Die aus kurzer Distanz geschossene Breitseite zerfetzte die Segel und riss ettliche Stags und Wanten ab. Den Effekt der Drebassen konnte man von Bord der Braut nicht genau abschätzen, dafür war einfach zu viel Rauch und Dunst in der Luft. Aber der eine oder Andere Franzose wurde von den Füßen gerissen. Die Braut glitt weiter. Wenn der Zweimaster sie jetzt bestreichen wollte, mußte er den Bug gegen den Wind setzen. Das tat er nicht. "Klar zum Segelmanöver!" Brüllte Hein in die Hektik auf den Decks. "Jocke, Ruder hart backbord, auf den Alten Kurs!" Wieder kam die Braut herum. Nun würde sie den Zweimaster längseits passieren. Und auch seine Geschütze. Aber die 'Elegante' deckte die Braut auf einem guten Stück gegen den Donnerer. Jocke verstand jetzt warum Heins Laune sich kurz vor den Manövern gebessert hatte. Die Backbordgeschütze hatten sehr schnell nachgeladen und jagten ihre Geschosse in die Takelage des kleineren Schiffes. Aber die Antwort von drüben ließ nicht auf sich warten. Neben Hein und Jocke verschwand ein Teil des Schanzkleides und mit ihm der Triefaugenjan. Hein konnte auf dem Mitteldeck Holz splittern sehen. Bei der 'Elegante' krachte die Fockmarsrah herunter und auch Großluggerstenge. "Jocke, zwei Strich abfallen!" Das bedeutete, dass sie wertvolles Luv verlieren würden. Jocke runzelte die Stirn. Hein hielt den Blick achtern. Und auch Jocke riskierte kurz einen Blick nach hinten. Der kleinere Franzose deckte die Braut gegen den Donnerer. Die schweren Geschütze des Riesen konnten also nicht gegen die Braut eingesetzt werden. Aber das ganze auf Kosten von wertvoller Luvposition. Hein grinste, sie hatten die Franzosen kalt erwischt. Die wollten die Braut unbedingt stellen und hatten sich dabei behindert. Er wollte jetzt nicht der Kapitän des Zweimasters sein. Aber der Tanz war noch nicht vorbei. Durch ihr Manöver hatten sie ihre Segelposition verschlechtert. Sie mußten wieder Luv gewinnen, wenn sie nicht Beute des Donneres werden wollten. "Klar zum Segelmanöver!" brüllte Hein wieder."Jocke, hart an den Wind!" Der Zweimaster trieb schwer verstümmelt mit dem Wind. Am Heck war Rauch zu erkennen. Irgendetwas mußte dort in Brand geraten sein. Was machte die 'Le Tonnant'? Durch den Rauch und den Zweimaster war es nicht genau zu erkennen. Doch dann rauschte der Donnerer mit fliegenden Segeln aus dem Dunst. Er hatte eine Wende gemacht und lag gut in Luv der Braut. Und kam mit hoher Geschwindigkeit näher. Und mit dem Wind war der Riese sogar schneller als die Braut. Heins gute Laune verflog.
Re: Im Auftrag des Falgahten V
Xiana war sofort zu den verwundeten gelaufen. Ihre Gruppe war emsig damit beschäftigt die Verletzten unter Deck in die Messe zu bringen. Noch waren es nicht so viele. Die meisten hatten Splitterwunden die gesäubert und genäht werden mussten. Solange es noch ging und sie entbehren konnte, half Hilke in der Messe mit den Verletzten. Xiana lief hin und her und suchte nach schwer verletzten. Zum Glück fand sie noch welche. Die meisten konnten auf ihren eigenen Beinen hinunter steigen. Als sie das erledigt hatte rannte sie auf das Achterdeck zurück um zu sehen was passierte. Der Donnerer kam geschwind auf sie zu und Hein stand der Schweiß auf der Stirn. Damit hatte er wohl nicht gerechnet. Bis jetzt hatte alles gut für sie ausgesehen doch jetzt wendete sich das Blatt. Mit Mühe riss sie ihren Blick weg und schaute über das Deck der Braut. Alle beeilten sich so gut sie konnten die Beschädigungen wieder halbwegs in Ordnung zu bringen. Weitere Pulverfässer und Kugeln wurden an Deck geschleppt und neue Lunten wurden verteilt. Hoffentlich ging es den zwei Burschen unten gut. Und hoffentlich kam keiner von ihnen auf dumme Gedanken. Wieder richtete Xiana ihren Blick auf den Feind. Der Zweimaster war stark beschädigt aber das hinderte die Donnerer nicht am näherkommen. Xiana sank der Mut.
