Die Otr lag im Hafen und Narfi Langnarbe überließ seinen Männern die Übernahme der wenig wertvoll wirkenden Fracht der Schwarzen Braut, mit der man auch nicht gerade zimperlich umging. Die beiden schweren Fässer wurden an den Mastfuß gestellt und festgezurrt. Dort teilten sie die Gesellschaft mit großen Ballen von Ladung, über die Narfi und sein Stefnir gerade munter am Kai feilschten. Sie bestand aus gutem und geruchsstarkem Tyske Fisk, welcher nach zähen Verhandlungen alsbald entladen und in den Speichern der Stadt verschwinden sollte. Dann nahm Narfi den üblichen Weg zum Wehrhof der Nordleute, der sich unweit des Hafens befand und geraume Zeit lang die Stadtwachen dieses Viertels stellte. Hier befand sich die Vertretung der Nordleute für das Festland und Narfi hatte Botschaften und Befehle des Hersirs zu überbringen.
Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als er mit einem Bündel zum Hafen zurückkehrte und langsam die Männer wieder sammelte. Die Nordleute scherzten, aber sie ließen keinen Zweifel daran, daß sie noch heute nach Runkel zurückerwartet wurden. Narfi warf einen Blick auf den leeren Liegeplatz der Braut, welche schon längst abgelegt und in der Ferne verschwunden war. Nun war es Zeit, ihr auf die See zu folgen und er gab Signal zum Ablegen. Sanft stieß man die Skúta vom Kai ab und fuhr die Riemen aus. Der Hersir aus Skógar war stolz auf die elegante Linie seines Schiffs, auch wenn es kleiner als viele andere Herskip war. Dennoch hatte es 16 Ruderbänke und neben dem Hersen, dem Stefnir und den Wachführern zweiunddreißig gewappnete Landsleute aus Eisland an Bord.
Mit kräftigen Schlägen ließ die Otr den Havn von Perhafen zurück und glitt in die Strömung des Harr. Narfi ließ weiterhin Rudern, da das aufgewärmte Land für auflandigen Wind sorgte. Erst wenn sie die See erreicht hatten und das Delta und das Festland hinter ihnen verschwunden war, erst dann würde er sich mit der seltsamen Ladung beschäftigen, die er gewiß nicht nach Runkel zu bringen hatte. Nein, viel weiter würde ihn die Reise führen, als den kurzen Schlag nach Normanshavn...
Re: Im Auftrag des Falgahten V
Der Westwind war nur schwach aber stetig. Die Windrichtung blieb gleich, und auch die Windstärke änderte sich kaum. Wie ein Schwan stolzierte die Schwarze Braut Richtung Norden. Wie ein Schwan so stolz mit vollen Segeln. Alle Stag-, Gaffel- und Rahsegel selbst die Leesegel waren gesetzt. Auch die selten verwendte Achterspirre war angeschlagen und mit Zeug gesetzt. So machte die Braut trotz des schwachen Windes ganz ordentliche Fahrt. Obwohl der Wind so stet blies, war die Wache vollbesetzt. Hier wurde gebrasst, dort ein Tau gezupft. Ein wenig hier und ein wenig dort. Immer wieder wurde das Zeug so gut es ging an den Wind gebracht. Es herrschte eine ruhige sehr aufmerksame Athmospäre. Fast alle waren froh wieder auf See zu sein - bis auf Sistra Andra und Lares vielleicht. Der Winter war lang gewesen und sie hatten in Perlhafen festgesessen. Nicht ohne Grund und zu einem guten Zweck, aber trotzdem wie eine Muschel in der Wüste. Das war den Klabautern sei Dank nun ersteinmal wieder vorüber. Nach Kapitän Speigatts heroischer Ansprache und Heins knapper Information wußten alle, dass es sein konnte, dass sie einen Kampf bestehen mußten. Sie fuhren sehenden Auges