Gerade habe ich die Fliegenköpfe-Einladung für Andy fertig. Bei der Recherche ist mir aufgefallen, dass so gut wie jeder Text von ihm hier in den Thread passen würde und einfach toll ist: www.establishmensch.de
(Vielleicht funktioniert's auch nur, wenn man ihn beim Lesen hört. Was meint ihr?)
Frauen neigen zum Gegenteil.
____________________ Hier stand früher: "Frauen neigen zum Gegenteil." Aber jetzt nicht mehr.
Re: Grenzgänger
Muss ja nicht immer alles Slam sein. Ich finde das Ende witzig. Judith soll mal endlich ein Buch veröffentlichen, dass man ihre Geschichten mal alle gedruckt lesen kann.
Das Leben ist ein Fluss. Es geht abwärts.
Re: Grenzgänger
Leutchen, ich hab das Ende umgeschrieben, nach Klingeln. Zweimal. Stille. Atmen. Pause. Schuhe stehen? Nicht los! Seidenbuchstaben nachfahren. Klingeln gehts so weiter:
Zweimal? Stille. Fünfmal? Atmen. Pause. Seidenbuchstaben, immer wieder. Schuhe stehen? Nicht los! Nein, nicht los! Hilfe. Pause. Atmen schwierig. Seidenbuchstaben sind so schön, nachfahren, Atmen, Pause, Atmen, Pause, Atmen ..Uhr! 10 Minuten? Atmen!!!! Pause
Da! Doktor steht da. Rütteln an Doktorschulter. Doktor müde. Doktor schließt auf. Halt! Schlüssel gleitet nicht! Kein Ssitt. Kein Aufzuaufzu. Kein Klickklick. Doktor schiebt. Schrappschrapp über dreckige Fließen. Störender Sand. Da: Doktors Gesicht! Falten, ekelhafte Knitterfalten, Kopfkissenfalten im Doktorgesicht. Glattziehen, Murat? Nicht da. Jetzt! Selbermachen. Doktor schreit, Blut überall, Doktor auf dreckige Fliesen. Kein Schrappschrapp!!!
Wieviel Schritte zur Tür? Zu schnell, kein Zählen, laute Straße, Laufen! Murats Kiosk, Türgebimmel, ohne Klickklick, Snickers, viel Snickers, alle essen, Murat am Telefon, Murat lächelt nicht. Murat zeigt auf Kleidung. Da, Blut! Falten? MURAT! Atmen, keine Pause. Hilfe. Snickers so lecker. Pause Pause Pause. Türgebimmel. Männer in Uniform. Männer nett. Ein Mann Doktor? Fremder Doktor piekst am Arm. Atmen. Pause. Atmen. Pause. Schwindel.
Dunkel.
Wie findet Ihr das?
Re: Grenzgänger
Die Leibeigene
Man weckte sie immer genau dann, wenn sie gerade in die Traumphase hinüber geglitten war. Man hinderte sie auch am Schlafen, indem man sie zwang, unbeweglich auf einem Stuhl zu verharren, stundenlang. Und sollte ihr Kopf doch einmal wegknicken, dann fing das Geschrei an, direkt neben ihr.
Tagsüber und auch nachts zwang man sie zur Arbeit. Sie arbeitete als Wäscherin, Köchin, Botin, Hure, Erzieherin, Putz- und Pflegekraft. Sie arbeitete in allen Professionalitäten gleichzeitig, in Doppelschicht, immer Nachtschicht oder Bereitschaftsdienst und bekam keinen Zuschlag, weder für die Nächte, noch für Schlechtwetter oder irgendwelcher erschwerten Bedingungen sonst. Natürlich nicht, denn sie bekam ja auch keinen Lohn für ihre Arbeit.
Die steten Arbeitsunterbrechungen, der ständige Mangel an Schlaf und die permanente Überarbeitung hatten eine gewisse Konzentrationsschwäche zur Folge. Sie ließ unversehens Gegenstände fallen oder vergaß wichtige Dinge, dachte dafür aber allzu oft an Nebensächliches. Und auf einen Fehler ihrerseits folgte wieder das laute Geschrei, manches Mal auch die wüsten Beschimpfungen, selten auch Schläge.
Zurückschlagen war übrigens für sie strengstens verboten.
Manchmal saß sie erschöpft auf ihrem Stuhl und ließ die Arme rechts und links herunter hängen, weinte bitterlich. Aber das tat sie nur, wenn sie alleine war, denn erwischte man sie dabei, fing das ganze Prozedere wieder von vorne an und man warf ihr auch noch mangelndes Engagement, fehlende Arbeitstruktur oder gar Faulheit vor.
Und selbst wenn sie meinte, alles zur allgemeinen Zufriedenheit erledigt zu haben, so wurde ihr gegenüber doch nie Dank oder Lob ausgesprochen. Gelegentlich wurde ihr dann das von ihr gekochte Essen um die Ohren geschmissen, selbst wenn sie es richtig zubereitet hatte. Diese Sauerei musste sie dann aufwischen, auf Knien rutschend, während die Verursacher einfach fort gingen und sich vergnügten. Zeit zum Duschen fand sie danach meist nicht.
Eines Tages dann, hielt sie ihr Leben plötzlich nicht mehr aus. Sie setzte sich ins Auto und fuhr damit gegen eine Mauer. Doch überraschenderweise blieb sie unverletzt. Als die Polizei ihre Personalien aufnahm, da fragte man sie nach ihrem Arbeitgeber, nur für die Akten freilich, fragte man sie das. Sie schaute verständnislos.
Na, Ihren Beruf, meine Dame, möchten wir wissen...
Als sie dem Uniformierten erklärte, was sie war und weshalb sie das getan hatte, notierte er kopfschüttelnd auf dem Formular:
Hausfrau und Mutter, überfordert.
Re: Grenzgänger
Ach ja, die lieben Kleinen ...
Der nächste bitte!
Re: Grenzgänger
... ich komm mit dem Lesen nicht nach (aber bleibe dran).
Frauen neigen zum Gegenteil.
____________________ Hier stand früher: "Frauen neigen zum Gegenteil." Aber jetzt nicht mehr.
Re: Grenzgänger
Hah!
Re: Grenzgänger
Häh?
Re: Grenzgänger
Jetzt habe ich mir die Zeit zum Lesen genommen. Beim Lesen der ersten sätze habe ich mich gefragt, ob der Schluss so sein wird, wie er dann tatsächlich ist, oder ob doch noch eine Überraschung kommt. Sorry, aber ich finds durchschaubar. (Zum Stil selbst, sag ich nix mehr. Ich kann mich da nur wiederholen. )
Zwei kleine, kritische Anmerkungen zu etwas, das mir spontan aufgefallen ist:
Ich denke, es müsste "Professionen" und nicht "Professionalitäten" heißen.
Bei "das ganze Prozedere" fände ich es stilistisch besser, auf die umgangssprachliche Verwendung des Wortes "ganze" zu verzichten, es entweder komplett wegzulassen oder durch ein Adjektiv auszutauschen (z.B. "vollständige", "erniedringende" oder "zermürbende".
Frauen neigen zum Gegenteil.
____________________ Hier stand früher: "Frauen neigen zum Gegenteil." Aber jetzt nicht mehr.
Re: Grenzgänger
Die Überraschung könnte ich noch in petto haben, denk ich. Es war schwierig, das Ganze so zu verfremden, dass darin nicht zuviel gesellschaftliche Verurteilung mitschwingt....
Ja, Du hast recht, es ist durchschaubar, deshalb muss das Ende überraschender sein.