Re: Im Auftrag des Falgahten V
Der Riese rauschte heran. Es würde nicht lange dauern, bis er sie eingeholt hatte. Und er würde dann immer noch die Luvstellung halten und das Gefecht bestimmen können. Fieberhaft drehten sich sich die Gedanken in Hein Schädel. Was tun? Was tun? Aber seine Überlegungen liefen in Schleifen. Immer wieder herum und herum. 'Ganz ruhig, Hein!' sagte er zu sich selbst. Wie hatte der alte Wiggert immer gesagt? 'Nimm hin was du nicht ändern kannst!' und auch 'Wenn du einen Stiefel angelst und er passt nicht, dann kannst du immer noch Suppe draus kochen!'. Hein grinste in sich hinein. Was für ein versoffener Labersack. Aber vielleicht sollten sie Suppe kochen. "Klar machen zum Segelmanöver!" brüllte er über das Deck. "Backbordbatterie bei Feuerbefehl auf die Takelage halten, danach alle Ladeschützen auf die Steuerbordseite." Hein guckte Jocke schmunzelnd an. "Herr van Helgen, fallt doch bitte ein paar Strich ab, sodaß wir ordentlich Fahrt aufnehmen können." Sie würden dem Riesen nicht ausweichen können, aber sie würden bestimmen können, wann es zum Schußwechsel kommen würde. Und die Braut war wendiger. Und genau das würden sie ausnutzen. Die Braut legte ihre Nase herum und segelte mit dem Wind auf dem Kurs des Verfolgers. Obwohl die Braut jetzt wieder deutlich an Fahrt zunahm, kam der Donnerer immer näher. Und seine Buggeschütze schossen. Und die Heckgeschütze der Braut antworteten. "Klarmachen für die Wende!" Brüllte Hein. Jocke wurde bleich. Eine Wende im Schußbereich des Gegners. Wenn sie da im Wind liegenblieben, waren sie geliefert. "Backbordbatterie Feuer bei Sichung. Steuerbordbatterie erste Salve auf die Takelung, dann Bleigeschosse laden!" Die Ermahnung, dass sie schnell laden sollten, sparte sich Hein. Das wussten alle genau. "Jocke, Ruder hart steuerbord!" Jocke schob das Ruder herum und Hein half mit. Und die Braut bewegte sich wieder. Und wendete dem Riesen die Backbordseite zu. Krachend entluden sich die Geschütze eines nach dem anderen. Aber auch der Franzose reagierte schnell. Auch er drehte nach backbord ab und präsentierte die Steuerbordbreitseite. Er machte seinem Nahmen alle Ehre, als seine Seite in einer Pulverwolke verschwand. Die Braut hatte derweil schon so weit gedreht, dass sie fast direkt mit dem Bug zu ihm stand. Trotzdem trafen von den unzähligen Geschossen ettliche. Der Bug der Braut zerfetzte in einem Splitterhagel. Der Fockmast bekam Treffer ab und beide Buggeschütze wurden aus ihren Lafetten gerissen. Die Erschütterungen ließen fast alle an Bord der Braut taumeln. Doch dann war die Braut herum und jagte die zweite Breitseite in die Takelage des Donnerers. Der verlohr die Groß-Top - und die Groß-Marsrah. Ganz langsam nahm die Braut wieder Fahrt auf. Mittlerweile war hatte der Donnerer der Braut das Heck zugewand. "Steuerbordbatterie auf das Ruder halten!" brüllte Hein noch in das Chaos an Bord. Er hoffte, dass das noch ankam, dann schossen die Heckgeschütze der "le Tonnant" und rissen die Großgaffel ab. Der riesige Holzstamm krachte auf das Achterdeck und das Großsegel begrub Hein und Jocke unter sich. Doch die Breitseite der Braut zerfetzte das Heck des Donnerers. Hein war zu Boden gegangen. Aber er blieb bei Bewußtsein. Offensichtlich hatte die Gaffel ihn verfehlt. Aber irgendetwas drückte schwer auf seinen Brustkorb und behinderte seine Atmung. Er versuchte an sein Messer zu kommen, konnte es aber nicht erreichen. Jeder Atemzug war eine Tortur. Und erst nach einer Ewigkeit ließ der Druck nach und er konnte wieder voll durchatmen. Dann wurde es heller und Xiana und Harpunenjan zogen ihn aus dem Haufen Tauwerk und Segeltuch, der begraben hatte. Ein wenig schwummerig war ihm schon, aber sonst schien es ihm gut zu gehen. Sein erster Blick war nach dem Donnerer. Im Pulverdampf war er nicht gut zu erkennen. Ein guter Teil seiner Takelage hing daneben, und er trieb ohne Steuerdruck nach Lee. Und die Braut lief in seinem Geschützschatten nach süden ab. "Xiana, Schadensmeldung!" Seine Stimme war eher ein heiseres Krächzen als eine menschliche Stimme.