in eine Falle. Möglicherweise. Es konnte auch sein, dass überhaupt nichts passieren würde. Und sie eine schnelle Reise ohne Zwischenfälle erlebten. Aber so richtig glaubte keiner daran. Sie waren in den letzten Jahren durch viele Schlachten gegangen. Schlachten, die das Rückgrat der Braut gebrochen hatten und sie die Hälfte der Kameraden gekostet hatte. Da würde es dann halt eine weitere Schlacht geben. Und sie würden wieder bluten und wieder würden Freunde in ihrer Hängematte in die See gehen. Für immer. So neu war das für die Seeleute der Braut nicht. Wenn nur das Schiff weitersegelte. Wenn nur die Braut entkam. "Segel zwei Strich backbord." Ismael war wie immer aufmerksam. Sie waren nicht mehr weit von der tiranaischen Meerenge entfernt und Schiffe waren hier nicht selten. Auf dem Achterdeck wurden Kieker gezückt. "Schiff ist eine Kogge!" Kam vom Spökenkieker. Jocke van Helgen juckte es in seinen Fingern. Eine Kogge in Reichweite. Das versprach schnelle und fette Beute. "Sie hat londrischen Schnitt, der plumpe Bug ist unverkennbar." sagte Hein zu ihm. "Eine londrische Kogge? Hein, das wird ein Spaß!" Jocke rieb sich die Hände. "Leider nicht, Jocke. Leider nicht." Hein hielt die Kogge weiterhin im Blick. "Wir müssen sie ziehen lassen." Ein wenig wehmütig schaute Jocke rüber zu dem kleinen plumpen Schiff. "So zieh denn weiter unbehelligt deiner Wege kleiner Londrier. Du weißt gar nicht, welch ein Glück du heute hattest. Lebe wohl und allzeit eine handbreit Wasser unter dem Kiel." Das Schiff zog langsam an Backbord vorbei und wenn man sich anstrengte, konnte man von weitem schwache Gesänge hören. "....iiiiiiiinas....Looooondriiiiiiiiii....."
Re: Im Auftrag des Falgahten V
So weit, so gut. Die Fracht war immer noch gut gesichert. Keiner hatte sich an den Tauen zu schaffen gemacht. Hilke und Xiana standen bei den Kisten und Fässern. Jede eine Laterne in der Hand. Jetzt leuchteten sie in jede noch so kleine Lücke um vielleicht irgendetwas ungewöhnliches zu finden. Es könnte ja sein das doch irgendein mechanisches Krabbeltierchen an Bord gekommen ist. Aber auch diesmal fanden sie nichts. Zum Glück. Xiana nickte Hilke zu und die beiden machten sich auf den Weg zurück an Deck. Sie löschten die Laternen und während Hilke sie wieder an ihren Platz brachte ging Xiana zu Hein und machte ihren Bericht. Wie jeden Tag hatte sie nur zu berichten, das alles in bester Ordnung war. Und wie jeden Tag grinste Hein sie bei ihrem Bericht breit an. Doch sie wusste das das noch nicht alles war. Diese Arbeit war vielleicht eine kleine Strafe. Doch es würden wohl noch andere kommen. Xiana machte sie gewissenhaft. Denn es war ein guter Preis dafür, das Hein seine Hand wieder voll bewegen konnte wenn sie endgültig verheilt war. Irgendwann würde er ihr noch dankbar dafür sein. Es brauchte nur seine Zeit. Hilke kam zu ihnen auf das Achterdeck. Ihr schien es sehr gut zu gehen. Sie hatte erzählt, das das ihre erste Reise zur See war und trotzdem zeigte sie keine Anzeichen der Seekrankheit. Sie würde eine gute Seefahrerin abgeben dachte sich Xiana. Sie reute sich das bis jetzt alles gut gelaufen war. Sie kamen gut vorran und alle waren sehr entspannt bei ihrer Arbeit. Hoffentlich würden sie ohne Zwischenfälle an ihrem Ziel ankommen. Alle hatten sich eine ruhige Reise verdient.
