Schmunzelnd zog Hollis die Zudecke über die Beine und drehte sich etwas auf die Seite, um ihn besser sehen zu können. Ja und nein, würde ich sagen. Ich geniese die freie Zeit auf Hawaii, den blauen Himmel und das immer warme Wasser. Aber ich muss gestehen; mir fehlt ein wenig die Herausforderung. Ich nehme an, du verstehst was ich meine. Dabei hob sie leicht die Augenbrauen und konnte sich vorstellen, dass er seiner Pensionierung irgendwann auch mit gemischten Gefühlen entgegen blicken würde. Die Dozentenstelle an der Uni ist ein netter Zeitvertreib, aber ich glaube nichts für die Ewigkeit. Wobei mir im Augenblick allerdings auch keine andere Alternative einfällt. Und du? Sie zog Shanias Teddy vom Nachttisch und begann mit ihm in der Hand zu spielen. Was hast du das Jahr über gemacht, außer dich in die Arbeit gestürzt und dein Team mit Kopfnüssen auf Trapp gehalten? Warst du mal wieder Baseball spielen oder segeln?
Obwohl sie es in ihrer gemeinsamen Zeit nie zusammen schafften segeln zu gehen, waren sie öfters im Yachthafen. Einfach nur spazieren oder nach dem Fortschritt des Ausbaus der Kelly zu schauen. Zudem Zeitpunkt hatte sie natürlich nicht gewusst, geschweige geahnt welche Bedeutung die Kelly für ihn hatte. Erst im Nachhinein, nach dem verhängnisvollem Gespräch mit Ducky erfuhr sie davon.
Re: Ein Wintermärchen
Gibbs
"Das ist eine gute Frage..." Nachdenklich drehte sich der Agent auf den Rücken. "Was habe ich eigentlich das ganze Jahr über gemacht? Um ehrlich zu sein... ich weiß es nicht. Aber zum Baseballspielen und Segeln hatte ich keine Zeit - und wenn ich ehrlich bin, auch keine Lust. Ich wollte nicht allein gehen, und die "Kelly" ist noch lange nicht fertig."
Er dachte eine Weile nach. "Es war ein ziemlich verrücktes Jahr," fuhr er dann fort. "Ich... ich war ziemlich durcheinander, nachdem du gegangen bist. Und dann kam kurze Zeit später eine Freundin von Kelly zu mir... meine Güte, ich hätte sie nie im Leben wiedererkannt. Die kleine Maddie ist in der Zwischenzeit erwachsen geworden..." Er schwieg einen Moment, weil er schmerzhaft daran erinnert wurde, dass auch seine kleine Kelly nun so eine hübsche junge Dame gewesen wäre. Und das sein Rettungsversuch im Hafenbecken beinahe tödlich geendet hatte, verschwieg er ebenfalls.
"Tim hat jetzt übrigens einen Hund," fuhr er betont heiter fort. "Einen riesigen Schäferhund, den er bei einem Einsatz beinahe erschossen hätte. Abby war anschließend von allen guten Geistern verlassen und hätte beinahe den Dienst quittiert. Aber zum Glück hat sich alles aufgeklärt..." Dass Abby den Hund "Jethro" getauft hatte, musste Hollis ja nicht wissen.
"Jennys Tod hat vieles verändert im NCIS," erklärte er abrupt. "Leon... Leon ist ein guter Direktor, je nachdem, von welcher Seite man es sieht. Wir streiten uns häufig, aber bislang kommen wir mehr oder weniger miteinander aus. Du kennst mich, ich nehme mir die Freiheiten, die ich brauche, und dagegen ist er mehr oder weniger machtlos, wenn er nicht die ganz große Disziplinarschiene fährt. Allerdings wäre ich ihm beinahe an die Gurgel gesprungen, als er mein Team auseinander gerissen hat, als wir gerade von Jennys Beerdigung zurückkamen." Er schwieg einen Moment. "Aber ich glaube, geschadet haben diese drei Monate meinem Team nicht. Es hat ihnen geholfen, etwas Abstand zu gewinnen. Trotzdem hätte ich lieber darauf verzichtet. Aber wie auch immer, ich habe sie zurück." Er schwieg und starrte an die Decke, in Gedanken bei den einsamsten Monaten seit über fünfzehn Jahren. Drei Monate ohne Jenny, ohne Team und ohne Hollis. Nun, bis auf Jenny hatte er sie alle zurückbekommen. Und vielleicht hatte Ducky recht - vielleicht war dieser Tod für Jenny die bessere Alternative gewesen.