Re: Im Auftrag des Falgahten V
Xiana wischte sich über die Stirn und schaute sich um. "Na ja...", fing sie an, " Sagen wir es mal so: Sowas wie eben halten wir eher nicht mehr aus. Wir haben gerade drei Mann verlohren und viele sind so schwer verletzt, dass sie nicht mehr kämpfen können. Die meisten haben nur leichte Verletzungen die sie nicht weiter behindern. Und der Rest ist sich gerade zusammenflicken lassen. Wir haben zwei Geschütze die aus ihren Lafetten gerissen wurden und jede Menge andere Schäden an der Braut. Die Gruppe ist gerade dabei diese so gut es geht zu reparieren." Sie schaute sich um und sah, dass auch Jocke wieder stand und sich von den Tauen befreite aus denen er gerade gekrochen war "Hein. Wenn das weiter so geht sind wir am Ende." Hein zog sich auf die Beine und schaute sich um. Xiana hatte Recht. Er nickte. "XIANA!" Der Schrei klang sehr drengend und die Freibeuterin drehte sich auf der Stelle um, um su sehen woher er kam. Sie erblickte eine Gruppe von Männern und einer von ihnen winkte ihnen hektisch zu. Xiana verlor keine Zeit und rannte auf die Gruppe zu. Bei ihnen angekommen sah sie was los war. Eins der Geschütze die sich gelöst hatten lag schwer auf dem Unterkörper eines jungen Mannes. Er war bewustlos. "Worauf wartet ihr denn noch?", brüllte sie die umstehenden Männer an, "Holt sofort das Geschütz von ihm runter! Ihr wisst doch wie das geht! Warum habt ihr das nicht schon längst erledigt?!" Wütend sah sie in die Runde und noch bevor sich einer bewegen konnte setzte sie noch nach: "BEWEGUNG IHR ERBÄRMLICHEN LUMPEN!!!" Alle zuckten zusammen. So wütend sah man Xiana selten. Alle stoben auseinander um das erforderliche Material zu besorgen und die junge Frau stapfte davon um weitere Helfer zu holen. Es dauerte eine weile bis alles erledigt war. Gerade wurde das Geschütz soweit angehoben das zwei Männer den Verletzten wegziehen konnten. Xiana brachte ihn umgehend in die Messe zu Lares und legten ihn dort hin. Als er sich eine grobe Übersicht verschafft hatte schüttelte er den Kopf. " Dieser Mann braucht ganz viel Glück um zu überleben. Er hat wahrscheinlich innere Blutungen und die unteren Rippen sind gebrochen." Xiana sah ihn traurig an. "Tu dein bestes." , sagte sie und ging wieder an Deck. Wut mischte sich in ihre Gefühle. Sie wuchs so sehr heran das sie es nicht mehr aushielt und anfing zu schreien. Alles musste raus. Und als der Schrei über die Braut hallte hielten alle erschrocken in ihrer Arbeit inne und schauten woher der Schrei kam.