Re: Im Auftrag des Falgahten V
Hein hatte Sistra Andra, Lukius und auch Lares noch einmal seinen gesamtes Regelwerk mitgeteilt. Dass sie sich beim Ernstfall in der Messe einfinden sollten und grundsätzlich niemandem im Weg stehen sollten. Er hatte Lares und auch Andra die Benutzung des Kartenraumes gestattet, natürlich mit den üblichen Auflagen. Bei den beiden wußte Hein, dass sie pfleglich mit den Gerätschaften umgingen und dass hinterher kein "Linsien" oder "Bohnien" auf den Karten auftauchen würde. Hein meinte zu bemerken, das Andra zuweilen etwas grün um die Nase war, aber im Großen und ganzen hielten sich die Landratten ganz gut. Und Lukius fing an, richtig Spass auf der Braut zu haben. Er tobte nur so über das Deck und Sistra Andra hatte ihre liebe Müh, mit ihm Schritt zu halten. Aber der Junge war an Bord gern gesehen und Ole war sichtlich begeistert einmal nicht der "Kleine" an Bord zu sein. Lares schien etwas reservierter zu sein als sonst, irgendetwas schien an ihm zu nagen. Aber Hein hatte so viel im Kopf, dass er sich da bisher nicht hatte drum kümmern können. Er ließ jeden Tag Schießübungen durchführen ohne die Geschwindigkeit der Braut zu verringern. Das ging dann halt nur mit den Heckgeschützen an einem gezogenen Ziel. Aber Hein war zufrieden. Die Leute waren nicht nachlässig geworden. Und nach den paar Tagen auf See war die Mannschaft wieder so schnell und fit wie eh und je. Vor zwei Glasen hatten sie Land gesichtet und mittlerweile fuhren sie in die Tiranaische Meerenge ein. Auf ihrer Reise gab es vielleicht zwei oder drei Gegenden an denen Hein lauern würde, wenn er die Aufgabe hätte, die Braut abzufangen. Die Tiranaische Meerenge war eine davon. Er schaute nochmal den Horizont ab und prüfte den Wind. Dann begab er sich auf seine Position hinter Jocke auf dem Achterdeck. "Schiff klar zum Gefecht! Alle Mann auf Position!" Klar schallte seine Stimme über die Braut. Klar zum Preludium.
Re: Im Auftrag des Falgahten V
Nichts. Aber auch gar nichts. Vier Schiffe hatten ihren Kurs gekreuzt. Alles Handelsschiffe, die eher vor der Braut scheuten, statt auf Abfangkurs zu gehen. Bisher war keine Gefahr erkennbar. Nachdem sie die Tiranaische Meerenge durchquert hatten, hob Hein den Kampfbereitschaftsstatus wieder auf. Auf offener See würden sie nur sehr schwer überrascht werden. Es war unnötig, die Mannschaft volle Wachen gehen zu lassen, wenn ihnen fast sicher genug Zeit blieb, vor einem Kampf gefechtsklar zu machen. Er stapfte in den Kartenraum und überließ Jocke die Braut. Lares im Kartenraum schaute kurz auf und Hein brummte etwas wie eine Begrüßung. Dann rollte er eine grobe Karte der östlichen See ab. Die Tiranaische Meerenge, dann die Untiefen bei Vesland und die Söderlandpassagen. Beim jetzigen Wind war es sehr leicht, den Untiefen auszuweichen und dabei kaum Zeit zu verlieren. Der leichte Südwind drehte zwar immer wieder nach Westen, aber die Grundrichtung blieb Süd. Und seine alten Knochen müssten sich schon sehr irren, wenn der Wind nicht wenigstens einige Tage so blieb. Also würden sie nicht duch die Untiefen segeln müssen. Blieb folglich Söderland. Die südliche Passage war deutlich kürzer, aber eine Falle, wenn der Wind aus dem Westen kam. Und die Passage war nur sehr eng, lange Schläge gegen den Wind waren kaum möglich. Die nördliche Passage bot deutlich mehr Raum, war aber gut 50 Seemeilen länger. Und ihre natürliche Form wie ein Keil gab die Möglichkeit bei Westwind mit zwei langen Schägen zu kreuzen. Bei Nordwind jedoch waren sie festgenagelt. "Wir werden sehen!" sagte er laut. Lares schaute kurz auf, und fragte sich, was Hein wohl gemeint haben könnte. Aus der Achterkajüte war ein Gekicher zu hören. "Oh..oh...oh...Admiral...oh...ihr seid so...hihihi...Admiral Speigatt..."