Re: Ein Wintermärchen
Hollis
Gibbs´Worte zeigten Hollis auf wie schwer ihm das letzte Jahr gefallen war. Sie war froh, dass er ihr von sich aus davon berichtetet. Obwohl ihr dazu noch tausend Fragen auf der Seele brannten, stellte sie doch nur eine: Jennys Tod... Sie machte eine kurze Pause und musste schlucken. Sie und die Direktorin hätten sich nicht unbedingt als Freundinnen bezeichnet, aber sie hatte Respekt vor der resoluten Frau gehabt und sie auf eine Art bewundert. Es tat ihr furchtbar leid als sie von ihrem Tod erfahren hatte und konnte nicht glauben was die Medien berichteten. Eine NCIS- Direktorin starb nicht einfach bei einem Brand durch eine Rauchgasvergiftung. War es wirklich ein Unfall? Ihr fragender Blick als erfahrende Agentin ließ dabei keinen Zweifel zu, dass sie eine andere Vermutung hatte.
Re: Ein Wintermärchen
Gibbs
Jethro atmete tief durch. Er wusste, dass Hollis ihm ohnehin nicht glauben würde, wenn er bei der offiziellen Version blieb. "Nein," seufzte er schließlich. "Es war kein Unfall. Es war... eine lange Geschichte. Je weniger du davon weißt, desto besser. Sie... sie hat gewusst, was kommen würde. Tony und Ziva waren zu ihrem Schutz abgestellt, aber sie hat sie weggeschickt." Erneut dachte er an den Brief, den er auf ihrem Schreibtisch gefunden hatte und der nie beendet worden war. Er fragte sich noch immer, was Jen ihm hatte mitteilen wollen.
"Sie... sie hatte einen Tumor," fuhr er schließlich fort. "Ducky... Ducky sagt, sie hat einem schleichenden Tod ins Auge geblickt, aber... sie... sie hat nie etwas dazu gesagt. Ich habe gemerkt, dass etwas nicht in Ordnung ist, aber sie wollte nicht darüber sprechen. Und dann haben sie die Geister der Vergangenheit eingeholt... wenn du es so sehen willst, war es kalkulierter Selbstmord." Er verschwieg, dass Jenny gestorben war, um ihn zu retten. "Ich habe sie zum Flughafen gebracht, als sie nach L.A. geflogen ist. Da habe ich sie zum letzten Mal gesehen." Vor seinen Augen war sie noch immer lebendig. Sie drehte sich auf dem Weg zum Gate um und lachte ihn für einen Augenblick strahlend und ohne Sorgen an. Und genau so würde er sie für immer in Erinnerung behalten. Lachend und unbeschwert.
Re: Ein Wintermärchen
Hollis
Hollis stiegen unweigerlich Tränen in die Augen als ihr Gibbs´Worte bewusste wurden und sie begriff was er sagte. Jenny war todkrank gewesen und sie hatte gewusst, dass sie sterben würde. Oh Gott, was musste in dieser starken Frau vor sich gegangen sein? Und wie kam Gibbs damit klar? Warum hatte die Direktorin nicht mit ihm geredet, wo sie sich doch relativ nahe standen?
Das tut mir leid, erwiderte die blonde Agentin mit belegter Stimme und wich seinem Blick aus. Ihr war klar, dass es an dieser Stelle besser war nicht weiter nach zu haken, zumindest nicht was den genauen Umstand von Jennys Tod betraf. Aber eines konnte sie trotzdem nicht für sich behalten. Langsam blickte sie wieder auf und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Ihr habt euch mal geliebt, nicht wahr? Ich weiß es seitdem Tag als Jenny mich unter Vier Augen in ihrem Büro auf einen Bourbon einlud. Sie war eine beeindruckende Frau. Ich weiß nicht, ob ich den Schneid besitzen würde mit meiner Nachfolgerin auf dich anzustoßen.
Sie machte eine kurze Pause und holte Luft. Vielleicht war es ein Fehler ihn danach zu fragen, aber sie tat es trotzdem. Was ist damals geschehen? Warum hat es nicht funktioniert? Jetzt war es raus und sie sah Gibbs entschuldigend an. Sie hoffte, dass er verstand, dass sie es nur wissen wollte um nicht die gleichen Fehler zu begehen.
Re: Ein Wintermärchen
Gibbs
Überrascht blickte der Silberfuchs Hollis an. Von dieser Unterhaltung hatte er nichts gewusst, doch es überraschte ihn nicht sonderlich. Jenny war schon immer eine ungewöhnliche Frau gewesen, und er war in gewissem Sinne sogar erleichtert, dass sie Hollis mehr oder weniger ihren Segen gegeben hatte. Nicht, dass das jetzt noch eine Rolle gespielt hätte, aber es beruhigte ihn dennoch.