Re: Im Auftrag des Falgahten V
Hein versuchte die Benommenheit abzuschütteln. Er brauchte jetzt einen klaren Kopf. Sie liefen jetzt aus dem Feuerbereich des Donneres heraus. Der hätte sie jetzt ganz einfach erreichen können, seine Takelung war besser erhalten als die der Braut. Aber sie hatten ihm das Ruder zerschossen. Er war manövrierunfähig. Wenn sie jetzt die Einzigen im Wasser gewesen wären, könnten sie dem Donnerer jetzt den Rest geben, ohne dass er sich hätte einigermaßen effektiv wehren können. Aber hinter ihnen liefen zwei weitere fränkische Schiffe auf. Und die Braut war schwer angeschlagen. "Xiana, sorg für die Verwundeten. Und wo ist eigentlich Jocke?" Hein wies zwei junge Burschen an, den Kurs zu halten, der sie nach Süden brachte. Dann begann er die Takelung zu überpüfen. Wenn er es richtig in Erinnerung hatte, dann war der Fockmast getroffen worden. Wenn sie ihn verlieren würden, das wär es das gewesen. Er sah Fedder und Frauke am Großmast. Das backbord Backstag war gerissen. Sie versuchten es zu überbrücken und neu zu spannen. Die Pardunen waren auch zum Teil weg. Zumindest die Großwanten sahen noch intakt aus. Die Fockmarsrah war weg und das Großsegel. Der Klüverstag war ebenfalls weg. Und der Fockmast hatte ein üble Kerbe in sechs bis acht Ellen Höhe. Auf dem Hauptdeck kam Hein Ole entgegen. Der hatte blutige Schrammen im Gesicht und hinkte. Er trug den kleinen Lukius auf den Armen. Als Hein ihn sah, befürchtete er das Schlimmste. Er fasste an den Hals des Jungen und er konnte einen schwachen Puls fühlen. Eine dicke Beule zierte die Schläfe des Kleinen, ansonsten schien er unverletzt. Hein atmete auf. Ole schien völlig verstört. Hein versuchte ihn zu beruhigen und schickte ihn mit seiner wertvollen Last in die Messe. Dann runter unter Deck. An der Pumpe ackerten schon sechs Mann. Als Hein tiefer kam traf er den Schiffzimmermann. Ja, sie nahmen Wasser, aber die Einbrüche waren schon mit den Versatzstücken gedämmt und der Pegel sank. Das waren doch mal gute Nachrichten. Wieder oben angekommen schaute er sich den Bug an. Das sah wirklich übel aus. Die Klüverbaum-Klammern und der Steven waren schwer mitgenommen. Nur dem schwachen Wind war es zu verdanken, dass der Baum noch an Ort und Stelle war. Die Braut hatte ordentlich was abbekommen. Ein Blick auf den Horizont zeigte einen weiter weg treibenden Donnerer, eine jetzt lichterloh brennende Elegante und zwei weitere Schiffe. Und sie kamen näher.
Re: Im Auftrag des Falgahten V
"Hiev! Hiev! Hiev!" Ganz ohne Singsang wurde die ehemalige Fockrah als neue Großgaffel gehievt. Die alte Großgaffel trieb in zwei Teilen schon im Kielwasser der Braut. Das Segel selbst war noch zu retten gewesen und an die neue Gaffel angeschlagen worden. Hein wollte den angeschossenen Fockmast nicht mehr mit dem Focktopsegel belasten. Lieber wurde die Rah als Großgaffel angesetzt. Sie hatten zwar noch zwei weitere Spierren der entsprechenden Länge und Stärke an Bord, die Verholung aus dem Kielraum hätte aber deutlich länger gedauert, als die Fockrah anzuschlagen. Der Schiffszimmermann hatte den alten Gaffelschuh angesetzt und Pöpke saß rittlings auf der hochrutschenden Gaffel und schlug weitere Keile in die Gaffelschuhhülse, um den Schuh weiter zu verankern. Mit vieler Hände Arbeit war das Großsegel angeschlagen worden. Das bedeutete, dass die Braut wieder ein wenig mehr Segelfläche an den Wind bringen konnte. Die beiden verbliebenen fränkischen Verfolger waren derweil näher gekommen. Viel näher. Jocke hielt mit seinem dicken Kopfverband wieder das Ruder. Er konnte zwar momentan nur mit einem Auge sehen, und der Schädel dröhnte wie ein Nebelhorn im November. Aber er war der Steuermann der Braut. Und niemand anderer. Selbst Piet ackerte mit. Er war etwas verstört an Deck erschienen, nachdem ein fränkisches Geschoß seine Bettgenossin in seiner Kajüte verteilt hatte. Und Hein hatte ihn sofort eingespannt. Piet war mit einigen Leuten und dem Schiffzimmermann jetzt dabei, den Külverbaum wieder zu verankern. Und machte seine Sache ordentlich. Ohne verankerten