Re: Im Auftrag des Falgahten V
Der Wind blies mal von West, dann wieder von Süd und dann irgendwo dazwischen. Hein hatte sich deshalb entschieden, die nördliche Route um Söderland zu nehmen. Zwar länger, aber bei genau diesem Wind wahrscheinlich sogar schneller. Jocke hatte zwar kurz die Stirn gerunzelt, sich aber nicht beschwert. Wenn der Wind von Westen kam, war das die deutlich bessere Wahl. Bei Südwind wäre die Südroute jedoch eindeutig schneller. Die Braut machte gute Fahrt. Wind war zwar nicht besonders stark, aber er blies stetig und so konnte man volles Zeug fahren. Auf dem Mitteldeck wurde Sistra Andra gerade von Lukius durchgekitzelt und Lares schaute ein wenig verträumt über das Meer und den strahlend blauen Himmel. Nur da und dort ein paar Schönwetterwolken, die besagten, das das Wetter wohl noch eine Weile so bleiben würde. Langsam machte sogar ihm das Segeln Spass. "Segel backbord!" Ismael war wachsam auf seinem Posten. Auch das Segel war nicht ungewöhnlich. Das war eine stark befahrene Wasserstraße hier. Eigentlich recht gutes Jagdrevier. Mit seinem Kieker konnte Hein noch nichts erkennen, für ihn war das entdeckte Schiff noch hinter der Kimm. "Segel jetzt Kurs auf die Braut!" Das war ungewöhnlich. Fast alle Segler gingen der Braut aus dem Weg. Hein stieg aufs Schanzkleid und lugte nochmals durch den Kieker. Ja, diesmal konnte er ein Segel knapp über dem Horizont erkennen. Rahsegel, und geteilt. Zu sehen war ein Mars oder Topp. "Weiteres Segel im Kielwasser des ersten." Hein wurde nervös. Das waren zwei Schiffe, die Kurs auf die Braut nahmen. Das hieß nichts Gutes. Hein schaute kurz zu Jocke. Der schaute ernst zurück. "Schiff gefechtsklar machen! Alle Mann an Deck!" Seine Achterdeckstimme rollte über das Schiff. Die Schiffsglocke läutete sturm. Sie fuhren zwar auf einem langsameren Kurs, aber die verfolgenden Segler würden auf ihn einschwenken müssen und damit ebenfalls an Fahrt verlieren. Nur die allerwenigsten Schiffe würden die Braut so einholen können. "Jocke, einen Strich steuerbord." Hein wollte wohl auf Nummer sicher gehen. Jocke nickte nur und schickte die Braut auf den leicht geänderten Kurs. Über die nächsten zwei Glasen kamen die Segel näher und wanderten immer mehr nach achtern. Jetzt konnte man sie recht gut auch ohne Kieker erkennen. Zwei Dreimaster, rahgetakelt. Allein ihr Schnitt verriet schon die Herkunft, auch ohne dass Hein den Kieker an die Augen nahm. "Fleur de Lis." sagte er nur kommentarlos. Das hatten alle schon vorher erwartet. Die verfolgenden Schiffe liefen jetzt im Kielwasser der Braut. Und es sah nicht so aus, als würden sie näher kommen. Der Mittag verstrich und die Schiffe waren noch nicht näher gekommen, im Gegenteil, es sah aus als ob die Braut ihnen langsam davon lief. Hein lies Essen ausgeben. Falls es zu einem Gefecht kam, war es immer gut, wenn man was im Magen hatte. Und wer wußte schon, wie lang diese Verfolgung noch dauern würde. Aber auch nach dem Essen war die Braut von den Schiffen weiter entfernt als vorher. So würden sie sie nicht einholen können. Hein lies trotzdem die Segel stetig anbrassen und ein weiteres Stagsegel setzen. Alle Augen waren auf die Verfolger aus dem Frankenland gerichtet. Fast alle Augen. "Segel drei Strich steuerbord voraus!" Hein schreckte hoch. Schnell für seine Alten Tage enterte er zu Ismael auf. Kaum auf dem Mars angekommen, hatte er den Kieker schon am Auge. Segel, nicht eines, es waren sogar zwei. Und diese Schiffe versuchten der Braut den Kurs abzuschneiden. Zwei vor ihnen, zwei hinter ihnen. Das sah übel aus. "Verdammt!" Hein schob seinen Kieker wieder zusammen.