"Das ist eine gute Frage," antwortete er schließlich langsam auf ihre Frage. "Warum es nicht funktioniert hat, meine ich." Er dachte an einen regennassen Tag in Paris. "Ich weiß es nicht," gab er anschließend zu. "Ich habe nicht in ihren Karriereplan gepasst, nehme ich an. Und was den Schneid angeht... den hat sie damals jedenfalls nicht gehabt." Er konnte nicht verhindern, dass noch immer Bitterkeit bei diesen Worten mitschwang. "Sie hat mir nie gesagt, warum sie gegangen ist. Am Morgen, nachdem unser Auftrag beendet war, lag ein Brief auf meinem Tisch. Mehr nicht. Ich habe sie erst sechs Jahre später wiedergesehen, als Tom Morrow sie mir als seine Nachfolgerin vorgestellt hat."
Re: Ein Wintermärchen
Hollis
Die Enttäuschung in seiner Stimme war nicht zu überhören und Hollis beschloss das Thema ruhen zu lassen. Es war vorbei und somit alles gesagt. Die Direktorin hatte mit Sicherheit ihre Gründe, auch wenn Hollis nicht verstehen konnte, das man einen Mann wie Jethro wegen der Karriere gehen ließ. Ihr selbst war Karriere nicht allzu wichtig gewesen. Es gab andere Dinge in ihrem Leben denen sie mehr Priorität einräumte. Gibbs zählte von Anfang an dazu. Uhm, wer weiß schon was in einem Menschen vor sich geht. Aber immerhin haben wir diesem Umstand zu verdanken, dass wir uns begegnet sind, rundete sie das Thema ab und wechselte zum nächsten. Sag mal, wo darf ich überhaupt schlafen, wenn wir in D.C. sind? Deine Couch ist zwar ausgesprochen bequem, soweit ich mich daran entsinne, aber gibt es bei dir auch so etwas wie ein Bett?
Re: Ein Wintermärchen
Gibbs
Der Silberfuchs prustete bei ihrer letzten Frage beinahe los. Doch er hatte sich gut im Griff und erwiderte todernst: "Natürlich gibt es ein Bett in meiner Wohnung. Ist dir die Luftmatratze unter dem Boot nie aufgefallen?!"
Re: Ein Wintermärchen
Hollis
Das war nicht sein Ernst? Hollis warf ihrem Freund einen entgeisterten Blick zu. Doch dann grinste sie und erwiderte schelmisch: Gut zu wissen, da kann ich die Couch dann ganz alleine für mich beanspruchen und muss nicht immer aufpassen, dass du mich nicht von der Kante drängelst. Da sie nicht nur einmal bei ihm übernachtet hatte, kannte sie seine Schlafgewohnheiten sehr genau. Er konnte nicht nur beim Liebesspiel sehr stürmisch sein. Nein, selbst im Schlaf beanspruchte er jede Menge Freiraum. Er hatte es sogar in ihrem eigenen großen Bett geschafft, sie beinahe herauszuwerfen.
Doch bis es zu dieser Drängelei im Bett kam, würde noch eine Weile vergehen. Bis dahin gab es noch jede Menge andere Dinge zu tun. Damit ihnen in den kommenden Tagen nicht langweilig werden würde und sie nicht auf dumme Gedanken kamen, hatte Dr. Moore für jeden von ihnen einen separaten Rehaplan aufgestellt. Schon am nächsten Morgen sollte es mit Schonübungen los gehen und sich dann allmählich steigern.
Re: Ein Wintermärchen
Gibbs
Tatsächlich fanden beide Patienten in den folgenden Tagen nur wenig Zeit füreinander. Die Therapiepläne waren auch zeitlich geschickt aufeinander abgestimmt, so dass sie nur noch selten gemeinsam im Zimmer waren.
Jethro bemühte sich nach Kräften um eine rasche Genesung und lieferte sich harte Gefechte mit der Therapheutin, die ihn nur mühsam zu einer langsamen Gangart bringen konnte. Im Anschluss an diese Ringkämpfe (anders konnte man die Zusammenarbeit vermutlich beim besten Willen nicht bezeichnen) war der Agent für gewöhnlich so müde, dass er oft nicht einmal wach wurde, wenn Hollis ins Zimmer zurückkehrte. Umgekehrt schlief auch Hollis sehr viel, so dass die Zeit wie im Flug verstrich.
Als Jethro schließlich von einer erneuten Untersuchung bei Dr. Kinning zurückkehrte, blickte er seine Freundin überrascht an. "Sag mal, kann es sein, dass wir tatsächlich schon eine ganze Woche hier sind?! Der Doc hat mir eben verkündet, ich hätte mich so weit erholt, dass er mich morgen entlassen kann." Kopfschüttelnd setzte er sich auf seine Bettkante. "Wo bitte ist die Zeit geblieben?!"