Sorry fuer die fehlenden Umlaute, aber dies schrieb ich in der Schule...
Er war immer der beste. Beinahe immer laechelte er und hatte tolle Sprueche drauf wie "Arbeit ist das halbe Leben" oder "wenn du keine Zeit hast, es richtig zu machen, wann findest du dann die Zeit es nochmal zu machen?". Er arbeitete Doppelschichten und mehr und war jedermanns Vorbild. Seine Kinder und seine Frau liebten ihn aus ganzem Herzen fuer seinen unermuedlichen Enthusiasmus. Der Chef liebte ihn, weil er vor Arbeitszeit erschien und nach Arbeitszeit ging und die besten Ergebnisse lieferte. Letzten Sonntag waere sein 25. Geburtstag gewesen. Letzten Samstag starb er an einem Herzinfarkt.
Re: Grenzgänger
Der elektronische Impuls
Plötzlich, fast wie ein elektronischer Impuls, blitzt aus den Untiefen meiner kindlichen Seele ein Alptraum empor. Eine simple Mail als Verursacherin und da hinter steht die Wahre. Die Einzige. Die Echte. Diejenige, die jahrelang als das personifizierte Böse herhalten musste. Sie bekommt plötzlich ein Gesicht und schreibt Normales, Menschliches.
hallo, ich weiß nicht, ob du mich kennst vielleicht verwechsle ich dich auch, ich war damals an deiner schule und ich wurde nora genannt. Kannst du dich noch erinnern, dass wir alle zusammen gespielt haben, manuela, christine, jennifer usw.? Würde mich über eine antwort freuen, lieben gruß, ellen
Im Elektronikzeitalter wird jeder einmal gefunden. Eigentlich könnte man sowieso immer gefunden werden. Und so bin nun auch ich gegen meinen Willen aufgespürt worden. Im virtuellen System der losen Sozialkontakte treten die abwegigsten Menschen in Erscheinung. Und sind da. Oder wieder da. Doch an manche von ihnen will ich mich gar nicht erinnern.
Als ich meiner ersten Therapeutin von dem Keller erzählte, mutmaßte sie Missbrauch. Einem vagen Gefühl zufolge unterstellte ich ihr, sie verdächtige meinen Vater. Bis heute kam keine Erkenntnis nach. Außer diesem Kellergefühl. Diesem Gefühl von Schuld, von Ekel. Von Hass und Angst. Muss ich direkter werden? Die Böse zwang mich, auf den Boden zu pinkeln. Das war alles? Zu simpel für einen Alptraum? Ich war elf.
Als ich mich in die Schlange der Kinder stellte, die nacheinander einem weinenden Mädchen Kakao über den Kopf schütteten, da hatte ich kein Mitleid. Nur die Hoffnung, niemals, bitte niemals, die Nächste zu sein. Floss der Kakao auch aus meinem Becher? Ich kann mich nicht erinnern.
An einem stinknormalen Wochentag schwänzten wir die Schule. Die Böse entschied, wir sollten zu mir nach Hause gehen. Ich bekam es mit der Angst zu tun. Meine Sorge bestätigte sich auch, denn sie verbrauchte ohne Skrupel das heilige Haarspray meiner Mutter. Am Medikamentenschrank im Nachbarraum stand ich und suchte wahllos nach Tabletten. Ich wollte woanders hin. Zwei Mädchen wurden beauftragt, auf mich zu achten, damit ich keinen Blödsinn anstellte. Okay, ich habe geweint. Ich war ja erst elf. Doch sie, die Böse, war schon zwölf!
In der verbotenen Wohnung unserer Anführerin roch es nach kaltem Knoblauch. Ihr Bett roch genauso und dort lag ich einmal, vielleicht zwei- oder dreimal und sie auf mir drauf und sie stöhnte und tat so, wie Männer immer tun, wenn sie auf einer wie mir drauf liegen, so sagte sie. Sie schwitzen und stinken und stöhnen und bewegen sich rhythmisch und unrhythmisch. Und man selber lässt sich zerdrücken von der Gewissheit, dass es ganz bestimmt bald vorbeigehen wird. Aber nun hört doch: Wir haben das nur gespielt! Wir wussten nicht, was wir da spielten! Wir waren Kinder!
Im verbotenen Wohnzimmer ihrer verboten Wohnung gab es einen verschlossenen Schrank. Die Böse hatte den Schlüssel. In dem Schrank waren Bücher. Ein Buch schauten wir uns öfter an. Es war ein großer Bildband: Russische Foltermethoden.