Klüverbaum keine Vorstags, ohne Vorstags keine Stagsegel. Fedder hing noch am Großmast und spannte mit Frauke zwei backbord Padunen, die auch das Zeitliche gesegnet hatten. Henne saß deweil auf dem Vordeck und flickte so schnell es seine ungeschickten Finger zuließen die zerschossenen Stagsegel. Titje lag in der Messe auf dem Tisch, sie hatte ordentlich was abbekommen, als ihr das Buglanglaufgeschütz um die Ohren geflogen war. Hilke hatte sie so schnelle sie konnte dorthin geschleppt. Aber Sistra Andra und Lares waren der Meinung, dass sie es wohl überstehen würde. Hein verließ das Achterdeck und eilte zu seinem größten Sorgenkind, dem Fockmast. Wenn sie den verlieren würden, war es um sie geschehen. Sie hatten vier lange Spirren am Mast befestigt und stramm gezogen, und jetzt war Xiana und ihre Gruppe dabei, Planken zur weiteren Stabilisierung anzuschlagen. Sehr solide sah das nicht aus und wenn der Wind ein wenig zunehmen würde, dann flogen ihnen diese Provisorien sicherlich um die Ohren. Hauke befestigte derweil ein neues Tau an der Fockmastspitze, weches das neue Vorstag werden sollte. Erst wenn der Klüverbaum und der Fockmast wieder halbwegs sicher waren und die Stags angeschlagen, konnten sie die Stagsegel wieder hissen. Dann waren sie hoffentlich in der Lage, den Abstand zu den beiden Franken aufrecht zu erhalten. Eine Menge 'Wenns'. Und noch waren sie nicht soweit. Sie ackerten schon fast zwei Glasen und wenn es so weiter ging, würden die Franken in einer in Schußreichweite sein. Und aus den Lenzspeigatts wurde weiterhin Wasser gepumpt.
Re: Im Auftrag des Falgahten V
In der zum Lazarett umgebauten Messe ließ sich Lares auf eine Bank plumpsen, atmete tief durch und versuchte das Wehklagen um sich heraum auszublenden. Sie hatten gerade einem Crewmitglied die linke Hand abnehmen müssen... oder das, was davon noch übrig war. Die meisten Leute die man vor ihn auf den Tisch gelegt hatte waren allerdings glimpflich davon gekommen. Die Wunden nicht sehr tief, die Knochenbrüche glatt und geschlossen. Routine. Was ihm Sorgen machte war die schiere Anzahl der Verletzten. Lares hatte das Gefühl, die halbe Besatzung sei seit dem ersten Kanonendonner früher oder später im Lazarett gewesen. Und wenn er die kleinen Fetzen an Information, die bis zu ihn drangen, richtig zusammengesetzt hatte, dann war die Sache längst nicht überstanden. Der Heiler widerstand dem Drang, an Deck zu gehen und sich selbst ein Bild von der Lage zu machen. Stattdessen brachte er, soweit wie möglich, die Messe in Ordnung, lies sich frisches Wasser, reinigte seine Instrumente, verfluchte die Seefahrt im Allgemeinen und die französischen Verfolger im Speziellen.
Die letzte Planke war angeschlagen. Dennoch gab es noch viel Arbeit. Jetzt mussten sie sich wirklich was einfallen lassen. Xiana sah sich um. Jeder arbeitete wie verrückt um die Braut wieder einigermaßen herzustellen. Wasser! Ihre Kehle war trocken und rau. Und die der anderen bestimmt auch. Xiana schnappte sich ein paar Männer und fing an Wasser an alle zu verteilen. Das würde ihnen gut tun und sie sollten etwas trinken solange sie noch Zeit dazu hatten. Sie selber ging auf das Achterdeck und versorgte Jocke und Hein. Jocke war ziemlich angeschlagen. Auf dem Verband um seinen Kopf bildete sich ein grosser roter Fleck. Doch er weigerte sich seinen Platz an der Ruderpinne zu verlassen. Sie würde ihn zu Lares bringen sobald alles vorbei war. Hein hatte etwas mehr Glück gehabt. Ihm schmerzte die Brust und wahrscheinlich hatte er sich auch die ein oder andere Rippe gebrochen aber er stand neben ihr und dachte nach. Er liess sich nicht viel von seinen Schmerzen anmerken. Aber das kannte sie ja schon. Ihn würde sie fast zwingen müssen sich behandeln zu lassen. Sie selbst hatte keine schwereren Verletzungen als Schnitwunden und jede menge Kratzer. Auch Hilke war nur leicht verletzt. Sie drückte Jocke noch einen Kuss auf und verschwand wieder. Es gab noch viel zu tun. Viel zu viel. Aber zwei hatten sie schon geschafft. Und für die anderen würde ihnen schon was einfallen.