Re: Im Auftrag des Falgahten V
Jocke schaute zu Hein hoch und wartete auf Kommandos... "Na toll... wie in alten Zeiten..." nuschelte er in seinen Bart. Speigatt stieg gähnend zu Jocke aufs Achterdeck und streckte sich... "Was is'n los Jocke? Der Hein Brüllt ja wieder wie kein anderer..." Jocke schaute verdutzt zum Käptn der scheinbar wiedermal nix mitbekommen hat. "Piet, wir werden von den Franzosen eingekreist..." Speigatt kratzte sich an einer Stelle die man nur als Sperrzone betiteln würde und nickte... "Lass mich raten, die Situation ist aussichtslos und die Chancen stehen gegen uns?" Jocke wog den Kopf leicht hin und her "Kann man so sagen Piet..." Speigatt streichelte sich seinen Bauch... "Dann ist ja gut, weitermachen, ich Ess was und leg mich wieder hin..."
Jocke schlug sich die Hand ins Gesicht als Piet sich umdrehte und wegging... "Dieser Käptn..."
Xiana die sich das Schauspiel mitbekommen hatte konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Doch da schien Hein schon wieder vom Ausguck runter zu kommen.
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ICH HAB AUCH MAL SPAGHETTIS GEGESSEN!!!
Re: Im Auftrag des Falgahten V
Einige hundert Seemeilen entfernt...
Der stilisierte Otter-Kopf ragte hocherhoben empor und Gischt umfegte ihn, als der Bug der Otr sich in das nächste Wellental sengte. Das Schiff lief gut, denn obwohl das Segel auf die letzte Reffreihe gerefft war, machte es enorm fahrt. Es nahm nochmals an Geschwindigkeit zu, als es die Woge hinab ritt, welche vielleicht drei oder vier Mann hoch war. Die Augen von Narfi Langnarbe glitzerten, während er bei diesem Wetter das Ruder mit seinem Stefnir zusammen hielt und die Hömlumenn das übergehende Seewasser lenzten.
Belustigt sah er zu seinen Gästen hinüber, die sich nahe des Mastes zusammenkauerten. Sie waren vor Tagen auf Hoher See aus ihren Versteck herausgelassen worden, sobald die Küste am Horizont verschwunden war. Es waren für Narfi ebenso seltsame Fremdländer gewesen, wie es die Einheimischen aus Danglar waren und so war es außer einer kurzen Begrüßung bislang zu keinen tiefgreifenden Gesprächen zwischen ihnen und der Mannschaft gekommen. Das lag sicherlich auch daran, daß nur wenige Eisländer die mittelländische Sprache ausreichend beherrschten.
Der Wind war ihnen in den ersten Tagen hold gewesen und blies sie mit stetiger Kraft ihrem Ziel entgegen. Die eisländische Skuta machte hierbei gute Fahrt und sie legten wohl an die zweihundert Meilen allein an einem Tag zurück, bevor er weiter auffrischte und sich schließlich am vierten Tag dunkle Wolken am Horizont bemerkbar machten. Das Unwetter zog jedoch südlich vorbei und dennoch erreichten seine Ausläufer die Otr mit ausreichend Wucht. Die See baute sich binnen weniger Stunden auf und Gischt begann sich von den Wellenkämmen zu lösen und Schaumstreifen sich in Windrichtung abzusetzen. Die Männer hatten sehr zu kämpfen, als das Segel gerefft werden mußte und sie kurzzeitig ein Spiel der Wellen wurden. Narfi hatte ein langes Tau als Treibanker befohlen, um während dieser Arbeit wenigstens etwas Stabilität zu bekommen.
Die Gäste indes zeigten sich - spätestens als der Regen einsetzte - etwas mitgenommen. Die Nordmänner trugen Mäntel aus Walroßhaut, der selbst Seewasser nichts anhaben konnte, doch die Wollkleidung der Gäste war rasch klamm. Als Narfi und sein Stefnir mit dem Ruder kämpften, da hatte zumindest einer der Männer der Tagwache erbarmen und kramte den Gästen eine Plane aus demselben Leder hervor, mit der sie sonst die Ladung abdeckten. So konnten Sie sich darunter kauern und hatten ihren Platz am Mast seitdem nicht mehr verlassen. Auch als der Regen nachließ und das Schiff nur noch ein Spiel des Winds und der See war, da rührten sie sich kaum und warfen nur finstere Blicke um sich.
Narfi genoß indes das Farbenspiel der herabsinkenden Sonne, welche nun durch die aufreißende Wolkendecke lugte und den Abend sowie die nahe Nacht ankündigte. Er hatte in seinen Lederbeutel gegriffen und kaute vergnügt auf einem Stück klammen Trockenfisch herum...