Als ich von den anderen festgehalten wurde und die Bitterböse eine Spritze mit frisch geschütteltem Luftwassergemisch an meine Ellenbeuge gehalten hatte, da bin ich nicht nur ein wenig gestorben. Ganz viel gestorben bin ich! Dabei hat die Kanüle meine Haut kaum berührt. Dabei war alles nur ein Scherz gewesen. Ich habe es niemandem erzählt. Vielleicht war ich erst zehn gewesen.
Ja, und dann gab es da noch Dorothea Wiesenweg. Sie war eigentlich eine unwichtige Person. Klein, dick und rothaarig. Gummitwist mit ihr zu spielen, machte mächtig Spaß. Aber ich hasste sie dafür, dass ihre Mutter ihr immer Nutellabrote mit zur Schule gab. Die aß die Böse nämlich am Liebsten. Nie war ich mit meinen Wurst- und Käsestullen die Nummer eins für sie. Nie! Dabei lieferte ich doch schon mein Taschengeld bei ihr ab! Dabei rettete ich so oft ihr Ansehen vor den Erwachsenen!
Erinnerst Du Dich noch an mich?, fragt sie. Ja, ich erinnere mich., schreibe ich zurück. Kurz darauf treffen wir uns.
Meiner jetzigen Therapeutin berichte ich erst gar nicht von der Verursacherin. Sie mutmaßt ja auch nichts. Sie wundert sich nur, weshalb ich mir andauernd diese Demütigung von Männern gefallen lasse und verdächtigt deshalb natürlich meinen Vater. Welche Demütigung?, frage ich sie. Nach den Sitzungen gehe ich oftmals auf direktem Wege in meinen Keller. Zu ihr. Der Wahren, Einzigen, Echten. Ich zwinge sie, vor meinen Augen auf den Boden zu pinkeln. Schließlich habe ich für den elektronischen Impuls extra die Drähte verlegt! Pscht..., sage ich zu ihr, wenn sie zu weinen beginnt, wir spielen doch nur zusammen. Wir sind doch nur Kinder... Und dann hole ich das große Bilderbuch.
Im Elektronikzeitalter wird man nicht vor kindlichen Alpträumen geschützt. Man kann vor ihnen davon laufen, so weit und so lange es geht. Doch just eine Mail als Verursacherin genügt und man fällt erneut hinein. In die Untiefen. In das Gemisch aus Schuld und Ekel, Hass und Angst. Man ist da. Wieder da. Nicht wahr, Nora?
Re: Grenzgänger
"Aus Opfern werden Täter(innen)" einmal ganz anders. Holt die LeserInnen bei Klischees ab, spielt mit diesen Klischees und räumt letztlich auf leicht schaurige Weise damit auf. So lese ich es.
Gefällt mir.
Frauen neigen zum Gegenteil.
____________________ Hier stand früher: "Frauen neigen zum Gegenteil." Aber jetzt nicht mehr.
Re: Grenzgänger
Ich finds gut geschrieben. Inhaltlich ist es mir, glaube ich, zu viel Psychogramm. Ich finde, Gräfin, du solltest viel stärker abstrahieren von dem, was du erzählen willst. Aber ich lese deine Texte mittlerweile auch weit kritischer, als vor einem Jahr. Da hätte ich gesagt: Was für ein geiler Text!! Heute gucke ich immer stärker danach, ob ich das kaufen würde, ob ich das auf der Bühne sehen möchte, ob es mich anspricht, anregt, berührt. Zur Zeit finde ich sogar den Threadnamen Grenzgänger problematisch, denn wenn etwas als Gratwanderung angekündigt wird, hängt die Messlatte schon viel zu weit oben. Schreib weiter!
Re: Grenzgänger
Ich denke über Abstrahierung nach... Was genau meinst Du da mit?
Re: Grenzgänger
Weiß ich doch auch nicht! Das ist mir grad zu abstrakt:-) Nene, ich weiß schon, was ich meine, aber das ist was grundsätzliches. Komm Kaffee, dann Erklärbärin.
Re: Grenzgänger
Frau Bärin, ich hab keine Zeit für Kaffee! Dennoch: Ich wollte nicht abstrahieren, ich wollte konkretisieren! Ja, so wars.
Und dann fällt mir noch was ein: Immer wenn ihr denkt Achtung, Klischee! Dann frage ich Euch: Was ist dann das Leben?
Re: Grenzgänger
Wenn ich von "Klischees" spreche, meine ich das absolut nicht als negative Kritik!
Frauen neigen zum Gegenteil.
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Re: Grenzgänger
Nee, Götz, ich weiß, wie Du das meinst. Ich habe das nur hinzugefügt.
Re: Grenzgänger
Ach so. Dann bin ich beruhigt. :-)
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