Japanisch in Wort und Stil in Deutsche übertragen lässt?! Ob das eine Gradwanderung ist? Nichts desto trotz glaube ich euch und hab mir Murakami mal auf den Zettel geschrieben.
Gr Alechadro
Re: SUBs...oder was lest Ihr derzeit?
Nachdem die ersten deutschen Übersetzungen direkt aus dem Japanischen wohl nicht sonderlich gut waren, übersetzt man ihn heute wohl aus dem Englischen, wobei Murakami wohl die englischen Übersetzungen immer selbst redigiert.
Ist schon interessant, inwieweit sich die Sprache auf diesem doch recht langen Weg wohl verändert...
Es grüßt
Actibus aut verbis noli tu adsuescere pravis.
Re: SUBs...oder was lest Ihr derzeit?
Seblon: "Nachdem die ersten deutschen Übersetzungen direkt aus dem Japanischen wohl nicht sonderlich gut waren, übersetzt man ihn heute wohl aus dem Englischen, wobei Murakami wohl die englischen Übersetzungen immer selbst redigiert."
Ich habe in Erinnerung, dass es andersrum geht; in meiner "Afterdark"-Ausgabe von 2005 heißt es: "Aus dem Japanischen von Ursula Gräfe" Bei der Umsetzung von Haikus knirscht es ja immer wegen den Unterschieden im Silbenkonzept. Inwiefern das Deutsche insgesamt den japanischen Sprachduktus einfangen kann, weiß ich nicht.
Henry James' "Das Durchdrehen der Schraube" habe ich durch. Mein erster Impuls war reichlich Verwunderung: Wo ist das denn Ambivalent? Ist doch ganz klar ein psychologischer Roman! Drüber nachgedacht wurde mir klar, dass der Roman sich jeglicher Interpretation enthält - der Text gibt dem Leser wirklich keinen Anhaltspunkt ob es eine Gruselgeschichte oder das Zeugnis einer Verwirrten ist. Wenn es einem klar ist, dann wird nur das eigene Weltbild klar. Dieses ist ein sehr gelungener Aspekt, wie ich finde. Mit dem manerierten Stil komme ich weniger gut klar.
Dann habe ich John Myers Myers "Die Insel Literaria" gelesen. Der Ich-Erzähler Shandon, ein zynischer BWLer aus Chicago, strandet auf der titelgebenden Insel. Dort sind die "Mythen" - literarische Dauerbrenner - lebendig. In drei Abschnitten treibt es den Helden erst zufällig, dann absichtsvoll und schließlich schicksalhaft über die Insel. Mich hat's über weite Strecken gelangweilt. Es schien mir alles zu konstruiert zu sein, die Anspielungen waren mir vielfach zu oberflächlich und die Grundhaltung des Romans gegenüber Frauen zu sexistisch. Es gibt wohl Ähnlichkeiten zu meinem Liebling "Jürgen" (v. JB Cabell), die sind mE aber nur oberflächlich.
Jetzt werde ich Heineleins "Strasse des Ruhms", eine Ton angebende Planetary Romance, angehen. Außerdem habe ich gerade ich Nachricht bekommen, dass VanderMeers "Ein Her für Lukretia" zu mir unterwegs ist, was mich sehr freut.