Re: Im Auftrag des Falgahten V
Andern Ortes, weit, weit entfernt:
Roxsana kniff konzentriert die Augen zusammen und setzte den kleinen Knochenbohrer an. Sorgsam begann sie zu drehen, mit sachtem Druck, darauf bedacht, nicht abzurutschen. War das Loch tief genug, durfte man mehr Druck ausüben ... bis ihr eine Veränderung des Schabegeräuschs verriet, dass der Bohrer die andere Seite erreicht hatte. Sie legte den Bohrer zur Seite und nahm ein anderes Werkzeug zur Hand, einen spitzen Pfriem, mit dem sie ein traditionelles Augenmuster in die kleine Perle ritzte. Ihr Blick wanderte zur modernen burgundischen Haube, die neben dem Perlenschälchen auf dem Tisch lag. Fiona hatte sie überzeugt, dass ihr Vorjewer Filzhut nicht recht zu den feinen Kleidern bei den Feierlichkeiten passen würde, aber - ganz wie eine Burgunderin aussehen mochte Roxsana doch nicht. Ein wenig Vorkjew würde sie bei sich tragen. Sie warf die Perle zum kleinen Häufchen fertiger Perlen, nahm eine kleine Knochenkugel vom deutlich größeren Häufchen zukünftiger Perlen und setzte den Knochenbohrer an. Ihre Gedanken schweiften zur Schwarzen Braut, zu Hein, Xiana, Malte - nein, zu dem lieber nicht - und der restlichen Crew. Was die wohl gerade trieben? Lag die Braut in einem Hafen, die Crew drängte sich in den Spelunken? Nein, wahrscheinlich waren sie auf See, in voller Fahrt, mit aufgeblähten Segeln ... ein einsames Schiff, das ruhig durch die endlose Weite glitt ... sie konnte Hein vor sich sehen, wie er an Deck stand. Zufrieden. Daheim. "Roxsana?" Eine Stimme holte sie zurück in die kleine Bibliothek. Hektisch stülpte Roxsana den Hut über die fertigen wie die unfertigen Perlen, ein paar kullerten über den Tisch und rollten unters Regal - die würde sie später suchen müssen - nunja, sie hatte noch Zeit, drei Monate bis zu dieser Adelshochzeit. Mit einer Rand schob sie den Rand des Schälchens unter den Hut, mit der anderen griff sie nach dem obersten Folianten auf dem Stapel und schlug ihn in der Mitte auf. Als Fiona den Raum betrat, saß Roxsana am Tisch, vertieft in Das Wesen der Magie, ganz die hochkonzentrierte, fleißige Schülerin.
Re: Im Auftrag des Falgahten V
Schleppen, sägen, wischen, anschlagen, spleißen, zuschneiden, anpassen, aufentern, bergen, reffen, Vadder hasste all die notwendigen Arbeiten, um während eines Gefechts seeklar zu bleiben. Und wofür? Noch zwei Franzecken im Nacken, die wahrscheinlich die Braut doch noch ins kühle Grab schicken würden. Und einfacher wurde die Arbeit auch nicht gerade dadurch, dass er sich einige üble Splitter an Stellen eingefangen hatte, die er lieber ungespickt wusste. Aber wenigstens war er nicht gleich mit dem Schanzkleid weggeputzt worden wie der arme Kerl neben ihm. Als er gerade einen Belegnagel ersetzte, kam ihm eine Idee. Vor Begeisterung schnitt er sich erstmal mit dem Schnitzmesser in den Daumen. "Master Hein!"