Re: Im Auftrag des Falgahten V
Hein lies sich den Mars herab. Auf seiner Stirn hatten sich viele Falten gebildet. Vier Schiffe, das sah übel aus. Vier. Zwei bugwärts, zwei achtern. Die beiden Schiffe bugwärts würden versuchen, die Braut lahm zu schießen und die beiden achtern würden dann aufschließen und ihr den Rest geben. Ein guter Plan, ein sicherer Plan. "Verdammt!" zischte Hein vor sich hin. Jocke schaute Hein fragend an. "Diesmal haben sie uns bei den Eiern!" Hein nickte nur. "Xiana, bring Ole und Lukius ins Kabelgatt. Ole soll auf den Kleinen aufpassen. Er steht mir mit seinem Arsch dafür gerade, dass dem Kleinen nichts passiert." Und Ole war nebenbei auch aus der Schußlinie. "Jocke, geh wieder näher an den Wind, wir müssen mehr Luv gewinnen." Jocke nickte. "Geschützmannschaften! Bug und Heckgeschütze mit Bleikugeln laden, doppelte Ladung!" Das würde die schönen Langlaufgeschütze ruinieren. Aber Geschütze waren ersetzbar, wenn nur die Braut ganz blieb. "Backbord und Steuerbordmannschaften, laden mit Ketten und Kettenkugeln!" Sofort kamen die Bestätigungen von den Geschützmaaten. "Heute werden wir zeigen müssen was wir können. Die Franzmänner werden versuchen die Braut mit purer Gewalt zu nehmen. Das haben schon viele versucht. Bisher ist es noch keinem gelungen. Sie werden versuchen, die Braut auf den Grund zu schicken. Das werden wir nicht zulassen, die Landratten und Dreckwühler wären besser auf ihrem Misthaufen geblieben. Wir werden ihnen beibringen, das sie auf dem Wasser nicht zu suchen haben! Und jetzt bewegt eure faulen Ärsche ihr Bilgenratten!" Und ein großes Gejohle war die Antwort. Jocke schaute Hein an. Der hielt normalerweise keine großen Reden. Das überließ er sonst dem Piet. Es mußte wahrlich schlecht um sie stehen, wenn Hein das diesmal selber machte. "Jocke, mach dich schon mal kampfbereit und bring mir bitte meine Brigantine und den üblichen Kram mit. Ich übernehme das Ruder so lang." "Verdammt!" murmelte er in seinen Bart, als Jocke nach unten stapfte. Und seine Stirnfalten wurden eher noch tiefer.
Re: Im Auftrag des Falgahten V
Hein rief Lares und Sistra Andra auf das Achterdeck. Den Beiden war wohl noch nicht so ganz klar, was der ganze Trubel an Deck wohl zu bedeuten hatte. Andra und Lares hatten schon so langsam Seebeine bekommen, auch wenn sie sich im Vergleich mit den Seeleuten noch immer etwas unbeholfen über das Deck bewegten. "Was ist denn los, Hein?" fragte Andra direkt. Auch Lares schaute ihn fragend an. "Zwei Schiffe hinter uns und zwei vor uns machen Jagd auf die Braut. Und so, wie sie sich positioniert haben, werden wir ohne Kampf nicht an ihnen vorbei kommen. Wir werden versuchen einem Kampf auszuweichen, aber die Chancen dazu stehen schlecht. Wenn sie nicht völlig unfähig sind können sie uns zu einem Kampf stellen. Wir werden folglich Verwundete haben. Ich wäre euch beiden sehr dankbar, wenn ihr mit eurem Wissen dazu beitragen könntet, das möglichst alle der Mannschaft den Kampf überleben. Frauke ist zwar mittlerweile als Knochenflicker recht gut, aber ich würde sie auch dringend zum Segelflicken benötigen. Wenn ihr folglich die Messe, die gerade zum Lazarett umgebaut wird übernehmen würdet, wäre ich euch beiden sehr verbunden. Wenn ihr etwas braucht, so wird Xiana es euch besorgen, wenn es komplexer ist, kommt direkt zu mir. Wir werden alles was möglich ist auch möglich machen. Xiana wird euch die Verwundeten zuführen."